Ansprüche VO (EG) Nr. 261/2004 Starts

AG Schöneberg: Ansprüche VO (EG) Nr. 261/2004 Starts

Ein Fluggast nimmt eine Fluggesellschaft auf Zahlung einer Entschädigung und Umbuchungskosten in Anspruch. Nachdem der Startversuch zweimal abgebrochen wurde, buchte die Klägerin bei einer anderen Fluggesellschaft ihre Rückreise nach F, da die Beklagte nicht daraufhin wies, dass ein Ersatzflug geplant sei.
Das Gericht entschied das der Klägerin eine Zahlung zusteht, da die Fluggesellschaft ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen sei. Des Weiteren besteht auch ein Anspruch wegen Verspätung des Rückfluges gegenüber der Beklagten.

AG Schöneberg 5a C 92/05 (Aktenzeichen)
AG Schöneberg: AG Schöneberg, Urt. vom 21.09.2005
Rechtsweg: AG Schöneberg, Urt. v. 21.09.2005, Az: 5a C 92/05
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Berlin-Gerichtsurteile

Amtsgericht Schöneberg

1.Urteil vom 21. September 2005

Aktenzeichen: 5a C 92/05

 Leitsatz:

2. Bei einer Startverzögerung hat die Fluggesellschaft eine Informationspflicht.

Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte die Klägerin eine Flugreise nach F.  Das Gepäck wurde verladen und die Klägerin war für den Abflug bereit. Beim Startversuch musste dieser abgebrochen werden. Die Fluggäste wurden darauf hingewiesen und ein zweiter Startversuch erfolgte. Bereits wie beim ersten Versuch wurde auch der zweite abgebrochen. Die Passagiere, wie auch die Klägerin, musste das Flugzeug verlassen, ihr Gepäck wurde ebenfalls wieder ausgeladen. Die Fluggesellschaft kam ihrer Informationspflicht nicht nach.

Die Klägerin ging von einer Annullierung des Fluges aus, zumal auch der Flug von der Anzeigentafel genommen wurde.  Die Klägerin buchte daraufhin einen neuen Flug mit einer anderen Fluggesellschaft um an ihr Reiseziel nach F zukommen. Erst nach dieser Umbuchung informierte die ursprüngliche Fluggesellschaft das ein Ersatzflug nach F stattfindet. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin bei der anderen Fluggesellschaft aber schon eingescheckt und konnte dies auch nicht mehr rückgängig machen.

Das Gericht entschied das der Klägerin eine Ausgleichszahlung für den annullierten Flug und die Umbuchungskosten zusteht. Die Beklagte sei ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen, sie hätte der Klägerin frühzeitig mitteilen müssen dass ein Ersatzflug stattfindet.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 548,82 zuzüglich gesetzlicher Zinsen in Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.06.2005 zu zahlen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

7. Von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß §313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.“

Entscheidungsgründe:

8. Die Klage ist begründet.

9. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß Art. 7 Abs. 1 a) i.V.m. Art. 5 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 (im Folgenden abgekürzt: EGVO) Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von EUR 250,00 sowie Schadensersatz in Höhe der Kosten für das L.ticket von EUR 328,83 gemäß Art. 8 Abs. 1 Ziff. b) i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Ziff. a) EGVO zu.

10. Hier ist von einer Annullierung des Fluges i.S.v. Art. 5 Abs. 1 EGVO auszugehen.

11. Nach dem Informationsblatt des Luftfahrtbundesamtes ist Annullierung eine Nichtdurchführung eines Fluges, für den ein Platz reserviert war.

12. Unstreitig haben die Passagiere des Fluges Berlin-Tegel nach F. am 18.03.2005 um 16:55 Uhr nach zwei vergeblichen Startversuchen und Rücktransport zum Warteraum des Flughafengebäudes ohne Information der Beklagten ihr Gepäck über das Gepäckband ab 20:45 Uhr zurück erhalten. Insofern ist das Gepäck wie beim Auschecken den Passagieren überlassen worden.

