Wegen falscher Preisangabe im Internet auf Vertrag eingegangen
LG Düsseldorf: Wegen falscher Preisangabe im Internet auf Vertrag eingegangen
Die Klägerin nahm das Reisebüro auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch. Die von ihr im Internet gebuchte Reise kam aufgrund eines Softwarefehlers nicht zustande, da ein falscher Reisepreis angezeigt wurde.
Das Landgericht Düsseldorf wies die Berufung ab.
LG Düsseldorf | 22 S 307/06 (Aktenzeichen) |
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LG Düsseldorf: | LG Düsseldorf, Urt. vom 23.02.2007 |
Rechtsweg: | LG Düsseldorf, Urt. v. 23.02.2007, Az: 22 S 307/06 |
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Leitsatz:
2. Bei Vertragsschluss über das Internet aufgrund einer falschen Preisangabe des elektronischen Buchungssystems des Reisebüros ist der Reiseveranstalter zur Anfechtung des Vertragsschlusses wegen eines Erklärungsirrtums berechtigt
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall kam es aufgrund eines elektronischen Fehlers im Betriebssystem zu einer falschen Preisangabe von Reisebuchungen.
Das LG Düsseldorf fand die Berufung für unbegründet und entschied, dass ein Reisebüro, das ständig damit betraut ist, für einen Reiseveranstalter Reisen zu vermitteln und als Agentur beziehungsweise Buchungsstelle des Veranstalters auftritt, als Handelsvertreter anzusehen ist und als solcher die Vertretungsmacht hat , für den Veranstalter verbindliche Erklärungen abzugeben, insbesondere die Annahme der Buchung zu erklären.
Tenor:
4. Die Berufung des Klägers gegen das am 05.07.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf – 35 C 15834/05 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Gründe:
5. I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Entscheidungserhebliche Ergänzungen sind in der Berufungsinstanz nicht erfolgt.
6. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
7. II. 1. Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und formell ordnungsgemäß begründet, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO.
8. Der Kläger rügt eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Er trägt vor, das Amtsgericht sei zu Unrecht von einem zwischen den Parteien geschlossenen Aufhebungsvertrag ausgegangen. Das Vorliegen eines Aufhebungsvertrages sei weder von der Beklagten vorgetragen worden, noch habe die Aussage der Zeugin Roth einen solchen bewiesen. Die Zeugin habe hinsichtlich des Telefonats vom 25.07.2005 nur subjektive Einschätzungen zu seiner Haltung wiedergegeben und keine konkreten Aussagen zum genauen Wortlaut des Gesprächs machen können. Insbesondere habe sie keine ausreichenden Angaben zu einem rechtlichen Bindungswillen des Klägers gemacht. Aus dem Verhalten der Beklagten nach dem Telefonat ergebe sich auch, dass sie selbst nicht von einem Aufhebungsvertrag ausgegangen sei, sondern vielmehr davon, dass ihr ein einseitiges Recht zur Vertragslösung zustünde. Dieses Vorbringen stellt eine formell ordnungsgemäße Berufungsbegründung i.S.v. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO dar.
9. 2. Die Berufung ist unbegründet.
10. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung aus § 651 f Abs. 1 BGB.
11. a) Zwischen den Parteien ist vorliegend zunächst ein Reisevertrag zum Preis von 832,25 Euro abgeschlossen worden. Ein Reisevertrag wird durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen gemäß §§ 145 ff. BGB geschlossen. Das Angebot zum Vertragsschluss liegt dabei in der Regel in der vom Kunden vorgenommenen Buchung und die Annahme in der Buchungsbestätigung des Reiseveranstalters.
12. Vorliegend hat der Kläger im Internet auf der Seite des Reisebüros „-“ die im Streit befindliche Reise für vier Personen zum Preis von 832,25 Euro gebucht. Ihm wurde daraufhin eine als „Rechnung/Buchungsbestätigung“ bezeichnete E-Mail des Reisebüros zugesandt, in welcher ihm die gebuchte Reise bestätigt wurde.
13. Die Beklagte muss sich die Erklärung des Reisebüros auch zurechnen lassen. Das als Reisevermittler tätige Reisebüro ist in aller Regel Empfangsbote des Reisevermittlers und kann daher Angebote eines Kunden mit rechtlicher Bindungswirkung entgegennehmen. Für die Frage, ob ein Reisebüro auch eine Abschlussvollmacht des Reiseveranstalters besitzt, kommt es auf dessen Stellung zum Reisevermittler an. Handelt es sich um ein freies Reisebüro, welches nicht in die Absatzorganisation des Reiseveranstalters eingebunden ist, darf es im Namen des Veranstalters nur Erklärungen entgegennehmen, aber keinen Vertrag in dessen Namen schließen. Handelt es sich dagegen um ein Reisebüro, welches ständig damit betraut ist, für einen oder bestimmte Veranstalter Reisen zu vermitteln und als Agentur beziehungsweise Buchungsstelle des Veranstalters auftritt, ist dieses als Handelsvertreter anzusehen. Als solcher hat er die Vertretungsmacht, für den Veranstalter verbindliche Erklärungen abzugeben. Vorliegend hat der Kläger – von der Beklagten unbestritten – vorgetragen, dass es sich bei dem Reisebüro „-“ um eine Agentur der Beklagten handele. Als solches hat es – wie dargelegt – die Vertretungsmacht, für die Beklagte Erklärungen abzugeben, insbesondere die Annahme der Buchung zu erklären.
