Schadensersatz bei Verbrühung mit Kaffee in der Bahn

AG Tiergarten: Schadensersatz bei Verbrühung mit Kaffee in der Bahn

Wähend einer Bahnfahrt wird eine Frau von einem Angestellten des ausführenden Eisenbahnunternehmens mit Kaffee verbrüht, weil dieser beim Eingießen von einem Dritten angestoßen wurde. Sie erlitt Verbrennungen zweiten Grades und fordert nun Schadensersatz sowie ein Schmerzensgeld von dem Unternehmen.

Das Amtsgericht Tiergarten hat der Klägerin die Zahlungen zugesprochen. Das Unternehmen sei, verschuldensunabhängig, für seine Angestellten und deren Handlungen verantwortlich.

AG Tiergarten 6 C 381/06 (Aktenzeichen)
AG Tiergarten: AG Tiergarten, Urt. vom 24.07.2007
Rechtsweg: AG Tiergarten, Urt. v. 24.07.2007, Az: 6 C 381/06
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Berlin-Gerichtsurteile

Amtsgericht Tiergarten

1. Urteil vom 24.07.2007

Aktenzeichen: 6 C 381/06

Leitsatz:

2. Verbrüht ein Bahnangestellter einen Fahrgast mit Kaffee während einer Bahnfahrt, so muss das die Zugfahrt ausführende Eisenbahnunternehmen für die Folgen dessen verschuldungsunabhängig haften.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin reiste mit einem Zug der Beklagten, einem Eisenbahnunternehmen, in den Urlaub. Während der Zugreise bestellte sich die Klägerin einen Kaffee. Dieser Kaffee wurde der Klägerin durch einen Angestellten der Beklagten gebracht, doch während er den Kaffee überreichen wollte wurde er angestoßen und verschüttete den Kaffee über den Arm der Klägerin. Die Klägerin erlitt Verbrennungen zweiten Grades. Aus diesem Grund fordert die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz für die Heilbehandlungskosten und Schmerzensgeld.

Das Amtsgericht Tiergarten hat der Klägerin die geforderten Zahlungen zugesprochen. Es sei nicht von Bedeutung, dass der Unfall von einem anderen Fahrgast und nicht unmittebar von dem Angestellten ausgelöst worden sei. Da sich das ganze in einem Zug der Deutschen Bahn abgespielt habe und als Folge des alltäglichen Bahnbetriebs anzusehen ist, handele es sich um einen Betriebsunfall, bei dem der Inhaber von selbigem für jegliche Handlungen seiner Angestellten zuständig sei und verschuldensunabhängig für deren Handlungsfolgen haften müsse.

Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB müsse die Deutsche Bahn AG grundsätzlich für alle Kosten aufkommen, die nicht erforderlich gewesen wären, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre.
Der Klägerin stehe deshalb sowohl ein Schmerzensgeld, als auch ein Schadensersatz für ihre beschmutzte Kleidung sowie die von ihr ausgelegten Anwaltskosten zu.

Tenor:

4. Die Beklagten werden verurteilt gesamtschuldnerisch 343,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2006 und 1.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2006 sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 102,36 Euro zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollsteckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Am 13.02.2006 fuhr die Klägerin um 10.39 Uhr mit dem Zug Nr. 877 ICE Richtung K/W in den Urlaub. Sie hatte einen Sitzplatz am Gang in einem Großraumwaggon in der zweiten Klasse. Um 11.30 Uhr verschüttete der Bahnangestellte … heißen Kaffee, der sich über den linken Arm der Klägerin ergoss. Aufgrund der dadurch verursachten Schmerzen geriet die Klägerin in einen schockähnlichen Zustand. Der Bahnangestellte … führte die Klägerin in ein Extraabteil, wo sie sich der durchtränkten Kleidung entledigen konnte. Durch den mitreisenden Arzt Dr. P wurde eine Erstversorgung durchgeführt, bei der eine Verbrennung zweiten Grades diagnostiziert wurde. Es wurde ein Schadensformular ausgefüllt.

6. Am Urlaubsort musste die Klägerin beginnend mit dem 13.02.2006 täglich zur ärztlichen Untersuchung, um den Arm versorgen zu lassen. Nach dem Urlaub erfolgte ab dem 20.02.2006 weitere ärztliche Behandlung. Am 01.03.2006 war noch keine komplette Abheilung erfolgt. Es folgten noch hautärztliche Behandlungen bis zum 26.05.2006.

7. Die Klägerin behauptet, Herr … habe erklärt, er habe den Kaffee verschüttet, weil er über einen Mitreisenden gestolpert sei. Er habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie die Deutsche Bahn verklagen könne. Er habe ihr jedoch nicht erklärt, dass ihm ein anderer Fahrgast das Tablett mit dem Kaffee aus der Hand geschlagen habe und die Klägerin sich zur Schadensregulierung an diesen wenden müsse.

8. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten seien aufgrund ihrer Nebenpflichten aus dem Beförderungsvertrag verpflichtet, den Schaden der Klägerin zu regulieren. Sie trügen Obhuts- und Fürsorgepflichten und seien daher dafür verantwortlich, Schäden vom Fahrgast fernzuhalten. Nach § 618 BGB falle hierunter auch die körperliche Unversehrtheit. Die Beklagten müssten besondere Vorsicht beim Ausschenken heißen Kaffees walten lassen, da jederzeit mit einem plötzlichen Abstoppen des Zuges zu rechnen sei. Dazu müssten besondere Schutzmaßnahmen getroffen werden. Ungesichert Kaffee auszuschenken sei daher fahrlässig.

9. Die Beklagten seien aufgrund ihrer Nebenpflichten aus dem Beförderungsvertrag verpflichtet, der Klägerin weitere Verantwortliche namen- und haftbar zu machen.

10. Die vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühren seien gemäß der Vorbemerkung Nr. 3 Abs. 4 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Klageverfahrens anzurechnen.

11. Die Klägerin begehrt Schadensersatz für die nicht mehr zu säubernde Strickjacke, die Reinigungskosten und die Arztkosten, ein Schmerzensgeld für die andauernden Schmerzen und die deshalb entgangenen Urlaubsfreuden sowie Ersatz ihrer außergerichtlichen Anwaltskosten, die durch den Verzug der Regulierung entstanden sind.

12. Die Klägerin beantragt die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 368,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2006 zu zahlen, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 1.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2006 zu zahlen, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 102,36 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

13. Die Beklagten beantragen die Klage abzuweisen.

14. Die Beklagten behaupten, der Unfall sei weder auf Unachtsamkeit des Herrn … noch auf die Bewegung des Zuges zurückzuführen, sondern auf einen dritten Reisenden, der Herrn … das Tablett mit dem Kaffee aus der Hand geschlagen habe. Daher liege weder ein Verschulden noch eine typische Betriebsgefahr der Eisenbahn vor.

15. Der Zeuge … habe der Klägerin auch nicht erklärt er habe Kaffee verschüttet, weil er über einen Mitreisenden gestolpert sei. Die Beklagten seien auch nicht verpflichtet, den Reisenden, der den Unfall verschuldet hat, nambar und haftbar zu machen. Die Beklagten bestreiten, dass es der Klägerin nicht möglich gewesen sei, diesen Reisenden nambar und haftbar zu machen.

16. Die Beklagten sind der Ansicht, die Geschäftsgebühren der vorgerichtlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin seien nicht auf die Prozessgebühren anzurechnen.

17. Eine Haftung nach § 1 Haftpflichtgesetz komme hier nicht in Betracht, da hier kein Betriebsunfall vorliege. Allein der Umstand, dass der Unfall sich in einer Schienenbahn ereignete, mache ihn noch nicht zum Betriebsunfall.

18. Die Beklagte zu 1. ist der Ansicht, sie sei nicht passivlegitimiert. Die Deutsche Bahn AG sei eine reine Holdinggesellschaft und betreibe weder selbst Züge und Bahnhöfe, noch schließe sie Beförderungsverträge mit den Reisenden ab. Insbesondere sei sie nicht die Betreiberin des ICE 877. Vielmehr sei die Beklagte zu 2. Betreiberin des ICE 877 und Vertragspartnerin der Klägerin.

