VO (EG) Nr. 261/2004: Freie Wählbarkeit des Gerichts
AG Bremen: VO (EG) Nr. 261/2004: Freie Wählbarkeit des Gerichts
Der Kläger fordert von der Beklagten, einem irischen Luftfahrtunternehmen, eine Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments. Er hatte drei Jahre zuvor bei der Beklagten einen Flug gebucht, der seinen Zielort verspätet erreicht hatte. Die Beklagte verweist jedoch darauf, dass bei Streitigkeiten irische Recht zur Verwendung komme und wies die Forderung des Klägers mit der Begründung ab, dass nach dem irischen Recht der Anspruch bereits vor einem Jahr verjährt sei.
Das Amtsgericht Bremen hält die Klage indes für begründet. Bei Streitigkeiten im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments könne der Kläger zwischen dem Gerichtsstand am Firmensitz der Beklagten oder der Gerichtsstand am eigenen Wohnort frei wählen. Da der Kläger sich für den deutschen Gerichtsstand entschieden hatte, wurde ihm die Ausgleichzahlung gem. Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zugesprochen, weil nach dem angewandten europäischen Recht Ansprüche auf Ausgleichazhlungen erst nach drei Jahren verjähren.
AG Bremen | 9 C 337/13 (Aktenzeichen) |
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AG Bremen: | AG Bremen, Urt. vom 05.12.2013 |
Rechtsweg: | AG Bremen, Urt. v. 05.12.2013, Az: 9 C 337/13 |
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Leitsätze:
2. Bei Streitigkeiten im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments darf der Kläger zwecks Verhandlungen, zwischen dem geltenden Recht am Firmensitz der Beklagten oder dem geltenden Recht am eigenen Wohnort frei wählen.
Klauseln in Allgemeinen Beförderungsbedingungen, die einen Gerichtsstand im Vorfeld festlegen, sind unwirksam.
Zusammenfassung:
3. Der Kläger buchte bei der Beklagten, einem irischen Luftfahrtunternehmen, einen Flug von Girona nach Bremen. Die Beklagte hat ihren Firmensitz in Irland und verweist in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingung auf die Verwendung irischen Rechts bei Streitigkeiten. Der Kläger kam aufgrund einer Flugverspätung, verspätet am Zielort an.
Daraufhin forderte er von der Beklagten, drei Jahre nach dem Flug, eine Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments. Die Beklagte wies die Forderung des Klägers mit der Begründung ab, dass nach dem irischen Recht der Anspruch bereits vor einem Jahr verjährt sei.
Das Amtsgericht Bremen hat jedoch folgendes festgestellt: Bei Streitigkeiten im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments darf der Kläger den Gerichtsstandort, und somit auch das geltenden Rechtssystem, frei wählen. Dabei kommen für den Kläger der Gerichtsstand am Firmensitz der Beklagten oder der Gerichtsstand am eigenen Wohnort in Frage.
Da der Kläger sich für den deutschen Gerichtsstand entschieden hat, wurde ihm die Ausgleichzahlung gem. Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zugesprochen, weil nach dem angewandten europäischen Recht Ansprüche auf Ausgleichazhlungen erst nach drei Jahren verjähren.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 250,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2010, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 09.08.2013 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
5. Der in Bremen wohnhafte Kläger verlangt von der in Irland ansässigen Beklagten Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung.
6. Der Kläger buchte bei der Beklagten via Internet den Flug Nr. FR 3655 von Girona nach Bremen für den 31.07.2010. Die planmäßige Abflugszeit war mit 19:45 Uhr (Bl. 5 d. A.) und die Ankunftszeit mit 22:00 Uhr angegeben. Der Kläger fand sich rechtzeitig am Abfertigungsschalter ein. Der Abflug in Girona erfolgte am 01.08.2010 um 6:00 Uhr, die Ankunft in Bremen um 8:15 Uhr.
7. Der Klägervertreter forderte gegenüber der Beklagten am 15.02.2013 ergebnislos die Zahlung von 329,83 € bis spätestens zum 01.03.2013.
8. In den Beförderungsbedingungen der Beklagten, die der Kläger durch Anklicken des Opt-In Kästchens bei Buchung bestätige, finden sich u. a. folgende Klauseln (Bl. 23 f, 42 d. A.):
Gerichtliche Klagen auf Schadensersatz müssen innerhalb von zwei Jahren, beginnend mit dem Tag der Ankunft des Flugzeugs oder dem Tag, an dem das Flugszeug hätte ankommen sollen, erhoben werden.“
Anspruch auf Schadensersatz kann nur binnen einer Frist von zwei Jahren geltend gemacht werden, gerechnet vom Tage der Ankunft des Flugzeugs oder von dem Tage, an dem das Flugzeug hätte ankommen müssen, oder vom Tage, an welchem die Beförderung abgebrochen worden ist. Die Berechnung der Frist bestimmt sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts.“
11. „Anwendbares Recht und Gerichtsstand
Ihr Beförderungsvertrag mit R…, darunter R…’s allgemeine Reise- und Geschäftsbedingungen sowie allgemeine Beförderungsbedingungen, untersteht dem irischen Recht. Alle Streitigkeiten, die aus dem oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehen, unterliegen der Zuständigkeit irischer Gerichte.“
12. Der Kläger ist der Ansicht, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht Vertragsbestandteil geworden seien; es gelte deutsches Recht.
14. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 250,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2010 sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
17. Sie erhebt die Einrede der Verjährung. Die Verjährungsfrist sei nach irischem Recht rechtswirksam auf 2 Jahre abbedungen worden.
18. Die Klageschrift ist der Beklagten am 08.08.2013 zugestellt worden.
Entscheidungsgründe:
19. Die zulässige Klage ist begründet.
20. 1. Das Amtsgericht Bremen ist als Erfüllungsort des streitgegenständlichen Beförderungsvertrags international zuständig (EuGH NJW 2009, 2801).
21. 2. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausgleichszahlungsanspruchs nach Art. 5 Abs. 1 lit c, 7 Abs. 1 Satz 1 lit. a Fluggastrechte-VO (Verordnung EG Nr. 261/2004 vom 11.02.2004) sind gegeben. Der gebuchte Flug erreichte den Ankunftsflughafen mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden; dieser Umstand steht der Annullierung des Fluges nach gefestigter Rechtsprechung gleich (zuletzt: EuGH – große Kammer – NJW 2013, 671). Außergewöhnliche Umstände wurden nicht geltend gemacht.
22. 3. Der Anspruch ist nicht verjährt.
23. 3.1 Nach Deutschen Recht verjähren Ausgleichszahlungsansprüche im Sinne der Fluggastrechteverordnung in 3 Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (BGH NJW 2010, 1526). Der Anspruch ist am 01.08.2010 entstanden. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB begann die dreijährige Frist nach § 195 BGB also am 01.01.2011 (0:00 Uhr) zu laufen. Die Klage wurde vor Ablauf von drei Jahren am 08.08.2013 rechtshängig gemacht. Seitdem ist die Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
24. 3.2 Die Parteien haben eine zweijährige Verjährungsfrist für Ausgleichszahlungsansprüche nicht rechtswirksam vereinbart.
25. (1 ) Denn die auf Schadensersatz abstellenden Klauseln der Beklagten erfassen bei kundenfreundlichster Auslegung keine Ausgleichszahlungsansprüche im Sinne der Fluggastrechteverordnung; andernfalls verstießen sie nach deutschem Recht gegen § 309 Nr. 7 BGB (ausführlich hierzu: AG Bremen NJW 2013, 705; a.A. Amtsgericht Geldern, Urteil vom 28.06.2011, 17 C 252/10, n.v. unter Bezugnahme auf § 651g BGB und ohne Erörterung des § 309 BGB).
26. Deutsches Recht ist vorliegend anwendbar (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Rom I Verordnung EG Nr. 593/2008). Denn der Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland; die Beförderung betraf den in Deutschland befindlichen Flughafen Bremen. Die Rom I Verordnung ist einschlägig, weil die Beförderung nach dem 17.12.2009 erfolgte.
27. (2) Die Geltung des Deutschen Rechts ist nicht abbedungen worden. Denn die Rechtswahlklausel der Beklagten ist nach Ansicht des Gerichts mangels hinreichender Transparenz unwirksam; Irisches Recht findet mithin keine Anwendung:
28. Zwar ist zu konstatieren, dass im Fall der Flugbeförderung ein Luftfahrtunternehmen auch mit Verbrauchern Rechtswahlvereinbarungen treffen darf (Art. 3 Satz 1, 6 Abs. 4b Rom I Verordnung).
29. Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Rom I Verordnung bestimmt jedoch, dass für die Form von Verträgen, die in den Anwendungsbereich des Art. 6 fallen, das Recht des Staates maßgeblich ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (hier: Deutschland). Bei einem Verbrauchervertrag ist die Formgültigkeit des Vertrags zum Schutz des Verbrauchers als strukturell unterlegener Partei ausschließlich nach dem Recht an dessen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu beurteilen; bei der Beachtung der „Form“ ist insbesondere die europäische Klauselrichtlinie zu beachten (explizit: Palandt, 71. A., Art. 11 Rom I VO, Rn. 15). Art. 11 Abs. 4 Rom I VO betrifft also nicht nur Verträge, für die nach dem Recht des Aufenthaltsorts eine besondere (notarielle, schriftliche oder textliche) Form vorgeschrieben ist; erfasst wird auch die besondere Form des mittels einbezogener Geschäftsbedingungen geschlossenen Formularvertrags. Diesbezüglich existieren im deutschen Recht zum Schutze des Verbrauchers Sonderreglungen (§§ 305 ff. BGB).
