Entschädigung bei Flugzeugabsturz

OLG Oldenburg: Entschädigung bei Flugzeugabsturz

Ein Verbraucher klagt gegen seinen Versicherer auf Leistung. Der Kläger hatte mit der Beklagten einen Versicherungsvertrag für ein Flugzeug abgeschlossen. Als der abgesicherte Schadensfall tatsächlich eintrat, weigerte sich die Beklagte der Zahlung. Der Flugzeugführer habe den Unfall fahrlässig verursacht und habe die Maschine unzulässiger Weise alleine geflogen.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Klage abgewiesen. Die von der Beklagten vorgetragenen Umstände hätten sich erwiesener Maßen ereignet. Durch das grob fahrlässige Verschulden des Piloten, entfalle eine Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens.

OLG Oldenburg 2 U 169/96 (Aktenzeichen)
OLG Oldenburg: OLG Oldenburg, Urt. vom 11.12.1996
Rechtsweg: OLG Oldenburg, Urt. v. 11.12.1996, Az: 2 U 169/96
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Oberlandesgericht Oldenburg

1. Urteil vom 11. Dezember 1996

Aktenzeichen: 2 U 169/96

Leitsatz:

2. Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens entfällt bei fahrlässigem Verschulden des Verbrauchers.

Zusammenfassung:

3. Ein Verbraucher schloss mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag für ein in seinem Eigentum stehendes Flugzeug ab. Hieraus ergab sich, dass der Versicherer im Falle eines Absturzes einen sechsstelligen Betrag an den Verbraucher zahlen müsse. Als der Unglücksfall tatsächlich eingetreten war, weigert sich der Beklagte der Zahlung.
Der Verbraucher habe den Unfall grob fahrlässig verursacht, indem er die Maschine alleine und nicht in Begleitung eines Co-Piloten geflogen sei.

Der Kläger bestreitet eine Verantwortlichkeit des Piloten. Des Weiteren wirft sie der Beklagten eine vorvertragliche Pflichtverletzung vor. Diese habe den Verbraucher nicht über die Notwendigkeit eines zweiten Piloten aufgeklärt.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Klage abgewiesen. Der Flugzeugführer habe die Maschine nachgewiesener Maßen alleine geführt. Dass die einzelne Bedienung einer solchen Maschine grundsätzlich nicht möglich ist und somit ein grob fahrlässiges Handeln darstelle, ergebe sich bereits aus  § 32 Abs. 2 LuftBO.
Die Bejahung einer grob fahrlässigen Verhaltensweise führe in der Folge zu einem Ausschluss der Leistungspflicht des Versicherers.

Eine Vorvertragliche Pflichtverletzung durch den Versicherer, in Form der nicht erfolgten Aufklärung, sei hier ebenfalls nicht gegeben. Hierfür fehle es an einer etwaigen Obliegenheit zur Aufklärung.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 6. Juni 1996 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LGs Osnabrück wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 24.000,– DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug und der Wert der Beschwerde der Klägerin betragen 580.000,– DM.

Tatbestand:

5. Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Versicherungsentschädigung in Höhe von 580.000,– DM wegen eines Flugzeugabsturzes vom 20.03.1995.

6. Zwischen den Parteien bestand für die Zeit vom 15.02.1995 bis zum 15.02.1996 eine Luftfahrt-Total-Versicherung für ein Luftfahrzeug des Typs Beech Duke B 60. Der Vertrag schloß eine Vollkaskoversicherung mit einer Versicherungssumme von 580.000,– DM ein. Wegen des Inhalts des Vertrages wird auf Bl. 10 ff d.A. verwiesen. In den Vertrag waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kaskoversicherung von Luftfahrzeugen (AKB/Lu) einbezogen. Diese enthalten in § 4 (2) u.a. folgende Regelungen:

7. Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn sich das Luftfahrzeug nicht in einem Zustand befindet, der den gesetzlichen Bestimmungen und behördlichen Auflagen über das Halten und den Betrieb von Luftfahrzeugen entspricht und/oder die diesbezüglichen behördlichen Genehmigungen nicht erteilt sind, der/die Führer des Luftfahrzeugs bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht die vorgeschriebenen Erlaubnisse und erforderlichen Berechtigungen zum Führen dieses Luftfahrzeuges hatten. Das versicherte Flugzeug stürzte am 20.3.1995 bei einem Flug nach Instrumentenflugregeln in der Nähe von Dresden ab und wurde völlig zerstört. Sein Wert im Zeitpunkt des Absturzes betrug mindestens 580.000,– DM.

