Schadensersatz durch fehlende Betreuung bei Annullierung

AG Simmern: Schadensersatz durch fehlende Betreuung bei Annullierung

Der Kläger verklagt die Beklagte auf Zahlung eines Ausgleichs, da eine Betreuung am Urlaubsort durch das Luftfahrtunternehmen bei Flugannullierung nicht gegeben war.

Das Gericht gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte eine Ausgleichszahlung vorzunehmen.

AG Simmern 3 C 688/06 (Aktenzeichen)
AG Simmern: AG Simmern, Urt. vom 20.04.2007
Rechtsweg: AG Simmern, Urt. v. 20.04.2007, Az: 3 C 688/06
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Amtsgericht Simmern

1. Urteil vom 20.04.2007

Aktenzeichen: 3 C 688/06

Leitsatz:

2. Findet keine Betreuung der Reisenden nach vor Ort statt, handelt das Luftfahrtunternehmen gegen die Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger für sich und seine Ehefrau eine Flugreise. Als die Eheleute ihre Heimreise bei dem gebuchten Abreiseort antreten wollen, wird ihnen vor Ort mitgeteilt dass ihr Flug annulliert wurde. Eine Betreuung in diesem Fall durch das ausführende Luftfahrtunternehmen, wie in der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 festgehalten fand nicht statt. Der Kläger war auf sich allein gestellt.

Daher verklagt er die Beklagte auf Ausgleichzahlung. Das Amtsgericht gab der Klage statt, da es einen Verstoß nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sah.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 764,96 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

5. Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der beklagten Fluggesellschaft eine Flugreise vom Flughafen H nach V und zurück. Der Hinflug war am 11.11.2005. Der Rückflug war für den 21.11.2005, 13.05 Uhr, vorgesehen. Der Rückflug am 21.11.2005 wurde aus zwischen den Parteien streitigen Gründen annulliert. Letztendlich konnten der Kläger und seine Ehefrau mit einem Flug der Beklagten am 22.11.2005, der allerdings vom Flughafen B ausging, zum H zurückfliegen.

6. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger eine Ausgleichszahlung von (2 x 250,00 EUR =) 500,00 EUR für sich und seine Ehefrau gemäß Artikel 7 EU-VO 261/2004 sowie Schadensersatz wegen nicht erbrachter Betreuungsleistungen, der von der Beklagten dem Grunde und der Höhe nach bestritten wird.

7. Der Kläger trägt vor,

bei

8. es habe vor Ort am Flughafen T keine Betreuungsleistung durch die Beklagte stattgefunden. Der von der Beklagten vorgebrachte Grund für die Annullierung des Fluges werde bestritten, sodass auch eine Ausgleichszahlung zu erbringen sei.

9. Der Kläger beantragt,

10. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 764,96 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2006 zu zahlen.

11. Die Beklagte beantragt,

12. die Klage abzuweisen.

13. Sie bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers hinsichtlich seiner Ehefrau und trägt im Übrigen vor,

14.  das Instrumentenlandesystem am Flughafen T sei ausgefallen, sodass eine Ausgleichszahlung nicht geschuldet sei. Die Schadenspositionen würden bestritten. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten würden im Übrigen weitere Schadensersatzansprüche nach nationalem Recht ausschließen.

15. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30.03.2007 (Blatt 65 bis 67 d. A.) Bezug genommen.

16. Wegen des Sach- und Streitstandes in seinen Einzelheiten wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

17. Die zulässige Klage ist begründet.

18. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Ausgleichsleistung gemäß Artikel 7 EU-VO 261/2004 in Höhe von 500,00 EUR und auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 264,96 EUR aus §§ 281 ff. BGB.

19. Es kann letztendlich dahingestellt bleiben, ob der Ausfall eines Instrumentenlandesystems ein außergewöhnlicher Umstand i. S. d. Artikel 5 EU-VO 261/2004 darstellt. Der Kläger hat diesen Vortrag der Beklagten bestritten; die Beklagte hat für ihren Vortrag keinen Beweis angeboten. Auf die Abtretungserklärung hinsichtlich der Ehefrau des Klägers kommt es nicht an. Es war unstreitig der Kläger, der einen Beförderungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hat. Hinsichtlich der Ehefrau stellt dieser Vertrag einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter dar, der nunmehr den Kläger berechtigt, die Ansprüche der Ehefrau im eigenen Namen geltend zu machen.

20. Die Beklagte schuldet deshalb gemäß Artikel 7 EU-VO 261/2004 zunächst eine Ausgleichszahlung von (2 x 250,00 EUR =) 500,00 EUR.

21. Weiterhin schuldet die Beklagte Schadensersatz, da sie gegen ihre Verpflichtung aus Artikel 9 EU-VO 261/2004 verstoßen hat. Gemäß dieser Vorschrift sind für den Fall einer Flugverspätung oder Annullierung den Fluggästen Leistungen wie Mahlzeiten, Hotelunterbringung, Beförderung zwischen Flughafen und Ort der Unterbringung etc. anzubieten. Zu ihren entsprechenden Bemühungen hat die Beklagte nichts vorgetragen. Vielmehr steht aufgrund der Aussage der Zeugin Z fest, dass von Seiten des Personals der Beklagten überhaupt keine Betreuungsleistungen auch nur angesprochen wurden. Der Kläger und seine Ehefrau waren bis zum Flug am 22.11.2005 völlig auf sich alleine gestellt und mussten ihre Unterbringung etc. selbst in die Hand nehmen. Bei der Verletzung ihrer aus Artikel 9 EU-VO 261/2004 folgenden Verpflichtung auf Erbringung von Betreuungsleistungen hat die Beklagte gemäß §§ 281 ff. BGB Schadensersatz zu leisten. Diesen Schadensersatzanspruch konnte die Beklagte insbesondere nicht durch ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließen, da es sich insoweit um eine gemäß § 307 BGB unwirksame Klausel handelt; eine solche Regelung würde Kunden der Beklagten unangemessen benachteiligen, da eine solche Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren wäre.

22. Die Zeugin Z hat nachvollziehbar dargelegt, dass dem Kläger und ihr ein Schaden in Höhe von 264,96 EUR entstanden ist, sodass die Beklagte auch zur Zahlung von Schadensersatz zu verurteilen war.

23.  Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 286 ff. BGB.

24. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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