Falschauskunft bei Stornierung
AG Dortmund: Falschauskunft bei Stornierung
Vorliegend buchte der Kläger bei der beklagten Deutschen Bahn ein Ticket, wodurch die Parteien einen Transportvertrag schlossen. In den allgemeinen Vertragsbedingungen der DB ist u.a. eine Stornomöglichkeit bis drei Tage vor Abfahrt aufgeführt. Als der Kläger die gebuchten Tickets telefonisch stornieren wollte, wurde ihm mitgeteilt, dies sei nicht mehr möglich. Er verlangt folglich Rückzahlung des bereits gezahlten Ticketpreises und Schadenersatz für die angefallenen Telefongebühren.
Das Amtsgericht entschied zugunsten des Kläger und spricht ihm einen solchen Rückzahlungsanspruch gemäß §346 BGB zu. Ferner stehe ihm ein Schadensersatzanspruch für die Telefongebühren gemäß §280 BGB zu.
AG Dortmund | 104 C 983/06 (Aktenzeichen) |
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AG Dortmund: | AG Dortmund, Urt. vom 12.04.2006 |
Rechtsweg: | AG Dortmund, Urt. v. 12.04.2006, Az: 104 C 983/06 |
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Leitsatz:
2. Ist eine Vertragsbedingung nicht eindeutig formuliert, so wird diese gemäß §305c BGB zu Gunsten des Kunden ausgelegt.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall schloss der Kläger mit der Deutschen Bahn (DB) einen Transportvertrag. In den Vertragsbedingungen ist u.a. aufgeführt, dass die Storno- bzw. Umbuchung bis drei Tage vor Abfahrt möglich sei. Als der Kläger die gebuchte Fahrt stornieren wollte, wurde ihm mitgeteilt, eine Stornierung sei nicht mehr möglich. Er verlangt nun Rückzahlung des bereits gezahlten Ticketpreises und Schadensersatz für angefallene Telefongebühren.
Das Amtsgericht Dortmund entschied, dass der Kläger wirksam zurückgetreten sei und ihm alle empfangenen Leistungen gemäß §346 BGB zurückzugewehren seien. Die verwendete Formulierung über die Stornierungsmöglichkeiten sei ungenau und lasse nicht erkennen, ob ein Rücktritt bis einschließlich drei Tage vor Fahrtantritt oder lediglich wie in den AGB’s für den Internetverkauf ab drei Tage vor Reisedatum nicht mehr möglich sein solle. Bei Zweifeln über die Auslegung werde zu Lasten der Beklagten entschieden, sodass die Stornierung bis zu drei Tage vor Fahrtantritt möglich sei.
Mithin steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch für die Telefongebühren gemäß §280 BGB zu, da die Beklagte dem Kläger mitteilte, eine Stornierung sei nicht möglich und dies eine Falschauskunft darstelle, was gegen ihre vertragliche Nebenpflicht in Form einer Aufklärungspflicht vertoße.
Tenor
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 123,97 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 227,00 Euro für den Zeitraum vom 22.08.2005 bis 29.09.2005 und auf einen Betrag in Höhe von 113,50 Euro ab dem 30.09.2005, auf 10,47 Euro seit dem 18.11.2005 sowie 26,69 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
6. Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.
7. Der Kläger hat gegen die Beklagte zunächst einen Anspruch auf Zahlung von 113,50 Euro. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus § 346 BGB.
8. Danach sind im Fall des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Kläger ist vorliegend wirksam von dem zwischen den Parteien geschlossenen Transportvertrag zurückgetreten. Der Rücktritt des Klägers am 05.08.2005 erfolgte noch fristgerecht. Laut dem von dem Kläger vorgelegten Screen-Shot ist eine „Storno-/Umbuchung bis drei Tage vor Abfahrt“ möglich.
9. Zwar läßt diese Formulierung nicht eindeutig erkennen, ob ein Rücktritt bis einschließlich drei Tage vor Fahrtantritt oder lediglich wie in den AGB’s für den Internetverkauf unter Ziffer 8.5 ausgeführt ab drei Tage vor Reisedatum nicht mehr möglich sein soll. Zweifel bezüglich der Auslegung gehen jedoch gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten, so dass zu Gunsten des Klägers davon auszugehen ist, dass bis einschließlich drei Tage vor Fahrtantritt ein Rücktritt möglich war.
10. Die Beklagte kann sich nicht auf die Regelung in Ziffer 8.5 der AGB’s für den Internetverkauf berufen, da eine abweichende Regelung bezüglich der Stornierungsmöglichkeiten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach den Umständen überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB sind. Bei den überreichten Screen-Shots handelt es sich um die erste Bildschirmoberfläche, die vom Kunden ausgefüllt werden muss. Der Kunde muss nicht damit rechnen, dass im weiteren Verlauf von den in der ersten Bildschirmoberfläche gemachten Angaben abgewichen wird.
11. Der Rückzahlungsanspruch ist auch nicht dadurch entfallen, dass sich die Beklagte in den „Beförderungsbedingungen für die Benutzung von DB-Autozügen“ (BBAZ) unter Ziffer 2.7.2 bei Rücktritt ab dem sechsten Tag vor Fahrtantritt das Einbehalten von 50 % des Beförderungspreises vorbehalten hat. Die Klausel widerspricht der Regelung unter Ziffer 6.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die der Kläger als Screen-Shot vorgelegt hat. Danach wird bis zu einem Tag vor Abfahrt ein sogenanntes „Rücknahmeentgelt“ in Höhe von 10 % erhoben. Es handelt sich mithin um sich selbst widersprechende AGB’s, was dazu führt, dass keine der beiden Regelungen vorliegend wirksamer Bestandteil des Vertrages geworden ist.
12. Auch die Vorschriften des Übereinkommens über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) bzw. die Rechtsvorschriften über den Vertrag über die Internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck (CIF) ändern an der vorstehenden Bewertung nichts. Die vorgenannten Regelungen enthalten lediglich zu berücksichtigende Mindestanforderungen. Ein Unternehmen kann zu Gunsten des Kunden hiervon jedoch abweichen.
13. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Zahlung von 10,47 Euro.
14. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus § 280 BGB. Die Beklagte hat durch die Falschauskunft, eine Stornierung sei nicht möglich, gegen ihre vertragliche Nebenpflicht in Form einer Aufklärungspflicht verstoßen. Hierdurch sah sich der Kläger nachvollziehbar dazu veranlasst, weitere Telefonate mit der Beklagten zur Klärung des Sachverhalts zu führen, die er aufgrund seiner örtlichen Situation nur übers Handy führen konnte. Die Handykosten sind als Schadensersatz von der Beklagten zu erstatten.
15. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugszinses gemäß §§ 286, 288 BGB. Wobei Verzug bezüglich der Forderung in Höhe von 227,00 Euro erst zum 22.08.2005 eingetreten ist. Der Kläger hat der Beklagten eine Zahlungsfrist bis zum 21.08.2005 gesetzt, so dass erst mit Ablauf dieses Tages Verzug eingetreten ist. Bezüglich des weitergehend gemachten Zinsschadens war mithin die Klage abzuweisen.
16. Die nicht anrechenbare Geschäftsgebühr des von dem Kläger eingeschalteten Anwalts ist ebenfalls durch die Beklagte zu tragen.
17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits da die Zuvielforderung des Klägers verhältnismäßig gering gewesen ist und keine weiteren Kosten verursacht hat.
18. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
19. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO ersichtlich nicht vorliegen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung durch das Berufungsgericht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
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