Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr

LG Bonn: Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr

Eine Transportunternehmerin wurde verklagt, weil ein in den USA erworbenes Frachtgut auf dem Weg zum Firmensitz der Firma N in C verloren gegangen ist.

Das Landgericht Bonn hat der Klägerin eine Schadensersatzzahlung zugesprochen und entschied, dass die Klägerin aktivlegitimiert ist.

LG Bonn 16 O 20/05 (Aktenzeichen)
LG Bonn: LG Bonn, Urt. vom 21.06.2006
Rechtsweg: LG Bonn, Urt. v. 21.06.2006, Az: 16 O 20/05
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Landgericht Bonn
1. Urteil vom 21. Juni 2006
Aktenzeichen 16 O 20/05

Leitsatz:

2. Geht ein Frachtgut verloren, so kommt das Transportunternehmen als Schuldner der Leistung in Verzug.

Entstehen für den Kunden durch den Verlust des Frachtguts Mehrkosten, so ist das Transportunternehmen zur Entschädigung dieser pflichtig.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall hat ein Kunde ein Transportgut aus den USA zum Transport zum Firmensitz in Auftrag gegeben. Das Transportunternehmen hat das Transportgut verloren, sodass der Kunde das Transportgut nicht erhalten habe.

Die Beklagte hatte die Möglichkeit sich über den Standort des Transportguts zu informieren und bei Falschlieferung einzugreifen. Darüber hinaus müsste sie sich um das pünktliche Versenden des Frachtgutes kümmern.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die vollständige Entschädigung der durch den Verlust des Transportgutes entstandenen Mehrkosten.

Das Landgericht in Bonn hat dem Kläger den Mehrkostenersatz zugesprochen. Es war der Ansicht, dass die Abtretung der Forderung wirksam war.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.415,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2005 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht der Firma N einen Schadensersatzanspruch wegen des Verlustes von Transportgut auf dem Weg aus den USA zum Firmensitz der Firma N in C geltend. Dem liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

6. Mit Frachtbrief Nr. … (vgl. Kopie Bl.46 d.A.) übernahm die Beklagte die Lieferung von „Computer I/F Adapter, 2 ea, USA, $ 7.965,00“ von der Firma D in Kalifornien zur Firma N in C. Der Frachtbrief datiert vom 01.10.2004. Die Sendung ist niemals bei der Firma N in C angekommen.

7. Ausweislich einer „Schadenquittung und Abtretungserklärung“ vom 12.03.2005 (vgl. im einzelnen Bl.50 d.A.) bestätigte die Firma N im Hinblick auf den Frachtbrief der Beklagten mit der Nr. … „die uns von der W GmbH, I, im Auftrag der J GmbH, I, angebotene Entschädigung von 6.415,00 €“ als endgültige Entschädigung zu akzeptieren.

8. Weiter heißt es:

9. „Schon jetzt treten wir alle unsere Rechte aus dem Verlust und/oder der Beschädigung der Güter, einschließlich unserer Ansprüche gegen Dritte, an die J GmbH, I, ab.“

10. Hinsichtlich der Berechnung dieses Betrages wird ergänzend auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 27.10.2005 (Bl.40 ff (42) d.A.) verwiesen.

11. Die Beklagte hat im Zusammenhang mit dieser Sendung eine Entschädigung in Höhe von 100,00 US$ an die Absenderin, die Firma D, bezahlt. Die weiteren Einzelheiten dieser Zahlung sind zwischen den Parteien umstritten.

12. Die Klägerin hat zunächst mit der Klageschrift vorgetragen, die fragliche Sendung sei im Februar 2005 versandt worden. Später hat sie (mit Schriftsatz vom 02.12.2005) angegeben, der Transport sei im Januar 2005 erfolgt. Nunmehr trägt sie vor, dass aufgrund eines Mißverständnisses oder eines Irrtums auf Klägerseite das genaue Versanddatum nicht mehr festzustellen sei. Sie meint, angesichts des unstreitigen Verlustes der mit dem Frachtbrief Nr. … beförderten Sendung sei die Kenntnis des exakten Versendedatums für die Geltendmachung der hier fraglichen Ersatzansprüche letztlich jedoch unerheblich.

13. Sie ist weiter der Auffassung, dass sich aus den Angaben auf dem Frachtbrief in Verbindung mit dazu überreichten Vertragsunterlagen der Firma D und N (vgl. ergänzend Bl.43-45 d.A.) ein Anscheinsbeweis für den Inhalt und den Wert dieser Sendung ergebe.

