Konkurs einer GmbH & Co KG

BGH: Konkurs einer GmbH und Co KG

Ein Mitgliedsbetrieb verklagt vorliegend eine Baugesellschaft, weil ein beim Kläger angestellter Mitarbeiter ,während seiner Tätigkeit für die Beklagte, verletzt wurde. Die Leistungen, die der Mitgliedsbetrieb dem Geschädigten auszahlte, verlangt er nun von der Baugesellschaft ersetzt.
Da die Beklagte zwischenzeitlich Konkurs angemeldet hatte, will der Kläger auf eine Teilnahme am Konkursverfahren verzichten und den Anspruch der Baugesellschaft gegen dessen Haftpflichtversicherung abgetreten bekommen.

Der Bundesgerichtshof hat dem Mitgliedsbetrieb Recht zugesprochen. Es bestehe grundsätzlich kein Zwang für die Konkursgläubiger, ihre Befriedigung aus der Konkursmasse zu fordern. Die Aufforderung zur Abtretung einer bestehenden Forderung auf Schuldnerseite, die nicht in die Konkursmasse falle, sei zulässig.

BGH IX ZR 77/95 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 28.03.1996
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 28.03.1996, Az: IX ZR 77/95
OLG Frankfurt, Urt. v. 22.02.1995, Az: 13 U 226/93
LG Darmstadt, Urt. v. 15.10.1993, Az: 1 O 233/93
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Bundesgerichtshof

1. Urteil vom 28. März 1996

Aktenzeichen: IX ZR 77/95

Leitsatz:

2. Forderungsgläubiger können Befriedigung aus Konkursmasse ablehnen.

Zusammenfassung:

3. Ein Mitgliedsbetrieb fordert von einer Baugesellschaft die Abtretung des Anspruchs auf eine Versicherungsleistung. Der Kläger hatte der Beklagten Angestellte zur Verrichtung von Bauarbeiten zur Verfügung gestellt. In Ausübung dieser Arbeiten verletzte sich ein Angestellter in Folge einer von der Beklagten schuldhaft unterlassenen Absicherung.
Der Mitgliedsbetrieb zahlte dem verletzten Angestellten eine Entschädigungsleistung, die er nunmehr von dem Bauunternehmen ersetzt verlangt. Da dieses mittlerweise Konkurs angemeldet hatte, verlangt der Kläger nun vom Beklagten die Abtretung des Zahlungsanspruchs gegen dessen Haftpflichtversicherung.
Der Beklagte hält dem entgegen, dass der streitige Anspruch nicht Teil der Konkursmasse sei und der Kläger vornehmlich aus dieser zu befriedigen sei.

Der Bundesgerichtshof hat dem Klägerbegehren entsprochen. Zweifellos sei der Anspruch des Beklagten gegen dessen Haftpflichtversicherung Teil der Konkursmasse geworden. Weiterhin bestehe für den Kläger keinerlei Verpflichtung sich in der Reihenfolge der Konkursgläubiger anzuschließen.
Vielmehr bestehe für den Kläger ein zulässiger Abtretungsanspruch auf die konkrete Forderung des Beklagten gegen dessen Haftpflichtversicherung.

Der Mitgliedsbetrieb habe die Möglichkeit eine isolierte Klage gegen den Konkursverwalter zu erheben und in diesem Zuge sein Recht auf abgesonderte Befriedigung zu erstreiten. Jeder Gläubiger könne grundsätzlich auf Deckung seiner Forderung aus der Konkursmasse als Konkursgläubiger verzichten und gegen den Gemeinschuldner auch während des Konkurses wegen einer vorkonkurslichen Forderung Klage erheben.

Tenor:

4. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

5. Die beklagte Kommanditgesellschaft, eine Bauunternehmung, führte im Juni 1988 Arbeiten auf einer Baustelle aus. Auf dieser war auch ein Mitgliedsbetrieb der klagenden Berufsgenossenschaft eingesetzt, deren Mitarbeiter R. dort am 18. Juli 1988 zu Fall kam und sich verletzte. Die Klägerin erbrachte ihm Sachleistungen und zahlt ihm eine Unfallrente.

6. Über das Vermögen der Beklagten wurde im Jahre 1989 das Konkursverfahren eröffnet, das noch nicht beendet ist.