30. Auf Rechtswahlklauseln findet das Schriftformerfordernis nach Art. 23 EuGVVO keine (analoge) Anwendung, da die Vorschrift ausschließlich auf Gerichtsstandsvereinbarungen abstellt.
31. Gegenüber Verbrauchern verwendete Rechtswahlklauseln eines Luftfahrtunternehmens können im Einzelfall somit rechtswirksam sein (vgl. KG Berlin, CR 2013, 599 für irische Fluggesellschaft bei deutschsprachigem Internetangebot). Die Bestimmung eines vom Recht des Aufenthaltsorts abweichenden Rechts muss jedoch hinreichend deutlich in den Beförderungsvertrag einbezogen werden; gemäß Art 3 Abs.1 Rom l-VO muss diese Rechtswahl ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus dem Bestimmungen oder aus den Umständen des Falles ergeben; ob die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 Rom l-VO vorliegen oder nicht, beurteilt sich nach der lex fori, anders als das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung im übrigen. Damit ist für die Frage, ob die Rechtswahl ausdrücklich und eindeutig erfolgte, für die Auslegung auf die Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers abzustellen (LG München, RRa 2012, 53 für Fluggesellschaft und Vereinbarung außereuropäischen Rechts).
32. Außerdem gilt die EU Klausel-Richtlinie 93 EG/13/EWG trotz Verabschiedung der Richtlinie 2011/83/EU fort. Zwar ordnet Art. 3 Abs. 3 lit k der Richtlinie 2011/83/EU vom 25.10.2011 an, dass die Bestimmungen der Richtlinie mit Ausnahme der Bestimmungen zu Art. 8 Abs. 2 und Art. 19, 22 auf Verträge über die Beförderung von Personen keine Anwendung findet. Eine vergleichbare Vorschrift findet sich indessen in der EU Klausel-Richtlinie 93 EG/13/EWG auch in der aktuellen Fassung nicht.
33. Die Rechtswahlklausel (Satz 1) ist demnach nicht hinreichend transparent. Vorliegend gilt primär die – innerhalb ihres Regelungsbereichs – unabdingbare Fluggastrechteverordnung. Zwar enthält diese Verordnung keine Regelungen zur Verjährung. Entgegen Art. 15 der Verordnung könnte die streitgegenständliche Rechtswahlklausel dem unbefangenen Leser jedoch suggerieren, dass sich auch die Ansprüche des Verbrauchers im Fall der Flugannullierung oder erheblichen Verspätung am irischen Recht orientierten. Gleiches gilt bezüglich der – hier nicht einschlägigen – Ansprüche nach dem Montrealer Übereinkommen, obgleich die aus dem MÜ folgenden Ansprüche ebenfalls nicht abdingbar sind (vgl. Art. 26 MÜ). Zwar kann das für anwendbar erklärte nationale irische Recht das höherrangige Europäische Recht niemals begrenzen. Dieser Umstand ist einem juristischen Laien jedoch nicht bewusst. Bei der AGB Kontrolle gilt daher die kundenfeindlichste Auslegung (vgl. Palandt, 71. A., § 305c, Rn. 18). Hiernach ist die Klausel kundenfeindlich so zu lesen, dass sich alle Ansprüche, auch solche im Zusammenhang mit dem Beförderungsvertrag (vgl. S. 2 der Klausel) wie etwa Sekundäransprüche wegen Nicht- oder Schlechtbeförderung, ausschließlich am Irischen Recht orientieren sollen.
34. Die Verwenderin hätte nach Ansicht des Gerichts klarstellen müssen, hinsichtlich welcher formularvertraglich regelbarer Rechtsbereiche das Irische Recht Anwendung finden soll.
35. Dass an anderer Stelle (unter Flugannullierungen und Flugplanänderungen) auf die EG Verordnung 261/2004 Bezug genommen wird, ist nicht ausreichend. Denn es wird dort gerade negativ formuliert: „R… bietet keine finanzielle Entschädigung gemäß Art. 7 …“. Dem juristischen Laien erschließt sich also nicht ohne Weiteres, dass unabhängig vom irischen Recht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Ausgleichszahlungsansprüche gemäß dem unmittelbar anwendbaren Europäischen Recht zwingend bestehen und diese nur ausnahmsweise, bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, entfallen.
36. Aktuell im Internet abrufbar ist folgende Klauselgestaltung der Beklagten:
37. 2.2 ENTGEGENSTEHENDES RECHT
38. 2.2.1 Diese Allgemeinen Beförderungsbedingungen gelten insoweit, als sie nicht zu dem anwendbaren Recht im Widerspruch stehen. In einem solchen Fall genießen die gesetzlichen Bestimmungen Vorrang.
