Beweislast bei Reisegepäckentwendung

OLG Köln: Beweislast bei Reisegepäckentwendung

Vorliegend befand sich die Klägerin während ihres Erholungsaufenthalts in Mailand und schloss für diesen Zeitraum, bei der Beklagten, eine Reisegepäckversicherung ab. Sie behauptet nun, dass ihr Reisegepäck, aus dem verschlossenen Kofferraum ihres Fahrzeugs, entwendet wurde. Sie verlangt hierfür von der Beklagten eine Entschädigungsleistung.

Das OLG Köln sprach ihr einen Anspruch auf Entschädigungsleistung nicht zu, da sie nicht hinreichend beweisen konnte, dass ihr Gepäck tatsächlich entwendet wurde.

OLG Köln 9 U 172/98 (Aktenzeichen)
OLG Köln: OLG Köln, Urt. vom 09.05.2000
Rechtsweg: OLG Köln, Urt. v. 09.05.2000, Az: 9 U 172/98
LG Köln, Urt. v. 15.10.1999, Az: 24 O 216/98
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

OLG Köln

1. Urteil vom 09. Mai 2000

Aktenzeichen 9 U 172/98

Leitsatz:

2. Der Versicherungsnehmer muss, bei Diebstahlversicherungen, einen Sachverhalt darlegen und beweisen, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die versicherte Entwendung zulässt.

Zuammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall befand sich die Klägerin in Mailand, als ihr, wie sie behauptet, ihr Reisegepäck aus dem verschlossenen Kofferraum ihres Fahrzeugs, entwendet wurde. Für ihren Aufenthalt in Mailand schloss sie eine Reisegepäckversicherung, bei der Beklagten, ab. Sie verlangt für ihr entwendetes Gepäck eine Entschädigungsleistung von der Versicherung.

Da es dem Versicherungsnehmer, gerade in Fällen des Diebstahls, schwerfallen wird, den Vollbeweis für den Eintritt des Versicherungsfalles zu führen, gewährt die Rechtsprechung dem Versicherungsnehmer in der Diebstahlversicherung deshalb Beweiserleichterungen. Der Versicherungsnehmer muss lediglich einen Sachverhalt darlegen und beweisen, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die versicherte Entwendung zulässt.

Die Angaben der Klägerin zu dem Vorfall und die des Zeugen waren jedoch sehr widersprüchlich und wirkten abgesprochen, sodass das OLG Köln den Beweis für den Versicherungsfall, als nicht erbracht ansah. Der Klägerin steht folglich kein Entschädigungsanspruch zu.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Oktober 1998 verkündete Urteil des LGs Köln – 24 O 216/98 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. – Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO

Entscheidungsgründe:

6. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Entschädigungsleistung aus der Reisegepäckversicherung wegen der – behaupteten – Entwendung ihres Reisegepäcks aus dem verschlossenen Kofferraum ihres Fahrzeugs am 18.06.1997 in Mailand gemäß §§ 1 Abs. 1 S. 1, 49 VVG, 2 Nr. 1, Nr. 2 a AVBR 92. Die Klägerin hat eine versicherte Entwendung des Reisegepäcks nicht zu beweisen vermocht.

7. Zeugen, die die Entwendung des Reisegepäcks selbst wahrgenommen haben, stehen der Klägerin nicht zur Verfügung.

8. In der Diebstahlversicherung – auch im Rahmen der Reisegepäckversicherung – wird der Versicherungsnehmer den Vollbeweis für den Eintritt des Versicherungsfalles in den allerwenigsten Fällen führen können. Die Rechtsprechung gewährt dem Versicherungsnehmer in der Diebstahlversicherung deshalb Beweiserleichterungen. Der Versicherungsnehmer muss lediglich einen Sachverhalt darlegen und beweisen, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die versicherte Entwendung zulässt (BGH VersR 1984, 29).

9. Verlangt wird nicht der Vollbeweis, sondern nur der Nachweis des äußeren Bildes einer versicherten Entwendung. Zum äußeren Bild eines Einbruchdiebstahls gehört das Vorhandensein von Einbruchspuren (BGH VersR 1996, 186) sowie das ursprüngliche Vorhandensein und spätere Nichtwiederauffinden der als gestohlen gemeldeten Sachen. Für diesen Mindestsachverhalt muss der Versicherungsnehmer allerdings den Vollbeweis erbringen.

10. Die Klägerin hat das sogenannte äußere Bild eines Einbruchdiebstahls in den Kofferraum ihres Fahrzeugs im Rahmen der Reisegepäckversicherung vorliegend nicht bewiesen.

11. Der Zeuge D. hat zwar bestätigt, dass die Klägerin und er das Fahrzeug der Klägerin, in dessen verschlossenem Kofferraum sich das in Rede stehende Reisegepäck der Klägerin befunden habe, am 18. Juni 1997 in der Nähe der Porta Ticinese in Mailand abgestellt und sie nach ihrer Rückkehr zum Fahrzeug festgestellt hätten, dass der Kofferraum aufgebrochen gewesen sei und das Gepäck gefehlt habe. Der Senat vermag der Bekundung des Zeugen D. nicht zu folgen, da er diese für nicht glaubhaft hält.

12. Gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen D. spricht der Umstand, dass seine Angaben zu dem geplanten Ablauf der Reise mit der Klägerin sehr vage waren, während seine Aussagen zu dem Aufenthalt in Mailand auffällig präzise waren und exakt den Angaben der Klägerin entsprachen.

13. Unsicher wurde der Zeuge D. bereits, als ihm die Frage gestellt wurde, wie der Reiseplan der Klägerin bei der fraglichen Reise ausgehen haben. Er hat schließlich ausgesagt, die Klägerin habe etwa drei bis vier Tage in Frankreich verbracht, bevor man gemeinsam nach Mailand gefahren sei. Auf Vorhalt, dass der nach Aussage des Zeugen D. beabsichtigte Ferienaufenthalt der Klägerin von etwa einer Woche kaum das umfängliche als gestohlen gemeldete Gepäck erfordert hätte, hat der Zeuge D. seine ursprüngliche Aussage geändert und bekundet, die Klägerin sei vor der Fahrt nach Mailand schon mindestens eine Woche in Frankreich gewesen, weil sie dort eine Thalassotherapie mitzumachen gepflegt habe. Es bedurfte mehrerer Nachfragen und der Zeuge D. wirkte deutlich verunsichert, als er gefragt wurde, welcher Ablauf der gemeinsamen Reise geplant gewesen sei. Schließlich hat er ausgesagt, geplant sei gewesen, von Vence aus über Mailand zum Gardasee zu fahren und dort eine Nacht zu bleiben, von dort aus nach München zu fahren, wo man sich habe trennen wollen. Der Zeuge hat betont, dass er mit der Klägerin nicht so nah befreundet gewesen sei, dass er sie genau nach der Zeit gefragt habe, die sie allein verbracht habe. Angesichts dieser Angabe, blieb jedoch der Sinn und Zweck der gemeinsamen Reise nach der Aussage des Zeugen D. im Dunkeln.

14. Im Gegensatz zu den vagen und unsicheren Angaben des Zeugen D. zu dem geplanten Reiseablauf stehen seine präzisen Angaben zum Ablauf des Aufenthalts in Mailand. Obwohl der Zeuge D. die Stadt Mailand nicht näher kannte, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass die Klägerin ihm nach ihren Angaben die Altstadt zeigen wollte, wusste er sich nach Ablauf von zweieinhalb Jahren noch an den Namen der – ihm ursprünglich nicht näher bekannten – Straße zu erinnern, in der sich viele Boutiquen befanden, in denen die Klägerin ein bestimmtes Paar Schuhe erwerben wollte. Er vermochte den Namen Porta Ticinese zu erinnern, in deren Nähe der Wagen der Klägerin geparkt war, als er angeblich aufgebrochen und das Gepäck entwendet wurde. Zuletzt wusste der Zeuge D. sogar den Namen des Restaurants – annähernd – zu erinnern, in dem er mit der Klägerin zu Mittag hatte essen wollen, das jedoch geschlossen war. Die diesbezüglichen Angaben des Zeugen D. sind deutlich präziser als sie der Erinnerung an einen länger zurückliegenden Aufenthalt in einer nicht näher bekannten Stadt entsprochen hätten; zudem entsprechen sie nahezu wörtlich dem Sachvortrag der Klägerin in dem vorliegenden Verfahren. Der Senat hält den in Rede stehenden, für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Teil der Aussage des Zeugen D.s für abgesprochen mit der Klägerin.

15. Widersprüche zwischen Angaben des Zeugen D. und Angaben der Klägerin zu den Umständen der Reise kommen hinzu. Während der Zeuge D. keinen Anlass oder Grund für die gemeinsam beabsichtigte Reise über Mailand, den Gardasee nach München genannt hat, hat die Klägerin in ihrer Anhörung angegeben, sie habe im Juni 1997 die in Südfrankreich begonnene Thalassotherapie zur Verbesserung ihres Zustandes bei einer bestehenden Krebserkrankung nach drei Tagen abgebrochen, weil es ihr nicht gut gegangen sei. Der Zeuge D. habe nach München gewollt, sie hätten beschlossen gemeinsam zu fahren, sie habe in ihrem angegriffenen Zustand nicht selbst fahren müssen. Sie habe dann den Vorschlag gemacht, noch Freunde am Gardasee zu besuchen. Den prägnanten Umstand, dass es zu der gemeinsamen Fahrt nach München nur kam, weil es der Klägerin aufgrund ihrer Krebserkrankung gesundheitlich nicht gut ging und sie froh war, in der Person des Zeugen D. einen Fahrer gefunden zu haben, mit dessen Hilfe es ihr gelang, jedenfalls nach München zurückzukehren, ohne selbst fahren zu müssen, hat der Zeuge D. im Gegensatz zu der Klägerin nicht erwähnt.

16. Ungereimtheiten und Widersprüche zwischen den Angaben der Klägerin zu der Herkunft markanter als gestohlen gemeldeter Gegenstände sowie entsprechender Preisbestätigungen und denjenigen des Zeugen D. zu diesen Umständen liegen zudem vor.