7. Mit der am 16. April 1993 bei Gericht eingereichten, am 15. Juni 1993 zugestellten Klage fordert die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 47.675,11 DM zuzüglich Zinsen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten bis zur Höhe von 2/3 der an R. erbrachten und zu erbringenden Versicherungsleistungen. Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe die Baustelle nicht vorschriftsmäßig abgesichert; infolgedessen sei R. gestürzt. Die Klägerin erklärt, auf eine Beteiligung am Konkursverfahren zu verzichten; sie will einen Anspruch der Beklagten gegen deren Haftpflichtversicherung einziehen.

8.Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

9. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

10. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Klage zulässig ist.

11. Die Beklagte ist trotz des über ihr Vermögen eingeleiteten Konkursverfahrens parteifähig geblieben (§ 50 ZPO, § 161 Abs. 2 i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB). Zwar ist sie infolgedessen nach § 161 Abs. 2 i.V.m. § 131 Nr. 3 HGB aufgelöst. Die Fähigkeit, vor Gericht zu klagen oder verklagt zu werden, verliert die Kommanditgesellschaft aber erst mit ihrer Vollbeendigung. Diese ist hier während des laufenden Konkursverfahrens noch nicht eingetreten.

12. Die Beklagte ist im vorliegenden Rechtsstreit durch die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ordnungsgemäß vertreten (§ 51 Abs. 1 ZPO, § 161 Abs. 2 i.V.m. § 125 HGB).

13. Zwar ist auch über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden; sie ist damit aufgelöst. Sie ist aber ebenfalls noch nicht vollbeendigt. Eine Vertretung durch Liquidatoren erfolgt nicht in den Fällen der Gesellschaftsauflösung durch Konkurs, solange dieses Verfahren schwebt. Vielmehr bleiben für den nicht auf den Konkursverwalter übergegangenen Restbereich an gesellschaftsrechtlichen Befugnissen die Zuständigkeiten des Geschäftsführers erhalten.

14. § 12 KO steht der Klage ebenfalls nicht entgegen. Zwar können danach Konkursgläubiger ihre Forderungen auf Sicherstellung oder Befriedigung aus der Konkursmasse nur nach Maßgabe der §§ 138 ff KO zur Konkurstabelle anmelden. Die Vorschrift zwingt aber niemanden, Befriedigung wegen seiner Forderung aus der Konkursmasse zu suchen. Bereits in der amtlichen Begründung zu § 10 KO a.F. ist insoweit ausgeführt (Motive zur Konkursordnung S. 48):

15. „Allerdings will das Gesetz keinen Gläubiger nötigen, seine Forderungen zum Konkurse anzumelden oder einen gegen den Gemeinschuldner begonnenen Prozeß unterbrechen zu lassen. Er kann sowohl gegen den Gemeinschuldner klagen, als gegen ihn den Prozeß fortsetzen, wenn es ihm nur darauf ankommt, eine Feststellung seiner Forderung gegenüber dem Gemeinschuldner herbeizuführen, oder die Verurteilung des Schuldners zur Zahlung der Schuld nach Aufhebung des Konkurses zu erlangen. …“

16. Demgemäß entspricht es heute fast allgemeiner Meinung, daß grundsätzlich jeder Gläubiger auf Deckung seiner Forderung aus der Konkursmasse als Konkursgläubiger (§ 3 Abs. 1 KO) verzichten und gegen den Gemeinschuldner auch während des Konkurses wegen einer vorkonkurslichen Forderung – wie hier – Klage erheben kann. Die Teilnahme am Konkurs ist also kein spezielleres Verfahren, das eine Klage des Gläubigers gegen den Gemeinschuldner persönlich von vornherein ausschließen würde.

17. Dem steht der Gesichtspunkt der Schuldnerschonung nicht ohne weiteres entgegen. Auch im Rahmen eines Konkursverfahrens kann der Schuldner sich im Hinblick auf § 144 Abs. 2 KO nicht Passivprozessen entziehen, wenn er seine Rechte wahrnimmt. Will er sich im Einzelfall einer Forderung nicht widersetzen, so kann dies bei der Prüfung des Rechtsschutzinteresses (siehe unten 4 a) ins Gewicht fallen.

18. Dieses für jede Klage vorauszusetzende allgemeine Erfordernis ist allerdings bei Klagen gegen einen Gemeinschuldner außerhalb eines Konkursverfahrens besonders zu beachten.

