Aufklärungspflicht Pass- / Visa-Erfordernisse

AG Frankfurt: Aufklärungspflicht Pass- / Visa-Erfordernisse

Ein Fluggast nimmt einen Reiseveranstalter auf Schadensersatz in Anspruch aus der Pflichtverletzung des Reisevertrags, aufgrund der fehlenden Aufklärung zu Einreisebestimmungen in das geplante Reiseland.

Das Amtsgericht Frankfurt entschied, dass eine Aufklärungspflicht bezügliche Einreisebestimmunegn für Reiseveranstalter besteht, wenn der Reisende erkennbar Probleme mit der deutschen Sprache hat.

AG Frankfurt 32 C 3051/01 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 03.09.2002
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 03.09.2002, Az: 32 C 3051/01
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 03.09.2002

Aktenzeichen:  32 C 3051/01

Leitsatz:

2. Ist ein Reisender Ausländer, mit erkennbarer Schwierigkeit im Verständnis der deutschen Sprache, so trifft den Reisevermittler eine ausdrückliche Unterrichtungspflicht hinsichtlich der Geltung von Visumbestimmungen. Der Reiseveranstalter muss sich die Pflichtverletzung des Mitarbeiters des vermittelnden Reisebüros als eigene gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

 Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte der bosnische Kläger am 22.05.2001 über einen Reiseveranstalter eine Pauschalreise nach Ägypten für den Zeitraum vom 27.05.-10.06.2001 mit Hotelaufenthalt in einem Grandhotel in Hurghada zu einem Reisepreis von 3.867.00 DM für sich, seine Ehefrau und sein Kind. Jedoch verweigerte die Fluggesellschaft die Beförderung aufgrund des fehlenden Visas.

Der Kläger begehrt einen Schadensersatzanspruch aus der Pflichtverletzung des Reisevertrags und Rückzahlung des Flugpreises.

Das Amtsgericht Frankfurt gab der Klage nur teilweise statt und entschied, dasseine Aufklärungspflicht seitens des Reiseveranstalters bestand. Der reiseveranstalter hat grundsätzlich die Pflicht vor Vertragsabschluss auf alle Umstände hinzuweisen, die dem reiseerfolg entgegenstehen könnten, wie hier ein Visum als Einreisebestimmung. Die Mitarbeiterin des Reisebüros hätte alleine ufgrund der schlechten Sprachkenntnisse beim Verkaufsgespräch bewusst sein können, dass es sich um Ausländer handelt und mithin über andere Einreisebestimmungen aufklräen müssen. Jedoch trifft den Kläger anspruchsminderndes Mitverschulden. Auch er hätte Überlegungen anstellen müssen, ob eine kurzfristige Buchung eines Ägypten-Urlaubes mit einer Zeitspanne von nur 5 Tagen zwischen Vertragsschluss und Antritt der Reise seinerseits verwirklicht werden konnte.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 988,58 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.07.2001 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger und die Beklagte je zu 1/2 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, es sei denn, dass die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe geleistet hat.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Reisevertrag.

6. Der Kläger buchte am 22.05.2001 über die Firma …, bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Ägypten für den Zeitraum vom 27.05.-10.06.2001 mit Hotelaufenthalt in einem Grandhotel in Hurghada zu einem Reisepreis von 3.867.00 DM für sich, seine Ehefrau und sein Kind. Zum Zeitpunkt der Buchung besaßen der Kläger und seine Familie die bosnische Staatsbürgerschaft.

7.  Der Kläger suchte mit seiner Frau am 22.05.2001 den Schalter der Firma … im Flughafen S auf und erkundigte sich nach einer Ägypten-Reise. Die Mitarbeiterin der Firma … unterbreitete ihm ein Angebot über eine 14tägige Reise nach Hurghada mit Abflug am 27.05.2001, also 5 Tage später. Sie legte dem Kläger dabei einen Katalog des Reiseveranstalters … vor. Bei der Buchung unterschrieb der Kläger eine Reisebestätigung der Firma … (Bl. 96 d. A.). Diese nennt neben den Reiseangaben als Veranstalter …, als Reiseziel „Ägypten“ und enthält eine vorformulierte Klausel folgenden Inhalts:

8.  „1. Es gelten bei dieser Reiseanmeldung die Reise- und Vertragsbedingungen des oben erwähnten Veranstalters, die Beförderungsbedingungen der beteiligten Verkehrsträger sowie die Paß-, Impf- und Zollregelungen des oben erwähnten Reiselandes“.