39. 2.4 RECHTSWAHL UND GERICHTSSTAND
40. Sofern das Übereinkommen oder einschlägige Gesetze nichts anderes vorsehen, unterliegen Ihr Beförderungsvertrag, diese Beförderungsbestimmungen und unsere Regelungen dem Irischen Recht …
41. Die streitgegenständliche – kategorisch formulierte – Klausel wird also offenbar nicht mehr verwendet; ob die aktuelle Klausel als Salvatorische Klausel unzulässig ist (vgl. Palandt, 71. A., § 306, Rn. 11), kann im hiesigen Rechtsstreit dahinstehen.
42. Die Gerichtsstandsvereinbarung (Satz 2 der Klausel) ist unwirksam. Zum einem bleibt offen, welches Gericht in Irland zuständig und Adressat etwaiger Klagen gegen die Beklagte wäre; es wurde gerade nicht bestimmt, dass ein bestimmtes Gericht am Sitz der Beklagten (in D…) sachlich und örtlich zuständig sei. Zum anderen erfüllt die praktizierte Click wrapping Methode (Häkchensetzen im Zuge der Internetbuchung) nicht das Formerfordernis nach Art. 23 EuGVVO (AG Geldern NJW-RR 2011, 1503).
43. Die Rechtswahlklausel (Satz 1) ist jedenfalls im Zusammenspiel mit der unwirksamen Gerichtsstandsklausel nach Satz 2 als nicht klar und verständlich im Sinne des Art. 5 Satz 1 VO EG 91/13/EWG zu bewerten (vgl. Palandt, 71. A., § 307, Rn. 13: Summierungseffekt). Denn dem (Deutschen) Verbraucher wird zu verstehen gegeben, dass er seine Ansprüche vor irgendeinem (nicht bestimmbaren) Gericht in Irland geltend machen müsse („Zuständigkeit irischer Gerichte“) und dieses nur nach Maßgabe des (unbekannten) irischen Rechts geschehen dürfe.
44. Jedenfalls bleibt zu konstatieren, dass Fluggesellschaften durch Rechtswahlklauseln den effektiven Rechtsschutz des Verbrauchers de facto beschränken und offenbar auf den „Abschreckungseffekt“ spekulieren, den die Wahl eines dem Verbraucher unbekannten Rechts typischerweise mit sich bringt (So: Mankowski, IHR 2008, 133, 140 f. zur Rom I Verordnung, Beförderungsvertrag). Teilweise wird daher vertreten, dass die unionsrechtliche Vorgabe gebiete, dem Verbraucher grundsätzlich denjenigen Schutz zu gewähren, der ihm durch seine Heimatrechtsordnung als Mindestschutz gewährt wird (Faber, MMR 2013, 594).
45. Der EUGH hat unlängst entschieden, dass die Ansprüche auf Ausgleichszahlung nicht entsprechend der zweijährigen Ausschlussfrist nach dem Montrealer Übereinkommen verjähren, sondern entsprechend den Vorschriften des nationalen Rechts der jeweiligen Mitgliedsländer; die nationalen Verfahrensmodalitäten müssen jedoch die Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsätze wahren (EuGH v. 22.11.2012, C 139/11, RRa 2013, 17, JURIS: Ziff. 26, 25). Die o.g. Klauseln der Beklagten sind jedoch darauf angelegt, die hinsichtlich der Ausgleichszahlungsansprüche an sich einschlägige dreijährige Verjährungsfrist nach deutschem Recht auf zwei Jahre zu begrenzen und also den von der Fluggastrechteverordnung intendierten effektiven Verbraucherschutz im Ergebnis auszuhöhlen. Dies ist nach Ansicht des Gerichts nicht zulässig.
46. Dahinstehen kann daher, ob eine zu Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung führende Flugverspätung (außervertragliches Schuldverhältnis) als Pflichtverletzung des Beförderungsvertrags (p.F.V.) eine unerlaubte Handlung im Sinne der Art. 4 Rom II Verordnung EG Nr. 864/2007 darstellt und eine Rechtswahlvereinbarung vorEintritt des schadensbegründenden Ereignisses daher per se unzulässig ist (Art. 14 Abs. 1 lit. a Rom II VO; vgl. Palandt, 71. A., Art. 4 Rom II, Rn. 3: sämtliche Haftungstatbestände, vgl. auch Art. 12 Rom II VO: c.i.c.).
47. Die Nebenforderungen folgen aus Art. 12 FluggastrechteVO i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 249 ff., 288 Abs. 1 BGB.
48. Die Nebenentscheidungen basieren auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache war zu Gunsten der Beklagten die Berufung zuzulassen (§ 511 Abs. 4 ZPO).
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