14. Die Klägerin meint, die Beklagte hafte für den Verlust der Sendung nach den Regeln der CMR. Hierzu trägt sie vor, der hier fragliche Transport sei nur zum Teil per Luftfracht erfolgt. Das Paket sei zunächst mit einem Lkw zu einem amerikanischen Flughafen befördert und von dort aus zu einem zentralen Landeflughafen für Sendungen der Beklagten in Europa (nach ihrer Kenntnis handele es sich insoweit um E ) geflogen worden. Von dort aus habe die Sendung dann per Lkw im internationalen Straßengüterverkehr zu den örtlich zuständigen Umschlagslager der Beklagten befördert und sodann an die Firma N ausgerollt werden sollen. Dabei sei die Sendung dann verloren gegangen, ohne dass ausreichende nähere Einzelheiten dazu von der Beklagten bekannt gemacht worden seien.

15. Soweit die Beklagte im Zusammenhang mit dem Verlust der Sendung eine geringfügigere Zahlung an die Firma D geleistet haben sollte, hält die Klägerin dies unter Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Frankfurt zur sogenannten „Vergleichsfalle“ für rechtlich unerheblich.

16. Eine von der Beklagten geltend gemachte Haftungsbeschränkung greife hier schon deshalb nicht, da angesichts der ihrer Meinung unsubstantiierten Einlassung der Beklagten zum Verlust der Sendung von einem grob fahrlässigen, qualifizierten Verschulden der Beklagten auszugehen sei.

17. Dementsprechend beantragt die Klägerin,

die Beklagte zu verurteilen, 6.415,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei Klagezustellung an die Klägerin zu zahlen.

18. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

19. Sie bestreitet, dass zu den von der Klägerin angegebenen Daten eine Versendung von Transportgut von der Firma D an die Firma N über die Beklagte stattgefunden habe. Allerdings sei am 01.10.2004 die Sendung mit der AWB-Nr. … von der Versenderin D an die Empfängerin N transportiert worden. Diese Sendung sei auf dem Lufttransport außer Kontrolle geraten. Sie sei letztmalig bei Eingang am Flughafen F /Q am 02.10.2004 um 20.20 Uhr datentechnisch von ihr erfaßt worden.

20. Die Beklagte meint,

daher komme vorliegend allenfalls eine der Höhe nach beschränkte Haftung nach dem Montrealer Übereinkommen (MÜ) in Betracht, die deutlich unterhalb des Betrages liege, der von ihr bereits an die Versenderin der Sendung geleistet worden sei. (Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Vorbringens wird ausdrücklich auf Bl.57 ff und 104 ff d.A. Bezug genommen.)

21. Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und bestreitet Inhalt und Wert sowie den Verlust der streitgegenständlichen Sendung.

22. Sie bestreitet im übrigen die Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung, die Abtretungserklärung vom 10.02.2005 beziehe sich weder auf eine Sendung aus Februar noch aus Januar 2005. Im übrigen hält sie die Abtretung wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz für unwirksam. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Beklagtenvorbringens wird ausdrücklich auf Bl.105 f d.A. verwiesen.

23. Jedenfalls seien eventuelle Ansprüche der Klägerin durch Zahlung von 100,00 US$ an die Firma D nach den für diese Auseinandersetzung geltenden amerikanischen Rechtsvorschriften vollständig ausgeglichen. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Beklagten zu diesem Punkt wird ausdrücklich auf Bl.106 ff d.A. verwiesen.

24. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

25. Die zulässige Klage, für deren Entscheidung Art. 31 CMR das LG Bonn zuständig ist, ist in vollem Umfang begründet.

26. Die Klägerin kann von der Beklagten aus abgetretenem Recht gemäß Art. 13, 17, 29 CMR i.V.m. § 398 BGB Ersatz für den Verlust des zugrunde liegenden Frachtgutes verlangen.

27. Die Klägerin ist insoweit insbesondere auch aktivlegitimiert.

28. Die wirksame Abtretung folgt aus der dem Umfang nach unstreitigen Abtretungserklärung vom 12.03.2005 (Anlage K7, Bl.50 d.A.). Für die Wirksamkeit dieser Abtretung ist es ebenso wie für die Frage der Bestimmtheit der Klageforderung im übrigen unerheblich, an welchem Tag exakt der hier fragliche Transport durchgeführt worden ist.

29. Es gab nur einen Transport einer Sendung von der Firma D zu der Firma N mit der Frachtbrief-Nr. …. Diese Sendung ist bei dem Transport durch die Beklagte abhanden gekommen. Die daraus resultierenden Ansprüche hat die Firma N an die Klägerin abgetreten.

30. Da nach Auffassung der Kammer keinerlei Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit dieser Abtretung unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Rechtsberatung ersichtlich sind, ist die Klägerin berechtigt, aufgrund dieser Abtretung gemäß § 398 BGB die transportrechtlichen Ansprüche der Firma N geltend zu machen.

31. Die Beklagte hat für den Verlust des Transportgutes vorliegend nach den Regeln des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) einzustehen.

