Bemessung der Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude

LG Frankfurt: Bemessung der Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude

Ein Urlauber erstritt vor dem Amtsgericht Bad Homburg eine Reisepreisminderung um 40% wegen abweichender Unterbringung bei einer Pauschalreise. Auf seine Anschlussberufung hin wurde diese auf 50% erhöht, sodass ihm zusätzlich Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zustand.

LG Frankfurt 2-24 S 262/05 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 01.08.2006
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 01.08.2006, Az: 2-24 S 262/05
AG Bad Homburg, Urt. v. 13.10.2005, Az: 2 C 3096/04 (10)
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 1. August 2006

Aktenzeichen 2-24 S 262/05

Leitsätze:

2.  Bei einer mangelhaften Reise ist deren Preis in dem Verhältnis zu mindern, in dem zum Vertragsschluss der Wert der mangelhaften Leistung zum wirklichen Wert gestanden hätte.

Bei einer Reisepreisminderung von mindestens 50% liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor, die einen Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit begründet.

Zusammenfassung:

3. Ein Urlauber wurde bei einer Pauschalreise auf die Malediven nicht, wie gebucht, in einem Wasserbungalow und auf einer von Flugverkehr beeinträchtigten Insel statt einem abgelegenen Atoll untergebracht. Hierfür forderte er eine Reisepreisminderung, die ihm vom Amtsgericht Bad Homburg in Höhe von 40% zugestanden wurde. Der Kläger ging vor dem Landgericht Frankfurt in Anschlussberufung.

Dieses prüfte, ob die Berechnung des Minderungssatzes durch das Amtsgericht Rechtsfehler enthielt und stellte fest, dass die zugestandene Minderungsquote zu gering war. Bei Reisemängeln ist der Preis in dem Verhältnis zu mindern, in dem zum Vertragsschluss der Wert der mangelhaften Leistung zum wirklichen Wert gestanden hätte. Für die falsche Unterkunft wurden 20% statt 15% und für den Flugzeuglärm als Reisemangel zusätzliche 5% gewährt, sodass sich die Minderung ingesamt auf 50% belief.

Dadurch lag eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vor, die einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit begründete. Dessen Höhe hatte sich am Reisepreis zu bemessen.

 

Tenor:

4. Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.10.2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. H., Az.: 2 C 3096/04 (10), wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.544,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.1.2005 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben zu tragen die Beklagte 83 % und der Kläger 17 %. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben zu tragen die Beklagte 77 % und der Kläger 23 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

5. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. den §§ 313 a, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

6. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe Erfolg.

7. Zu Unrecht hat das Amtsgericht eine Minderung des Reisepreises um lediglich 40 % angenommen, vielmehr ist der Reisepreis gem. den §§ 651 d Abs. 1, 651 c Abs. 1 BGB hier um 50 % zu mindern.

8. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Beklagtenvertreters ist das Berufungsgericht nicht auf eine Überprüfung der vom Amtsgericht angenommenen Minderung auf Ermessensfehler hin beschränkt, da es sich bei der Berechnung der Minderung nicht um eine Ermessensentscheidung handelt.

9. Gemäß § 651 d Abs. 1 BGB mindert sich der Reisepreis im Falle des Vorliegens eines Mangels für die Dauer des Mangels nach Maßgabe des § 638 Abs. 3 BGB. … Die wertvertragliche Berechnungsformel in § 638 Abs. 3 BGB geht von einer verhältnismäßigen Herabsetzung der Vergütung aus. Danach ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werks in mangelhaftem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Gemäß § 638 Abs. 3 Satz 2 BGB ist die Minderung, soweit erforderlich, durch Schätzung (gem. § 287 ZPO) zu ermitteln.

10. Das Berufungsgericht hat somit auf eine entsprechende Rüge der Berufung hin konkret zu überprüfen, ob das Amtsgericht die gesetzlich vorgeschriebene Berechnungsmethode korrekt angewandt hat und zum richtigen Ergebnis gekommen ist.

11. Auch wenn die Bestimmung der Minderungsquote durch Schätzung ermittelt worden ist, ist die Schätzung durch das Amtsgericht umfassend zu überprüfen. Auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Bestimmung der Minderungsquote auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gem. den §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie für zwar vertretbar, letztlich bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es eine eigene, dem Einzelfall angemessene Minderungsquote finden. Das Berufungsgericht darf es nicht dabei belassen zu prüfen, ob die Schätzung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt hat.

12. Dies hat der Bundesgerichtshof (NJW 2006, 1589, 1592) für die Überprüfung der Schmerzensgeldbemessung ausdrücklich festgestellt. Diese Ausführungen des BGH zur Schmerzensgeldbemessung gelten auch für die hier zu überprüfende Minderungsquote, soweit diese auf einer Schätzung beruht. Die beiden Fallkonstellationen, in denen jeweils letztlich eine Schätzung nach § 287 ZPO vorgenommen wird, sind im Hinblick auf die Interessenlage hinreichend vergleichbar.

