Einbehaltung des Flugpreises
AG Erding: Einbehaltung des Flugpreises
Die Klägerin hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht und auch bezahlt, dann aber nicht angetreten. Sie verlangt Rückerstattung des Ticketpreises.
Das Amtsgericht Erding gab der Klage statt. Die Vertragsklausel, nach der im Falle des Rücktritts keinerlei Rückerstattung erfolge, benachteilige Verbraucher unverhältnismäßig und finde daher keine Anwendung.
AG Erding | 7 C 2752/15 (Aktenzeichen) |
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AG Erding: | AG Erding, Urt. vom 12.07.2016 |
Rechtsweg: | AG Erding, Urt. v. 12.07.2016, Az: 7 C 2752/15 |
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Leitsatz:
2. Eine Vertragsklausel, nach der im Falle des Rücktritts keinerlei Rückerstattung erfolgt, benachteiligt Verbraucher unverhältnismäßig und findet daher keine Anwendung.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten einen Flug gebucht und auch bezahlt, dann aber nicht angetreten. Sie verlangt von der Beklagten Rückerstattung des Ticketpreises. Diese hatte lediglich einen Teilbetrag zuerkannt.
Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Vertragsklausel, nach der im Falle des Rücktritts keinerlei Rückerstattung erfolge, benachteilige Verbraucher unverhältnismäßig und finde daher keine Anwendung. Die Beklagte habe nicht aufgeschlüsselt, welche Kosten ihr trotz Nichtantritt entstanden seien, und habe daher den gesamten Ticketpreis zu erstatten.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 257,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.11.2015 zu bezahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
I.
5. Die Klage ist zulässig und begründet.
6. Hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 52,54 Euro hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.03.2016 den Anspruch bereits anerkannt. Aber auch im Übrigen ist die Klage begründet.
1.
7. Kein Anspruch der Beklagten auf Einbehalten des Flugpreises aufgrund der Buchung des Basictarifs.
8. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem Buchung des Basictarifs über die Webseite der Beklagten um eine individualvertragliche Vereinbarung oder aber um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, kann die Beklagte aus dem Umstand, dass die Klägerin den Basictarif gewählt hat, keinen Anspruch auf Einbehalten des Flugpreises geltend machen. Denn ausweislich des Wortlauts des Basictarifs ist eine Rückerstattung bei Stornierung nicht möglich. Bei einer Stornierung handelt es sich aber wie beim Rücktritt um eine Willenserklärung. Das bloße Nichtantreten der Flüge kann aber – wie die Beklagte selbst im Schriftsatz vom 28.12.2015 ausführt – nicht als konkludenter Rücktritt und entsprechend auch nicht als konkludente Stornierung angesehen werden.
2.
9. Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Ticketpreises gemäß § 812 BGB.
10. Die Beklagte ist so zu behandeln, als hätte sie den Ticketpreis ohne Rechtsgrund erlangt.
11. Ein Anspruch der Beklagten auf Einbehalten des Ticketpreises folgt nicht aus Art. 4.4 der Transportbedingungen. Art. 4.4 der Transportbedingungen hat folgenden Wortlaut:
12. „Mit Ausnahme der Bestimmungen in den vorliegenden Bedingungen ergibt sich keinerlei Verpflichtung für die Fluggesellschaft, den Ticketpreis einschließlich Kraftstoffzuschlag, Bearbeitungsgebühren, Steuern oder jedes anderen vom Passagier für den gebuchten Flug entrichteten Betrag zurückzuzahlen, wenn der Passagier das Ticket nicht im entsprechenden Moment benutzt. Davon ausgenommen ist die Rückzahlung des vom Passagier für Flughafen- und Sicherheitsgebühren entrichteten Betrags (…)“.
13. Diese Regelung stellt zum einen schon eine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes dar. Denn nach dem Wortlaut der Regelung ist damit vorliegend nicht nur eine Erstattung des reinen Flugpreises, sondern auch eine Erstattung der Nebenkosten wie Steuern und Gebühren mit Ausnahme der Flughafen- und Sicherheitsgebühren – ausgeschlossen. Dies stellt einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB dar. Ein derartiger Ausschluss benachteiligt deshalb den Vertragspartner der Beklagten unangemessen: Bei Nichtinanspruchnahme der Flugleistung aus dem Flugticket, also bei Nichterscheinen oder bloßem Nichtantritt des Fluges ohne jede weitere Erklärung oder bei Kündigungserklärung nach Flugbuchung und vor Abflug, fallen die sog. personengebundenen Gebühren für die Fluggesellschaften nicht an. Gegenstand der Besteuerung ist der auf dem Beförderungsvertrag beruhende Leistungsaustausch. Ist der Flugpassagier nicht geflogen, sind keine Leistungen erbracht worden. Sind keine Leistungen erbracht worden, ist auch keine Steuer fällig, die die Fluggesellschaft an das Finanzamt abzuführen hätte. Steuern und Gebühren erheben die Fluggesellschaften zugunsten Dritter. Im Falle des Nichterscheinens des Fluggastes braucht die Fluggesellschaft die bereits durch die Vorauszahlung des Fluggastes erhaltene Summe für die Steuern nicht an die Finanzbehörde abführen. Der Fluggast hat bei Flugbuchung diese Leistungen jedoch vorab bezahlt.