32. Zu Recht weist die Klägerin insoweit darauf hin, dass entsprechend der Regelung des Art. 38 MÜ bei einer sogenannten gemischten Beförderung die Vorschriften des MÜ lediglich auf die eigentliche Luftbeförderung nicht aber auf andere Streckenabschnitte anzuwenden sind. Dabei ist insbesondere auch anerkannt, dass Beförderungen auf Strecken, auf denen ein regelmäßiger Flugverkehr stattfindet, keinen Zubringerverkehr, sondern im Falle grenzüberschreitenden Transports einen sogenannten Luftfrachtersatzverkehr darstellen (vgl. nur OLG Hamburg VersR 1982, 375). Unter diesen Umständen reicht angesichts des klägerischen Vortrages zum geplanten Transportverlauf der Sendung der rudimentäre Sachvortrag der Beklagten zum vermeintlichen Verlust der Sendung auf dem Flughafen F in Q nicht aus, um einen Verlust der Sendung während einer Luftbeförderung zu belegen. Insoweit weist die Klägerin vielmehr zu Recht darauf hin, dass selbst wenn die – bestrittene letzte Scannung der Sendung erfolgt sein sollte, als diese auf dem Umschlagslager der Beklagten in Q einging, damit keinesfalls sicher ist, dass die Sendung auch dort verlorengegangen ist. Ebenso ist es möglich, dass diese Sendung durchaus in den richtigen Lkw verladen, jedoch irrtümlich nicht gescannt wurde und erst auf einem späteren Umschlagslager in Verlust geraten ist. Hierzu verhält sich das Vorbringen der Beklagten mit keinem Wort.

33. Nach Auffassung der Kammer bietet der Frachtbrief Nr. … in Verbindung mit den von der Klägerin insoweit vorgelegten weiteren Vertragsunterlagen auch hinreichende Grundlage für die Anwendung der inzwischen gefestigten Rechtsprechung zur Annahme eines Anscheinsbeweis für Inhalt und Wert der übernommenen Sendung aufgrund der Deklaration im Frachtbrief.

34. Angesichts der übereinstimmenden Wertangaben in der Rechnung der Firma D und im Frachtbrief sowie der übereinstimmenden Artikelbezeichnung im Auftragsschreiben vom 01.09.2004 und im Frachtbrief bestehen nach Auffassung der Kammer keinerlei Zweifel, das exakt die Übernahme dieses Frachtgutes durch den Frachtbrief dokumentiert wird.

35. Die Beklagte hat für den Verlust der Sendung auch unbeschränkt einzustehen. Wie bereits erwähnt, sind ihre Angaben zum vermeintlichen Verlust der Sendung in Q so unsubstantiiert, dass hier von einer ungeklärten Schadensursache auszugehen ist, die ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers vermuten läßt.

36. Schließlich kann die Beklagte gegenüber dem damit in vollem Umfang begründeten Anspruch nicht mit Erfolg geltend machen, dieser sei durch einen Vergleich mit der Absenderin der Sendung erloschen.

37. Nach herrschender Meinung (vgl. insoweit nur Koller, Rn.4, 8 zu Art.13 CMR m.w.N.) sind sowohl der Empfänger wie der Absender grundsätzlich berechtigt, Schadensersatzansprüche nach CMR gegen den Frachtführer geltend zu machen. Dabei ist die Frage, welche Konsequenzen Erklärungen des einen Gläubigers für den anderen erzeugen, nach den Regeln des Gesamtschuldnersausgleichs (hier §§ 429, 425 BGB) zu beurteilen (vgl. Koller, a.a.O. Rn.8 zu Art. 13). Dementsprechend ist hier auch nach Auffassung der Kammer die Rechtsprechung zur sogenannten Vergleichsfalle anwendbar. Danach ist die Annahme einer dem anderen Gesamtgläubiger zuzurechnenden Abfindungsvereinbarung stets dann abzulehnen, wenn zwischen dem durch Übersendung eines Schecks angebotenen Vergleichsbetrag und dem zu erlassenden Teil ein krasses Missverhältnis besteht. So liegt der Fall hier. Zwischen dem Scheckbetrag in Höhe von 100,00 US$ und der im Raum stehenden Forderung in Höhe von 7.865,00 US$ besteht ein solch eklatantes Missverhältnis, dass die Beklagte nicht ernsthaft annehmen konnte, die Einlösung des Schecks sei auf den Willen des Geschädigten zurückzuführen, sich auf eine derartige Entschädigung einzulassen (vgl. hierzu ausführlich OLG Frankfurt a.a.O.).

38. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

39. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

40. Streitwert: 6.415,00 €.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr

Verwandte Entscheidungen

OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.04.2010, Az: I-18 U 238/09

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.04.2007, Az: 13 U 62/06

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr

Passagierrechte.org: Internationaler Straßengüterverkehr und deren Beförderungsverträge

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte.