Abgrenzung von steuerpflichtigen und steuerfreien Reisekostenerstattungen von Urlaubsreisen

FG Köln: Die Abgrenzung von steuerpflichtigen und steuerfreien Reisekostenerstattungen von Urlaubsreisen

Ein Arbeitnehmer möchte eine Reisekostenerstattung für eine Dienstreise als steuerpflichtigen Arbeitslohn absetzen. Die Bank ist die Klägerin. Sie verlangt die von ihr vorgestreckten Reisekosten vom Arbeitnehmer heraus. Der Arbeitgeber hat der Bank aber einen Haftungsbescheid vorgelegt, dass die Bank auf den Reisekosten bei Nichtantritt der Reise sitzen bleibt. Dagegen klagte die Bank.

Das Finanzgericht Köln hielt die Klage für unbegründet, weil der angefochtene Haftungsbescheid des Arbeitgebers teilweise rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten verletzt ist.

Finanzgericht Köln 7 K 2800/93 (Aktenzeichen)
FG Köln: FG Köln, Urt. vom 03.12.1996
Rechtsweg: FG Köln, Urt. v. Datum, Az: 7 K 2800/93
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Finanzgericht Köln

1. Urteil vom 03. Dezember 1996

Aktenzeichen 7 K 2800/93

Leitsätze:

2. Die Abgrenzung von steuerpflichtigen und steuerfreien Reisekostenerstattungen findet nach dem Bruttolohnsteuersatz statt.

Bei diesem wird Lohnsteuer nicht nur auf die in der Vergangenheit vom Arbeitgeber erbrachten Leistungen, sondern auch auf die weitere Leistung, die in der Übernahme der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber liegen wird, erhoben.

Dazu zählen auch die Kosten für eine Urlaubsreise.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte ein Arbeitgeber für sich und einen weiteren Arbeitnehmer eine Reise. Als Reisevermittler trat die Bank auf. Zwischen der Bank und dem Arbeitgeber besteht jetzt ein Streit darüber, ob der Arbeitgeber Reisekostenerstattungen, die die Klägerin an Arbeitnehmer gezahlt hat, zu Recht als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen hat oder ob steuerbefreite Reisekostenerstattungen vorliegen. Streitig war insbesondere, ob die Reisekosten nach dem Nettolohnsteuersatz oder nach dem Bruttolohnsteuersatz abgerechnet werden sollen.

Das Finanzgericht Köln urteilte, dass die Klage der Bank unbegründet ist. Der Arbeitgeber kann zu Recht die Reisekosten als steuerpflichtigen Arbeitslohn absetzen. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass eine Versteuerung mit dem Nettolohnsteuersatz nur in den Fällen der Nettolohnabrede möglich. Solch ein Fall lag vorliegend jedoch nicht vor. Die Reisenden sind somit zurecht von der Bank in Haftung genommen worden.

Tatbestand:

4. Zwischen den Beteiligten ist ausschließlich streitig, ob der Beklagte Reisekostenerstattungen, die die Klägerin an Arbeitnehmer gezahlt hat, zu Recht als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen hat oder ob steuerbefreite Reisekostenerstattungen i. S. d. § 3 Nr. 16 EStG vorliegen.

5. Die Klägerin ist eine Bank. Der Betriebssitz liegt in einer kleinen Gemeinde im Randbereich von … Seit 1975 führt die Klägerin sogenannte Informationsreisen durch.

6. In Abstimmung mit bedeutenden Reiseveranstaltern, wie z. B. …, …, wählte die Klägerin aus deren Angebot Reisen mit Erlebniswert, wobei sie teilweise auf die Ausgestaltung der Reisen Einfluß nehmen konnte. Diese Reisen vermarktete die Klägerin mit erheblichem Werbeaufwand als Informations- oder Erlebnisreisen der …-Bank S. Dabei wies die Klägerin auf den banktypischen Werbeslogan an auffälliger Stelle hin.