14. Ein Ausschluss der Rückerstattung stellt für den Fluggast eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB dar, da die Beklagte durch diese einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht.
15. Zwar könnte vorliegend an eine Teilaufrechnung in dem Sinne, dass nur die Erstattung des reinen Flugpreises zzgl. Kraftstoffzuschlag und Bearbeitungsgebühren ausgeschlossen sein soll, gedacht werden. Eine Teilaufrechterhaltung grundsätzlich dann möglich, wenn nach dem Wegstreichen einer unwirksamen Teilregelung ein aus sich heraus verständlicher Klauseltext verbleibt (vgl. Grüneberg in Palandt, 73. Auflage, § 306 BGB Rn. 7). Ob diese Möglichkeit vorliegend besteht, kann aber offen bleiben.
16. Denn soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass der danach zu erstattende Betrag lediglich 52,54 Euro betragen würde, ist sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Zwar hat grundsätzlich der Bereicherungsgläubiger die Umstände zu beweisen, aus denen sich die Voraussetzungen des Anspruchs ergeben. Der Bereicherungsschuldner muss aber im Sinne einer, nach den Umständen ggf. gesteigerten sekundären Behauptungslast die Umstände darlegen, aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen, wenn der Gläubiger außerhalb des von ihm zu beweisenden Geschehensablauf steht, während der Schuldner diese Kenntnis hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. Palandt, § 812 Rn. 76). So liegt der Fall hier.
17. Der Fluggast hat regelmäßig keinen Einblick in die Betriebsinterna des Flugunternehmers, so dass diesem im Wege der sog. sekundären Darlegungslast zuzumuten ist, für den konkreten Fall darzulegen und zu beziffern, welche ersparten Aufwendungen im Sinne von Steuern und Gebühren er sich anrechnen lässt. Diese Aufstellung muss vertragsbezogen und für den Fluggast auch nachvollziehbar sein. Dieser sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Zwar hat die Beklagte im Schriftsatz vom 05.07.2016 den anerkannten Betrag in Höhe von 52,54 Euro auf die beiden streitgegenständlichen Flüge aufgeteilt. Danach entfällt auf den Flug … ein Betrag in Höhe von 32,86 Euro. Nach dem weiteren Vortrag der Beklagten soll sich dieser Betrag unter anderem aus den Positionen Luftverkehrssteuer (7,50 Euro), Passagierentgelt (18,86 Euro), Sicherheitsentgelt (0,77 Euro), Infrastrukturentgelt Abfallentsorgung (0,04 Euro) sowie PRM-Umlage EU VO Nr. 1107/2006 (0,43 Euro) zusammensetzen. Diese Berechnung ist aber lückenhaft und ermöglicht es dem Fluggast nicht, vernünftig nachzuvollziehen, wie sich der einbehaltene Betrag zusammensetzt. Denn schon der Vortrag der Beklagten, wonach sich der Betrag von 32,86 Euro „unter anderem“ aus den genannten Positionen zusammensetzt, impliziert, dass noch weitere- nicht benannte Positionen – einbehalten wurden. Dies ist auch daraus ersichtlich, dass die genannten Positionen in der Summe nur einen Betrag von 27,60 Euro ergeben. Entsprechendes gilt für die Aufstellung hinsichtlich des Fluges ….
18. Damit hat die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend konkret und nachvollziehbar dargelegt, dass der noch offene Betrag von 204,94 Euro (257,48 Euro abzüglich der anerkannten 53,54 Euro) den reinen Ticketpreis oder sonstige nicht anzurechnende Beträge betrifft, mithin keinen Grund für das Behaltendürfen der erlangten 204,94 Euro dargelegt.
3.
19. Damit kann auch offen bleiben, ob der Klägerin der geltend gemachte Anspruch ggf. auch aus §§ 326 oder 643 BGB zusteht.
4.
20. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
II.
21. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
III.
22. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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