Pflichtverletzung bei Wanderung
OLG Koblenz: Pflichtverletzung bei Wanderung
Eine Urlauberin nimmt an einer von ihrem Reiseveranstalter organisierten Wanderung teil. Weil es zwischenzeitlich stark geregnet hatte, ist der Wanderweg schlecht begehbar. Die Klägerin stürzt und zieht sich erhebliche Verletzungen zu.
In der Folge verklagt sie den Veranstalter auf Schadensersatz wegen der Verletzung seiner Fürsorgepflicht.
Das Oberlandesgericht Koblenz hat die Forderung der Klägerin abgewiesen. Es liege lediglich im Aufgabenbereich des Veranstalters die Wanderung zu organisieren. Für etwaige Fehltritte der Teilnehmer sei er nicht verantwortlich.
OLG Koblenz | 5 U 34/13 (Aktenzeichen) |
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OLG Koblenz: | OLG Koblenz, Urt. vom 18.02.2013 |
Rechtsweg: | OLG Koblenz, Urt. v. 18.02.2013, Az: 5 U 34/13 |
LG Koblenz, Urt. v. 04.12.2012, Az: 1 O 155/12 | |
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Leitsätze:
2. Veranstalter von Wanderungen haben vor der Wanderung, die Strecke auf die Begehbarkeit zu prüfen.
Hinweispflichten auf Gefahren entstehen für die Veranstalter erst dann, wenn ein Streckenabschnitt nur mit sehr großen Bemühungen überwunden werden kann.
Aus dieser Pflichtverletzung kann sich auch ein Anspruch auf Schadensersatz bilden.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin war Teilnehmerin einer organisierten Wanderung der Beklagten. Aufgrund des Regens und der nassen Erdoberfläche, stürzte die Klägerin und verletze sich erheblich.
Sie begehrt von der Beklagten eine Schadensersatzzahlung. Als Grund dafür sieht die Klägerin eine Pflichtverletzung, da sie der Ansicht ist, dass bei solchen Wetterverhältnissen die Wanderstrecke hätte gesperrt werden müssen oder man sie zumindest auf die erhöhte Unfallgefahr hätte hinweisen müssen.
Das Oberlandesgericht Koblenz hat die begehrte Schadensersatzzahlung der Klägerin abgelehnt. Die Hauptpflicht der Klägerin bestehe im Organisieren der Wanderung. Gegen diese Pflicht wurde eindeutig nicht verstoßen. Eine Hinweispflicht auf Gefahren oder eine Streckensperrung ergibt sich nur dann, wenn das begehen der Strecke mit sehr hohen Bemühungen erst möglich ist, was hier nicht der Fall war.
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Reisevertrag, gemäß §280 I BGB, entstehe nur, wenn eine der Parteien eine der ihm obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten verletze. Vorliegend war es die vertragliche zugesicherte Pflicht des Reiseveranstalters, Freizeitaktivitäten, hier in Form einer Wanderung, anzubieten.
Eine generelle Schutzpflicht des Beklagten für jeden Teilnehmer sei hieraus allerdings nicht abzuleiten.
Tenor:
4. Es ist beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Gründe:
5. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:
6. Die Klägerin nimmt den beklagten Verein auf materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie Erstattung vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch. Bei einer vom Beklagten zwischen Donnerstag, dem 23. Juni 2011 (Fronleichnam), und Sonntag, dem 26. Juni 2011, organisierten Wanderveranstaltung im und rund um das Ahrtal soll der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt haben.
7. Wie bereits an den Tagen zuvor regnete es am 23. Juni 2011 im Wandergebiet ergiebig. Die Klägerin, die sich beim Beklagten zu einer Wanderung auf einen „Teufelsloch“ genannten Aussichtspunkt bei …[X] angemeldet hatte, stürzte beim Abstieg vom „Teufelsloch“ und verletzte sich erheblich.
8. Die Klägerin trägt vor, die Wanderstrecke bergab habe sich am Unfalltag in einem derart gefährlichen Zustand befunden, dass der Beklagte sie habe sperren müssen. Alternativ sei an die Aufstellung von Warnschildern oder Haltepfosten zu denken, was der Beklagte ebenfalls versäumt habe.
