Erstattungsfähigkeit der Kosten der Selbsthilfe

LG Frankfurt: Erstattungsfähigkeit der Kosten der Selbsthilfe

Der Kläger hatte bei der Beklagten einen Skiurlaub in Schwarzsee gebucht. Er verließ sich durch die Höhenangabe der Beklagten von 1500 Metern, dass Schnee liegen und Ski fahren möglich sein würde. Dem war nicht so. Durch die falsche Zusicherung musste die Beklagte daher für die Kosten der Fahrten zu befahrbaren Pisten aufkommen.

LG Frankfurt 2-24 S 480/89 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 25.02.1991
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 25.02.1991, Az: 2-24 S 480/89
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 25. Februar 1991

Aktenzeichen 2-24 S 480/89

Leitsatz:

2. Von der Reiseveranstalterin getätigte Aussagen über das Wetter sind zugesicherte Eigenschaften einer Reise.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten als Reiseveranstalterin eine Skireise nach Schwarzsee gebucht. Diese hatte in ihrem Prospekt eine Höhenangabe von 1500 Meter verwendet, die sich jedoch nicht auf den deutlich tiefer gelegenen Urlaubsort bezog und auch auf die nahegelegenen Pisten nicht zutraf. Letztlich ließ es der geringe Schneefall unterhalb der zugesicherten Höhe nicht zu, dass Ski gefahren oder die Sessellifts benutzt wurden. Der Kläger schaffte selbst Abhilfe, indem er zu weiter entfernten Pisten fuhr. Für den Reisemangel und die Kosten der Selbstabhilfe verlangte er eine Reisepreisminderung bzw. Kostenerstattung.

Das Landgericht Frankfurt gab dem Kläger weitgehend recht. Zwar könne die Reiseveranstalterin nicht für den milden Winter zur Verantwortung gezogen werden. Sie hatte jedoch selbst die Gewährleistung übernommen, insofern in der falsch angegebenen Höhenlage und der Zusicherung der Möglichkeit von Wintersport eine zugesicherte Eigenschaft der Reise lag. Diese war letztlich nicht gegeben und es lag ein Mangel vor. Da der Kläger diesem selbst Abhilfe geschaffen hatte, war die Entschädigung hierfür über den Minderungsanspruch wegen der Mangelhaftigkeit zu stellen. Er erhielt 444,- DM.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 444,– DM nebst 4% Zinsen seit 2.6. 1989 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten beider Rechtszüge tragen der Kläger 55%, die Beklagte 45 %.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, Ehefrau und 6-​jähriges Kind eine Pauschalreise nach Schwarzsee (F Oberland) für die Zeit vom 26.12.1988 bis 07.01.1989 zu einem Pauschalpreis von 3.360,– DM (bei eigener Anreise). In dem Reiseprospekt der Beklagten wird unter Überschrift „Schwarzsee“ eine Höhenlage von 1560 m sowie Embleme für Skiabfahrts- und Skilanglauf angegeben. In der darunter befindlichen Ortsbeschreibung heißt es:

6. „Die Skigebiete von Riggisalp, Seeligrat und Schwyberg werden erschlossen von 1 Sessel- und 9 Schleppliften. Pferdeschlittenfahrten, Langlauf, Eislauf auf dem See und viele Wandermöglichkeiten runden das Wintersportangebot ab.“

7. Unstreitig bezog sich die Höhenangabe von 1560 m nicht auf den Ort Schwarzsee und das angebotene Hotel, die lediglich 1046 m hoch liegen. Mit Sesselbahnen und Skiliften kann man von dort … auf die Riggisalp (1353, 1751 m), Schwyberg (1628 m) sowie Seeweid (1412 m) gelangen. Zur Zeit des Aufenthaltes des Klägers waren die Schneeverhältnisse im Ort derart, daß ein Skilaufen dort nicht möglich war.

8. Der Kläger hat eine Minderung und Kosten der Selbstabhilfe von 1.000,– DM verlangt und vorgetragen: Er sei nur durch die Höhenangabe von 1560 m veranlaßt worden, Schwarzsee als Zielgebiet zu wählen. Die Lifte in Schwarzsee seien mangels Schnee nicht zu benutzen gewesen. Ein Schlepplift auf die Riggisalp sei in Betrieb gewesen, der aber wegen künstlicher Vereisung und ausdrücklicher Warnung nur mit Gefahr hätte benutzt werden können. Der Sessellift nach Schwyberg sei zwar in Betrieb gewesen, dort habe zwar Schnee gelegen, aber mangels Schnees seien von dort keine Abfahrten möglich gewesen. Aufgrund dieser Umstände sei er gezwungen gewesen, beschwerliche Autofahrten zu Schneegebieten durchzuführen, nämlich viermal nach Kandersteg und viermal nach Gantrisch. Der Kläger hat geltend gemacht:

9. Minderung in Höhe von 1/3 des Reisepreises = 1.000,– DM, hilfsweise:

a) Km-Geld von 0,45/km für die Ersatz­fahrten 468,– DM
b) Zusätz­liche Liftge­bühren 220,– DM
c) Verpfle­gungs­mehr­aufwand für hotel­fremde Verpflegung 160,– DM
848,– DM.