19. Das Rechtsschutzinteresse fehlt nach allgemeinen Regeln, wenn der Kläger sein Rechtsschutzziel auf einfacherem und billigerem Wege erreichen kann.

20. Vorliegend möchte die Klägerin einen vollstreckbaren Titel gegen die Beklagte selbst erreichen. Dieser ist im einfacheren Verfahren gemäß § 144 Abs. 1 KO nur zu erlangen, falls der Gemeinschuldner nicht widerspricht (vgl. § 164 Abs. 2 KO). Ehe eine Klage gegen den Gemeinschuldner persönlich zulässig wird, ist deshalb im allgemeinen die Möglichkeit auszuschließen, daß die Forderung ohne Widerspruch des Gemeinschuldners zur Tabelle festgestellt werden würde. Im gegenwärtigen Rechtsstreit bestreitet die Beklagte aber auch die sachliche Berechtigung der geltend gemachten Forderung in umfassender Weise nach Grund und Höhe (siehe unten III 2). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß sie einer Anmeldung zur Konkurstabelle nicht ebenso widersprochen hätte. Dann konnte die Klägerin ihr Rechtsschutzziel nicht ohne eine Klage erreichen.

21. In diesem Zusammenhang kommt es nicht entscheidend darauf an, auf welche Weise die Klägerin leichter Leistungen des Haftpflichtversicherers der Beklagten erlangen kann. Das ist eine Frage nicht nach dem rechtlichen Ziel, sondern nach dem wirtschaftlichen Endergebnis, welches die Klägerin anstrebt; diese allein ihr zustehende Entscheidung darf nicht mit Mitteln des Prozeßrechts bestimmt werden. Allgemeine Interessen würden allenfalls dann berührt, wenn der von der Klägerin eingeschlagene Weg zu mehr Prozessen führen müßte als die Inanspruchnahme der Konkursmasse. Das ist jedoch nicht der Fall. Bei beiden Vorgehensweisen ist nur eine einzige Klage nötig, die aufgrund einer Anmeldung im Konkurs zusätzlich gegen den – voraussichtlich ebenfalls bestreitenden – Konkursverwalter geführt werden müßte (§ 146 Abs. 1 und 2 KO).

22. Ein rechtskräftiger Titel gegen den Konkursverwalter würde allerdings nach Maßgabe der §§ 149, 154 VVG zugleich gegen den Haftpflichtversicherer wirken; er würde gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 VVG die Fälligkeit des versicherungsrechtlichen Deckungsanspruchs sowie die versicherungsrechtliche Bindungswirkung auslösen. Denn die Verfügungsbefugnis über den Deckungsanspruch gegen den Versicherer steht gemäß § 6 KO dem Konkursverwalter zu. Ist Konkurs über das Vermögen des Versicherungsnehmers eröffnet worden, so wird auch dessen Befreiungsanspruch gegen den Versicherer vom Konkursbeschlag erfaßt . Demgemäß wird der Haftpflichtanspruch in derartigen Fällen regelmäßig komplikationslos gegen den Konkursverwalter des Versicherungsnehmers geltend gemacht (BGH, Urt. v. 25. April 1989 – VI ZR 146/88, aaO m.w.N).

23. Im Vergleich damit kann die Klägerin ihr vor allem verfolgtes wirtschaftliches Ziel – die Befriedigung aus der Haftpflichtversicherungsforderung der Beklagten – mit der vorliegenden Klage allein derzeit nicht erreichen. Zwar bewirkt die Verurteilung des Versicherungsnehmers nach § 156 Abs. 2 VVG regelmäßig, daß der Haftpflichtversicherer die Zahlung an den geschädigten Dritten bewirken kann.

24. Auch ist ein geschädigter Dritter im Konkurs über das Vermögen des haftpflichtversicherten Schädigers gemäß § 157 VVG befugt, wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs aus dessen Entschädigungsforderung abgesonderte Befriedigung zu verlangen; diese wird gemäß § 4 Abs. 2 KO außerhalb des Konkursverfahrens vollzogen. Voraussetzung dafür ist aber die vorherige Freigabe der Forderung aus der Konkursmasse, die notfalls durch Klage gegen den Konkursverwalter zu erzwingen ist (vgl. Jaeger/Henckel aaO § 4 Rdn. 15, 1. Abs.; Kuhn/Uhlenbruck aaO § 4 Rdn. 4). Es mag zweifelhaft sein, ob ein statt dessen gegen den im Konkurs befindlichen Versicherungsnehmer persönlich geführter Haftpflichtprozeß die Fälligkeit des versicherungsrechtlichen Deckungsanspruchs oder die versicherungsrechtliche Bindungswirkung auslöst.

