Fehlen eines Tauchlehrgangs ist ein Reisemangel

LG Frankfurt: Fehlen eines Tauchlehrgangs ist ein Reisemangel

Die Klägerin hatte für sich und ihren Ehemann eine Reise auf die Malediven gebucht. Während des gesamten Zeitraums gab es Lärmbelästigung durch Bauarbeiten. Dafür konnten die Reisenden eine Reisepreisminderung um 60% verlangen.

LG Frankfurt 2-24 O 51/15 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 07.05.2016
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 07.05.2016, Az: 2-24 O 51/15
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 7. April 2016

Aktenzeichen 2-24 O 51/15

Leitsatz:

2. Andauernde Lärmbelästigung durch Bauarbeiten im Nachbarbungalow sind ein erheblicher Reisemangel.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten als Reiseveranstalterin eine Reise für sich und ihren Ehemann auf die Malediven für den Zeitraum vom 14. bis 28. September 2019 mitsamt einem Tauchpaket gebucht.  Der Nebenbungalow wurde zu dieser Zeit saniert, sodass es aufgrund der Lautstärke nicht möglich war, sich tagsüber im Bungalow aufzuhalten. Aufgrund weiterer Bauarbeiten auf der Insel bestand die Lärmbelästigung auch nach dem Umzug in einen anderen Bungalow fort. Außerdem war die Tauchbasis gesperrt, sodass das gebuchte Tauchpaket nicht wahrgenommen werden konnte. Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Reisepreisminderung.

Das Landgericht Frankfurt gab der Klägerin weitgehend recht. Die anhaltende Lärmbelästigung durch Bauarbeiten, der auch durch den Umzug in einen anderen Bungalow nicht abgeholfen worden war, stellte einen erheblichen Reisemangel dar. Außerdem war das Tauchpaket ein vertraglicher Bestandteil der Reiseleistung, der ersatzlos entfallen war. Somit war eine Reisepreisminderung um 60% möglich.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.451,72 € nebst Zinsen aus 2.740,92 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.11.2014 und nebst Zinsen aus 2.710,80 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 23 % und die Beklagte 77 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages; für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin buchte für sich und ihren Ehemann, den Zeugen …, im Reisebüro … (nachfolgend: „…“) eine Reise auf die Malediven, wobei die Klägerin und der Zeuge … vom nach der Anreise am 13.9.2014 vom 14.9.2014 bis zum 28.9.2014 (15 Nächte) auf dem Nord Male Atoll, Hotel: … (nachfolgend: „Ressort“) untergebracht sein sollten.

6. In diesem Kontext buchte die Klägerin ein Tauchpaket bei den „…“ vom 28.9.2014 bis zum 5.10.2014. Wegen der Rechnung der … wird auf deren Ablichtung in der Akte verwiesen (Anlage K8, Bl. 41 ff. d.A.).

7. Die Einzelheiten des Buchungsablaufs sind zwischen den Parteien streitig.

8. Eine Reisebestätigung der Beklagten weist für den Zeitraum vom 13.9.2014 bis zum 5.10.2015 den Preis von 4.518,00 € aus. Wegen der Reisebestätigung, die die Reise zeitlich in die Abschnitte 13./14.9.2014 bis 28.9.2014 und 28.9.2014 bis 5.10.2014 unterteilt, wird auf die Ablichtungen in der Akte verwiesen (Anlage K2, Bl. 18 d.A., Anlage K21, Bl. 123 d.A.). Die Beklagte stellte einen Sicherungsschein über die Reise aus (Anlage K2, Bl. 22 d.A.). Wegen der Katalogbeschreibungen des Ressorts wird auf die Ablichtung des Auszugs aus dem Katalog der Beklagten hinsichtlich der Reise in der Akte verwiesen (Anlage K3, Bl. 23 d.A.).

9. Die Klägerin entrichteten Reisepreis. Hinsichtlich der Einzelheiten der Rechnungsstellung herrscht Streit.

10. Die Insel, auf der sich das Ressort befindet, hat eine Größe von ca. 300 x 180 m. Wegen der Örtlichkeiten wird auf den Lageplan der Insel verwiesen, dessen Ablichtung in der Akte vorhanden ist (Anlage K17, Bl. 76 d.A.).

11. Die Klägerin und der Zeuge … wurden nach ihrer Anreise am 14.9.2014 im Bungalow Nr. 132 untergebracht. Die Klägerin und der Zeuge … versuchten am Tag der Anreise zur Erholung von dem Flug zu schlafen, allerdings ohne Erfolg.