17. Bezüglich der als gestohlen gemeldeten Jacke Hermès hatte die Klägerin ursprünglich angegebenen, sie habe diese unter Ausnutzung eines ihrer Freundin eingeräumten Rabattes in München gekauft, der Zeuge D. habe ihr den Kaufpreis erstattet, weil er ihr die Jacke habe schenken wollen. Bei ihrer Anhörung hat sie ihre Angabe, der Zeuge D. habe ihr die Jacke – wie ausgeführt – geschenkt, nicht wiederholt. Der Zeuge D. hat hierzu befragt ausgesagt, er erinnere sich nicht, mit dieser Jacke irgendetwas zu tun zu haben, insbesondere nicht, der Klägerin den Preis hierfür erstattet zu haben.

18. Wenig nachvollziehbar ist der Umstand geblieben, dass für die als gestohlen gemeldete Handtasche Hermès, Modell Kelly, eine Rechnung an die Versicherungsgesellschaft, adressiert an die Klägerin, mit Datum vom 27. Mai 1997 vorgelegt wurde. Nach übereinstimmenden Angaben des Zeugen D. und der Klägerin hatte der Zeuge D. die Handtasche im Jahr 1996 gekauft und der Klägerin geschenkt, ohne sich hierfür eine Rechnung geben zu lassen. Aus welchem Anlass im Mai 1997 eine Rechnung für die Versicherung angefordert wurde, haben weder der Zeuge D. noch die Klägerin nachvollziehbar erklärt. Dass die Klägerin die Handtasche im Jahr 1996 als Geschenk – ohne Rechnung – entgegen genommen haben will, sie aber im Hinblick auf Reisegepäckschäden Ende 1994 und im Mai 1995 im Jahr 1997 den Zeugen D. gebeten haben will, zur Vollständigkeit ihrer Unterlagen eine Rechnung für die Versicherung anzufordern, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Der Zeuge D. hat zudem nicht einmal zu bekunden gewusst, ob die Rechnung für die Versicherung vor oder nach dem vorliegend in Rede stehenden Schadensereignis angefordert worden sei.

19. Die Behauptung der Klägerin, der Zeuge D. habe ihr einen Kulturbeutel – Poche Toilette – der Firma Louis Vuitton geschenkt – zu dieser verhält sich eine Preisbestätigung vom 20. Februar 1997 – hat der Zeuge D. nicht bestätigt.

20. Insgesamt hält der Senat die Aussage des Zeugen D. aus den vorstehend aufgeführten Gründen für nicht glaubhaft.

21. Die Klägerin hat das äußere Bild der Reisegepäckentwendung auch nicht durch ihre eigenen Angaben bei der Anhörung (§ 141 ZPO) durch den Senat bewiesen. Der Senat hat ernsthafte Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit der Klägerin und an der Richtigkeit ihrer Sachverhaltsschilderung.

22. Kann der Versicherungsnehmer den Nachweis des äußeren Bildes einer versicherten Entwendung nicht durch Zeugen erbringen, kann der Nachweis unter Umständen auch mit seinen Angaben erbracht werden, wenn ihm denn geglaubt werden kann. Der Nachweis des äußeren Bildes einer versicherten Entwendung durch die eigenen Angaben setzt einen uneingeschränkt glaubwürdigen Versicherungsnehmer voraus. Daran fehlt es und eine Anhörung nach § 141 ZPO scheidet aus, wenn Tatsachen feststehen, die ernsthafte Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers und an der Richtigkeit seiner Sachverhaltsschilderung aufkommen lassen.

23. Der Senat hält bereits die Angaben der Klägerin zum Grund der gemeinsamen Reise mit dem Zeugen D. für nicht glaubhaft. Die Klägerin will – wie ausgeführt – zur Verbesserung ihres Gesundheitszustandes bei Vorliegen einer Krebserkrankung in Südfrankreich eine Thalassotherapie begonnen und nach drei Tagen abgebrochen haben, weil es ihr gesundheitlich nicht gut gegangen sei. Dazu in Widerspruch steht der Umstand, dass sie trotz schlechten Befindens und bei Hitze die Strapaze auf sich genommen haben will, in Mailand einen Einkaufsbummel und eine Stadtbesichtigung mit dem Zeugen D. zu unternehmen.

24. Hinzu kommen die bereits aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten zwischen den Angaben des Zeugen D. und den Angaben der Klägerin zu der Herkunft markanter als gestohlen gemeldeter Gegenstände sowie der entsprechenden Preisbestätigungen.

25. Nach alldem vermag der Senat den Angaben der Klägerin nicht zu folgen.

26. Da die Klägerin den Beweis des sogenannten äußeren Bildes des Versicherungsfalles führen muss (vgl. Prölss-Martin/Kollhosser, VVG, 26. Auflage, § 49 Rnr. 27 ff.) wirkt sich der fehlende Nachweis zu ihren Lasten aus.

27. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

28. Streitwert zweiter Instanz und Wert der Beschwer der Klägerin: 28.840,00 DM

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