13. Die vom Amtsgericht für die abweichende Unterbringung angenommene Minderung von 15 % ist auf 20 % zu erhöhen.

14. Der Kläger hat einen Wasserbungalow gebucht, wurde aber nicht in einem solchen untergebracht, sondern lediglich in einem Deluxe-​Zimmer in einem 6-​Parteien-​Appartementblock. Dem Kläger kam es gerade auf die Unterbringung in einem Wasserbungalow an. Dies war für die Beklagte auch erkennbar, da er die ursprünglich gebuchte Reise nur deshalb umbuchte, da ihm zuvor mitgeteilt worden war, dass dort eine Unterbringung in einem Wasserbungalow nicht möglich sei.

15. Der erhebliche Unterschied zwischen gebuchter und erhaltender Unterkunft rechtfertigt eine Minderung des Reisepreises um 20 %.

16. Für die abweichende Unterbringung auf der Insel Laguna Beach statt im abgelegten Baa-​Atoll ist eine Minderung um 25 % angemessen, wobei zusätzlich für die in der Beweisaufnahme in erster Instanz bestätigte Beeinträchtigung durch Flugverkehr eine weitere Minderung um 5 % des Reisepreises zuzuerkennen ist, so dass insoweit die vom Amtsgericht angesetzte Minderung von 25 % auf 30 % zu erhöhen ist.

17. Allein die im Vergleich zum Baa-​Atoll eingeschränkten Schnorchelmöglichkeiten und der völlig andere Charakter der in der unmittelbaren Nähe zur Hauptinsel Mali gelegenen Insel Laguna Beach im Unterschied zu der von dem Kläger gebuchten einsamen Insel rechtfertigen eine Minderung von 25 %.

18. Dass darüber hinaus auf der Insel Laguna Beach erhebliche Beeinträchtigungen durch Flugverkehr vorhanden waren, wie die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, rechtfertigt eine weitere Minderung um 5 %.

19. Somit kann der Kläger den Reisepreis um 50 % mindern, das ergibt bei dem Gesamtreisepreis von 5.186,– EUR einen Betrag von 2.584,– EUR.

20. Darüber hinaus steht dem Kläger der bereits vom Amtsgericht zuerkannte Anspruch auf Erstattung der Mehraufwendungen für kostenpflichtige Motorbootfahrten zu dem Außenriff in Höhe von 200,– EUR gem. § 651 f Abs. 1 BGB zu.

21. Darüber hinaus steht dem Kläger ein Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gem. § 651 f Abs. 2 BGB in der geltend gemachten Höhe von 1.260,– EUR zu.

22. Nach ständiger Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt am Main setzt eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des § 651 f Abs. 2 BGB voraus, dass Mängel vorliegen, die zu einer Minderung des Reisepreises um zumindest 50 % berechtigen.

23. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt (s. o.).

24. Die Höhe der Entschädigung war nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer bei einem völlig nutzlos aufgewandten Urlaubstag mit 72,– EUR pro Person und Tag zu bemessen. Hieran hält die Kammer im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 11.1.2005, X ZR 118/03) nicht mehr fest. Zwar hat der BGH in der genannten Entscheidung nicht ausdrücklich die Bemessung der Entschädigung nach festen Tagessätzen für unzulässig erklärt, jedoch muss sich die Entschädigung an den maßgeblichen Umständen des Einzelfalles orientieren und im angemessenen Verhältnis zum Umfang der Beeinträchtigung stehen, wobei das Einkommen des Reisenden kein geeigneter Maßstab für die Höhe der Entschädigung ist (BGH, a. a. O.). Dem wird eine an den allgemeinen Nettoeinkünften der Erwerbstätigen orientierte Entschädigungen nach Auffassung des Gerichts ebenso wenig gerecht, wie eine auf das tatsächliche Einkommen des Reisenden einbezogene Entschädigung. Da im übrigen auch das Tagessatzsystem im Hinblick auf die Preisunterschiede bei Pauschalreisen wenig Einzelfallgerechtigkeit aufweist, hält es das Gericht für angebracht, hiervon abzugehen.

25. Als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung ist vielmehr auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat (s. Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7.2.2006, Az.: 2-​24 S 118/05).

26. Die vom Kläger gemachte Entschädigung in Höhe von 1.260,– EUR beträgt weniger als 50 % des zu zahlenden Reisepreises und ist damit in jedem Fall zuzusprechen.

27. Da die Beklagte vorprozessual bereits 1.500,– EUR an den Kläger gezahlt hat, steht dem Kläger noch ein Anspruch auf Zahlung von 2.544,– EUR zu.

28. Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

29. Die Kostenentscheidung folgt aus dem § 92 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

30. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

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