7. In allgemeinen Werbeprospekten zu den Informationsreisen und auch einem Teil der individuell für die einzelnen Reisen erstellten Werbeprospekte wurde eine Betreuung durch Mitarbeiter der Klägerin als besondere Reiseleistung herausgestellt. Die Klägerin trat aber in allen Fällen eindeutig nur als Vermittlerin der Reisen auf. Veranstalter waren die genannten größeren hauptberuflichen Reiseveranstalter.

8. Das von der Klägerin mit der Durchführung der Reisen verfolgte Ziel ist im wesentlichen die Imagesteigerung, die Werbewirkung im bereits gewonnenen oder anzusprechenden Kundenkreis und die Kundenbetreuung hinsichtlich bereits an die Klägerin gebundener Personen.

9. Hinsichtlich der isolierten Gewinnerzielung mit Hilfe der Reisen ist der Sachvortrag der Klägerin widersprüchlich. Während im außergerichtlichen Rechtsschutzverfahren eindeutig vorgetragen wurde, daß Gewinne mit den Reisen nicht zu erzielen seien, trägt die Klägerin im Klageverfahren vor, daß mit den Reisen Erträge erwirtschaftet worden seien.

10. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, daß bei Berücksichtigung der Lohnaufwendungen für die zur Reisebetreuung eingesetzten Arbeitnehmer in der Regel ein Überschuss nicht zu  rzielen war.

11. Für alle durchgeführten Reisen gilt, daß die Klägerin in der Regel die Reiseanmeldungen gesammelt hat, die Buchungsbestätigungen verteilte und die Rechnungsbeträge – ganz überwiegend von eigenen Konten – einzog und abführte. Weiterhin führte die Klägerin vor der Reise in der Regel Informationsabende und nach der Reise Nachbereitungsabende durch. Alle Reisen wurden von mindestens einem Mitarbeiter der Bank begleitet. Bei Reisen mit größeren Teilnehmerzahlen kam es zur Begleitung durch zwei oder drei Bankmitarbeiter.

12. In dem im vorliegenden Fall streitbefangenen Haftungsbescheid geht es um sechs Reisen, die in den Jahren 1986 bis 1989 durchgeführt wurden.

13. 1986 führte die Klägerin eine einwöchige Reise nach H. durch. Veranstalter der Reise war ausweislich des vorliegenden Prospektes die Firma … in … (Bl. 158 d. A.; dies bedeutet grundsätzlich die Akte 7 K 2799/93). Der Veranstalter sagte eine eigene deutschsprechende Reiseleitung im Hotel zu. Eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Begleitung der Reise durch Bankmitarbeiter kann anhand der vorliegenden Unterlagen nicht festgestellt werden. An der Reise nahmen 158 Teilnehmer teil. Von der Klägerin gestellte Betreuer waren Herr R. und die Eheleute A.

14. Ebenfalls 1986 führte die Klägerin eine Informationsreise nach K. durch. Ein Prospekt über die Reise wurde nicht vorgelegt. Die 24 Teilnehmer der Reise wurden durch Herrn R. von Seiten der Bank betreut. In der mündlichen Verhandlung wurde erläutert, daß eine von der Klägerin (Herr R.) ausgearbeitete Reise vorgelegen hätte, bei der in einem Pkw-Konvoi eine ca. 4.000 km  umfassende Rundreise durchgeführt worden sei. Dieses Reisekonzept sei später von … übernommen worden.

15. 1987 führte die Klägerin eine einwöchige Reise nach P. durch. Ausweislich des vorliegenden Prospektes waren sowohl eine deutsche Reiseleitung als auch die Betreuung durch Mitarbeiter der Bank Vertragsbestandteil (Bl. 28 f. d. A.). Von den sieben Reisetagen waren grundsätzlich drei zur freien Verfügung der Teilnehmer vorgesehen. An zwei der drei Tagen wurde fakultativ ein Ausflug angeboten. Die 98 Teilnehmer der Reise wurden durch Herrn R. und die Eheleute A. von seiten der Bank betreut (Bl. 135 d. A.).

16. Im Frühjahr 1988 führte die Klägerin eine elftägige Reise in den K. durch. Veranstalter der Reise war … Ausweislich des vorliegenden Prospektes war die Betreuung durch Mitarbeiter der Bank Vertragsbestandteil (Bl. 29 d. A.). Weiterhin ergibt sich aus dem Prospekt, daß zwei Tage zur freien Verfügung der Teilnehmer vorgesehen waren. Die 79 Teilnehmer der Reise wurden wiederum durch Herrn R. und die Eheleute A. betreut.

17. 1989 führte die Klägerin zwei Reisen nach B. durch. Veranstalter der Reisen war … Die Betreuung durch Mitarbeiter der Bank war Vertragsbestandteil (Bl. 31 d. A.). Zur Betreuung der 28 Teilnehmer der ersten B.-Reise reiste Herr R. für die Klägerin mit. Die 44 Teilnehmer der zweiten B.-Reise wurden durch Herr R. und Frau L. von seiten der Bank betreut.

18. Zur Auswahl der Reisebegleiter trägt die Klägerin – unbestritten – vor, daß Herr R. als geschäftsführendes Vorstandsmitglied unter anderem für den Bereich Marketing zuständig sei. Er habe zusammen mit der …-Bank L. die Informationsreisen eingeführt und etabliert. Als Bank … und bekannter … habe er die entsprechende soziale Kompetenz gehabt, um größere Reisegruppen zu führen. Infolge seiner in vielen Reisen erlangten Erfahrung und der soliden Englischkenntnisse sei Herr R. der optimale Reisebegleiter für die Klägerin gewesen. Deshalb habe die Klägerin alle von ihr durchgeführten Reisen durch Herrn R. begleiten lassen.

19. Zu den Aufgaben der Reisebegleiter der Klägerin trägt diese allgemein vor, daß die Reisebegleiter permanent sein müssten, um als Ansprechpartner für die einzelnen Kunden zur Verfügung zu stehen. Sie würden für die Einteilung der Sitzplätze in Flugzeugen oder Bussen, die Verteilung der Hotelzimmer und Vollständigkeitsüberprüfungen sorgen und zwischen den Reiseteilnehmern und der örtlichen Reiseleitung vermitteln. Je nach Gestaltung der Reise würde das Programm durch sie beeinflusst, ggf. an Tagen, die zur freien Verfügung der Teilnehmer vorgesehen sind, ein Alternativprogramm angeboten. Auch seien die Reisebegleiter bemüht, die Anbieter einzelnen Reiseleistungen zu besonderen, positiv auffallenden Leistungen zu motivieren (vgl. Einspruchsbegründung vom 26. 5. 1982 und Klagebegründung). Außerdem träten die Reisebegleiter als Repräsentanten der Klägerin auf. Sie führten Sorten umtausche durch und gewährten Überbrückungsdarlehen mit Hilfe beigeführter Blankoreiseschecks.

20. Für die hier streitbefangene Reise nach H. liegen Tagesprotokolle der begleitenden Personen vor. Hinsichtlich der Reisen nach P. und in die … liegen Tagesprotokolle der Eheleute A. vor. Die Tagesprotokolle der H.-Reise belegen, daß die Reisebegleiter die zuvor allgemein dargestellten Tätigkeiten ausgeübt haben. Insbesondere an den An- und Abreisetagen ergaben sich erhebliche – im Zusammenhang mit den Beförderungsmitteln stehende – Aktivitäten der Reisebegleiter. Während der einzelnen Tage des Aufenthaltes und der Ausflüge liegt der Schwerpunkt der dokumentierten Tätigkeiten bei den vielfältigen Vollständigkeitskontrollen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Tagesberichte Bezug genommen.

21. Die vorbezeichneten Ergebnisse werden durch die Tagesprotokolle der Eheleute A. bezüglich der P. und der Reise grundsätzlich bestätigt. Hinsichtlich dieser beiden Reisen ergibt sich die Besonderheit, daß bei der P.-Reise ein Tag zur freien Verfügung der Eheleute stand (19. 3. 1987, Donnerstag) und bei der …-Reise zwei halbe Tage zur freien Verfügung standen (Sonntag und Montag, den 1 und 2. 5. 1988).

