Nichtangabe von Vorschäden

OLG Hamm: Nichtangabe von Vorschäden

Eine Reisende wurde im Rahmen ihres Urlaubs Opfer eines Raubüberfalls. Weil sie bei der Schadensanzeige gegenüber ihrer Versicherung einige Vorfragen nicht wahrheitsgemäß beantwortete, weigert sich die Versicherung nun ihr die Fällige Schadenssumme auszuzahlen. Hiergegen klagt die Versicherte.

Das Oberlandesgericht Hamm hat die Klage abgewiesen. Komme die Versicherter ihrer vertraglichen Pflicht zur wahrheitsgemäßen Angabe von Versicherungsdaten nicht nach, so sei die Gesellschaft ebenfalls von ihrer Leistungspflicht befreit.

OLG Hamm 20 U 61/88 (Aktenzeichen)
OLG Hamm: OLG Hamm, Urt. vom 10.03.1989
Rechtsweg: OLG Hamm, Urt. v. 10.03.1989, Az: 20 U 61/88
LG Münster, Urt. v. 10.12.1987, Az: 5 T 1222/87
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Hamm

1. Urteil vom 10. März 1989

Aktenzeichen: 20 U 61/88

Leitsatz:

2. Keine Versicherungsleistung bei falschen Angaben vom Versicherten.

Zusammenfassung:

3. Eine Urlauberin buchte bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise. Im Rahmen ihres Aufenthalts wurde sie Opfer eines Raubüberfalls. Im folgenden machte sie die durch den Überfall verursachten Vermögensverluste bei ihrer Versicherung geltend.
Auf die Frage, ob etwaige Vorschädigungen vorlägen, antwortete die Klägerin mit nein. Hierbei verschwieg sie ähnliche Versicherungsfälle aus den Vorjahren.

Nach dem die Versicherung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hatte, weigert sie sich der Zahlung. Hiergegen erhob die Reisende Klage.

Das Oberlandesgericht Hamm hat die Klage abgewiesen. Grundsätzlich sei eine Versicherungsgesellschaft im abgesicherten Schadensfall zur Auszahlung der vereinbarten Summe verpflichtet.
Hiervon bestehe jedoch die Ausnahme für den Fall, dass der Versicherten ein Verschulden zur Last fällt, oder sonstige Zweifel am Geschehensverlauf bestehen.

Da die Versicherte vorliegend bewusst wahrheitswidrige Aussagen tätigte, ist dem Versicherer eine Leistungspflicht nicht zuzumuten.
Als Folge der vertraglichen Abweichung durch die Reisende, sei der Versicherer an seine vertragliche Leistungspflicht über §6 VVG nicht mehr gebunden.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. Dezember 1987 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LGs Münster wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

5. (Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

6. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Selbst wenn man der Klägerin darin folgt, daß sich der Diebstahl so, wie von ihr behauptet, ereignet hat, ist die Beklagte zur Deckung des Schadens nicht verpflichtet. Denn die Klägerin hat gegen die vertragliche Obliegenheit des § 10 Ziff. 1 c AVBR 80 verstoßen, wonach sie verpflichtet war, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann. Die Klägerin hat nämlich in der Schadensanzeige die Frage nach früheren Reisegepäckschäden unvollständig und damit falsch beantwortet. Sie hat lediglich einen von der Beklagten regulierten Schaden aus dem Jahre 1984 angegeben, nicht aber einen weiteren Reisegepäckschaden, der im Jahre 1985 von einer anderen Versicherungsgesellschaft reguliert wurde.

7. Die Verletzung dieser vertraglichen Obliegenheit führt gemäß § 10 Ziff. 4 AVBR 80 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG zur Leistungsfreiheit der Beklagten.

8. Nach der gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 3 VVG besteht die Vermutung, daß der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig verletzt hat. Will der Versicherungsnehmer sich den Versicherungsschutz erhalten, muß er diese Vermutung widerlegen, d. h. er muß beweisen, daß er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht geführt.

9. Ihre verschiedenen schriftsätzlichen und mündlichen Erläuterungen, warum sie den Schadensfall aus dem Jahre 1985 nicht angegeben habe, sind nicht frei von Widersprüchen und überzeugen den Senat nicht. Auch die Aussage des Zeugen K, des jetzigen Ehemannes der Klägerin, vermag den Senat nicht davon zu überzeugen, daß weder die Klägerin noch er es nicht vorsätzlich unterlassen haben, den Versicherungsfall aus dem Jahre 1985 anzugeben.

10. Immerhin haben die Klägerin und der Zeuge aus diesem verschwiegenen Schadensfall von der Versicherung insgesamt rund 8.000,00 DM erhalten, wovon etwa 3.500,00 DM auf Reisegepäck der Klägerin entfielen. Außerdem wurden bei diesem Versicherungsfall auch noch mehrere Surfgeräte des Zeugen K entwendet, die von einer anderen Versicherungsgesellschaft entschädigt wurden. Danach hat es sich um einen nicht unerheblichen Schaden gehandelt, der auch deutlich höher lag, als der vorangegangene Schadensfall aus dem Jahre 1984. Der Senat glaubt nicht, daß weder die Klägerin noch der Zeuge sich an diesen Fall nicht erinnert haben.

11. Selbst wenn man der Klägerin abnimmt, daß sie im Zusammenhang mit der Scheidung von ihrem ersten Ehemann im Jahre 1985 den Reisegepäckdiebstahl aus demselben Jahr aus der Erinnerung verloren hatte, dann mußte ihr dieser Fall doch spätestens anläßlich der Ausfüllung der Schadensanzeige für die Beklagte im Jahre 1987 wieder einfallen. Auch wenn man so viele Reisen unternimmt, wie es die Klägerin und der Zeuge K zu tun scheinen, ist der Diebstahl von Reisegepäck im Werte von jeweils mehreren Tausend DM nichts so Alltägliches, daß es sich dem Gedächtnis nicht einprägte. Es ist daher unglaubhaft, wenn die Klägerin im Senatstermin erklärt hat, sie könne auch heute noch nicht sagen, was bei dem zweiten Versicherungsfall im Jahre 1985 eigentlich auf welche Weise abhandengekommen sei.

12. Die Klägerin ist in der Schadensanzeige über die Folgen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung belehrt worden. Daß die unvollständige Angabe vorangegangener Reisegepäckschäden die Interessen des Reisegepäckversicherers ernsthaft beeinträchtigt, weil sie ihm die Überprüfung des subjektiven Risikos, also die Frage, ob der zu regulierende Schadensfall echt oder vorgetäuscht ist, erschwert, bedarf keiner näheren Ausführungen. Die Beklagte ist daher nicht gehindert, sich in vollem Umfang auf die vertraglich vereinbarte Leistungsfreiheit zu berufen.

13. Die Kostenentscheidung und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 97 Abs. 1, 711, 713 ZPO. Die Beschwer der Klägerin liegt unter 40.000,00 DM.

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