10. Der Kläger hat beantragt,

11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 1.000,– nebst 4% Zinsen seit 27.01.1989 zu bezahlen.

12. Die Beklagte hat beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Sie hat vorgetragen, daß nach den damaligen allgemeinen Schneeverhältnissen in den Alpen die Möglichkeit des Skifahrens auch in höheren Lagen gleich schlecht gewesen sei. Außerdem sei dem Kläger die Benutzung des Schleppliftes auf die Riggisalp möglich und zumutbar gewesen.

15. Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26.09.1989 mit der Begründung abgewiesen, die „geschuldete Höhenlage“ habe keinen Einfluß auf die Schnee- und Skiverhältnisse gehabt. Außerdem seien dem Kläger und seiner Familie die Benutzung des „Skischleppliftes“ nach Schwyberg möglich gewesen.

16. Gegen das am 12.10.1989 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.11.1989 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung bis 15.01.1989 – am 29.12.1989 begründet.

17. Die Parteien wiederholen ihr bisheriges Vorbringen.

18. Der Kläger beantragt,

19. unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt vom 26.09.1989 – 31 C 2145/89-​78 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 1.000,– nebst 4% Zinsen seit dem 27.01.1989 zu zahlen.

20. Die Beklagte beantragt,

21. die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

22. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch teilweise Erfolg.

23. Dem Kläger steht nach dem unstreitigen Parteivorbringen ein Zahlungsanspruch in Höhe von 444,– DM zu.

1.

24. Die Beklagte ist im Rahmen des § 651 c BGB gewährleistungspflichtig.

25. Die Reise des Klägers war wegen der schlechten Schneeverhältnisse am Urlaubsort mit einem Fehler behaftet, die ihren Wert und ihre Tauglichkeit zu dem vorgesehenen Urlaubszweck minderte. Zwar ist nach der Rechtsprechung der Kammer ein Reiseveranstalter in der Regel nicht für schlechte Schneeverhältnisse am Urlaubsort verantwortlich, da es sich insoweit nicht um Umstände handelt, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (Führich) Reiserecht, 1990, Rdnr. 214, 246, 866; vgl. außerdem Kammer, NJW – RR 1990 – Algenpest). Etwas anderes muß gelten, wenn der Reiseveranstalter durch besondere Erklärungen den Reisenden in den Glauben versetzt hat, er könne im Winter am Urlaubsort mit entsprechenden Schneeverhältnissen rechnen. Das Amtsgericht München hat dies für einen Fall bejaht, in dem der Reiseveranstalter im Prospekt die Schneesicherheit besonders hervorgehoben hat („Ganzjahresskilauf“), so daß eine Zusicherung vorliegt. In vorliegendem Fall hat die Beklagte durch eine falsche Höhenangabe der Ortschaft falsche Vorstellungen bei dem Reisenden hinsichtlich der Schneeverhältnisse geweckt. Unstreitig liegt der Ort Schwarzensee nur 1046 m ü.M. Die Prospektangabe mit 1560 m, die sich offenbar auf umliegende höhere Almen bezog, war zumindest mißverständlich, wenn nicht sogar falsch. Denn bei einer Höhenangabe im Anschluß an die Ortbezeichnung kann der Reisende davon ausgehen, daß der Ort selbst die entsprechende Höhenlage aufweist. Dies jedenfalls dann, wenn nur eine Höhenangabe erfolgt, während bei zwei Höhenangaben die erste sich auf den Ort, die zweite auf höherliegende, erreichbare Ziele erst-​reckt. Der Kläger konnte nach der Prospektangabe davon ausgehen, daß Schwarzensee eine Höhe von 1560 m aufweist, und in Verbindung mit den weiteren Hinweisen auf höherliegende Skigebiete mit Sessel- und Schlepplifte, untermalt mit einem Bild von Schwarzsee und umliegenden Bergen die Gewißheit haben, im Dezember/Januar in schneesichere Höhenlagen von ca.2000 m zu gelangen.