19. Die Klägerin entgegnet hierzu, dass dies im Rahmen des Verkaufs der Fahrkarten sowohl im Internet als auch über die Servicestellen der Deutschen Bahn nicht deutlich werde. Auch auf der Fahrkarte sei nicht deutlich erkennbar, dass die Deutsche Bahn Fernverkehr AG Vertragspartner werde. Auf der Fahrkarte sei neben der Deutschen Bahn Fernverkehr AG auch die DB Regio AG benannt. Des weiteren sollen die Beförderungsbestimmungen der Unternehmen der deutschen Bahn AG gelten. Auf der Vorderseite der Karte sei das Symbol der Deutschen Bahn AG abgedruckt. Auch das Schadensformular sei an die Deutsche Bahn AG zu richten. Dadurch, dass die Deutsche Bahn AG das Mobilitätsportal betreibe und sämtliche Schadensfälle durch ihre Haftpflichtabteilung bearbeite werde, sei ein Rechtsschein begründet.

20. Die Deutsche Bahn AG könne hier kein Vertretergeschäft für die Deutsche Bahn Fernverkehr mit Fremdwirkung tätigen, wenn sie nicht erkennbar im Namen der Vertretenen auftrete.

21. Hierzu erwidert die Beklagte, der Abschluss von Beförderungsbedingungen sei im öffentlichen Personenverkehr ein Geschäft für den, den es angeht. Daher sei es für den Vertragsschließenden ohne Bedeutung, ob der andere Teil im eigenen oder im fremden Namen auftrete. Die Offenlegung des Vertretungswillens sei nicht erforderlich, da hierdurch die Gegenseite geschützt werden solle, die aber hier nicht schutzbedürftig sei. Der Vertrag komme daher auch zustande, ohne dass der Vertreterwille erkennbar gemacht werde.

22. Es sei richtig, dass die Haftpflichtabteilung der Beklagten in den Unfallmeldungen genannt werde. Sie trete aber stets im Namen der jeweilig vertretenen Konzerngesellschaft auf.

23. Wegen des weiteren Vortragens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

24. Das Gericht hat gem. Beschluss vom 14.11.2006 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Herrn …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.05.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

25. Die Klage ist teilweise begründet.

26. Die Beklagten zu 1) und zu 2) haften gesamtschuldnerisch. Die Schadensersatzansprüche richten sich gegen beide Beklagten. Da die Forderung dieselbe ist, liegt auch Identität des Leistungsinteresses vor.

27. Die Beklagten haften für die entstandenen Schäden aus § 1 Abs. 1 HaftpflG. Voraussetzung dafür ist, dass ein Betriebsunternehmer für den Unfall verantwortlich gemacht wird. (Werner Filthaut in Beckscher Kurzkommentar zum Haftpflichtgesetz, 7. Aufl., § 1 RdNr. 26) Der Geschädigte muss beweisen, dass der in Anspruch genommene als Betriebsunternehmer der Bahn anzusehen ist. (Filthaut a. a. O. § 1154) Wer Betriebsunternehmer ist, richtet sich nach der tatsächlichen betrieblichen Gestaltung zur Zeit des Unfalls. Es ist letztendlich von den Parteien übereinstimmend festgestellt worden, dass die DB Fernverkehr AG die Betreiberin des ICE 877 und die Vertragspartnerin der Klägerin geworden ist.

28. Entscheidend ist aber, ob die Deutsche Bahn AG einer Haftung kraft Rechtsscheins unterworfen ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Anschein der entsprechenden Haftungslage in zurechenbarer Weise erweckt wurde. Die Gegenpartei muss auf diesen Anschein tatsächlich vertraut haben und muss gutgläubig im Sinne des § 122 Abs. 2 BGB gewesen sein. (Roth in Münchner Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 242 Rn. 447)

29. Hier kann dem Vorbringen der Klägerseite gefolgt werden. In der Tat ist anhand des Fahrscheins nicht ohne weiteres zu erkennen, wer Vertragspartner des Kunden werden soll, bzw. wer der Betreiber des betreffenden Zuges ist. Das Logo der Deutschen Bahn AG und die Angabe zweier Konzerngesellschaften wirkt verwirrend. Ebenso scheint die ausschließliche Schadensregulierung durch die Deutsche Bahn AG auf deren Betreibereigenschaft hinzuweisen, gerade im Hinblick auf einzuklagende Schadensforderungen. Es ist nahe liegend, diese bei der Stelle einzuklagen, die den Schaden regulieren soll. Ein Auftreten im Namen der Vertretenen wird nicht deutlich. Somit wurde der Rechtsschein erweckt, es bestehe eine Haftung der Beklagten zu 1).

