Berechtigung einer Reisepreisminderung

AG München: Berechtigung einer Reisepreisminderung

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Reise gebucht. Wegen eines geschmacklosen Scherzes im Animationsprogramm und anderer Umstände fordert er Minderung und Schadensersatz.

Das Gericht gab der Klage in geringem Umfang statt. Es liege ein Mangel darin, wenn man sich als Gast nicht willkommen fühlt. Da das auslösende Ereignis erst am Ende des Urlaubs geschehen war, falle die Minderung aber gering aus. Weitergehende Ansprüche bestünden nicht.

AG München 281 C 28813/09 (Aktenzeichen)
AG München: AG München, Urt. vom 10.06.2010
Rechtsweg: AG München, Urt. v. 10.06.2010, Az: 281 C 28813/09
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Amtsgericht München

1. Urteil vom 10. Juni 2010

Aktenzeichen 281 C 28813/09

Leitsätze:

2. Fühlt sich ein Gast begründetermaßen nicht willkommen, kann dies einen Reisemangel darstellen.

Entfernt das Hotelpersonal die Auflage von einer unbenutzten Sonnenliege, ist dies kein Reisemangel.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Reise nach Ägypten gebucht. Wegen eines geschmacklosen Scherzes im Animationsprogramm, namentlich dem Zeigen einer Art Hitlergruß zur Charakterisierung der Deutschen, und anderer Umstände, insbesondere dem Ausfallen eines Schnorchelausflugs und der einmaligen Entfernung der Auflage einer Sonnenliege, fordert er Minderung und Schadensersatz.

Das Gericht gab der Klage in geringem Umfang statt. Es liege ein Mangel darin, wenn man sich als Gast nicht willkommen fühlt. Da das auslösende Ereignis erst am Ende des Urlaubs im Animationsprogramm des letzten Tages geschehen war, falle die Minderung aber gering aus, da nur der letzte und der Abreisetag zu mindern seien. Weitergehende Ansprüche bestünden nicht. Insbesondere komme kein Schadensersatz und keine Ausgleichszahlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz in Betracht, da das nötige Beeinträchtigungsniveau nicht erreicht sei. Dass der Schnorchelausflug Vertragsbestandteil war, konnte der Kläger nicht beweisen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 34,45 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.10.09 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Streits trägt die Klagepartei.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann von den Parteien durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten über die Berechtigung einer Reisepreisminderung.

6. Der Kläger unternahm bei der Beklagten als Reiseveranstalterin vom 13.09.09 bis zum 20.09.09 eine Pauschalreise nach Ägypten zum Preis von 689 Euro.

7. Der Kläger behauptet, er habe beim lokalen Reiseleiter der Beklagten einen Schnorchelausflug gebucht, welcher ins Wasser gefallen sei, da er im Hotel vergessen worden sei. Er wisse nicht, ob es bei der Buchung zugesagt worden sei oder Bestandteil der Reisebeschreibung gewesen sei, dass die Möglichkeit zur Buchung von Schnorchelausflügen bestehe. Ihm sei von Hotelangestellten die Matratze von einer Sonnenliege geklaut worden, was zu einer 30-minütigen Diskussion führt habe. Als die Matratze entfernt worden sei, sei er nicht auf der Liege gelegen. Am 18.09.09 sei vom Animationsteam auf der Bühne ein Sketch aufgeführt worden, in dem die unterschiedlichen Arten des Grüßens verschiedener Völker imitiert worden seien. Zur Imitation der Deutschen seien zwei Animateure im Stechschritt aufeinander zugegangen und hätten den linken Arm erhoben und „Heil“ gebrüllt. Der Kläger meint, dass der beleidigende Sketch eine Reisepreisminderung von 25 Prozent rechtfertige und außerdem eine Entschädigung in Geld für entgangene Reisefreuden. Der Sketch stelle eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar und löse einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aus. Der Vorfall sei am letzten Urlaubstag geschehen. Als Reaktion auf einen Vergleichsvorschlag des Gerichts mit Hinweis auf die Kosten, welche durch die Ladung von drei Zeugen aus Ägypten entstehen würden, trug der Kläger vor, die Gerichtskosten seien ihm egal, weil er rechtsschutzversichert sei und die Deckungssumme von 100.000 Euro nicht erreicht werden wird.

8. Der Kläger beantragte:

9. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger EUR 344,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 24.10.2009 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine angemessene Entschädigung in Geld, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch den Betrag von EUR 500,- nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 24.10.2009 zu zahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 120,67 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

12. Die Beklagtenpartei beantragte:

13. Abweisung der Klage.

14. Die Beklagte behauptet an dem Vertrag über den Schnorchelausflug nicht beteiligt gewesen zu sein. Der Sketch stelle eine bloße Unannehmlichkeit dar. Zum Gegenbeweis hinsichtlich des Sketches benannte die Beklagte zunächst drei Zeugen aus Ägypten, verzichtete dann aber im Interesse der Prozessförderung und aus prozessökonomischen Gründen auf diese Zeugen, für deren Ladung ein Vorschuss von 3.200 Euro angefordert worden war.

15. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der Sitzung vom 07.01.2010 und vom 10.06.10 Bezug genommen.

Gründe:

16. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

17. Im Hinblick auf den vom Kläger behaupteten Sketch liegt ein Reisemangel vor. Dass sich dieser Sketch so wie vom Kläger geschildert ereignet hat, wurde durch die Einvernahme der glaubwürdigen Zeugin … bewiesen. Diese Vorfall geht über eine bloße Unannehmlichkeit hinaus. Wie die Zeugin schilderte, entstand allgemeine Stille im Zuschauerraum und sie fühlte sich unwohl. Wesentliches Element eines Urlaubs ist, dass man sich als Gast wohlfühlt und gastfreundlich behandelt wird. Gerade dadurch, dass die Deutschen dermaßen negativ parodiert werden, kann bei den deutschen Urlaubern der Eindruck entstehen, als Deutscher nicht willkommen zu sein.

18. Wie die Zeugin … anschaulich schilderte, fühlte sie sich als Deutsche unwohl. Dass Hotelangestellte in einer öffentlichen Veranstaltung eine bestimmte Nation auf eine derart geschmacklose Weise zur Belustigung heranziehen, dass dies nicht einmal sonstige Gäste lustig finden, stellt einen Reisemangel dar. Da sich dieser nur auf einen kleinen Teil der Reiseleistungen bezieht, erscheint unter umfassender Berücksichtigung der Gesamtumstände eine Minderungsquote von 20 Prozent als angemessen.

19. Zu berücksichtigen ist, dass dieser Mangel die Reise nur zeitweise beeinträchtigte. Der Kläger trug zunächst vor, der Vorfall sei am vorletzten Tag gewesen und später, der Vorfall sei am letzten Tag gewesen. Nach der Aussage der Zeugin … ist davon auszugehen, dass der Vorfall am letzten Tag vor der Abreise war. Jedenfalls konnte der Kläger keinen früheren Zeitpunkt beweisen. Vom Vorfall betroffen ist damit der letzte Tag vor der Abreise und auch der Abreisetag, welcher noch als Urlaubstag zählt. Das durch den Sketch ausgelöste Gefühl des nicht willkommen Seins dauert auch noch nach dem Sketch an. Insgesamt ist der Kläger damit für zwei Tage in Höhe von 20 Prozent zu entschädigen, was angesichts des Reisepreises von 689 Euro für acht Tage eine Minderung um 34,45 Euro bedeutet.

20. Die fehlende Mängelanzeige nach § 651c BGB führt nicht zu einem Anspruchsausschluss, da sich der Vorfall am Urlaubsende ereignete und eine Abhilfe nicht möglich war. Die Frist nach § 651g BGB hat der Kläger gewahrt.

21. Weitere Mängel liege nicht vor. Nachdem der Kläger nicht vorträgt, das Anbieten von Ausflügen sei nach dem Reisevertrag geschuldet gewesen, stellt das Ausbleiben eines Ausflugs keine Abweichung der erbrachten von der geschuldeten Leistung dar und rechtfertigt keine Reisepreisminderung.

22. Der vom Kläger behauptete Vorfall mit der Sonnenliegenauflage stellt keinen Mangel dar. Solange der Kläger die Auflage nicht aktiv nutzt, indem er drauf liegt, kann er nicht erwarten, dass diese nicht von Hotelangestellten weggenommen wird, um sie anderen Urlaubern zur Verfügung zu stellen. Von einem Diebstahl der Auflage ist schon allein deshalb nicht auszugehen, weil diese im Hoteleigentum steht. Wenn er Kläger einen Mangel daran sieht, dass die Wegnahme der Liege zu einer 30-minütigen Diskussion führte, ist zu berücksichtigen, dass eine Diskussion mindestens zwei Personen erfordert.

23. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers besteht nicht. Der einzige bestehende Mangel ist nicht gravierend genug, um aufgrund dessen von nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit auszugehen.

24. Auch ein Schadensersatzanspruch nach § 21 II 2 AGG besteht nicht. Der Kläger meint, er sei aufgrund seiner ethnischen Herkunft als Deutscher diskriminiert worden. Eine Diskrimierung erfordert jedoch eine Herabsetzung oder Zurücksetzung von gewisser Intensität, Palandt, § 21 AGG Rn. 6. Ein geschmackloser Scherz über die Deutschen genügt hierfür allein nicht.

25. Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 280 II, 286 BGB. Dagegen sind die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu erstatten. Dem Kläger steht kein allgemeiner Schadensersatzanspruch zu, sondern nur ein Minderungsanspruch. Der Kläger trägt nicht vor, dass die Beklagte bereits in Verzug gewesen wäre als das anwaltliche Tätigwerden erfolgte.

26. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II ZPO.

27. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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