22 Die Klägerin ist der Auffassung, daß mit Hilfe der vorbezeichneten Beweismittel und des sonstigen Vortrages zur Sache glaubhaft gemacht sei, daß die Reisebegleiter mit der Betreuungstätigkeit so ausgelastet gewesen seien, daß die Belastung eines normalen Arbeitstages erreicht wurde.

23. Bezüglich der finanziellen Abwicklung ging die Klägerin bei den hier streitbefangenen Reisen so vor, daß die Reisebegleiter, die von seiten der Klägerin gestellt wurden, den normalen Reisepreis zu entrichten hatten und von der Klägerin die Flugkosten (ggf. zzgl. Transfer) und pauschale Übernachtungs- und Verpflegungstagegelder erhielten. Teilweise gewährte die Klägerin Reisekostenvorschüsse in Höhe des Reisepreises. Bei den streitbefangenen Reisen nach H., P. und in … führte dies dazu, daß die Eheleute A. stets einen Teil des Reisepreises selbst bezahlen mußten (bis maximal 125,00 DM), während Herr R. infolge der höheren Tagegelder und Übernachtungspauschalen die Reisepreise weit übersteigende Erstattungen erhielt (z. B. ca. 750,00 DM für H. 1986).

24. Dies gilt sinngemäß auch für die sonstigen Reisen des Streitzeitraumes, insbesondere auch für die zweite B.-Reise, bei der Frau L. ca. 700,00 DM selbst tragen mußte, während Herr R. 300,00 DM mehr als den Reisepreis als Erstattung erhielt.

25. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf die bei den Prozeßakten befindlichen Reisekostenabrechnungen, Prospekte und die Aufzeichnungen in den Prüferhandakten Bezug genommen. 26. Nachdem der Beklagte die vorbezeichneten Lebenssachverhalte innerhalb einer Lohnsteueraußenprüfung festgestellt hatte, erklärte sich die Klägerin bereit, die nachzuzahlenden
Lohnsteuern für die vorbezeichneten Lebenssachverhalte zu übernehmen, falls – entgegen ihrer Ansicht – tatsächlich lohnsteuerpflichtige Zuflüsse angenommen werden sollten. 27. Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 5. 2. 1990 einen Lohnsteuernachforderungs- und Haftungsbescheid, mit dem er unter anderem wegen der vorbezeichneten Lebenssachverhalte Lohn- und Kirchensteuern von der Klägerin einforderte. Dabei hat der Beklagte die Lohnsteuer auf die von der Klägerin ggf. zu übernehmende Lohnsteuer bereits in dem Haftungsbescheid (mit)erfaßt. Dies ist – zwischen den Beteiligten unstreitig – insoweit unrechtmäßig, wie Lohnsteuern auf noch nicht gezahlte Lohnsteuern festgesetzt wurden.

28. Die Klägerin wandte sich gegen den Haftungsbescheid mit fristgerecht erhobenem Einspruch. Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst in beiderseitigem Einverständnis im Hinblick auf ein von den Beteiligten zunächst als Musterverfahren angesehenes Prozeßverfahren vor dem Finanzgericht in Köln und dem BFH. Nach Abschluß dieses Verfahrens wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 17. 5. 1993 den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, daß ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Durchführung der Informationsreisen nicht festgestellt werden könne. Vielmehr käme den persönlichen – touristischen – Interessen der einzelnen Arbeitnehmer eine nicht zu vernachlässigenden Bedeutung zu. Deshalb seien die Reisekostenerstattungen trotz der vielen unbestrittenen Bezüge zur Öffentlichkeitsarbeit der Klägerin als steuerpflichtiger Lohn und nicht als steuerfreie Reisekostenerstattung zu erfassen und zu besteuern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

29. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Mit ihr verfolgt sie weiterhin die Anerkennung der streitbefangenen Zahlungen als steuerfreier Werbungskostenersatz.