9.  Am Abflugtag verweigerte die Fluggesellschaft dem Kläger und seiner Familie die Beförderung mit dem Hinweis, dass sie das für Ägypten erforderliche Visum nicht besäßen. Der Kläger hatte sich über die Visumpflicht zuvor selbst durch Lektüre eines Reiseführers in einem Buchladen informiert und war dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Einreise nach Ägypten von Deutschland aus für ihn ohne ein Visum möglich sei.

10.  Der Kläger konnte die Reise nicht mehr antreten und begehrt den gezahlten Reisepreis zurück, nachdem vorgerichtlich eine Rückzahlung seitens der Beklagten mit Schreiben vom 10.07.2001 (Bl. 40 d. A.) verweigert worden war.

11.  Der Kläger behauptet, dass der Mitarbeiterin der Firma … auf Grund seines Namens und seiner Aussprache erkennbar gewesen sei, dass es sich bei ihm und seiner Familie um Ausländer gehandelt habe. Er meint daher, dass die Beklagte als Reiseveranstalterin bzw. durch die für sie handelnde … GmbH ihn darauf hinzuweisen gehabt hätte, dass er ein Visum für Ägypten benötigte. Auch habe er davon ausgehen dürfen, dass die Einreiseformalitäten in Ägypten erledigt werden könnten, da die Beklagte ihm auf einer Rechnung (Bl. 35 f. d. A.) auf eine Visagebühr bei Einreise vor Ort i. H. v. 45,– DM pro Person hingewiesen habe.

12.  Der Kläger beantragt,

13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.867 DM nebst 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit dem 10.07.2001 zu zahlen.

14.  Die Beklagte beantragt,

15. die Klage abzuweisen.

16. Die Beklagte behauptet, der Kläger sei auf ihre allgemeinen Reisebedingungen hingewiesen worden. Diese enthielten einen ausdrücklichen Hinweis, dass Bürger aus Nicht-Mitgliedstaaten der EU Informationen bezüglich der für sie geltenden Einreisebestimmungen bei ihrem jeweiligen Generalkonsulat bzw. ihrer Botschaft erhielten. Sie meint, zu weiterer Aufklärung nicht verpflichtet zu sein.

17. Das Gericht hat über den Inhalt des Verkaufsgesprächs, das am 22.05.2001 im Reisebüro … zwischen dem Kläger und der Mitarbeiterin der …, stattgefunden hat, Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … benannt von der Beklagten. In diesem Termin am 19.07.2002 ist auch der Kläger informatorisch gehört worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 19.07.2002 (Bl. 85 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe

18. Der Klage war i. H. v. 988, 58 EUR nebst beantragter Zinsen stattzugeben. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen entsprechenden Anspruch unter dem Gesichtspunkt einer positiven Forderungsverletzung i. V. m. § 651 a BGB, § 278 BGB, da die Beklagte ihre Pflicht, den Kläger über mögliche Einreisehindernisse vorab aufzuklären, verletzt hat. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

19.  Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Mitarbeiterin der … als Abschlussvermittlerin der Beklagten es unterlassen hat, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er sich bei seiner Botschaft oder seinem Konsulat über eventuelle besondere Einreisevoraussetzungen zu unterrichten hat. Obwohl nach den Umständen des Falles erkennbar war, dass es sich bei dem Kläger um einen ausländischen Staatsangehörigen gehandelt hat, meinte die Mitarbeiterin der Abschlußvermittlerin der Beklagten fälschlicherweise, sie träfe keine dahingehende Hinweispflicht.

20.  Die insoweit glaubwürdige Zeugin … hat in ihrer Vernehmung ausgeführt, dass sie sich zwar nicht erinnern könne, ob der Kläger gut deutsch sprechen könne. Sie habe gedacht, dass auch Russlanddeutsche schlecht Deutsch sprächen, dennoch aber Deutsche seien. Sie habe den Kläger auch deshalb nicht darauf hingewiesen, dass er sich bei seinem Konsulat oder seiner Botschaft nach eventuellen Visapflichten erkundigen solle, weil sie meinte, hierum müsse sich jeder Reisende selbst kümmern. Allein der von der Zeugin bekundete Vergleich mit Russlanddeutschen und deren von der Zeugin angenommenen schlechten Sprachkenntnisse zeigt, dass sie in dem Verkaufsgespräch mit dem Kläger und seiner Frau sehr wohl das Bewußtsein hatte, es könne sich bei ihm um einen Ausländer handeln, da sie, hätte sie angenommen, bei dem Kläger und seiner Frau handele es sich um Inländer, den Vergleich mit Russlanddeutschen kaum angestellt hätte. Einen ausdrücklichen mündlichen Hinweis hat die Mitarbeiterin der … dennoch unterlassen.

