Flugverspätung und unzureichender Meerblick aus Hotelzimmer

AG Düsseldorf: Flugverspätung und unzureichender Meerblick aus Hotelzimmer

Türkeiurlauber forderten eine Reisepreisminderung, unter anderem, weil sie wegen Überbuchung minderwertig ersatzuntergebracht worden waren. Der Klage wurde stattgegeben und der Tagesreisepreis jeweils um 40% gemindert.

AG Düsseldorf 44 C 423/15 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 06.05.2016
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 06.05.2016, Az: 44 C 423/15
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 6. Mai 2016

Aktenzeichen 44 C 423/15

Leitsätze:

2. Die Unterbringung wegen Überbuchung in einer minderwertigen Ersatzunterkunft begründet eine Tagesreisepreisminderung um 20 %.

Fehlt trotz Buchung der Meerblick ist der Tagesreisepreis um 5 % zu mindern.

Insektenbefall in Verbindung mit Körperspuren der Vorbewohner begründen eine Reisepreisminderung um 15% für die betroffenen Reisetage.

Der wegen Überbuchung und Ersatzunterbringung nötige Umzug begründet einen Anspruch auf Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit.

Die einstündige Flugverspätung im Rahmen einer Pauschalreise stellt eine bloße Unannehmlichkeit dar.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei der Beklagten für sich und ihre Kinder eine Pauschalreise nach Antalya für den Zeitraum vom 11. bis zum 22. August 2015 zum Preis von 3.026,- € gebucht. Der Hinflug hatte eine Stunde Verspätung. Aufgrund der Überbuchung des Hotels waren sie die ersten drei Tage in einer minderwertigen Ersatzunterkunft untergebracht, die abseits vom Fehlen des gebuchten Meerblickes erhebliche hygienische Mängel aufwies. Außerdem wurde eine Geburtstagsfeier für einen der Kläger nicht wie gewünscht ausgerichtet. Sie forderten eine Reisepreisminderung und eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit.

Das Amtsgericht Düsseldorf gab der Klage teilweise statt. Die Ersatzunterbringung an sich stellte einen Reisemangel dar, der für die betroffenen Tage eine Minderung um 20 % begründete. Der fehlende Meerblick und die hygienischen Mängel begründeten gemeinsam weitere 20 %. Für den Umzug in das gebuchte Hotel erhielten die Kläger 275,09 €. Die Flugverspätung hingegen stellte eine bloße Unannehmlichkeit dar. Die Geburtstagsfeier war vertraglich nicht vereinbart gewesen, sodass auch hierfür kein Schadensersatz gewährt wurde.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) 605,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.11.2015 zu zahlen und die Klägerin zu 2) von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 EUR freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Kläger machen aus einem Pauschalreisevertrag Minderung und Schadensersatz geltend.

6. Unter dem 17.03.2015 wurde klägerseits mit dem Namen der Klägerin zu 2) eine Reise nach Antalya für den Zeitraum vom 11.08.2015 bis zum 22.08.2015 bei der Beklagten gebucht. Reiseteilnehmer waren der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) und ihre minderjährigen Kinder, die Klägerinnen zu 3) und zu 4). Der Reisepreis betrug 3.026,00 EUR. Gebucht wurde das Hotel W. Gebucht war zudem Meeresblick bzw. seitlicher Meeresblick. Bei der Anreise kam es zu einer Flugverspätung von einer Stunde und fünf Minuten. Wegen Überbuchung des vorbenannten Hotels wurden die Kläger an den ersten drei Tagen der Reise in das Hotel W2 untergebracht. Das zugewiesene Zimmer wies keinen Meeresblick auf. Mit Schreiben vom 25.08.2015 verlangten die Kläger zu 1) und zu 2) für sich und ihre Kinder, die Klägerinnen zu 3) und zu 4) Ausgleich für in dem Schreiben ausgeführte Mängel. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das der Klageschrift als Anlage K 12 beigefügte Schreiben verwiesen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 5.10.2015 verlangten die Kläger Schadensersatz in Höhe von 1.250,00 EUR. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das als Anlage K 14 der Klageschrift beigefügte Schreiben verwiesen.

7. Die Kläger behaupten, das zugewiesene Zimmer in dem Hotel W2 habe einen Ameisenbefall (sicherlich mehr als 200 Tiere) aufgewiesen, es sei vor dem Bezug nicht gereinigt  worden, es hätten sich Blutflecken auf dem Teppichboden befunden, das Bad des Zimmers sei ebenfalls nicht gereinigt gewesen, die Handtücher seien teilweise nicht frisch gewesen, es habe sich Bohrstaub und Sand auf dem Boden befunden, und ein Bett sei durch einen großen Fleck von Erbrochenem verunreinigt gewesen und habe einen erheblichen Geruch ausgeströmt. Das zugewiesene Hotel sei gegenüber dem gebuchten Hotel minderwertig gewesen. Die entsprechenden Mängel seien am Folgetag der Anreise bei der Reiseleitung gerügt worden. Weiter behaupten die Kläger, sie hätten anlässlich des Geburtstages des Klägers zu 1) mit der Reiseleitung der Beklagten vereinbart, dass die Kläger an einem festlich gedeckten Tisch bedient würden und einen Kuchen bekommen würden. Tatsächlich sei der Tisch erst um eine Stunde verspätet fertig gewesen. Die Kläger hätten sich am Buffet bedienen müssen und der Kuchen sei verspätet geliefert worden. Trotz der Bitte um Aufbewahrung sei er von Mitarbeitern des Hotels entsorgt worden.