30. Sie vertritt die Auffassung, daß ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse an der Durchführung und Betreuung der Reisen bestanden habe. Insbesondere seien die Reisetage für die Bankmitarbeiter wie normale Arbeitstage mit Reisebetreuungsaufgaben ausgefüllt gewesen.

31. Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und Korrektur des Haftungsbescheides vom 5. 2. 1990 die Haftungs- und Schuldbeträge um diejenigen Beträge zu mindern, die auf die Reisekostenerstattungen hinsichtlich der vorbezeichneten Reisen entfallen.

32. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, soweit die Lohnsteuerpflicht der Reisekostenerstattungen im Streit ist. Soweit Lohnsteuer auf Lohnsteuer erhoben worden ist, erkennt der Beklagte den Anspruch an.

33. Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Durchführung und Begleitung der entsprechenden Reisen nicht festgestellt werden könne. Die einzelnen Reisetage seien nicht wie volle Arbeitstage mit der Tätigkeit als Reiseleiter ausgefüllt gewesen. Diese ergebe sich hinsichtlich einzelner Reisen schon daraus, daß die Teilnehmerzahl der Gruppe zu gering gewesen sei. Hinsichtlich anderer Reisen ergebe sich dies aus der Struktur der Reise oder der Tatsache, daß weitere hauptamtliche Reiseleiter die Tour begleitet hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung und den Schriftsatz vom 3. 7. 1996 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

34. Die Klage ist teilweise begründet. Der angefochtene Haftungsbescheid ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 FGO).

35. Die Klage ist zunächst insoweit unstreitig begründet, wie der Beklagte bei der Berechnung des Haftungsbetrages den sogenannten Nettosteuersatz zugrunde gelegt hat.

36. Bei dem sogenannten Nettosteuersatz wird Lohnsteuer nicht nur auf die in der Vergangenheit vom Arbeitgeber erbrachten Leistungen, sondern auch auf die weitere Leistung, die in der Übernahme der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber liegen wird, erhoben.

37. Nach der Rechtserkenntnis im Zeitpunkt der Lohnsteueraußenprüfung war dies grundsätzlich möglich, wenn der Arbeitgeber mit der sogenannten Nettoversteuerung einverstanden war. Dies ist im vorliegenden Fall unstreitig gegeben.

38. Trotz der im Streitfall vorliegenden Zustimmung der Klägerin zur Nettolohnversteuerung ist nach neuerer Rechtserkenntnis eine Versteuerung mit dem Nettolohnsteuersatz nur in den Fällen der Nettolohnabrede möglich. Derartige Nettolohnabreden liegen im Streitfall nicht vor.

39. Hinsichtlich der mit dem Bruttosteuersatz zutreffend zu ermittelnden Lohnsteuerbeträge hat der Beklagte die Klägerin teilweise zu Recht gemäß § 42d EStG in Haftung genommen. Eine Haftungsinanspruchnahme erfolgte rechtmäßig hinsichtlich der Reisekostenerstattungen an die Eheleute A. und Frau L. hinsichtlich der Reisekostenerstattungen an Herrn R. erfolgte die Haftungsinanspruchnahme nicht zu Recht.

40. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Dabei richtet sich die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer gemäß §§ 38, 38a EStG nach der Höhe des Arbeitslohns.

41. Der Beklagte ist bei Erlass des Haftungsbescheides zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin die Arbeitslöhne für die Arbeitnehmer Eheleute A. und Frau L. fehlerhaft zu niedrig berechnet hat, weil sie die von ihr erstatteten Reisekosten nicht als Lohn qualifiziert hat. Diese Reisekostenerstattungen stellen Arbeitslohn im Sinne des Einkommensteuergesetzes dar.