25. Dennoch muß die Klägerin in der Folgezeit nicht zwangsläufig noch eine weitere Klage führen, um Zahlungen des Haftpflichtversicherers zu erlangen. Zum einen kann der Konkursverwalter die Freigabe der Versicherungsforderung aus der Konkursmasse freiwillig erklären. Vor allem endet der Konkursbeschlag, wenn das Konkursverfahren aufgehoben oder eingestellt wird. Die versicherungsrechtliche Fälligkeits- und Bindungswirkung tritt dann entsprechend § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB zugunsten der Klägerin ein. Denn der (frühere) Gemeinschuldner erhält seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 6 KO) in vollem Umfange zurück; er tritt lückenlos in die entsprechenden Befugnisse des bisherigen Konkursverwalters ein. Das gilt auch für den versicherungsrechtlichen Deckungsanspruch. Schutzwürdige Belange des Haftpflichtversicherers werden nicht dadurch berührt, daß er nunmehr rechtskräftige Urteile gegen sich gelten lassen muß, die gegen den Gemeinschuldner persönlich – statt gegen den Konkursverwalter – ergangen sind; die Belange des Versicherers werden durch die Obliegenheiten gewahrt, die jeder der möglichen Beklagten in dieser Lage kraft des Versicherungsvertrages zu erfüllen hat.

26. Dagegen bezweckt § 6 KO nicht den Schutz von Schuldnern des Gemeinschuldners, wie beispielsweise seines Versicherers. Das früher zur Absonderung berechtigende Pfandrecht des geschädigten Dritten überdauert den Konkurs als Pfandrecht an der Entschädigungsforderung selbst (RGZ 135, 295, 297 f; BGH, Urt. v. 13. Juli 1956 – VI ZR 223/54, VersR 1956, 625, 626; Prölss/Martin/Voit, VVG 25. Aufl. § 157 Anm. 1). Daraus kann er notfalls unmittelbar auf Leistung gegen den Versicherer klagen (BGH, Urt. v. 13. Oktober 1954 – VI ZR 49/54, VersR 1954, 578, 579; v. 8. April 1987 – IVa ZR 12/86, VersR 1987, 655; v. 7. Juli 1993 – IV ZR 131/92, VersR 1993, 1222 unter 1 b); diesem gegenüber erwächst weder ein gegen den Konkursverwalter des Versicherten erwirkter Titel noch ein gegen den Gemeinschuldner persönlich ergangenes Urteil in Rechtskraft.

27. Soweit Karsten Schmidt (in Scholz, GmbHG 8. Aufl. § 63 Rdn. 54 a.E. und 73; ferner – mit Schulz – in ZIP 1982, 1015, 1016 ff; vgl. auch Pluta EWiR 1996, 265, 266; offengelassen von BGH, Beschl. v. 21. März 1995 – XI ZR 189/94, WM 1995, 745) für Handelsgesellschaften die Möglichkeit eines Vermögenserwerbs nach beendetem Konkursverfahren leugnet, vermag der Senat ihm für das geltende Recht nicht zu folgen. § 209 KO bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesellschaftskonkurs unter Abweichung von § 1 KO auch allgemein konkursfreies Vermögen erfaßt und zugleich die Aufgabe der gesellschaftsrechtlichen Liquidation übernimmt. Der Konkursverwalter hat vorrangig die Interessen der Gläubiger zu wahren. Dagegen befinden sich die Gesellschafter einer insolvent gewordenen Gesellschaft in der Rolle des Gemeinschuldners oder von Drittbeteiligten. Deren Interessen sind zwar – und nur – im gesetzlich vorgegebenen Rahmen mitzuberücksichtigen, prägen aber nicht als Selbstzweck ganz oder teilweise den Verfahrensablauf (ebenso Henckel, in: Festschrift für Franz Merz, 1992, S. 197, 203 ff; Kilger, in: Festschrift für Franz Merz aaO. S. 253, 269 f).

