Reisemangel durch Muezzinrufe in der Türkei

AG Hannover: Reisemangel durch Muezzinrufe in der Türkei

Ein Türkeiurlauber rügte Muezzinrufe als Reisemangel. Die Klage wurde abgewiesen, da ortstypische Gegebenheiten bloße Unannehmlichkeiten darstellen.

AG Hannover 559 C 44/14 (Aktenzeichen)
AG Hannover: AG Hannover, Urt. vom 11.04.2014
Rechtsweg: AG Hannover, Urt. v. 11.04.2014, Az: 559 C 44/14
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Amtsgericht Hannover

1. Urteil vom 11. April 2014

Aktenzeichen 559 C 44/14

Leitsatz:

2. Muezzinrufe sind in muslimisch geprägten Ländern ortstypisch und allenfalls als bloße Unannehmlichkeit hinzunehmen.

Unbequemlichkeiten beim Flug im Rahmen einer Pauschalreise (hier: kaputte Armlehne, grobe Landung) sind bloße Unannehmlichkeiten.

Zusammenfassung:

3. Ein Türkeiurlauber fühlte sich während seinen Aufenthalts in Doganbey vom 4.09. bis 18.09.2013 von täglichen Muezzinrufen belästigt. Nach seinen Angaben bei der Klage vor dem Amtsgericht Hannover rügte er dies vor Ort. Beim Rückflug hatte er einen beschädigten Sitz und die Landung war unsanft. Auch dies rügte er nach eigenen Angaben sofort und machte es später als Reisemangel geltend. Die beklagte Reiseveranstalterin behauptete, dass keine Rüge erfolgt war.

Die Klage wurde abgewiesen, ohne dass entschieden wurde, ob eine Rüge erfolgt war oder nicht, weil kein Reisemangel vorlag. Muezzinrufe sind in der Türkei ortsüblich und als bloße Unannehmlichkeit hinzunehmen. Auch der defekte Sitz und die raue Landung waren nur Unannehmlichkeiten, die die Beklagte nicht verschuldet hatte.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110 % des jeweils auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Reisepreisminderung in Anspruch.

6. Der Kläger buchte für sich und seine Partnerin bei der Beklagten für die Zeit vom 4.9. bis zum 18.9.2013 eine Flugpauschalreise mit All Inclusive – Leistung in das Hotel „…“, Türkei für einen Gesamtreisepreis von 2.258,-​- €. Der Buchung lag die Reisebeschreibung der Beklagten zu Grunde, nach der die Unterkunft „abseits des Massentourismus, inmitten schöner Natur, ruhig, direkt am kilometerlangen Sand-​/Kiesstrand“ im Ortszentrum von Doganbey gelegen sein sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Reiseangebot Blatt 5 ff. d. A. verwiesen.

7. In dem Ort befindet sich in der Nähe des Hotels eine Moschee von der beginnend ab 6.00 Uhr morgens, verstärkt durch einen Lautsprecher, mehrmals pro Tag über eine Zeit von ca. 5 – 6 Minuten Muezzinrufe ertönen. Einzelheiten sind streitig.

8. Beim Rückflug setzte das Flugzeug erst beim dritten Landeversuch und unsanft auf.

9. Mit anwaltlichen Schreiben vom 25.9.2013 und 25.11.2013 ließ der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung eines anteiligen Reisepreises von 1.161,26 € wegen der unsanften Landung beim Rückflug, eines beschädigten Sitzes beim Hinflug und der Beeinträchtigungen durch laute Muezzinrufe erfolglos auffordern.

10. Der Kläger behauptet, die Moschee nebst Minaretten habe sich in einer Entfernung von ca. 60 Metern vom Hotel befunden, die durch Lautsprecher verstärkten Rufe hätten sowohl zu erheblichen Beeinträchtigungen sowohl des Schlafes als auch am Tag geführt. Dies habe er erstmals am 5.9.2013 und anschließend mehrmals gegenüber der örtlichen Reiseleitung gerügt. Weiter sei beim Hinflug der Sitz beschädigt gewesen, die Armlehne sei abgebrochen, so dass ein bequemes Sitzen nicht möglich gewesen sei. Auch dies habe er unverzüglich gerügt.

11. Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.161,26 € nebst Zinsen i. H. v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2013 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13. Sie behauptet, der Kläger habe sich wegen der Muezzinrufe nicht bei der örtlichen Reiseleitung beschwert, auch sei keine Beschwerde bezüglich eines beschädigten Sitzes erfolgt. Auf Nachfrage hätte dem Kläger ein anderer Sitzplatz zur Verfügung gestellt werden können. Weiter meint sie, das Auftreten von Geräuschen durch Muezzinrufe sei in der Türkei als ortsüblich und daher als bloße Unannehmlichkeit hinzunehmen.

14. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 25.3.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

15. Die zulässige Klage ist unbegründet.

16. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz oder Minderung nach §§ 651 f BGB oder §§ 651 d Abs. 1, 651 c Abs. 1 BGB zu.

17. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die behaupteten Mängel unverzüglich gegenüber der örtlichen Reiseleitung nach § 651 d Abs. 2 BGB gerügt hat. Minderungs- und / oder Schadensersatzansprüche setzen voraus, dass die Reise mit einem Mangel im Sinne von § 651 c BGB behaftet war, dass somit die tatsächliche Beschaffenheit der Reise von derjenigen abweicht, welche die Vertragspartner bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam auch stillschweigend vorausgesetzt haben. Weiter ist Voraussetzung, dass dadurch der Nutzen der Reise aufgehoben oder gemindert wird (vgl. dazu Sprau in Palandt, BGB, Kommentar, 72. Aufl. 2013, zu § 651 c Rd. 2 m. w. N.). Der Vertragsinhalt ergibt sich dabei aus der Reisebestätigung, den der Buchung zu Grunde liegenden Prospektangaben unter Berücksichtigung von Treu und Glauben. Es kommt somit darauf an, was der verständige Reisende nach dem Leistungsprogramm des Veranstalters erwarten darf, wobei auch die Landesüblichkeiten zu berücksichtigen sind (vgl. dazu Führich in Reiserecht, 6. Aufl. 2010 Rd. 238 ff.). Daraus folgt, dass bloße Unannehmlichkeiten keine Gewährleistungsansprüche auslösen, es sei denn, der Reiseveranstalter hat diese als besondere Eigenschaft der Reise zugesichert. Weiter folgt daraus, dass ortsübliche Beeinträchtigungen mit denen gerechnet werden muss, als bloße Unannehmlichkeit anzusehen sind.

18. Danach stellt der defekte Sitz beim Hinflug eine bloße Unannehmlichkeit dar, die nicht zu einer Minderung führt. So soll nach dem Klägervortrag der Sitz derart beschädigt gewesen sein, dass die Armlehne abgebrochen sei. Dem Vortrag lässt sich nicht entnehmen, wann während des Fluges dies geschehen sein soll, weiter führt eine abgebrochene Armlehne nicht dazu, dass das Sitzen so unbequem ist, dass der Flug insgesamt erheblich beeinträchtigt wäre.

19. Auch das unsanfte Landen stellt danach keinen Mangel dar. Mit einem solchen Landemanöver ist zu rechnen, die Landung hängt u. a. auch von den Wetterbedingungen ab, auf die der Luftbeförderer keinen Einfluss hat.

20. Soweit der Kläger meint, ihm stünde ein Minderungsrecht wegen der durch die Muezzinrufe verursachten lauten Geräusche zu, kann dem nicht gefolgt werden. Es ist allgemein bekannt, dass die Türkei ein muslimisches Land ist, so dass mit Moscheen und Muezzinrufen auch durch Lautsprecher zu rechnen ist. Diese sind ebenso landestypisch, wie in einem christlichen Land das gegebenenfalls auch laute und anhaltende Läuten von Kirchenglocken. Die Beklagte hat zwar versprochen, dass das Hotel abseits des Massentourismusses ruhig gelegen sei, aus der Reisebeschreibung ergibt sich jedoch auch, dass sich das Hotel im Ortszentrum des Ortes Doganbey befindet. Es konnte somit vom objektiven Empfängerhorizont nicht davon ausgegangen werden, dass das Hotel in unberührter Natur abseits gelegen ist. Mit Geräuschen und Beeinträchtigungen, die in einem muslimischen Ort vorhanden sind, musste der Kläger rechnen, ohne dass die Beklagte darauf gesondert hinzuweisen hatte. Selbst wenn sich die Moschee somit, wie vom Kläger vorgetragen, lediglich in einer Entfernung von 60 Metern vom Hotel befunden haben sollte, stellt dies keine Gewährleistungsrechte auslösende Abweichung der Ist- von der Soll-​Beschaffenheit dar. Der Kläger hatte die von ihm vorgetragenen Beeinträchtigungen danach hinzunehmen.

21. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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