21. Die Beklagte hätte den Kläger indes darauf hinweisen müssen, dass er sich bei seiner Botschaft oder seinem Konsulat auf ihm und seiner Familie als bosnische Staatsangehörige treffende besondere Einreisevoraussetzungen, die einer Einreise in Ägypten möglicherweise entgegenstehen, erkundigen müsse. Die Beklagte trifft als Reiseveranstalter grundsätzlich die Pflicht, vor Vertragsabschluß auf alle Umstände hinzuweisen, die der Herbeiführung des Reiseerfolgs bzw. der Durchführung der Reise entgegenstehen. Zu bei Auslandsreisen stets ins Auge zu fassenden Reisehindernissen gehören de Einreisebestimmungen des Ziellandes. Die insofern erforderliche Beschaffung von Reiseurkunden, eines gültigen Passes bzw. erforderlicher Visa ist zwar, soweit sie nicht vom Veranstalter übernommen wird, Sache des Reisenden. Es gehört aber zu den Pflichten des Veranstalters, den Reisenden bei der Buchung darauf hinzuweisen, dass solche Urkunden mitgeführt werden müssen, weil die Nichtbeachtung der Einreisebestimmungen den von ihm geschuldeten Erfolg der Reise vereiteln kann (vgl. BGH, NJW 1985, 1165).

22. Die Annahme einer solchen vertraglichen Aufklärungspflicht wird vorliegend auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil gegenüber dem Kläger als derzeit bosnischer Staatsangehöriger keine Unterrichtungspflicht gem. § 2 InfVO besteht. Nach § 2 Nr. 1 InfVO ist der Reiseveranstalter zwar verpflichtet, den Reisenden, bevor dieser auf seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgibt, über Paß- und Visumserfordernisse zu unterrichten. Nach § 2 Nr. 1 Satz 2 InfVO besteht diese Pflicht aber nur auf „Erfordernisse für Angehörige des Mitgliedstaates, in dem die Reise angeboten wird“. In richtlinienkonformer Auslegung besteht diese besondere Aufklärungspflicht erweiternd auch hinsichtlich der Erfordernisse, die gegenüber Bürgern aus anderen EG-Mitgliedstaaten bestehen, vgl. Art 4 Abs. 1 a) EG-PauschalreiseRL („für Staatsangehörige des bzw. der betreffenden Mitgliedstaaten“). Hieraus ist jedoch unter Zugrundelegung des Günstigkeitsprinzips des Art. 8 der PauschalreiseRL nicht zu entnehmen, dass die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht eine weitergehende bzw. auch für Drittstaatsangehörige überhaupt eine Unterrichtungspflicht vorsehen.

23. Die Beklagte ist ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Sie muss sich insoweit die Pflichtverletzung der Mitarbeiter des die Reise vermittelnden Reisebüros … als eigene gem. § 278 BGB zurechnen lassen, da sie sich der S-Tour-GmbH als Abschlussvermittlerin zur Anbahnung und Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen bedient (zur Zurechnung vgl. nur: LG Frankfurt am Main, NJW-RR 1998, 196; Führich, Reiserecht, 4. Aufl., § 21 Rdn. 532 m. w. Nw.).

24. Die … bzw. ihre Mitarbeiter haben einen Hinweis darauf, dass sich der Kläger bei seinem Konsulat oder seiner Botschaft nach eventuellen Einreisebestimmungen zu erkundigen und sich gegebenenfalls um die erforderlichen Visa zu bemühen habe, unterlassen, obwohl nach den Umständen des Einzelfalls erkennbar war, dass es sich bei dem Kläger und seiner Familie um Ausländer handelt. Eine besondere Aufklärungspflicht ist nämlich nur anzunehmen, wenn für den Reiseveranstalter erkennbar Anlaß bestand anzunehmen, dass es sich bei den Kunden um Angehörige von Nichtmitgliedstaaten der EU handelt – er durch Erfüllung der Pflichten des § 2 InfVO für den Normalfall einer Buchung durch deutsche Staatsangehörige seiner Unterrichtungspflicht also gerade nicht genügt – und insoweit besondere Einreisebestimmungen des Ziellandes naheliegen (vgl. AG Stuttgart, NJW-RR 1986, 142).