28. Danach kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, daß die Klägerin nicht ausschließt, von einem gegen die Gemeinschuldnerin zu erlangenden Titel umfassend Gebrauch zu machen (Seite 4 und 9 ihres Schriftsatzes vom 6. Dezember 1994 = Bl. 193, 198 GA), also auch sonstiges Vermögen zu erfassen, welches die Beklagte jetzt oder künftig besitzt.

29. Das Rechtsschutzbedürfnis mag ferner allgemein dann fehlen, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Kläger oder Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (vgl. MünchKomm-ZPO/Lüke, Rdn. 11 vor § 253; Thomas/Putzo, ZPO 19. Aufl. Vorbemerkung Rdn. 27 vor § 253). In diese Richtung scheinen die Ausführungen zu deuten, mit denen das Berufungsgericht hier die Klage für unbegründet hält (siehe unten II 1). Jedoch kann Rechtsuchenden nur unter ganz besonderen Umständen der Zugang zu einer sachlichen Prüfung durch die Gerichte verwehrt werden. Grundsätzlich haben sie einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf, daß die staatlichen Gerichte ihr Anliegen sachlich prüfen und darüber entscheiden. Schon der Umstand, daß der obsiegende Kläger einen Titel erhält, der seine etwaigen Ansprüche für die nächsten 30 Jahre vor der Verjährung bewahrt (§ 218 Abs. 1 BGB), ist im allgemeinen geeignet, eine Leistungsklage zu rechtfertigen; denn es läßt sich durchweg nicht ausschließen, daß der Kläger in dieser Zeit Gelegenheit findet, gegen den Beklagten zu vollstrecken (vgl. BGH, Urt. v. 10. Dezember 1976 – V ZR 145/74, DB 1977, 718, insoweit in BGHZ 68, 16 nicht abgedruckt). Diese Aussicht trägt auch hier das Rechtsschutzinteresse.

30. Das Berufungsgericht hat die Klage jedoch für unbegründet gehalten.

31. Es hat insoweit ausgeführt: Die Klägerin trage zwar allgemein vor, bereits jetzt bestehendes konkursfreies Vermögen der Beklagten in Anspruch nehmen zu wollen. Ihre Ansicht jedoch, allein durch ihren Verzicht auf die Teilnahme am Konkursverfahren bestehe konkursfreies Vermögen bezüglich der Forderung gegen den Haftpflichtversicherer, treffe nicht zu; diese Forderung falle trotz der Möglichkeit zur abgesonderten Befriedigung in die Konkursmasse. Allgemein könnten aufgrund des schädigenden Ereignisses, für das Haftpflichtschutz bestehe, auch mehrere Gläubiger berechtigt sein. Deswegen verbiete sich eine wahlweise Inanspruchnahme entweder des Konkursverwalters oder – unter Verzicht auf Teilnahme am Konkursverfahren – des Gemeinschuldners. Alle derartigen Klagen dürften nur gegen einen einzigen Gegner geführt werden.

32. Diese Ausführungen stehen, wie die Revision zutreffend rügt, in keinem rechtlichen Zusammenhang mit den von der Klägerin gestellten Anträgen sowie der dazu gegebenen Begründung: Die Klägerin verlangt aus übergegangenem Recht eines bei ihr versicherten Geschädigten (§ 116 Abs. 1 SGB X) Schadensersatz wegen einer Körperverletzung, welche die Beklagte als Verkehrssicherungspflichtige gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 BGB verschuldet haben soll. Die Beklagte ist Schuldnerin dieser Forderung („passivlegitimiert“), falls sie für die Baustelle verkehrssicherungspflichtig war und diese Verbindlichkeit in rechtswidrig-schuldhafter Weise verletzt hat. Dazu nimmt das Berufungsgericht nicht Stellung (§ 550 ZPO).

33. Statt dessen befaßt sich das Berufungsgericht nur mit der Frage, ob eine Verurteilung der Beklagten gemäß dem gestellten Antrag für die Klägerin noch während des schwebenden Konkursverfahrens wirtschaftlich oder rechtlich einen Nutzen bringen würde.

34. Dies könnte allenfalls die Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsschutzinteresses berühren (oben I 4 b), nicht aber die Berechtigung des eingeklagten Anspruchs selbst.