8. Bei dem Absturz wurde das versicherte Flugzeug von einem Piloten geflogen, welcher bei der Klägerin überwiegend als Luftfahrzeugführer beschäftigt war. Die übrigen Insassen verfügten über keine fliegerischen Zeugnisse oder Kenntnisse.

9. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 10.5.1995 (Bl. 24 f d.A.) unter Berufung auf § 4 (2) Ziff. 1 und 2 AKB-Lu jegliche Zahlung aus der Vollkaskoversicherung ab.

10. Die Klägerin hat geltend gemacht:

11. Ein gesetzwidriger Zustand des Flugzeugs im Absturzzeitpunkt habe nicht vorgelegen. Die Bestimmung des § 32 Abs. 2 LuftBO, nach der bei Flügen nach Instrumentenflugregeln die Flugbesatzung mindestens aus zwei Luftfahrzeugführern bestehen muß, sei hier nicht einschlägig. Es greife einerseits die Ausnahme des § 32 Abs. 3 LuftBO, da der Pilot des Flugzeugs die Berechtigung besessen habe, den Flugfunkverkehr in englischer Sprache bei Flügen nach Instrumentenflugregeln auszuüben. Darüber hinaus sei auch § 32 Abs. 4 LuftBO einschlägig, da die abgestürzte Maschine mit einem Flugregler ausgerüstet gewesen sei. Die Absätze 3 und 4 des § 32 LuftBO seien hier trotz § 55 Satz 4 LuftBO anwendbar, da letztere Vorschrift wegen der sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von Berufspiloten gegenüber Hobbyfliegern gegen Art. 3 GG verstoße. Im übrigen wäre eine Ausnahmegenehmigung im Sinn von § 55 Satz 5 LuftBO ohne weiteres zu erlangen gewesen.

12. Die Beklagte hafte auch unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo, da sie als Großversicherer von Luftfahrzeugen über erheblich bessere Kenntnisse der LuftBO als die Klägerin verfügt habe und deshalb zu einem Hinweis auf die erforderliche Besatzungsstärke bei Instrumentenflügen verpflichtet gewesen sei. Die von dem Agenten der Beklagten vorgenommene Eintragung im Versicherungsantrag „Zahl Pilotenplätze 1/2“ und „Zahl Fluggastplätze 5/4“ sei irreführend gewesen.

13. Die Klägerin hat beantragt die Beklagte zur Zahlung von 580.000,– DM nebst 13 % Zinsen seit dem 10.5.1995 zu verurteilen.

14. Die Beklagte hat beantragt die Klage abzuweisen.

15. Sie hat geltend gemacht: Der vorhandene Flugregler habe den Piloten im Sinn von § 32 Abs. 4 LuftBO nicht entlasten können. Sie sei leistungsfrei, weil der verantwortliche Luftfahrzeugführer zum Zeitpunkt des Unfalls nicht über die entsprechenden Genehmigungen verfügt habe; zudem habe er den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt.

16. Durch das am 6. Juni 1996 verkündete Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das LG die Klage abgewiesen.

17. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

18. Sie beantragt das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 580.000,– DM nebst 13 % Zinsen seit dem 10.5.1995 zu zahlen.

19. Die Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.

20. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 20.10.1996 nebst Anlagen (Bl. 118 – 153) und vom 27.11.1996 nebst Anlagen (Bl. 160 – 169 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

21. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus der bei der Beklagten unterhaltenen Luftfahrt-Total-Versicherung wegen der Zerstörung des Flugzeugs Beech Duke B 60 am 20.03.1995.