8. Die Kläger beantragen nach ursprünglicher Minderungsklage gemäß Antrag zu 1) durch alle Kläger unter teilweiser Klagerücknahme,

die Beklagte zu verurteilen,

1.

an die Klägerin zu 2) 1.000,00  EUR nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.11.2015 zu zahlen,

2.

an sie eine nach Ermessen des Gerichts billige Entschädigung für die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit, jedoch nicht unter dem Betrag von weiteren 1.000,00 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2015 zu zahlen,

3.

die Kläger von 502,18 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 201,71 EUR seit dem 16.10.2015 und aus 502,18 EUR seit dem 25.01.2016 zu zahlen.

9. Der Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

10. Sie erklärt nach anfänglichem Bestreiten des gesamten Mängelvortrages der Kläger mit Ausnahme der buchungswidrigen Unterbringung und der Mängelrüge der Kläger mit nachgelassenem Schriftsatz vom 7.04.2016, der Klägervortrag zur Mängelrüge bei dem Reiseleiter der Beklagten hinsichtlich der buchungswidrigen Unterbringung und hinsichtlich der Sauberkeit des Zimmers sowie der Klägervortrag zu der Unsauberkeit des in den ersten drei Reisetagen zugewiesenen Zimmers werde nicht mehr bestritten.

11. Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

12. Die Klage ist teilweise begründet.

13. Die Klägerin zu 2) hat in der tenorierten Höhe Minderungsansprüche gegen die Beklagte gemäß § 651 d BGB.

14. Der Pauschalreisevertrag ist mit der Klägerin zu 2) als Reiseanmelderin zustande gekommen.

15. Die Reise war in den ersten drei Tagen mit Reisemängeln gemäß § 651 c Abs. 1 BGB behaftet. Die Kläger sind in einem anderen als dem gebuchten Hotel untergebracht worden. Es fehlte der vereinbarte zumindest seitliche Meeresblick. Das Hotelzimmer war zudem mit erheblichen hygienischen Mängeln behaftet. Ein Bett war mit einer erheblichen Geruchsbelastung verunreinigt. Das Zimmer war vor Bezug nicht gereinigt worden, enthielt Blut- und Staub- und Schmierspuren. Die Handtücher waren zum Teil nicht gereinigt.

16. Die Kläger hatten die vorbenannten Mängel sind bei der Reiseleitung unverzüglich gerügt worden.

17. Das Gericht bemisst die Minderung des Wertes der tatsächlich erbrachten Leistung gegenüber der gebuchten Leistung gemäß §§ 651 d Abs. 1, 638 Abs. 3 BGB auf 40 %. Dabei entfielen 20 % auf den Umstand, dass von der Buchung abgewichen worden ist. Die vertragliche Dispositionsfreiheit ist hoch einzuschätzen. Gerade bei der Buchung von Reiseleistungen wird von Reisenden erkennbar ein hoher Wert auf die individuelle Auswahl der Unterbringung während der Reise gelegt. Unabhängig von der Wertigkeit der alternativen Leistung ist der Verstoß gegen die individuelle Leistungsauswahl mit 20 % Reisepreisminderung angemessen bewertet. Auf den fehlenden zumindest seitlichen Meeresblick entfällt angesichts der hiervon ausgehenden Beeinträchtigung eine angemessene Minderung von 5 %. Die übrigen Hygienemängel waren insbesondere wegen der ekelerregenden visuellen und geruchsmäßigen Beeinträchtigung durch Körperspuren von Vorbewohnern des Zimmers und der Insektenbeeinträchtigung mit weiteren 15 % zu bewerten. Ein höherer Minderungsbetrag kam wegen der übrigen Reiseleistungen, welche sich auch auf die ersten drei Tage erstreckten, wie die An- und Abreise und die Verpflegung, nicht anzuerkennen. Auf eine allgemeine Minderwertigkeit der in den ersten drei Tagen zugewiesenen Hotelanlage können sich die Klägerin nicht berufen. Insoweit fehlt der Vortrag zu weiteren konkreten Mängeln bzw. dem Fehlen von gebuchten Zusatzleistungen und Reiseeigenschaften.