35. Die vom Berufungsgericht für bedenklich gehaltene Konkurrenz mehrerer Gläubiger ist auf der Grundlage des § 156 Abs. 3 VVG zu lösen. Es ist nichts dafür dargetan, daß die Versicherungssumme hier erschöpft werden könnte.

36. Das angefochtene Urteil, das danach auf einem Rechtsfehler beruht, erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).

37. Die Klage ist gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 116 Abs. 1 SGB X schlüssig. Nach der Behauptung der Klägerin war die Beklagte die Bauunternehmerin, die vertraglich die Herstellung des Rohbaus übernommen und die Maueröffnung – durch welche R. gefallen ist – tatsächlich angebracht hatte. Dann oblag ihr insoweit auch die Verkehrssicherungspflicht (vgl. OLG Schleswig MDR 1982, S. 318 Nr. 53; Palandt/Thomas, BGB 55. Aufl. § 823 Rdn. 76). Der bei der Klägerin versicherte H. R. war am 18. Juli 1988 als Beschäftigter eines Unternehmens für Bautenschutz dort tätig. Er stürzte durch die nur locker mit Brettern abgesicherte Wandöffnung; diese Schutzmaßnahme entsprach nicht den Unfallverhütungsvorschriften. Verstöße gegen Unfallverhütungsvorschriften stellen regelmäßig schuldhafte Verletzungen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht dar; auch spricht bei Unfällen im Einwirkungsbereich der Gefahrenstelle der Anscheinsbeweis dafür, daß der Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschriften den Unfall verursacht hat (BGH, Urt. v. 29. März 1960 – VI ZR 84/95, VersR 1960, 614, 615).

38. Der Verjährungseinrede der Beklagten begegnet die Klägerin mit dem zutreffenden Hinweis darauf, daß die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB u.a. erst von dem Zeitpunkt an beginnt, in welchem der Verletzte von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Für den Zeitpunkt, in dem die erforderliche Kenntnis erlangt wurde, ist in den Fällen des gesetzlichen Übergangs des Schadensersatzanspruchs auf einen öffentlich-rechtlichen Leistungsträger darauf abzustellen, wann der bei diesem für die Vorbereitung und Verfolgung der Regreßansprüche zuständige Bedienstete die wesentlichen Umstände erfahren hat (BGH, Urt. v. 24. September 1986 – VI ZR 101/84, VersR 1986, 163, 164 f). Es ist nicht dargetan, daß die Klägerin vor dem 2. Dezember 1988 die entsprechende Kenntnis erlangt hat. Sodann standen die Klägerin und die Haftpflichtversicherung der Beklagten – auch nach deren eigener Darstellung – jedenfalls zwischen dem 20. Februar 1989 und dem 16. Juli 1990 in Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz. Während dieses Zeitraums war der Ablauf der Verjährungsfrist gemäß § 852 Abs. 2 BGB gehemmt. Sie konnte deshalb keinesfalls vor dem 28. April 1993 vollendet sein. Bereits am 16. April 1993 hat die Klägerin die Klage – mit dem erforderlichen Gerichtskostenvorschuß – bei Gericht eingereicht. Die Verzögerung der Zustellung bis zum 15. Juni 1993 beruhte allein auf der gerichtsinternen Behandlung, so daß die Voraussetzungen des § 270 Abs. 3 ZPO noch gewahrt sind.

39. Die Klage gegen die Beklagte – statt gegen ihren Konkursverwalter – ist auch geeignet, die Verjährungsfrist zu unterbrechen. Sie richtet sich gegen den Schuldner persönlich und hat uneingeschränkte Wirkungen außerhalb des Konkursverfahrens. § 6 KO führt nur dazu, daß die Konkursgläubiger die Folgen des Prozesses während des laufenden Konkursverfahrens nicht gegen sich gelten zu lassen brauchen. Nach Konkursbeendigung treten die Wirkungen jedoch gemäß § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB gegenüber jedermann in Kraft (s.o. I 4 a bb).

40. Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), weil die Beklagte das Klagevorbringen in rechtserheblicher Weise bestreitet. Insbesondere leugnet sie den Unfallhergang, die Art der Absicherung der Wandöffnung sowie die Schadenshöhe.

41. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen (oben 1 und 2) getroffen werden können.

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