30. Der Einwand der Beklagten, es handle sich hier um ein Geschäft für den, den es angeht, greift hier nicht. Zum einen zeigt sich hier doch gerade, dass die Klägerin aufgrund der Vielzahl der Konzerngesellschaften der Deutschen Bahn AG Schwierigkeiten hat, die Passivlegitimierte zu finden und daher schutzbedürftig ist. Schließlich soll die Klägerin die richtige Klageadressatin nicht durch Versuch und Irrtum herausfinden müssen. Schwerer wiegt hier aber, dass die Beklagte zu 1) doch gerade bestreitet, für die Beklagte zu 2) einen Vertrag abschließen zu wollen. Voraussetzung für ein Geschäft für den, den es angeht ist aber, dass der Vertreter für den Vertretenen handeln will.

31. Die Beklagte zu 1) haftet demnach nach § 1 HaftpflG als Betriebsunternehmer kraft Rechtsscheins, die Beklagte zu 2) aus dem Vertrag. Ein einheitlicher Schuldgrund ist für eine gesamtschuldnerische Haftung nicht erforderlich (Grünberg in Palandt, 6. Aufl., § 421 RdNr. 9).

32. Für eine Haftung nach § 1 HaftpflG muss sich der Unfall bei dem Betrieb ereignet haben. Durch die strengere Haftung soll den besonderen Gefahren Rechnung getragen werden, mit denen der Betrieb einer Bahn verbunden ist. Dafür ist es erforderlich, dass die Gefahr sich gerade durch die Eigentümlichkeiten des Bahnverkehrs realisiert hat, d. h. die besondere Bahnhaftung ist auf Unfälle beschränkt, bei denen sich eine Betriebsgefahr verwirklicht hat, die für die Bahn als Verkehrsmittel typisch ist. (Filthaut a. a. O. § 1 RdNr. 67) Die Bahn darf nicht nur zufällig Schauplatz des Unfallgeschehens geworden sein.

33. Ein Betriebsunfall i. S. d. § 1 HPflG liegt vor, wenn er einen inneren, d. h. kausaler Zusammenhang mit einer bestimmten Betriebshandlung oder -einrichtung aufweist. Ein Betriebsunfall liegt zudem auch dann vor, wenn ein unmittelbar äußerer – örtlicher und zeitlicher – Zusammenhang zwischen dem Unfall und einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung der Eisenbahn besteht. (BGH NJW 1987, 2445) Dieser Zusammenhang ist ohne weiteres zu bejahen, wenn sich der Unfall bei der eigentlichen Beförderungstätigkeit ereignet hat. In diesem Falle wird vermutet, dass der Unfall auf eine dem Bahnverkehr eigentümliche Gefahr zurückzuführen ist. Dies braucht nicht nachgewiesen werden. Es genügt allein die Möglichkeit eines inneren Zusammenhanges. Nur wenn der Betriebsunternehmer beweisen kann, dass diese Möglichkeit auszuschließen ist, liegt kein Betriebsunfall vor. (Filthaut a. a. O. § 1 RdNr. 68) Hier erfolgte der Unfall während der Zugfahrt, also bei der eigentlichen Beförderungstätigkeit.

34. Grundsätzlich ist der innere Zusammenhang gegeben, wenn das Bahnpersonal die schädigende Handlung in betrieblicher Ausübung vorgenommen hat. (Filthaut a. a. O. § 1 RdNr. 89) Es mag hier dahingestellt bleiben, ob die Handlung nun von dem Zugbegleiter oder dem unbekannten dritten Fahrgast ausging. Jedenfalls kann ein innerer Zusammenhang des Unfalls mit dem Bahnbetrieb auch durch die für diesen Verkehr typische räumliche Enge gegeben sein. Diese herrscht insbesondere in einem Großraumabteil. Es ist durchaus mit Hindernissen im Gang zu rechnen. Ebenso ist es typisch, dass Fahrgäste auch während der Fahrt unvermittelt aufstehen, schließlich sind sie nicht für die Dauer der Fahrt an ihrem Sitz festgeschnallt. Dadurch ergibt sich natürlich die erhöhte Gefahr, dass trotz aller gebotenen Sorgfalt andere Fahrgäste oder Zugpersonal, beispielsweise durch Umrennen oder Anstoßen direkt oder mittelbar beeinträchtigt werden. Die weiterhin sitzenden Fahrgäste sind zudem aufgrund ihrer festen Sitzposition stark in ihren Ausweichmöglichkeiten eingeschränkt.