26. Tatsächlich war dies nicht der Fall. In Schwarzsee lag offenbar kein Schnee die mit dem Schleppliften erreichbaren Orte Riggisalp und Schwyberg wiesen zwar Schnee auf, gaben aber keine Gelegenheit zu Langlauf und Skiabfahrten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Schlepplift nach Riggisalp wegen künstlicher Vereisung überhaupt in zumutbarem Benutzungszustand war. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die allgemeinen Schneeverhältnisse in den Alpen seien schlecht gewesen. Im Hinblick darauf, daß der Kläger zu anderen Orten mit besseren Schneeverhältnissen gefahren ist, hätte die Beklagte diesen Einwand substantiieren müssen.

2.

27. Der Kläger kann zunächst die Kosten der Selbstabhilfe verlangen, die er durch Fahrten zu einem befahrbaren Skigebiet unternommen hat (§ 651 c III BGB): Die Kosten sind vorrangig gegenüber der Minderung, da insoweit der Reisemangel (ganz oder teilweise) behoben ist. Eine Minderung kann nur in Betracht kommen, soweit mit der Selbstabhilfe erhebliche Erschwernisse verbunden waren, die ihrerseits noch einen Reisemangel darstellen.

a)

28. Die Kosten der Selbstabhilfe sind aber nur im Rahmen des Notwendigen zu erstatten. Der Kläger hat hier das Fahrgeld für jeweils vier Fahrten nach Gantrisch und Kandersteg verlangt. Die Kammer erachtet die Fahrten nach dem etwa 95 km entfernten Kandersteg nicht mehr als im Bereich des Notwendigen liegend, da der Kläger trotz Auflage nicht genügend dargelegt hat, daß die Fahrten nach Kandersteg zur Erreichung eines Gebietes mit der Möglichkeit zum Skifahren unbedingt notwendig waren. Sein Vortrag, daß Kandersteg zwei in verschiedenen Lagen zusammenhängende Liftsysteme aufweise, reicht hierfür nicht aus. Eine Fahrstrecke von 190 km für Hin- und Rückfahrt würde im übrigen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern (§ 651 c II S. 2 BGB). Dem Kläger und seiner Familie war vielmehr zumutbar, sich zum Ausgleich des Reisemangels mit den Fahrten zum nahegelegenen Gantrisch zu begnügen, wie es der Kläger ja auch in vier Fällen praktiziert hat.

b)

29. Der Kläger kann demnach die Kosten für 8 Fahrten nach Gantrisch und zurück verlangen. Dabei gesteht die Kammer dem Kläger eine jeweilige Wegstrecke von 2 x 35 km zu. Zwar ergibt sich aus den gängigen Autoatlanten eine Entfernung von 21 km zwischen Schwarzsee und Gantrisch. Der Kläger hat aber vorgetragen, daß das eigentliche Skigebiet um Gantrisch nicht von der Ortsmitte aus zu erreichen ist, sondern eine weitere Fahrtstrecke bis in die Nähe von Gurnigelbad zurückzulegen ist, wo sich die Skilifte befinden. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr Vortrag, ihr sei die Entfernung Schwarzsee-​Gantrisch nicht geläufig, stellt kein beachtliches Bestreiten dar. Danach kann der Kläger als Kosten für die Abhilfe ein Km-​Geld von 0,45 DM für achtmal 70 km verlangen, was einen Betrag von 252,– DM ausmacht.

c)

30. Diese Kosten der Selbstabhilfe gehen dem Minderungsanspruch nach § 651 d I BGB vor, da insoweit dem Reisemangel teilweise abgeholfen worden ist. Da der Kläger und seine Familie allerdings durch die An- und Abfahrten eine zusätzliche Beschwernis gegenüber dem Skifahren in Schwarzsee hatten, billigt die Kammer dem Kläger noch eine Minderung von 10% aus dem anteiligen Reisepreis für 8 Tage zu, was einen Betrag von DM 192,– entspricht.

d)

31. Der Kläger kann nicht Ersatz für Mehrkosten für Liftgebühren verlangen. Er hat im einzelnen nicht belegt, wie die Liftgebühren in Schwarzsee und Gantrisch voneinander abweichen. Ebensowenig kann der Kläger Ersatz von Verpflegungsmehraufwand verlangen, da er und seine Familie bei der gebuchten Halbpension sich auch in Schwarzsee tagsüber hätten verpflegen müssen.

3.

32. Der Kläger kann demnach insgesamt DM 444,– verlangen.

33. Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit ab 02.06.1989 begründet (§ 291 BGB). Ein früherer Verzug der Beklagten ist vom Kläger nicht dargetan.

4.

34. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 I, 97 ZPO.

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