22. Das LG hat zutreffend auf § 4 (2) Ziff. 1 AKB-Lu abgehoben, da das versicherte Luftfahrzeug sich im Unfallzeitpunkt unstreitig nicht in einem Zustand befand, der den gesetzlichen Bestimmungen für den Betrieb von Luftfahrzeugen entsprach; denn das Flugzeug der Klägerin war bei einem Flug nach Instrumentenflugregeln entgegen § 32 Abs. 2 LuftBO nur mit einem Flugzeugführer besetzt. Wegen der Einzelheiten kann insofern auf das angefochtene Urteil verwiesen werden (§ 543 Abs. 1 ZPO).

23. Darüber hinaus besaß der Führer des verunglückten Flugzeugs bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht die Berechtigung zum Führen dieses Luftfahrzeugs nach Instrumentenflugregeln. § 4 (2) Ziff. 2 AKB-Lu fordert neben der vorgeschriebenen Erlaubnis, dieses Luftfahrzeug zu führen, die der Flugzeugführer C. für das verunglückte Flugzeug unstreitig besaß, die „erforderliche Berechtigung zum Führen dieses Luftfahrzeugs“. Diese Berechtigung hatte C. nicht; denn für Flüge nach Instrumentenflugregeln muß die Flugbesatzung mindestens aus zwei Luftfahrzeugführern mit Berechtigung für Flüge nach Instrumentenflugregeln bestehen. Ein solcher zweiter Luftfahrzeugführer befand sich unstreitig nicht an Bord.

24. Bezüglich des Fehlens eines Ausnahmetatbestandes nach den §§ 32 Abs. 4, 55 LuftBO und der Verfassungsmäßigkeit der letztgenannten Bestimmung kann wiederum auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Insofern wird die LGliche Entscheidung auch nicht angegriffen.

25. Die von der Klägerin geäußerten Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 4 (2) Ziff. 1 und 2 AKB-Lu teilt der Senat nicht. Beide Bestimmungen sind auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich und lassen in keiner Hinsicht Zweifel über ihre Auslegung aufkommen.

26. Anders als das LG ist der Senat allerdings der Auffassung, daß es sich bei den o.a. Regelungen um (sekundäre) Risikobeschreibungen handelt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kommt es bei der Unterscheidung zwischen einer Obliegenheit und einer Risikobeschreibung nicht entscheidend auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungsklausel an. Maßgebend ist vielmehr der materielle Inhalt der einzelnen Klausel. Es kommt darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das (allein) der Versicherer Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes vorbeugendes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert. Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein angegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobegrenzung.

27. Zwar könnte der erste Satzteil in § 4 (2) AKB-Lu – „Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei“ – für eine Obliegenheit im Sinn von § 6 Abs. 1 VVG sprechen. Andererseits ist § 4 AKB-Lu insgesamt überschrieben: „Einschränkung des Versicherungsschutzes“. Für eine objektive Begrenzung spricht auch der materielle Inhalt beider Absätze. Aus ihm ergibt sich, daß der Versicherer von vornherein Deckungsschutz nur bei Einhaltung der „gesetzlichen Bestimmungen und behördlichen Auflagen“ (1) bzw. bei Vorliegen der „vorgeschriebenen Erlaubnisse und erforderlichen Berechtigungen“ (2) gewähren will. Danach besteht vorliegend kein Versicherungsschutz, ohne daß es auf die weiteren Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 und 2 VVG ankommt.

28. Selbst wenn man indes – mit dem LG – in § 4 (2) Ziff. 1 und die Normierung von – verhüllten – Obliegenheiten sehen will, ist die Beklagte leistungsfrei. Das LG hat zutreffend ausgeführt, daß die Obliegenheitsverletzung nicht unverschuldet im Sinn von § 6 Abs. 1 VVG erfolgt ist und die Klägerin nicht den Kausalitätsgegenbeweis nach § 6 Abs. 2 VVG geführt hat. Darauf nimmt der Senat wegen aller Einzelheiten Bezug. Das wird von der Berufung auch nicht angegriffen.

