Duldungspflicht des Vermieters bei teilgewerblicher Wohnungsnutzung

LG Frankfurt: Duldungspflicht des Vermieters bei teilgewerblicher Wohnungsnutzung

Ein Vermieter klagte gegen den Mieter einer Wohnung, weil er diese gewerblich nutzte.

In erster Instanz zur Räumung verurteilt, hatte die Berufung des Beklagten Erfolg und er durfte darin wohnen bleiben.

LG Frankfurt 2-17 S 19/08 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 20.05.2008
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 20.05.2008, Az: 2-17 S 19/08
AG Frankfurt, Urt. v. 18.12.2007, Az: 33 C 2808/07
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 20. Mai 2008

Aktenzeichen 2-17 S 19/08

Leitsatz:

2. Der gewerblichen Nutzung angemieteten Wohnraums steht nichts entgegen, sofern der Gewerbe- nicht stärker als der Wohnzweck wiegt und die Mietsache nicht anders als bei bloßer wohnlicher Nutzung beeinträchtigt wird.

Zusammenfassung:

3. Vorliegend klagte der Vermieter einer Zwei-Raum-Wohnung gegen den darin lebenden Mieter, nachdem dieser sich der Kündigung und der Aufforderung widersetzte, welche mit der vermeintlich vertragswidrigen gewerblichen Nutzung durch den Beklagten und einen angeblichen Mitarbeiter begründet worden war.

Vor dem Amtsgericht Frankfurt hatte die Klage Erfolg und der Beklagte wurde aufgefordert, die Wohnung zu räumen. Jedoch gab das Landgericht Frankfurt seiner Berufung dagegen statt. Demnach sei die gewerbliche Nutzung der Räume legitim, sofern sie die vertragsgemäße Wohnnutzung nicht überwiege. Da der Beklagte als Immobilienmakler von dort nur Büroarbeiten verrichtete und nicht nachweislich Kundschaft empfing, war ein Grund für Kündigung nicht gegeben.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.12.2007, Az.: 33 C 2808/07-29 wird dieses abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

5. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Beklagten verurteilt, die von ihnen innegehaltene Zwei-Zimmer-Wohnung zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Ergänzend sei hinzugefügt, dass der Beklagte gemäß § 1 des Mietvertrages zu Wohnzwecken mietete und gemäß § 11 Ziff. 1 des Mietvertrages die Mietsache zu anderen Zwecken nur mit Einwilligung des Vermieters nutzen darf. Die am 04.06.2007 erklärte Kündigung hat die Klägerin damit begründet, dass der Beklagte die Wohnung als Geschäftssitz der Firma … nutze und sein Kollege … mehrfach dabei beobachtet worden sei, wie er in der Wohnung am Computer gearbeitet und telefoniert habe. Herr … halte sich regelmäßig ca. 3 bis 4 Stunden täglich in der Wohnung auf.

6. Das Amtsgericht hat die unstreitige gewerbliche Nutzung der Wohnung – ohne Rücksicht auf deren Umfang – als zur Kündigung ausreichend angesehen, wobei es davon ausgegangen ist, dass zur Maklertätigkeit generell Büroraum angemietet werde.

7. Die Berufungskläger rügen, das Amtsgericht habe verkannt, dass sich durch die Tätigkeit des Beklagten der Wohncharakter der Wohnung nicht geändert habe. Auch habe es zu Unrecht ohne Beweiserhebung unterstellt, dass der Beklagte Angestellte beschäftige.

8. Der Berufungskläger stellt den Antrag, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.12.2007, 33 C 2808/07-29 die Klage abzuweisen.

9. Die Berufungsbeklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

II.

10. Die zulässige Berufung ist begründet.

11. Die Beklagten müssen die Wohnung nicht räumen und an die Klägerin herausgeben, weil die erklärte Kündigung vom 4.6.07 mangels eines Kündigungsgrundes unwirksam gewesen ist. Die Klägerin hat sich zur Begründung darauf berufen, dass der Beklagte in der Wohnung ein Gewerbe betreibt. Dies reicht nicht einmal aus als Grund für eine Kündigung wegen vertragswidrigen Gebrauchs (nach § 573 Absatz 2 Nr. 1 BGB).

