Beschädigung des Flugzeugs beim Be- und Entladen kein außergewöhnlicher Umstand
AG Frankfurt: Beschädigung des Flugzeugs beim Be- und Entladen kein außergewöhnlicher Umstand
Ein Fluggast nimmt eine Fluggesellschaft auf Zahlung eines Ausgleiches für eine Flugverspätung in Anspruch. Der Kläger befand sich rechtzeitig am Flughafen und wollte um 22 Uhr seine Flugreise beginnen. Kurzfristig entdeckte aber ein Ramp Agent eine Delle in der Frachttür der Maschine, welche vermutlich durch ein anderes Fahrzeug verursacht wurden ist. Trotz sofortiger Reparaturarbeiten konnte die Maschine erst um 3 Uhr am Folgetag starten. Der Reisegast erreichte seinen Urlaubsort erst um 11.24 Uhr.
Das Gericht entschied das dem Reisegast eine Ausgleichszahlung zusteht, da die Delle keine natürliche Ursache hatte. Desweitern ist bei eine Verspätung des Fluges um mehr als 3 Stunden mit einer Flugannullierung gleichzusetzten.
AG Frankfurt | 29 C 2034/10 (21) (Aktenzeichen) |
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AG Frankfurt: | AG Frankfurt, Urt. vom 14.04.2011 |
Rechtsweg: | AG Frankfurt, Urt. v. 14.04.2011, Az: 29 C 2034/10 (21) |
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Leitsatz:
2. Hat ein Defekt am Flugzeug keine natürliche Ursache, so handelt es sich nicht um einen außergewöhnlichen Umstand.
Eine Verspätung von mehr als 3 Stunden ist einer Flugannullierung gleichzusetzten.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger für sich und seine Familie einen Flug ins Urlaubsziel. Der Hinflug sollte am 03.07. um 22. 00 in Frankfurt am Main starten und am 04.07.2010 um 7. 40 sollte die Landung in ihrem Zielort erfolgen. Der Kläger war mit seiner Familie rechtzeitig am Flughafen um seine Reise zu beginnen. Sie checkten dort auch ein und gaben ihr Gepäck auf. Der Start wurde allerdings auf den 04.07.2010 auf 3.22 Uhr morgens verschoben.
Der Kläger erreichte somit erst um 11.24 Uhr den Zielflughafen und nicht wie geplant um 7.10 Uhr. Er erhebt nun eine Zahlung eines Ausgleiches für die Verspätung von der Beklagte, der Fluggesellschaft. Die Beklagte beruft sich allerdings auf einen Sicherheitsmangel der erst sehr kurz vor Start von dem zuständige Ramp Agent entdeckt wurden. Dabei handelt es sich um eine Delle in der Frachttür.
Das Flugzeug war den Anordnungen entsprechend geparkt und ein Fahrzeug muss dagegen gestoßen sein, welches die Delle verursachte. Trotz sofortiger Einleitung der notwendigen Instandsetzungsarbeiten, bekam die Maschine erst um 3.00 Uhr am 04.07.2010 eine schriftliche Freigabebestätigung.
Das Gericht entschied das eine Ausgleichszahlung dem Kläger zusteht. Eine Verspätung von mehr als 3 Stunden, so wie hier der Fall, wird mit einer Flugannullierung gleichgesetzt. Mit dem Defekt der Maschine muss die Fluggesellschaft immer rechnen, da es keine natürliche Ursache, wie Vogelschlag, Blitzeinschlag usw. ist.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 1.200,00 € sowie an die Kläger zu 2) und 3) jeweils 600,00 €, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.10.2010 sowie an den Kläger zu 1) weitere 272,87 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages.
Der Streitwert wird auf 2.400,– € festgesetzt.
Tatbestand:
5. Die Kläger machen gegen die Beklagte, zum Teil aus abgetretenem Recht, Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Flugleistungen geltend.
6. Die Ehefrau des Klägers zu 1) trat diesem ihre Ansprüche betreffend den hier gegenständlichen Flug mit Erklärung vom 15.07.2010 ab; die Kläger zu 2) und 3) sind die gemeinsamen Kinder des Klägers zu 1) und seiner Ehefrau.