42. Arbeitslohn (Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die durch ein individuelles Dienstverhältnis veranlaßt sind (vgl. Abschn. 70 Abs. 1 LStR). Zum Arbeitslohn gehören grundsätzlich auch Vergütungen, die zur Bestreitung des Dienstaufwands gezahlt werden, soweit sie nicht nach § 3 Nr. 16 EStG (Tatbestände im Sinne des § 3 Nr. 12, 13, 26, 30, 31 und 50 EStG sind hier nicht im Streit) steuerfrei sind. Nur wenn die Aufwendungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt werden, liegt kein Arbeitslohn vor.

43. Ein derartiges ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse setzt voraus, daß sich die Vorteilszuwendung als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erwiese  und ein damit einhergehendes Eigeninteresse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden könnte.

44. Ein derartiges überwiegend eigenbetriebliches Interesse liegt z. B. bei der Übernahme der Kosten für reine Dienstreisen vor. Dagegen stellt die Übernahme von Reisekosten für reine Urlaubsreisen unstreitig Arbeitslohn dar.

45. Die Besonderheit des Streitfalles liegt darin, daß vorliegend offenkundig typische Urlaubsreisen im Streit sind, andererseits derartige Reisen für einen hauptberuflichen Reiseleiter von Studien- und Erlebnisreisen klassische Dienstreisen darstellten. Bei derartigen Reisen, die keinen unmittelbaren Rückschluss auf die allein betriebsfunktionalen Gründe oder ggf. deren Fehlen zulassen, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. BStBl II 1993, 640, 641; BFH/NV 1994, 708) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalles zu entscheiden und hinsichtlich des Eigeninteresses des jeweiligen Arbeitnehmers an der Reise und der betriebsfunktionalen Gründe des Arbeitgebers im Einzelfall abzuwägen.

46. Das zweite Hauptkriterium liegt nach Überzeugung des Senats in der Funktion der Reisebetreuer. Nach Auffassung des BFH ist wesentliches Kriterium für die Anerkennung eines überwiegend eigenbetrieblichen Interesses, daß die Reisebetreuer während der Dauer eines vollen Arbeitstages mit Betreuungsleistungen ausgefüllt seien.

47. Der Senat schließt sich dieser Auffassung im Grundsatz an, stellt aber nicht auf den tatsächlichen Geschehensablauf ab, sondern auf das, was bei Konzeption der Reise typischerweise zu erwarten war. Die Klägerin bietet betreute Reisen als eine Spezialität auf dem Reisemarkt an. Die in den meisten Fällen zu konstatierende Zusage, daß ein Bankmitarbeiter die Reise begleiten werde, ist für die spezielle Klientel, die derartige Reisen bucht, ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Durchführung der Reise mit der Klägerin. Damit stellt sich die Tätigkeit der Bankbetreuer als eine Art Bereitschaftsdienst dar, der naturgemäß in erhöhtem Maße abgefragt wird, wenn Probleme auf der Reise auftauchen. Bei der Wertung der einzelnen Reise kann nach Überzeugung des Senats nicht negativ ins Gewicht fallen, wenn im Einzelfall die örtlichen Verhältnisse, wie z. B. Hotelzimmer, Essen, örtliche Tourguides etc. perfekt sind und daher in geringerem Umfang als normal Leistungen des Bankbetreuers abgefragt werden.

48. Bei der Beurteilung, ob damit zu rechnen war, daß der Reisebetreuer im Umfang voller Arbeitstage mit Betreuungsleistungen beschäftigt sein würde, ist aber insbesondere zu berücksichtigen, ob hauptamtliche Reiseleiter an der Reise teilnahmen. Bei Reisen, die von mehreren Reisebetreuern begleitet werden, ist für jeden einzelnen Betreuer isoliert das ganz überwiegend eigenbetriebliche Interesse der Klägerin zu prüfen. Die Wahrscheinlichkeit eines ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesses nimmt – bei besonderer Berücksichtigung der ganz spezifischen Zielsetzung – mit jedem weiteren Betreuer ab.