29. Ob seitens der Beklagten eine Kündigung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG ausgesprochen worden ist, kann dahinstehen; denn eine solche war vorliegend entbehrlich. Eine Kündigung zum Erhalt der Leistungsfreiheit ist nicht erforderlich, wenn das Interesse dauernd und vollständig weggefallen ist. Das ist in der Sachversicherung vor allem der Fall, wenn die versicherte Sache – wie hier – völlig zerstört worden ist (vgl. Prölss-Martin, VVG, 25. Aufl., § 6 Anm. 10, m.w.N.).

30. Die Beklagte ist weiterhin leistungsfrei, weil der Pilot C. als Repräsentant der Klägerin den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.

31. Nach der Rechtsprechung des BGHs (BGHZ 122, 250 = NJW 1993, 1862 = VersR 1993, 828 = VVGE § 6 VVG Nr. 22) ist Repräsentant, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht hierbei nicht aus. Repräsentant kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). – So ist es nach Auffassung des Senats hier.

32. Zwar hat der BGH in Fällen der Überlassung von Kraftfahrzeugen an einen Fahrer ausgesprochen, daß die Überlassung der Obhut über die versicherte Sache kein allgemeingültiges Merkmal für die Frage darstelle, ob der Versicherungsnehmer für das Verhalten eines Dritten einzustehen habe (BGH VersR 1965, 149 unter IV). Andererseits hat er in dieser Entscheidung betont, daß es anders sein könne, wenn es sich um versicherte Sachen handelt, die einer ständigen Betreuung bedürfen. In diesen Fällen wird mit der Übertragung der alleinigen, nicht nur vorübergehenden Obhut auf einen Dritten diesem in der Regel auch die alleinige Risikoverwaltung anvertraut. Liegen diese Voraussetzungen vor, braucht für die Haftung des Versicherungsnehmers nicht noch hinzuzutreten, daß der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat.

33. Es liegt auf der Hand, daß ein Luftfahrzeug hinsichtlich des Ausmaßes der Betreuung mit einem Kraftfahrzeug nicht zu vergleichen ist. Diese Betreuung lag im Bereich der Klägerin in der Hand von C.; dieser war unstreitig der einzige bei der Klägerin angestellte Berufspilot. Dem entspricht die Rechtslage, wonach ihm für die Führung des Luftfahrzeugs die Verantwortlichkeit oblag. Dies alles spricht dafür, daß er im Sinn der oben zitierten BGH-Rechtsprechung befugt war, in einem gewissen, nicht ganz unerheblichen Umfang hinsichtlich des versicherten Flugzeugs für die Versicherungsnehmerin – die Klägerin – zu handeln, mithin deren Repräsentant war.

34. Der Senat ist der Überzeugung, daß C. den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Dies folgt aus den unstreitigen Umständen und dem Bericht der Flugunfalluntersuchungsstelle beim Luftfahrt-Bundesamt vom 12.8.1996.

35. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Der Tatrichter kann dabei im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO vom äußeren Geschehensablauf oder vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerter Vorwerfbarkeit schließen (BGH r+s 1969, 209 m.w.N.).

36. Das Durchführen des Fluges nach Instrumentenflugregeln ohne Anwesenheit eines zweiten Luftfahrzeugführers mit Berechtigung für Flüge nach Instrumentenflugregeln stellt einen objektiv schweren Verstoß gegen die im konkreten Fall gebotene Sorgfalt dar. Dieser Maßstab war ohne weiteres § 32 Abs. 2 LuftBO zu entnehmen.

37. Mangels entlastender besonderer persönlicher Umstände ist im vorliegenden Fall aufgrund des objektiv äußerst schwerwiegenden Verstoßes der Schluß gerechtfertigt, daß C. auch subjektiv unentschuldbar handelte, als er – entgegen der o.a. Bestimmung – den Flug nach Instrumentenflugregeln allein durchführte. Subjektiv kam zudem erschwerend hinzu, daß er nach dem von der Klägerin vorgelegten und vorgetragenen Bericht der Fluguntersuchungsstelle beim LBA nur über geringe Erfahrung bei Flügen nach Instrumentenflugregeln auf dem betreffenden Flugzeug verfügte.