18. Für den Umzugstag war als weitere Reisepreisminderung ein weiterer Tagesreisepreis von 275,09 EUR zu gewähren. Bei einer relativen kurzen Reisedauer wie der vorliegenden und der Reise mit zwei jüngeren Kindern ist durch einen Hotelumzug die Reiseleistung wertmäßig im Verhältnis zur Gesamtreiseleistung in dieser Höhe zusätzlich beeinträchtigt. Die Beeinträchtigungswirkungen, die nicht nur auf den Umzugstag, sondern auch auf die Folgetage ausstrahlen, resultieren aus dem Kofferpacken, dem Erledigen der Formalitäten des Bezuges des neuen Zimmers und dem Einleben in der neuen Hotelumgebung. Gerade für Familien mit kleineren Kindern entstehen hierdurch beträchtliche Belastungen, die den Urlaubsgenuss und die gewünschte Entspannung nicht unbeträchtlich einschränken.

19. Weitere Minderungsansprüche bestanden nicht.

20. Die Anreiseverspätung war als bloße Unannehmlichkeit einzustufen. Nach anerkannter Rechtsprechung gilt dieses für sämtliche Flugverspätungen bis zu vier Stunden. Die Nachtruhebeeinträchtigung der Kläger folgte bereits aus dem gebuchten Reisezuschnitt.

21. Auch hinsichtlich der Beeinträchtigungen der Geburtstagsparty des Klägers zu 1) waren Minderungsansprüche des Klägers nicht anzuerkennen. Die Kläger haben insoweit bereits eine Abweichung von den vereinbarten Reiseleistungen nicht schlüssig vorgetragen. Nach den Gesamtumständen waren die Vereinbarungen zu der Gestaltung der Geburtstagsreise gemäß Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht als Ergänzungsvereinbarung hinsichtlich des Reisezuschnittes der Beklagten einzustufen, sondern allenfalls als Vermittlung einer Fremdleistung des Hotels. In den Buchungsunterlagen findet sich keinerlei Hinweis auf die mögliche Zusatzbuchung von Leistungen der vorliegenden Art vor Ort. Außerdem entspricht sie als verbindliche Reiseleistung, die vor Ort hinzugebucht wird, auch nicht der Üblichkeit. Vielmehr werden solche Leistungen in der Regel als Fremdleistungen direkt mit dem Reiseleiter vereinbart. Zudem ist von einer Vollmacht der Reiseleitung vor Ort für Ergänzungen des  Reisevertrages nicht auszugehen. Ohne eine ausdrückliche Vollmachtserteilung ist von einer Bevollmächtigung entsprechend der Üblichkeit im Geschäftsverkehr auszugehen. Die  Reiseleitung ist entsprechend der Üblichkeit mit der Reiseorganisation und der Abwicklung von Mängelrügen und zur Entgegennahme von Vertragserklärungen bevollmächtigt sowie zudem für Buchungen von im Reisekatalog ausdrücklich vermerkten vor Ort buchbaren Zusatzleistungen. Auf die Vereinbarung einer für den Reiseveranstalter verbindlichen Zusatzleistung, die in den Buchungsunterlagen nicht erwähnt ist, bezieht sich indes die übliche den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs entsprechende Vollmacht nicht.

22. Die Kläger konnten des weiteren auch keinen Schadensersatz gemäß § 651 f Abs. 2 BGB beanspruchen. Es fehlte hierfür an der erforderlichen erheblichen Reisebeeinträchtigung im Sinne dieser Vorschrift. Von einer erheblichen Reisebeeinträchtigung ist nach zutreffender überwiegender Rechtsprechung dann auszugehen, wenn eine Reisepreisminderung von 50 % erreicht ist. Erst dann ist von einer derart großen Beeinträchtigung der Reiseleistung auszugehen, dass von einer nutzlos vertanen Urlaubszeit im Sinne von § 651 f Abs. 2 BGB ausgegangen werden kann. Auch für den Umzugstag in das gebuchte Hotel war eine Entschädigung nicht zu gewähren. Zwar ist für die Umzugsbeeinträchtigungen ein Tagesreisepreis als angemessene Minderung anzusehen. Jedoch ist dieser Minderungsbetrag nur als Rechnungsgröße auf einen Tag bezogen worden. Die Beeinträchtigung bezog sich aber auf den Reisezuschnitt insgesamt, der durch den Umzug im Verlauf der Reise beeinträchtigt wurde. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Minderung verwiesen. Im übrigen ist eine Entschädigung auch nicht bereits für einen einzelnen Reisetag zu gewähren (vgl. LG Frankfurt/M NJW-RR 1986, 1440).

23. Der Zinsanspruch der Klägerin zu 2) folgt aus § 288 BGB.

24. Der Anspruch auf die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten folgt aus §§ 651 f Abs. 1, 280 Abs. 1, 249, 257 BGB. Gerechtfertigt war nur eine 1,3-Gebühr auf die berechtigte Minderungsforderung. Zinsansprüche scheiden bei einer Freistellungsverpflichtung aus, da sich § 288 BGB nur auf Geldansprüche bezieht.

25. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 708 Nr. 11, 711 ZPO.

26. Streitwert: 2.000,00 EUR

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