7. Der Kläger zu 1) buchte für sich, seine Ehefrau und die Kläger zu 2) und 3) folgende Flüge:
– am 03.07.2010 von … nach … Abflug 22:00 Uhr, Ankunft 7:10 Uhr am 04.07.2010
– am 04.07.2010 von … nach … Abflug 08:45 Uhr, Ankunft 18:15 Uhr
– am 15.07.2010 von …, Abflug 08:35 Uhr, Ankunft 11:50 Uhr
– am 15.07.2010 von … nach …, Abflug 13:05 Uhr, Ankunft 17:50 Uhr
10. Die Kläger und die Ehefrau des Klägers zu 1) sowie die Kläger zu 2) und 3) begaben sich am 03.07.2010 rechtzeitig zum Flughafen Frankfurt am Main, checkten dort ein, erhielten ihre Boarding-Cards und gaben ihr Gepäck auf.
11. Tatsächlich startete der Flug jedoch erst um 3:22 Uhr am Morgen des 04.07.2010 (anstatt 22:50 Uhr am 03.07.2010) und erreichte … erst gegen 11.24 Uhr (anstatt 7:10 Uhr).
12. Die Großkreisentfernung von … nach … beträgt 4.868 km.
13. Nachdem die Beklagte mit Email vom 28.07.2010 Ansprüche der Kläger abgelehnt hatte, ließen die Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 04.08.2010 nochmals die hier gegenständlichen Ansprüche bei der Beklagten anmelden. Die Beklagte lehnte eine Regulierung erneut ab.
15. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 1.200,00 €, an die Kläger zu 2) und 3) jeweils 600,00 Euro, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
16.die Beklagte zu verurteilen, 316,18 Euro vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
die Klage abzuweisen.
19. das Flugzeug für den streitgegenständlichen Flug sei flugplangemäß für den Abflug vorbereitet worden. Erst etwa 40 Minuten vor geplanter Abflugzeit habe der für den Flug zuständige Ramp Agent um 22:30 Uhr eine bedeutsame Delle auf der Außenseite der Frachttür 5 entdeckt.
20. Der Flug habe daher aus Sicherheitsgründen nicht begonnen werden können, da zunächst der Schaden untersucht werden musste. Die Beklagte habe ihren Wartungs- und Reparaturdienstleister … informiert, welcher umgehend mit der Untersuchung des Schadens begonnen hat. Um 3:07 Uhr morgens sei die Maschine erst schriftlich freigegeben worden.
21. Ein Verursacher für die Delle sei bis heute nicht identifiziert worden; es liege jedoch nahe, dass eines der zahlreichen Ladefahrzeuge auf dem Vorfeld mit dem Flugzeug beim Rangieren kollidiert sei. Der Schaden sei jedenfalls nicht vor Ankunft des Flugzeugs in … aufgetreten.
22. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.03.2011, per Telefax bei Gericht eingegangen am 25.03.2011 sowie im Original am 28.03.2011, der jedoch in der mündlichen Verhandlung noch nicht vorlag, weiterhin behauptet, sie habe alles Notwendige getan, um den Schaden an der Frachttür abzuwenden. Das Fluggerät sei entsprechend den Vorschriften des LBA und des Flughafenbetreibers abgestellt gewesen und es habe sich nur qualifiziertes Personal LBA-zertifizierter Unternehmen der Maschine nähern können. Sie hat zudem angeboten, den Techniker der Lufthansa, der die Delle am 03.07.2010 gesehen und ausbessert habe, als Zeugen zu benennen.
23. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
25. Das AG Frankfurt am Main ist wegen des Abflugortes des gegenständlichen Fluges als Gericht des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) örtlich zuständig (vgl. BGH Urteil vom 18.01.2011, Az. X ZR 71/10 zitiert nach juris).
26. Die Klage ist auch in der Hauptsache begründet.
27. Die Kläger haben gegen die Beklagte Ansprüche auf Zahlung von Ausgleichsleistungen in Höhe von insgesamt 2.400,– € gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (VO (EG) Nr. 261/2004) in entsprechender Anwendung, zum Teil in Verbindung mit § 398 BGB.
28. Der gebuchte Hinflug von … startete unstreitig mehr als vier Stunden nach der geplanten Abflugszeit und erreichte auch … entsprechend später.
29. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 19.11.2009 (in NJW 2010, 43) festgestellt, dass Art. 5, 6 und 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 dahingehend auszulegen sind, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind und somit den in Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 vorgesehen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie einen Zeitverlust von mehr als drei Stunden erleiden.
30. Dem schließt sich das Gericht an.
31. Die Ausgleichsansprüche sind auch nicht aufgrund des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände gemäß Art 5 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004 ausgeschlossen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
32. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände liegt bei dem Luftfahrtunternehmen.
33. Die Beklagte stützt sich insoweit auf das Vorliegen eines technischen Defektes am Flugzeug, nämlich einer sicherheitsrelevanten Delle in einer Frachttür, deren Vorliegen die Kläger bestreiten.
34. Doch selbst das gesamte Vorbringen der Beklagten – einschließlich des nach der mündlichen Verhandlung erst vorliegenden Vorbringens – als wahr unterstellt, konnte die Beklagte sich nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004 entlasten.
35. Ein technisches Problem, das bei einem Flugzeug auftritt und zur Annullierung (oder Verspätung) des Fluges führt, fällt nicht unter den Begriff außergewöhnliche Umstände, es sei denn, es ginge auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur und Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und vom ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (vgl. EuGH Urteil vom 22.12.2008 in NJW 2009, 347; BGH Urteil vom 18.02.2010, Az. Xa ZR 95/06, zitiert nach juris; Führich, ReiseR, Rn. 1035 m. w. N.). Dabei ist das Auftauchen technischer Probleme außerhalb der Wartungsintervalle nicht außergewöhnlich. Mängel der sogenannten „Lufttüchtigkeit“ wie Schäden an Reifen, Fahrwerk oder Triebwerk entlasten daher nicht grundsätzlich, da solche Defekte meistens ihre Ursache in unzureichender Wartung oder Bedienfehlern und nicht in unbeherrschbaren Einflüssen von außen wie Vogelschlag, Hagel oder Blitzschlag (Führich, ReiseR, Rn. 1035 m. w. N.).
36. Genau das ist jedoch vorliegend der Fall. Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, es könne nicht geklärt werden, wie die Delle an der Frachttür entstanden sei und sie habe alles ihr Mögliche getan, um diesen Defekt schnellstmöglich zu beheben. Es liege jedoch nahe anzunehmen, eines der zahlreichen Ladefahrzeuge auf dem Vorfeld sei mit der Maschine bei Rangieren kollidiert.
37. Gerade die Be- und Entladevorgänge eines Flugzeugs sind jedoch Umstände, die Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens und von ihm zu beherrschen sind, so dass bereits aus diesem Grund der aufgetretene Defekt nicht als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004 anzusehen ist.
38. Zudem hat die Beklagte – was weitere Voraussetzung für eine Entlastung nach Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004 ist – nicht hinreichend dargelegt, dass sich die Verspätung auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Beklagte hat in keiner Weise dargelegt, warum es ihr nicht möglich war, etwa ein Ersatzflugzeug einzusetzen oder die Passagiere auf einen anderen Flug umzubuchen.
39. Dem Kläger zu 1) steht daher aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner ebenfalls mitreisenden Ehefrau gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.200,– € zu, den Klägern zu 2) und 3) in Höhe von jeweils 600,– €.
40. Der Anspruch des Klägers zu 1) auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verbindung mit dem RVG, nachdem die Beklagte einen Forderungsausgleich mit Email vom 28.07.2010 endgültig abgelehnt hatte.
41. Er besteht jedoch nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe aus einem Gegenstandswert von 2.400,– € und nicht von 2.547,– €. Soweit über den Klageanspruch hinausgehend noch Schadensersatzansprüche aufgrund der Flugverspätung in Höhe von 147,– € im Raum standen und vorgerichtlich geltend gemacht wurden, wären diese jedenfalls nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 der VO (EG) Nr. 261/2004 auf die Ausgleichsleistungen anzurechnen gewesen. Nur diese Gebühr hatte der Klägervertreter im Übrigen auch mit Schreiben vom 04.08.2011 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
42. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.
43. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung der Kläger war geringfügig und hat keine höheren Kosten verursacht.
44. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
45. Der Streitwert des Rechtsstreits entspricht der Höhe der eingeklagten Hauptforderung (§ 3 ZPO).
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