25.  Die Mitarbeiterin der Abschlussvermittlerin der Beklagten hätte erkennen müssen, dass Anlaß bestand, darauf hinzuweisen, sich bei der Botschaft oder bei dem Konsulat über eventuelle Einreisehindernisse bzw. -erfordernisse zu erkundigen. Hier reicht als Indiz allein der ersichtlich nicht deutsche Name des Klägers für sich genommen nicht aus (vgl. auch: AG Stuttgart, NJW-RR 1986, 142). Es streitet jedoch auch als Indiz einer nichtdeutschen Staatsangehörigkeit die Sprachkompetenz des Klägers. Die Mitarbeiterin der Abschlussvermittlerin der Beklagten hätte anhand der Aussprache des Klägers nachfragen müssen, ob es sich bei ihm um einen Deutschen handelt.

26. Einen ausdrücklichen mündlichen Hinweis hat die Mitarbeiterin der … infolgedessen nicht gegeben. Die Beklagte ist somit ihrer Aufklärungspflicht durch dieses Versäumnis der ihr zuzurechnenden Erfüllungsgehilfin nicht nachgekommen.

27.  Auch hat die … als Abschlussvertreterin der Beklagten deren Unterrichtungspflicht nicht dadurch genügt, dass sie formularmäßig in der Reisebestätigung darauf verweist, dass die Einreisebestimmungen des Ziellandes gelten. Dieser Erklärung kommt bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont lediglich der Bedeutungsinhalt zu (§ 157 BGB), dass das Zielland u. U. Einreisebestimmungen hat, die selbstverständlich auch für die gebuchte Reise gelten. Eine Erklärung über die Geltung des öffentlichen Rechts eines Drittstaates ist allerdings keine Erklärung darüber, dass dieses Recht u. U. einer Einreise und damit einer Durchführung der Reise entgegenstehen kann und dass der Reisende sich deshalb über die ihn treffenden Visaerfordernisse bei seiner diplomatischen Vertretung zu erkundigen habe.

28. Auch hat die … als Abschlussvertreterin der Beklagten deren Unterrichtungspflicht nicht dadurch genügt, dass sie formularmäßig in der Reisebestätigung darauf verweist, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gelten. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten zwar eine ausdrückliche Unterrichtung in Bezug auf eventuelle Einreiseerfordernisse. Der bloße Hinweis auf diese AGB der Beklagten reichte auch im Falle der Einbeziehung der AGB zur Erfüllung der Aufklärungspflicht über Einreisebestimmungen im Zielland jedenfalls bei einer kurzfristigen Buchung indes nicht aus. Der Reiseveranstalter kann nicht davon ausgehen, dass der Reisende ohne ausdrücklichen Hinweis bei einer kurzfristigen Buchung das ihm zur Verfügung gestellte Reiseprospekt daraufhin durchstudieren und sich selbst die notwendigen Informationen beschaffen werde (vgl. auch: LG Frankfurt, NJW-RR 1989, 312, 313). Die Zeugin … hat bei ihrer Vernehmung insoweit ausgeführt, dass es eine sehr kurzfristige Buchung war. Ihr hätte mithin klar sein müssen, dass die Beantragung eventuell erforderliche Visa für den Kläger in kürzester Frist notwendig gewesen wäre. Sie hätte ihn insoweit ausdrücklich darauf hinweisen müssen. Ihre entgegenstehende Rechtsansicht muss sich die Beklagte einen Sorgfaltspflichtverstoß begründend zurechnen lassen. Der formularmäßige Bezug auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten reicht insoweit nicht. Zudem wären diese auch nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Da dem Kläger ein Katalog der Firma … und damit eines anderen Reiseveranstalters vorgelegt worden war, fehlte es ihm an der Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme der Geschäftsbedingungen der Beklagten, die nach § 2 Nr. 2 AGBG Voraussetzung der Einbeziehung wäre. Der Kläger mußte insoweit nicht nach einem Katalog der Beklagten verlangen, da er auch bei Anstrengung der ihm obliegenden Sorgfalt davon ausgehen darf, dass der ihm vorgelegte Katalog auch derjenige des von ihm gewählten Veranstalters ist. Das Risiko der Nichteinbeziehung liegt insoweit bei der Beklagten.