35. Zwar gibt es auch in anderen Gastronomiebetrieben Gedränge und es besteht die Möglichkeit, dass Bedienungspersonal angestoßen wird. Enge und Gedränge sind nicht exklusiv mit dem Bahnbetrieb verbunden. Dass die typischen Gefahren ausschließlich im Zusammenhang mit dem Bahnbetrieb auftreten, ist aber nicht erforderlich. (Filthaut a. a. O. § 1 RdNr. 86)

36. Zudem darf es nicht vom Zufall abhängig sein, ob der Bahnbetreiber während der Zugfahrt für einen Unfall haftbar ist oder nicht. Wäre der Zugbegleiter aufgrund eines plötzlichen Abstoppens gestolpert und hätte den Kaffee verschüttet, hinge der Unfall jedenfalls mit dem Bahnbetrieb zusammen. Es erscheint unbillig, dass das Opfer ohne Haftungsschutz auskommen soll, nur weil ein anderer Fahrgast den Sturz ausgelöst hat. Überdies besteht auch in solchen Fällen ein innerer Zusammenhang, in denen ein schädigendes Ereignis von einem anderen Fahrgast ausgeht (BGH NJW 1987, 2445). Somit steht der Unfall hier in einem inneren und äußeren Zusammenhang mit den typischen Gefahren des Bahnbetriebes. Er hat sich bei dem Betrieb ereignet.

37. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Schmerzensgeld, wobei das Gericht 1.000,00 Euro für angemessen hält. Dabei ist zu berücksichtigten, dass die Schmerzen relativ lange anhielten, die Abheilung lange andauerte und eine Narbe zurückblieb, die sofern die Klägerin nicht langärmlige Kleidung trägt deutlich zu sehen ist. Bezüglich der entgangenen Urlaubserholung ist zu berücksichtigen, dass der Urlaub zwar beeinträchtigt, aber nicht gänzlich verhindert wurde.

38. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist mit Ausnahme eines Betrages in Höhe von 25,00 Euro für die Strickjacke begründet. Insoweit haben die Parteien sich darauf verständigt und damit unstreitig gestellt, dass der Wert der Strickjacke 20,00 Euro beträgt.

39. Auch die Kosten für den Reinigungsversuch in Höhe von 8,10 Euro sind zu ersetzen. Selbst wenn die Reinigung der Strickjacke erfolglos blieb, muss der Ersatzpflichtige nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich für alle Kosten aufkommen, die nicht erforderlich geworden wären, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre.

40. Nach § 6 HPflG haben die Beklagten auch die Kosten, die zur Wiederherstellung des früheren Gesundheitszustandes oder zur Verhinderung einer Verschlechterung aufgewendet werden müssen zu tragen, wenn und soweit sie angemessen sind. Insoweit sind die Arztkosten in Höhe von 314,94 Euro zu ersetzen.

41. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz ihrer durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten, die aus der Sicht der Geschädigten zur Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Die Ersatzpflicht setzt voraus, dass die Inanspruchnahme des Rechtsvertreters notwendig war. Die vorprozessualen Anwaltskosten können auch als Verzugsschaden nach den §§ 286 ff BGB geltend gemacht werden, sofern die Mahnung nach Eintritt des Verzuges erfolgt und eine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung darstellt. Durch die Mahnung der Zahlungen in dem Schriftsatz vom 09.03.2006 sind die Beklagten in Verzug geraten. Die Kosten für den Schriftsatz vom 24.03.2006 sind erstattungsfähig.

42. Die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr wird anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, wodurch sich nicht die Geschäftsgebühr, sondern die im gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr vermindert. (BGH Urteil vom 07.03.2007).

43. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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