12. Der Neben-​Bungalow mit der Nr. 129 wurde über den Zeitraum der Anwesenheit der Klägerin und des Zeugen … entkernt, wobei anfangs 10 Arbeiter eingesetzt waren. Dabei wurden Möbel herausgerissen, zerschlagen, Fliesen herausgeklopft und Fußböden mit hoher Gewalt herausgerissen.

13. Die Klägerin, der Zeuge … und die Zeugen … suchten die Reiseleitung der Beklagten, die Zeugin … auf, um sich zu beschweren. In dem Ressort trafen … sie auf den Hotelmanager. Die Zeugin … erlitt in diesem zeitlichen Zusammenhang körperliche Symptome, die sie auf einen vorausgegangenen Schlaganfall zurückführte. Noch am Anreisetag telefonierte die Klägerin mit der Reiseleiterin der Beklagten, der Zeugin …. Hinsichtlich der Beschwerde der Klägerin gegenüber der Zeugin … wurde eine Gesprächsnotiz gefertigt. Auf dieser Gesprächsnotiz fügte die Klägerin handschriftlich hinzu, dass ein Inselwechsel wegen des Tauchpakets nicht angeboten worden sei. Wegen der von der Klägerin vorgelegten Gesprächsnotiz vom 14.9.2014 wird auf deren Ablichtung in der Akte verwiesen (Anlage K7, Bl. 39 d.A.).

14. Der Hotelmanager versuchte sich, auf die Beschwerden der Klägerin und der Zeugen hin, zu entlasten und teilte der Klägerin und den Zeugen mit, er habe die Beklagte im Juli 2014 schriftlich über die Bauarbeiten informiert. Dies bestätigte der Hotelmanager der Klägerin am 22.12.2014 nochmals per E-​Mail. Hinsichtlich der Einzelheiten der E-​Mail wird auf deren Ablichtung nebst Übersetzung in der Akte verwiesen (Anlage K25, Bl. 149 f. d.A.).

15. Am zweiten Tag der Reise wurden die Klägerin und der Zeuge … auf Veranlassung des Hotelmanagers im Bungalow Nr. 208 untergebracht, was dieser als einzige Möglichkeit der Abhilfe darstellte.

16. Auf der Insel fanden zum Zeitpunkt der Reise der Klägerin Bauarbeiten statt, wobei der Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Der Strandabschnitt zwischen der Anlegestelle und der Tauchbasis war gesperrt, sodass die Klägerin und der Zeuge … mit ihrer Tauchausrüstung nicht den direkten Weg gehen konnten. Dort befand sich in 2-​stöckiges Gebäude im Rohbau.

17. Der Pool war 8 Tage von Bauarbeiten betroffen und gesperrt. Dort wurden primär folgende Arbeiten durchgeführt.

18. Mit Schreiben vom 9.10.2014 wandten sich die Klägerin und der Zeuge … an die Beklagte und machten 70 % des Reisepreises geltend. Wegen der Einzelheiten des Schreibens der Klägerin wird auf dessen Ablichtung in der Akte verwiesen (Anlage K18, Bl. 77 ff. d.A.). Die Beklagte wandte sich unter dem 16.12.2014 an die Klägerin und bot im Wege der Kulanz eine Kompensation von 225,00 € an und wies die Ansprüche der Klägerin im Übrigen zurück. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf dessen Ablichtung in der Akte verwiesen (Anlage K20, Bl. 83 f. d.A.).

19. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 7.004,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.10.2014 zu zahlen.

20. Die Beklagte beantragt,

21. die Klage abzuweisen.

22. Die Beklagte wendet ein, sie sei nicht passivlegitimiert. Wegen der Einzelheiten des dahingehenden Vortrags der Beklagten wird auf deren Schriftsätze vom 25.8.2015 (Bl. 105 d.A.) und vom 3.12.2015 (Bl. 128 d.A.) verwiesen.

23. Die Beklagte behauptet, die Reiseleitung habe einen Tag nach der Ankunft einen Umzug auf die Insel Embudu Village angeboten. Die Klägerin habe Vorort eine Ersatzleistung von 633,60 USD, umgerechnet 488,68 €, erhalten und akzeptiert. Die Bauarbeiten seien nicht über den Reisezeitraum zeitgleich durchgeführt worden. Es sei nicht überall Geröll und Dreck vorhanden gewesen. Relevante Arbeiten seien an dem Bungalow Nr. 208 nicht zu hören gewesen. Cocktailabende seien nicht zugesichert gewesen, ebensowenig ein bestimmter Strandabschnitt.

24. Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei lediglich Leistungsträger; Veranstalter der Reise sei die … . Die Klägerin habe das ihr angebotene Ersatzangebot (Insel Embudu Village) annehmen müssen. Die Klägerin habe etwaige nach dem Umzug in den anderen Bungalow vorhandenen Mängel erneut rügen müssen.

25. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2015 die Klägerin informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen (Bl. 130 ff. d.A.).

26. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen; hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin zu den Mängeln insbesondere auf deren Schriftsätze vom 4.3.2015 nebst dessen Anlagen K5, K6 und K10-​K16 (Bl. 1-​16, 29-​36 und 47-​75 d.A.).

Entscheidungsgründe:

27. Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Klägerin steht mit Blick auf den Reisepreis von 4.518,00 € aufgrund einer Reisepreisminderung um insgesamt 60 % ein Anspruch auf Zahlung von 2.710,80 € zuzüglich 30,12 € für den Umzug in den Bungalow Nr. 208 zu (§§ 651c Abs. 1; 651 d Abs. 1 BGB). Von der insgesamt 60 %-​igen Reisepreisminderung entfällt mit Blick auf die Umstände im Zusammenhang mit der Baustelle eine Reisepreisminderung von 50 %. Auf die Informationspflichtverletzung durch die Beklagte entfallen 10 % (der insgesamt 60 %). Hinzu kommt eine Minderung von 10 % aus dem Tagespreis von 301,20 € für den Umzug in den Bungalow Nr. 208. Die Klägerin kann ferner eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden in Höhe von insgesamt 2.710,80 € (je 1.355,40 € aus eigenem und aus abgetretenem Recht) verlangen (§ 651f Abs. 2 BGB).

28. Die Beklagte ist vorliegend als Veranstalterin der vom Kläger gebuchten Reise anzusehen. Maßgeblich ist hier, dass die Beklagte die Verantwortung für die Reise übernommen hat. Die Klägerin hat die aus zwei Teilen bestehende Reise nach deren unwidersprochenem Vortrag in einem Reisebüro gebucht und insofern eine Reisebestätigung der Beklagten sowie einen Sicherungsschein vorgelegt. Typischerweise übernimmt ein Reisebüro (lediglich) die Tätigkeit eines Vermittlers von Reiseleistungen und nicht die Verantwortung für deren ordnungsgemäße Durchführung. Gleichwohl kann ein Reisebüro auch als Reiseveranstalter auftreten, etwa wenn es diverse Einzelleistungen im Voraus bündelt, die Leistungserbringer nicht benennt und insbesondere dem Kunden nur einen Gesamtpreis nennt. Auch folgt weder aus dem Wortlaut des § 651a BGB noch aus einer unionsrechtskonformen Auslegung im Hinblick auf die Richtlinie über Pauschalreisen, zu deren Umsetzung § 651a BGB dient eine zwingende Auslegungsregel dahingehend, dass ein Reisebüro bei einer Bündelung von Reiseleistungen selbst Reiseveranstalter wird oder lediglich Elemente einer Reise vermittelt. Art. 2 der genannten Richtlinie definiert eine Pauschalreise als eine im Voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei näher spezifizierten Reiseleistungen. Ein Reiseveranstalter ist danach gemäß Art. 2 Nr. 2 eine Person, die Pauschalreisen organisiert und sie direkt oder über einen Vermittler verkauft oder zum Verkauf anbietet. Ein Vermittler wird durch Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie als die Person bestimmt, die eine vom Veranstalter zusammengestellte Pauschalreise verkauft oder zum Verkauf anbietet. Es hängt dabei nach der Rechtsprechung des BGH vom konkreten Einzelfall ab, ob eine Reisebüro als Reiseveranstalter oder lediglich als Vermittler von Reiseleistungen anzusehen ist. Es ist dabei nicht entscheidend, wie das (Innen)-​Verhältnis zwischen dem Reisebüro und der Beklagten zum Zeitpunkt der Buchung seitens der Klägerin ausgestaltet war.

29. Die Frage, welche Art von Tätigkeit des Reisebüros vorliegt, hängt vom Inhalt und den weiteren Umständen der konkreten Vertragsverhandlungen ab. Hierbei ist entscheidend darauf abzustellen, wie das Reiseunternehmen aus der Sicht des Reisenden auftritt. Reiseveranstalter und damit Vertragspartner des Reisevertrags ist derjenige, der aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Reisekunden als Vertragspartei Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringt.

30. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zu Art. 2 der genannten Richtlinie erkannt, dass der Begriff der Pauschalreise auch solche Reisen einschließt, die von einem Reisebüro auf Wunsch und nach den Vorgaben des Verbrauchers organisiert werden, und eine „im Voraus festgelegte Verbindung“ auch dann vorliegt, wenn die Verbindung von touristischen Dienstleistungen in dem Zeitpunkt vorgenommen wurde, in dem der Vertrag zwischen dem Reisebüro und dem Verbraucher geschlossen wurde. Dabei bleibt die Erklärung, nur Verträge mit den Personen zu vermitteln, welche die einzelnen Reiseleistungen ausführen sollen, nach § 651a Abs. 2 BGB unberücksichtigt, wenn nach den sonstigen Umständen der Anschein begründet wird, dass der Erklärende vertraglich vorgesehene Reiseleistungen in eigener Verantwortung erbringt.

31. Diesen Anschein hat das Reisebüro aber nicht begründet. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Reisekunden sollte die Beklagte Vertragspartei werden. Dafür spricht der von der Klägerin dargestellte Ablauf des Vertragsschlusses, dem die Beklagte, anders als den Rechnungsmodalitäten, nicht (hinreichend) entgegengetreten ist. Das bloße Bestreiten des Buchungsablaufs (Bl. 128 d.A.) vermochte insofern nicht auszureichen. Des Weiteren spricht die Reisebestätigung der Beklagten für deren Rolle als Veranstalter (vgl. Reisebestätigung vom 6.11.2013, Anlage K21, Bl. 123 d.A.). Die Reisebestätigung, die einen Preis für den Gesamtzeitraum vom 13.9.2014 bis zum 5.10.2014 ausweist, weist die Beklagte als Veranstalter aus. Schließlich sprechen der in der Reisebestätigung erwähnte und dieser beigefügte Sicherungsschein der Beklagten deutlich für die Beklagte als Veranstalterin der Reise. Auch folgt aus der „Leerwoche“ vom 28.9.2014 bis zum 5.10.2014 nicht, dass die Beklagte nicht Veranstalterin der Reise war.

32. In dem betreffenden Feld der Reisebestätigung vom 6.11.2013 (Anlage K21, Bl. 123 d.A.) findet sich die Formulierung „Individualpr. ohne Transfer“ und später „Grundpreis je Aufenthalt 25,00 EUR“ (vgl. Anlage K21, Bl. 123 d.A.), woraus mit Blick auf die Zahlung bereits folgt, dass der Zeitraum vom Parteiwillen mit Blick auf den Leistungsumfang der Beklagten erfasst sein sollte. Wenngleich in diesem Zeitraum weder Transfer, noch Verpflegung geschuldet sein sollten, schloss sich der Rückflug zeitlich an die „Leerwoche“ an. Weil vorliegend keine Ansprüche im Zeitraum der „Leerwoche“ geltend gemacht werden, kommt es auf die Frage nach einer dahingehenden Einstandspflicht der Beklagten nicht an. Weil beide vorliegenden Reisebestätigungen der Beklagten (diejenige vom 6.11.2013, Bl. 123 d.A. und diejenige vom 12.1.2015, Bl. 28 d.A.) den Gesamtzeitraum beinhalten und zugleich eine Rechnung darstellen, durfte ein Durchschnittsreisender auf Grundlage jeder der beiden Bestätigungen davon ausgehen, dass die Beklagte Reiseveranstalter sei.

33. Dass die Klägerin sich an das Reisebüro wandte, um eine Rechnung zu erhalten und daraufhin die Reisebestätigung erhielt, vermag nicht die Vermittlerrolle des Reisebüros in Zweifel zu ziehen. Vielmehr folgt aus der Reisebestätigung/Rechnung des Reisebüros, dass drei Leistungen existieren, zum einen diejenige, hinsichtlich derer die Beklagte ihre Reisebestätigung(en) erstellt hat (Leistung 1/3), zum anderen die Leistung „Tauchsafari“ (Leistung 2/3) und schließlich die Leistung „Tauchgepäck“ (Leistung 3/3). Insofern weist die Reisebestätigung/Rechnung des Reisebüros drei Einzelpreise aus. Aus Sicht eines Durchschnittsreisenden war unter Berücksichtigung der Reisebestätigung der Beklagten mit Blick auf die Verantwortungssphären der Beteiligten ersichtlich, wer hinsichtlich welcher der Leistungen als Veranstalter auftreten sollte. Dass das Reisebüro die Leistungen der Klägerin insgesamt in Rechnung stellte, ist insofern mit Blick auf die betragsmäßige Trennung der Leistungen nicht abträglich. Maßgeblich ist, dass die Rolle des Reisebüros in Bezug auf die Entgegennahme der Zahlung(en) mit Blick auf die Leistungsbestandteile zweifelsfrei ermittelt werden konnte. Aus den vorliegenden Reisebestätigungen folgt insofern, dass das Reisebüro neben der Tauchsafari eine Leistung vermittelte, die von der Beklagten veranstaltet wurde. Wenngleich das Reisebüro die Leistung (ebenfalls) in Rechnung stellte, folgt daraus lediglich, dass das Reisebüro insofern nach außen hin als Zahlstelle der Beklagten auftrat.