13. Auf dem Flugplan befand sich kein Flug der G. mehr und es war auch kein weiterer Flug angekündigt. Daraus ließ sich für die Passagiere und somit auch für den Kläger nur folgern, dass keine Weiterbeförderung mehr mit einer G.maschine an dem Abend dieses Tages stattfinden würde. Denn nach dem ersten Fehlstart war das Gepäck nicht ausgeliefert worden und es fand eine Mitteilung hinsichtlich eines neuen Starts statt, weswegen dann auch ein zweiter Startversuch unternommen wurde.

14. Die Ausgleichsleistung gemäß Art. 7 der EG-Verordnung ist auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 1 c) i) bis iii) ausgeschlossen, denn es handelte sich insoweit um eine konkludente kurzfristige Information über die Annullierung, so dass grundsätzlich Anspruch nach Art. 7, 8 und 9 der EG-Verordnung bestand.

15. Da es sich um eine Entfernung von weniger als 1500 km handelte, beträgt die Ausgleichsleistung EUR 250,00.

16. Dem Kläger steht auch Ersatz der Flugkosten des von ihm ersatzweise zur Rückbeförderung nach F. gebuchten L.fluges gemäß Art. 8 Abs. 1 Ziff. b) der EG-Verordnung entsprechend zu.

17. Denn die Beklagte schuldete wahlweise die Erstattung der bisherigen Flugscheinkosten, den Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt, die anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt auf Wunsch des Fluggastes vorbehaltlich verfügbarer Plätze.

18. Zwar hat die Beklagte noch am 18.03.2005 nach 21:00 Uhr darüber informiert, dass die Passagiere sich gegen 21:40 Uhr an einem Schalter wegen dem eingetroffenen Sonderflug der G. nach F. melden sollten, welcher auch danach stattfand. Nachdem der Kläger jedoch bereits den Ersatzflug mit der L. gebucht und für die 21:10 Uhr Maschine bereits eingecheckt hatte, war es ihm nicht mehr zuzumuten, den Wartebereich der L. zu verlassen und den späteren G.flug, von dem er zu diesem Zeitpunkt nicht sicher wusste, dass dieser stattfindet, zu nutzen und gleichwohl die Kosten für den L.flug tragen zu müssen.

19. Es hätte hier der Beklagten oblegen, ihren Informationspflichten gemäß Art. 5 Abs. 2, Abs. 4 der EG-Verordnung zu genügen. Insofern hätte jedenfalls als der zweite Startversuch fehlschlug und die Passagiere per Bus zum Flughafengebäude zurücktransportiert und in einen neuen Warteraum gelotst wurden bei Rückgabe des Gepäcks eine Information erfolgen müssen, ob noch ein Ersatzflug stattfindet oder nicht. Die Information erst nach 21:00 Uhr war insoweit verspätet.

20. Der Kläger hat auch nicht gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß §254 Abs. 1 BGB verstoßen.

21. Denn die Beklagte schuldete die anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen. Dazu zählt nicht die Bahnfahrt mit dem ICE 2. Klasse. Auf die Übernachtung und den Transport am nächsten Tag wäre der Kläger nur dann zu verweisen gewesen, wenn die Beklagte die anderweitige Beförderung erst am nächsten Tag hätte bewerkstelligen können. Auch insofern, als der Kläger mangels rechtzeitiger Information der Beklagten selbst gehalten war, eine vergleichbare anderweitige Beförderungsmöglichkeit nach F. zu finden, hat die Beklagte ihm auch die dafür unstreitig entstandenen Kosten zu ersetzen.

22. Der Zinsanspruch ist gemäß §§291, 288 Abs. 1 BGB begründet.

23. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §91 Abs. 1 ZPO.

24. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf §§708 Nr. 11, 713 ZPO.

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