49. Bei der Bewertung des zu erwartenden Aufwandes für die Reisebetreuer ist insbesondere die Art der konzipierten Reise zu berücksichtigen. Während bei einer Rundreise mit mehrfachem Hotelwechsel und ggf. mehrfachem Wechsel des Verkehrsmittels eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Beanspruchung der Reisebetreuer im Umfang jeweils voller Arbeitstage besteht, sinkt diese Wahrscheinlichkeit bei ortsgebundenen Reisen.

50. Aus den in den verschiedenen Verfahren vorgelegten Tagesprotokollen ergibt sich nach Überzeugung des Senats eindeutig, daß die Tage mit der wesentlichen Beanspruchung der Reisebetreuer grundsätzlich Reisetage sind, während die Tage vor Ort in geringerem Umfang mit Tätigkeiten ausgefüllt sind. Dies gilt in extremer Weise für Reisen, bei denen ein Badeurlaub konzeptionell enthalten war. Außerdem hält der Senat die Anzahl der Reiseteilnehmer für wesentlich. Der Senat braucht in den vorliegenden Fällen nicht abschließend über eine Grenzziehung zu entscheiden, er ist aber grundsätzlich überzeugt, daß eine Reisegruppe mit weniger als 10 Teilnehmern einen Reisebetreuer nicht in der Weise fordert, daß dieser im Umfang voller Arbeitstage für die Reisebetreuung eingesetzt ist. Es verbleibt bei einer derartig geringen Reisegruppe auch für den Reisebetreuer ein spezifischer touristischer Wert.

51. Ein weiteres wesentliches Indiz (Hauptkriterium) für eine private Mitveranlassung sieht der Senat in der Mitnahme engster Angehöriger des Reisebetreuers. Insbesondere die Mitnahme von Ehepartnern indiziert nach Überzeugung des erkennenden Senats in höchstem Maße eine private Mitveranlassung.

52. Hinsichtlich der K.-Reise 1988 ergibt sich nach Überzeugung des Senats die ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit einer vollarbeitstäglichen Auslastung aus dem Charakter der Reise, die als Rundreise mit mehrfachem Hotelwechsel konzipiert war. Bei derartigen vielen Reisetagen und Hotelwechseln in einem Land des Ostblocks vor der Wende 1989 erscheint eine Vollauslastung ganz überwiegend wahrscheinlich.

53. Hinsichtlich der B.-Reisen I und II ergibt sich die Wahrscheinlichkeit einer konzeptionellen Vollauslastung bereits aus dem Charakter der Reise, die als Rundreise durch B. angelegt war. B. darf in 1989 noch als außergewöhnlich schwierig zu bereisendes Land angesehen werden. Insoweit streitet auch die Tatsache, daß die zweite B.-Reise erneut durch Herrn R. begleitet wurde, für den generell vorherrschenden Eindruck, daß Herr R. als der Reisebetreuer und Repräsentant der Klägerin eingesetzt wurde und Belohnungselemente dahinter völlig zurücktreten.

54. Der Senat hat die Berechnung der Haftungsbeträge dem Beklagten auferlegt, da die Berechnung eine Vielzahl von Einzelberechnungen anhand individueller Besteuerungsgrundlagen erfordert, die vom Beklagten infolge anderer Ressourcen besser zu leisten ist.

55. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Dabei beruht die hohe Kostentragungsquote für den Beklagten auf der Tatsache, daß er auch hinsichtlich der Arbeitnehmer L. und der Eheleute A. teilweise (Brutto- / Nettolohnsteuer) unterlegen ist.

56. Der Senat läßt im vorliegenden Verfahren die Revision nicht zu, da seines Erachtens kein Fall von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Wie der Streitfall exemplarisch beweist, ist für jeden Arbeitnehmer und jede Reise eine Einzelentscheidung durch Abwägung der verschiedenen Indizien vorzunehmen. Dabei sind unterschiedliche Entscheidungen hinsichtlich der gleichen Reisen bei unterschiedlichen Arbeitnehmern ebenso gut möglich wie unterschiedliche Entscheidungen hinsichtlich des gleichen Arbeitnehmers bei unterschiedlichen Reisen. Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung kommt der Entscheidung daher nicht zu.

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