34. Der Reisepreis war für einen Zeitraum von 15 Nächten durchgehend in Höhe von 60 % gemindert. Die Reise der Klägerin war mangelhaft. Eine Reise ist mangelhaft im Sinne von § 651c Abs. 1 BGB, wenn sie nicht die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Vorrangig ist auf das Abweichen der Ist- von der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit abzustellen. Dort, wo konkrete Vereinbarungen über den Inhalt des Reisevertrages nicht getroffen worden sind, ist die normale, objektive Beschaffenheit der Reiseleistung maßgeblich. Es ist dann auf objektive Durchschnittsanforderungen beziehungsweise auf die Erwartung des Durchschnittsreisenden abzustellen. Weicht eine Reise insofern nachteilig zu Lasten des Reisenden ab, ist der Reisepreis gemäß § 651 d Abs. 1; 638 Abs. 3 BGB in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Reise in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Soweit dies erforderlich ist, ist er durch eine Schätzung zu ermitteln (§ 287 ZPO).

35. Von Belang mit Blick auf die Höhe der Minderung ist einerseits, dass es sich um eine Insel handelte, was zunächst die Möglichkeiten, der Baustelle und den damit verbundenen Beeinträchtigungen auszuweichen per se einschränkt, andererseits, dass die Insel nur eine geringe Größe aufwies. Dies ist mit Blick auf die Beurteilung der Minderung auch insofern von Belang, als die Kombination der Inselgröße im Zusammenhang mit den tatsächlichen Beschreibungen Seitens der Klägerin bereits aufdrängt, dass die Bauarbeiten von hoher Intensität waren. Die Klägerin hat insofern substantiiert dargelegt, dass die Bauarbeiten ganztägig stattfanden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Bauarbeiten maßgeblichen Einfluss auf die Nutzbarkeit der Einrichtungen der Insel hatten. So konnten nach dem substantiierten Vorbringen der Klägerin weder ein Disco- / Folkloreabend stattfinden, der ausweislich der Katalogbeschreibung der Beklagten geschuldet war, noch das Sportfeld genutzt werden. Hinsichtlich des Sportfelds verkennt das Gericht indes nicht, dass ein Volleyballnetz am Strand gespannt war und insofern die Möglichkeit des Volleyballspielens objektiv bestand – unabhängig einer katalogmäßig nicht geschuldeten dahingehenden Animation. Gleichwohl gingen von dem Sportfeld mit Blick auf die dortigen Aktivitäten Beeinträchtigungen für die Reisenden aus. Ferner waren der Pool und die einzige Süßwasserdusche im Zeitraum von 8 Tagen unnutzbar – also über etwa die Hälfte des Aufenthalts. Schließlich war der Strand zwischen der Anlegestelle und der Tauchbasis gesperrt, was dazu führte, dass die Klägerin und der Zeuge … mit der Tauchausrüstung einen Umweg gehen mussten. Was die Bauarbeiten am Pool anging, geht das Gericht mit Blick auf den insofern nicht konsistenten Vortrag der Klägerin (Klageschrift, S. 9, Bl. 9 d.A.: 8 Tage und Schriftsatz vom 15.10.2015, S. 6, Bl. 120 d.A.: 10 Tage) maßgeblich von demjenigen Vortrag aus der Klageschrift aus, hinsichtlich dessen die Anlage K18 (Bl. 77 d.A.) den Klägervortrag substantiiert und worin die Klägerin Maßnahmen am Pool der Zeit nach auf „genau 8 Tage“ bezeichnet (Bl. 78 d.A.). Es ist minderungsrelevant zu berücksichtigen, dass die Klägerin substantiiert dargelegt hat, dass die Geräuschkulisse sich vor den Einrichtungen „Speiserestaurant“, „Poolbar“ und „SPA-​Center“ befand. Dies ist mit Blick auf die Minderungsquote insofern von Belang, als es sich bei den genannten Einrichtungen nicht um solche untergeordneter Art handelt.

36. Dementsprechend geht das Gericht mit Blick auf die Baustellensituation unter wertenden Gesichtspunkten von einer Minderung in Höhe von 50 % des Reisepreises aus.

37. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 S. 1 Var. 2 ZPO.

38. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11; 709; 711 ZPO.

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