12. Weder dem Gesetzeswortlaut noch dem Gesetzeszweck ist zu entnehmen, dass jegliche gewerbliche Nutzung einer Wohnung an sich bereits Grund einer Kündigung sein kann. Dies kann schon deshalb nicht gewollt sein, weil sonst eine überwältigende Anzahl von Existenzgründern um den Bestand ihrer Wohnungsmietverhältnisse fürchten müssten. Auch kann die Existenzgründung nicht von einer vorher eingeholten Erlaubnis des Vermieters zur gewerblichen Nutzung abhängig gemacht werden. Vielmehr ist die gewerbliche Nutzung im Wohnraummietverhältnis nur dann vertragswidrig, wenn sie entweder die vertragsgemäße Wohnnutzung überwiegt, ihr also nicht nur untergeordnet ist, oder wenn von ihr Einwirkungen auf die Mietsache oder die Mitmieter ausgehen, die über die Einwirkungen durch eine übliche Wohnnutzung hinausgehen. Eine darüber hinausgehende generelle Pflicht des Wohnraummieters, jegliche gewerbliche Tätigkeit in der Wohnung zu unterlassen, gibt es nicht.

13. Allerdings ist ein Vermieter auch nicht verpflichtet, auf die Bitte des Mieters hin die gewerbliche Tätigkeit zu genehmigen. Denn es bleibt bei der grundsätzlichen Vereinbarung der Vermietung zu Wohnzwecken, diese muss weiterhin im Vordergrund stehen. Wäre der Vermieter zur Genehmigung verpflichtet, wäre ihm die Möglichkeit verwehrt, bei Ausweitung der gewerblichen Tätigkeit entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Insofern gilt der Erlaubnisvorbehalt in § 11 Ziff. 1 des hier abgeschlossenen Mietvertrages bei geltungserhaltender Reduktion für solche Fälle, in denen die übliche Wohnnutzung überschritten wird.

14. Ausreichende Anhaltspunkte für eine im vorstehenden Sinne vertragswidrige Wohnungsnutzung durch die Beklagten bestehen nicht. Sie ergeben sich nicht ohne weiteres aus seiner Tätigkeit als Immobilienmakler. Der durchschnittliche Kunde eines Immobilienmaklers, ob als Miet- oder Immobilienkaufinteressent oder als Vermieter/Verkäufer knüpft den Kontakt zu einem Makler nicht, indem er dessen Büro aufsucht, sondern telefonisch oder per Internet. Weitere Kontakte erfolgen typischerweise durch Übersendung von Unterlagen und durch Ortstermine an dem zu makelnden Objekt. Entsprechend hat ein Immobilienmakler seine Kundenkontakte hauptsächlich telefonisch, per Post und vor Ort bei der gemakelten Immobilie. Büroraum wird im wesentlichen nur für Schreib- und Kopierarbeiten sowie für die Ablage benötigt. Dies beansprucht bei nur einem Makler kaum mehr Raum als ein privater Arbeitsplatz. Schreibtisch, PC, Drucker, Telefon, FAX sind auch im privaten Bereich allgemein üblich.

15. Auch aus der von der Klägerin vorgebrachten Ausgestaltung des Gewerbes des Beklagten lässt sich nicht zwingend oder als überwiegend wahrscheinlich herleiten, dass die gewerbliche Nutzung der Wohnung überwiegt oder das Gewerbe die Wohnung oder die Mitmieter beeinträchtigt. Die Klägerin hat behauptet, dass Mitarbeiter des Beklagten in der Wohnung verkehrten, dass er selbst keine Außentätigkeit wahrnehmen könne, weil er zu 80% sehbehindert sei, dass er auf der homepage seiner Firma sein „Team“ anpreise und dass gelegentlich – etwa 2 bis 3 mal in sechs Monaten-Kundenbesuche stattfanden.

16. Auch wenn diese Behauptungen zutreffen, lässt sich aus ihnen nicht herleiten, dass mehr als ein Schreibtischarbeitsplatz in der Wohnung benutzt wird und dass mehr Besucher in die Wohnung kommen, als bei gewöhnlicher Wohnnutzung üblich.

17. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91,§ 708 Nummer 7 ZPO.

18. Weil die Entscheidung auf der Beantwortung der Grundsatzfrage beruht, ob die dem Vermieter nicht angezeigte gewerbliche Teilnutzung der Wohnung per se eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung durch vertragswidrigen Gebrauch darstellt (z. B. LG München, II, U. vom 25.07.06 gem. Juris) oder ob der Vermieter dartun muss, dass die gewerbliche Nutzung überwiegt oder die Mietsache beeinträchtigt, hat die Kammer die Revision zugelassen.

19. Der Streitwert der Berufung beträgt 4.680,- Euro.

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