9. Der Beklagte hat erwidert, ihre Mitarbeiterin …[A] habe vom …[B]verein die Mitteilung erhalten, auch die Wege vom und zum Teufelsloch seien trotz des Starkregens begehbar. Die Klägerin sei infolge eigener Unachtsamkeit gestürzt.
10. Das Landgericht, auf dessen Entscheidung zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat unter Hinweis auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken (4 U 212/04) die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Dass der tagelange Dauerregen die Wanderwege rutschig gemacht habe, sei offenkundig gewesen. Die daraus erwachsenden konkreten Gefahren habe die Klägerin nach ihren Erklärungen bei der Parteianhörung auch erkannt. Unterstelle man, dass der Weg tatsächlich infolge des Dauerregens unpassierbar geworden sei, habe der Beklagte gleichwohl nicht pflichtwidrig gehandelt, weil nicht erwartet werden könne, dass er sämtliche Wanderpfade ständig kontrolliere, um unverzüglich auf sich eröffnende Gefahren zu reagieren. Schließlich spreche auch vieles für ein jedweden Ersatzanspruch ausschließendes Mitverschulden der Klägerin, der bereits die Wege beim Anstieg gefährlich glatt erschienen seien, so dass sie mit einer Steigerung dieser Gefahrenlage beim Abstieg auf der gewählten Alternativroute habe rechnen müssen.
11. Dagegen richtet sich die Berufung, mit der die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt werden. Die Klägerin wiederholt, vertieft und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen.
12. Das Rechtsmittel erscheint aussichtslos. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Was die Berufung vorbringt, ist nicht stichhaltig.
13. Anders als in Fällen, bei denen etwa ein Waldeigentümer wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen wird (vgl. dazu aus der neueren Rechtsprechung die in VersR 2012, 1528 – 1531 abgedruckte Entscheidung des BGH vom 2.10.2012 – VI ZR 311/11), geht es im vorliegenden Fall um eine vertragliche Haftung des Beklagten wegen Schlechterfüllung des Vertrages, durch den er sich verpflichtet hatte, die Wanderung zu organisieren.
14. Der Klageerwiderung entnimmt der Senat, dass die Klägerin nach der Anmeldung ein Entgelt bezahlen musste und eine Stempelkarte erhielt, die an den jeweiligen Wanderzielen abgestempelt werden sollte. Ein eingeschränktes Haftungsmaß, das bei bloßen Gefälligkeiten in Betracht kommt, steht also nicht zur Debatte.
15. Dass auch der Beklagte bereits seinerzeit eine rechtliche Einstandspflicht sah, erschließt sich daraus, dass er die Infobroschüre, die den Teilnehmern zusammen mit der Stempelkarte übergeben wurde, mit dem Hinweis versehen hatte, dass die Teilnahme an der Wanderung auf eigene Gefahr erfolge und die Haftung des Veranstalters ausgeschlossen sei. Diesem Vorbringen (SS vom 18. Juni 2012, Seite 3 – Bl. 19 GA), ist die Klägerin mit der Rechtsansicht entgegen getreten, das könne dem Beklagten „nicht zugute kommen“, weil es hier um bedingten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit gehe (SS vom 25.07.2012, Seite 3 – Bl. 30 GA). Dieses Vorbringen der Klägerin zielt einerseits auf § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung für Vorsatz nicht im Voraus erlassen werden kann, und im Übrigen auf § 309 Nr. 7 BGB, wonach Klauseln unwirksam sind, die bei Körperverletzungen die Haftung für fahrlässige und bestimmte vorsätzliche Pflichtverletzungen ausschließen.
16. Anders als die Klägerin anscheinend meint, steht eine vorsätzliche Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Beklagten nicht zur Debatte.
17. Nach Auffassung des Senats lässt sich aber auch eine fahrlässige Pflichtverletzung (§§ 280, 281 BGB) des Beklagten nicht feststellen. Es steht außer Zweifel, dass die Wegstelle, an der die Klägerin stürzte, gewöhnlich bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gefahrlos begangen werden kann. Dementsprechend stellt die Berufung auch die widrige Witterung am Tag des Unfalls und an den Tagen zuvor in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen, indem sie behauptet, erst durch den Dauerregen sei der Streckenabschnitt unpassierbar geworden.
18. Dazu ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden muss. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind.
19. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Risikozuweisung hinsichtlich wandertypischer Gefahren auf steilen Wegstrecken bei Dauerregen ist eine Haftung des Beklagten vorliegend nicht gegeben. Wie der Senat weiß (§ 291 ZPO) ist das Wandergebiet zerklüftet; die mäandernde Ahr hat sich tief in die gebirgige Landschaft um …[X] gegraben. Bei Wanderungen oberhalb des im Talkessel gelegenen Ortes sind daher steile An- und Abstiege zu bewältigen. Auch das konkrete Ziel der Klägerin vermittelt bereits mit dem Namen „Teufelsloch“ nicht die Vorstellung, der Weg dorthin sei ein gemütlicher Spaziergang ohne jedwede widrigen Streckenabschnitte. Hinzu kam, dass der Dauerregen auch am Unfalltag anhielt. All das musste der Beklagte in seine Überlegungen zu der Frage einbeziehen, ob die Wanderstrecken auch in besonders steilen Abschnitten noch gefahrlos zu bewältigen waren. Dass die Sturzgefahr in steilen Abschnitten deutlich erhöht ist, steht außer Frage, ist jedoch haftungsrechtlich irrelevant, weil die daraus resultierende allgemeine Gefährdung vertrags- und veranstaltungsimmanent war, weil kein Wanderer ernsthaft erwarten kann, dass die Gesetze der Schwerkraft in Steilstrecken denen in der Ebene entsprechen. Zu einer reaktionspflichtigen Gefahrenlage konnte sich das Ganze erst dann verdichten, wenn einzelne Streckenabschnitte witterungsbedingt nur unter Anstrengungen passiert werden konnten, die von einem durchschnittlichen Wanderer nicht zu bewältigen waren.
20. Das lässt sich hier für die Zeitspanne bis zum Unfall der Klägerin nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Angaben der Klägerin bei der Parteianhörung deuten in eine andere Richtung. Danach hatte die Veranstaltung um 10.00 Uhr begonnen. Gegen 12.30 Uhr erreichte die Klägerin mit ihren Wanderkameraden das Teufelsloch. Der dortige Aussichtspunkt war bereits wegen der hohen Teilnehmerzahl gesperrt worden. Dem entnimmt der Senat, dass es zahlreichen Wanderern gelungen war, den Aussichtspunkt auf den dafür vorgesehenen Wegen zu erreichen, ohne Schaden zu nehmen. Dass alle Wanderer dabei den Weg gemieden hatten, auf dem die Klägerin beim späteren Abstieg stürzte, liegt fern und wird von der Berufung auch nicht behauptet. Daraus erschließt sich, dass die Stelle, an der die Klägerin stürzte, bis kurz vor dem bedauerlichen Unfall, noch passierbar war. Mithin hätten auch die Mitarbeiter des Beklagten frühestens aufgrund des Sturzes der Klägerin die Erkenntnis gewinnen müssen, dass eine Sperrung des Weges oder eine Sicherung der Gefahrenstelle geboten war. Bei dieser Sachlage war für den Beklagten im Schadenszeitpunkt nicht erkennbar, dass eine Sicherungs- und Warnpflicht bestand, der er nicht nachgekommen war. Mangels Verschulden des Beklagten hat das Landgericht daher die Klage zu Recht abgewiesen, ohne dass es noch darauf abkommt, ob die von der Klägerin als kränkend empfundenen Erwägungen des Einzelrichters zum vermeintlich weit überwiegenden Eigenverschulden der Klägerin zutreffen.
21. Nach alledem sollte die Klägerin erwägen, das Rechtsmittel aus Kostengründen zurückzunehmen.
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