29. Auch wenn man davon ausginge, dass durch Art. 4 Abs. 1 der EG-PauschalreiseRL ein Mindeststandard bezüglich der Form und Umfang des Hinweises auch bezüglich der Aufklärungs- und Unterrichtungspflichten gegenüber Drittstaatsangehörigen gesetzt würde, ergäbe sich nichts anderes. Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie genügt zwar auch ein Hinweis im Prospekt als „anderer geeigneter Form“ i. S. d. Richtlinientextes, jedoch muss dann der Kunde ausreichend genau auf diesen Prospekt aufmerksam gemacht werden. Ein bloßer Hinweis in AGB reicht hierzu nicht aus. Bucht der Kunde ohne Prospekt oder fehlt dieser, sind die Informationen vor Vertragsschluss individuell zu geben (vgl. Führich, Reiserecht, 4. Aufl., § 3 Rdn. 38).

30. Die Beklagte haftet dem Kläger mithin dem Grunde nach aus positiver Forderungsverletzung und hat ihm nach § 249 BGB den gezahlten Reisepreis als adäquat kausalen Schaden zu ersetzen.

31. Den Kläger trifft jedoch ein nach § 254 BGB anspruchsminderndes Mitverschulden. Auch er hätte Überlegungen anstellen müssen, ob eine kurzfristige Buchung eines Ägypten-Urlaubes mit einer Zeitspanne von nur 5 Tagen zwischen Vertragsschluss und Antritt der Reise seinerseits verwirklicht werden konnte. Er durfte nicht völlig darauf vertrauen, mit der Buchung alles Erforderliche in die Wege geleitet zu haben, ohne selbst noch Erkundigungen einziehen zu müssen. So muß sich der Gedanke einer Visa-Pflicht gerade für einen bosnischen Staatsangehörigen selbst auch bei einer kurzfristigen Buchung geradezu aufdrängen (vgl. auch: LG Frankfurt am Main, NJW-RR 1989, 312, 313). Auch er hätte sich, anstatt lediglich Reiseführer in Buchläden zu konsultieren, durchaus aus eigenem Antrieb an sein Konsulat wenden können. Dies gilt insbesondere deshalb, weil er schon mit der konkreten Absicht eines Ägypten-Urlaubs an die Abschlussvermittlerin der Beklagten herangetreten ist. Nicht erst im Laufe des Beratungsgesprächs – und damit in einem der Beklagten zuzurechnenden Kontext – ist sein Wille, in Ägypten den Urlaub zu verbringen, geweckt worden, sondern er hatte ihn schon zuvor. Sich nach den entsprechenden Einreisebestimmungen konkret zu erkundigen, wäre ihm damit schon vor dem Gespräch mit der Mitarbeiterin der … möglich gewesen.

32. Bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens ist andererseits auch die Pflichtverletzung der Beklagten zu berücksichtigen. Als sachkundige Reiseveranstalterin hat sie die ihr obliegende vertragliche Pflicht nicht erfüllt. Wenn die Beklagte als Veranstalterin von Pauschalreisen die Organisation und Durchführung derartiger Reisen übernimmt, dann gehört dazu auch der Hinweis auf die Einreiseformalitäten des jeweiligen Reiselandes. Das Gericht bemißt deshalb das Verschulden der Beklagten und das Verschulden des Klägers mit je der Hälfte.

33. Da die Verletzung einer im Vorfeld des Vertragsschlusses anzusiedelnden Aufklärungspflicht über erforderliche Einreisevoraussetzungen keinen Mangel der Reise hervorruft, stehen der Anwendbarkeit des Anspruch aus positiver Forderungsverletzung auch keine spezielleren Regelungen des Reisegewährleistungsrechts, namentlich § 651 f BGB, entgegen.

34.  Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284, 286, 288 Abs. 2 BGB in gesetzlicher Höhe als Verzugsschaden, da die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben nach Fristsetzung durch den Kläger die Erfüllung der erhobenen Ansprüche endgültig verweigert hat.

35.  Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

36. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wonach die Kosten des Rechtsstreits den Parteien nach dem Grad des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen sind.

37. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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