14. b) Die Beklagte konnte sich aber durch Anfechtung vom Vertrag lösen, mit der Folge, dass das angefochtene Rechtsgeschäft von Anfang an nichtig ist, § 142 BGB. Eine wirksame Anfechtungserklärung im Sinne des § 143 Abs. 1 BGB ist in dem Telefonat am 25.07.2005 zu sehen. Unabhängig davon, ob ausdrücklich von einer Anfechtung gesprochen wurde, hat jedenfalls die Beklagte deutlich zu verstehen gegeben, dass es sich um eine fehlerhafte Buchung handele und sie den Vertrag nicht erfüllen will. Dies ergibt sich aus der glaubhaften Aussage der Zeugin.
15. Der Beklagten stand auch ein Anfechtungsgrund nach § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB wegen eines Erklärungsirrtums zu. Wie der BGH in seinem Urteil vom 26.01.2005 (NJW 2005, 976ff) ausgeführt hat, kommt eine Anfechtung wegen Erklärungsirrtums bei der Abgabe elektronischer Willenserklärungen auch bei Fehlern im Datentransfer grundsätzlich in Betracht. Voraussetzungen ist, dass der Fehler auf einem Irrtum beruht, welcher den typischen Fällen des § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB vergleichbar ist, mithin dem Verschreiben oder Versprechen. Ein vergleichbarer Fall liegt insbesondere dann vor, wenn der Erklärende zwar seine Angaben fehlerfrei in den Computer eingibt, die von ihm genutzte Software diese Daten aber auf dem Weg zum Empfänger fehlerhaft verändert. Vorliegend ist die fehlerhafte Buchung auf einen solchen Fehler im Buchungssystem der Beklagten beziehungsweise des für sie handelnden Reisebüros aufgetreten. Aufgrund eines Systemfehlers hat das System bereit bei der Buchung einen falschen Preis angegeben. Dies hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen und überdies die Zeugin bestätigt.
16. Die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB ist gewahrt, denn das Telefonat fand – unstreitig – am Tag des Buchungsvorgangs statt. Die Beklagte hatte mithin die Anfechtung wegen Erklärungsirrtums ohne schuldhaftes Zögern erklärt. Die Beklagte schuldet dem Kläger gemäß § 122 Abs. 1 BGB nur Ersatz seines negativen Interesses. Bisher ist nicht dargelegt, ob und – wenn ja – welche Aufwendungen der Kläger im Vertrauen auf die Gültigkeit des in Rede stehenden Reisevertrages gemacht hatte.
17. c) Aber selbst wenn man den Irrtum der Beklagten nicht als Erklärungsirrtum, sondern – wie der Kläger meint – als offenen Kalkulationsirrtum bewerten würde, stünde ihm der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht zu. Ein Kalkulationsirrtum berechtigt zwar grundsätzlich nicht zur Anfechtung des Vertrages gemäß §§ 119 ff. BGB. Der Vertragspartner, der aber bereits bei Vertragsschluss erkannt hatte oder erkennen musste, dass die Erklärung des anderen auf einem Irrtum in der Berechnung beruht und diesem die Durchführung des Vertrages unzumutbar ist, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er dennoch auf der Durchführung des Vertrages besteht beziehungsweise Rechte wegen Nichterfüllung aus diesem herleiten will. Ein solches Verhalten verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB (vgl. OLG München vom 15.11.2002, 19 W 2631/02). Vorliegend konnte und musste der Kläger bereits bei der Buchung erkennen, dass es sich bei der Preisangabe in Höhe von 832,35 Euro um einen Fehler handeln musste. Der Kläger wollte für sich und drei weitere Familienmitglieder während der Hauptsaison einen zweiwöchigen Urlaub in einer 5 Sterne Anlage inklusive Flug buchen. Es lag auf der Hand, dass der angegebene Preis von 832,25 Euro für diese Leistung offensichtlich viel zu gering sein musste. Der Kläger räumt insoweit selbst ein, dass vergleichbare Angebote in der gleichen Region nicht unter einem Preis von 2.700,00 Euro zu bekommen waren. Hinzu kommt Folgendes: Die Berechnung des Gesamtpreises wurde in der Rechnung/Buchungsbestätigung in der Form dargestellt, dass als Rubriken „Pers.“, „Preis“ und „Gesamtpreis“ aufgeführt wurden. Trotz der Tatsache, dass der Kläger und drei weitere Familienmitglieder als Reiseteilnehmer benannt wurden, wurde in der Rubrik „Pers.“ nur eine 1 vermerkt und in den Rubriken „Preis“ und „Gesamtpreis“ der Betrag von 832,25 Euro. Der Umstand, dass bei der Berechnung nur eine Person aufgeführt wurde, spricht für einen Berechnungsfehler. Der Beklagten war die Durchführung der Reise zu einem Preis, der nur etwa 30 % des regulären Preises entsprach nicht zumutbar. Wenn der Kläger dennoch auf Erfüllung des Vertrages besteht beziehungsweise nun den Differenzbetrag als Schadenersatz verlangt, verstößt er gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
18. Auf die Frage, ob durch das Telefonat vom 25.07.2005 tatsächlich ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wurde, kommt es daher nicht mehr an. Es kann somit auch offen bleiben, ob die Beklagte selbst von einem Aufhebungsvertrag ausgegangen war. Soweit die Beklagte sich mit Schreiben vom 17. August 2006 auf ein Rücktrittsrecht berufen hatte, ändert dies nichts. Die Mitarbeiterin der Beklagten ist juristischer Laie, so dass eine Unterscheidung zwischen einem Rücktritt und einer Anfechtung, die ähnliche Rechtsfolgen entfaltet wie ein Rücktritt, nicht erwartet werden kann.
19. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
20. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass i. S. v. § 543 Abs. 2 ZPO.
21. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1.886,00 Euro festgesetzt.
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