38. Auf diesen Ursachen beruht nach dem o.a. Bericht auch der Flugunfall, wenn auch eine „unzweckmäßige“ Radarkontrolle mitgewirkt hat. Jedenfalls ist der Senat nach den Feststellungen des Luftfahrt-Bundesamts der Überzeugung, daß der Unfall durch Mitwirkung eines zweiten Luftfahrzeugführers mit der Berechtigung nach § 32 Abs. 2 Luft-BU vermieden worden wäre. – Gegenteiligen Beweis tritt die Klägerin nicht an.

39. Schließlich steht der Klägerin auch kein Schadensersatzanspruch zu. Bevor auf den von ihr geltend gemachten Anspruch aus culpa in contrahendo einzugehen ist, ist daran zu denken, ob die Beklagte nicht nach den Grundsätzen über die Vertrauenshaftung für den Versicherungsagenten haftet. Eine solche Haftung kommt dann in Betracht, wenn der Versicherungsagent, der erkennt, daß sich der Versicherungsnehmer über einen wesentlichen Punkt des Versicherungsvertrages unrichtige Vorstellungen macht, nicht seiner Verpflichtung nachkommt, diese richtig zu stellen (BGHZ 40, 22, 24). Die Vertrauenshaftung des Versicherers ist aber ausgeschlossen, wenn den Versicherungsnehmer ein erhebliches eigenes Verschulden trifft (BGHZ a.a.O., 26; BGH VersR 1972, 530, 531). So ist es hier. Es geht nicht um die Aufklärung über bestimmte Versicherungsbedingungen, sondern um die Kenntnis verordnungsrechtlicher Bestimmungen über die Zusammensetzung der Flugbesatzung, speziell § 32 Abs. 2 LuftBO. Als Halterin des Luftfahrtgeräts trug die Klägerin die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften der LuftBO und der zu ihrer Durchführung erlassenen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 LuftBO). Daß ihr diese – wie sie selbst einräumt – jedenfalls in dem hier einschlägigen Teil nicht bekannt waren, rechtfertigt den Vorwurf einer erheblichen Sorgfaltsverletzung.

40. Im Ergebnis gilt nichts anderes für einen Anspruch aus culpa in contrahendo, auch wenn insoweit eine eigene Pflichtverletzung nicht zum Ausschluß der Haftung, sondern zu einer Abwägung nach den Grundsätzen des § 254 BGB führt. Die Klägerin sieht ein haftungsbegründendes Fehlverhalten des Agenten der Beklagten darin, daß er erkannt habe, daß bei der Klägerin nie jemand daran gedacht habe, daß das Flugzeug – von gewissen Ausnahmeregelungen abgesehen – mit zwei Piloten besetzt werden mußte. Das ist unzutreffend, jedenfalls aber im Hinblick auf die Angaben im Versicherungsantrag und Versicherungsschein nicht hinreichend substantiiert. Im Versicherungsantrag ist angegeben: „3 namentlich genannte Piloten, davon 1 Berufspilot“; in der nächsten Zeile sind die Namen der Piloten mit C., H. und B. aufgeführt. Diese Namen sind auch in den Versicherungsschein aufgenommen worden. Aus diesen Angaben im Versicherungsantrag konnte und mußte auch der Agent der Beklagten entnehmen, daß der Klägerin neben dem Berufspiloten C. zwei weitere Piloten – gleich welcher Qualifikation – zur Verfügung standen. Unter diesen Umständen mußte der Agent nicht erkennen, daß das versicherte Flugzeug nur von einem Piloten geführt werden sollte. Zudem war dies unter Sichtflugbedingungen auch zulässig, und es nichts dafür dargetan oder ersichtlich, daß der Agent irgendwelche Kenntnisse über Art und Ausmaß des Einsatzes des Flugzeuges nach Instrumentenflugregeln hatte.

41. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.

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