Verletzung eines Reisegruppenmitglieds durch Knallkörper

OLG Koblenz: Verletzung eines Reisegruppenmitglieds durch Knallkörper

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Reise gebucht, in deren Verlauf er durch einen Knallkörper verletzt wurde. Daher verlangt er hauptsächlich Schmerzensgeld.

Das Landgericht hatte der Klage größtenteils stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage ab. Es sei keine Pflichtverletzung festzustellen, die zur Verletzung des Klägers geführt habe. Damit bestehe kein Ersatzanspruch.

OLG Koblenz 12 U 970/15 (Aktenzeichen)
OLG Koblenz: OLG Koblenz, Urt. vom 17.05.2016
Rechtsweg: OLG Koblenz, Urt. v. 17.05.2016, Az: 12 U 970/15
LG Koblenz, Urt. v. 12.08.2015, Az: 16 O 507/12
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Oberlandesgericht Koblenz

1. Urteil vom 17. Mai 2016

Aktenzeichen 12 U 970/15

Leitsatz:

2. Der Reiseführer kann Nebentätigkeiten durch Hilfskräfte ausführen lassen, ohne dass darin eine Pflichtverletzung liegt.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Rundreise durch Indien gebucht, in deren Verlauf er durch einen Knallkörper verletzt wurde. Dies geschah, als eine Hilfsperson des Reiseleiters die Reisegruppe durch eine Hochzeitsgesellschaft laufen ließ, aus deren Mitte der Knallkörper kam. Daher verlangt er hauptsächlich Schmerzensgeld, daneben Schadensersatz, Verdienstausfall und Fahrtkosten.

Das Landgericht hatte der Klage größtenteils stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage ab. Es sei keine Pflichtverletzung festzustellen, die zur Verletzung des Klägers geführt habe. Der Reiseleiter habe das Führen der Reisegruppe vom Hotel zum Bus einer Hilfsperson überlassen können. Diese habe auch durch die Entscheidung, die Reisegruppe durch die Hochzeitsgesellschaft zu führen, keine pflichtverletzende Fehleinschätzung begangen, da sie von einer Rücksichtnahme der Hochzeitsgesellschaft ausgehen durfte. Damit bestehe kein Ersatzanspruch.

Tenor

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12.08.2015 wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

5. Mit seiner Klage macht der Kläger Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer bei der Beklagten zu 1. gebuchten Indien-Rundreise geltend.

6. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

7. Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

8. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.05.2012 zu zahlen,

9. an ihn weitere 119,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 09.05.2012 für die Weste zu zahlen,

10. an ihn weitere 768,32 € Verdienstausfall und 504,00 € Fahrtkosten, demnach 1.272,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 09.05.2012 zu zahlen,

11. an ihn weitere 571,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 09.05.2012 zu zahlen.

12. Die Beklagte zu 1. hat beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Mit seinem am 12.08.2015 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Beklagte zu 1. verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.05.2012 zu zahlen. Darüber hinaus hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 119,50 €, 768,32 € (Verdienstausfall), 504,00 € (Fahrtkosten) und 571,07 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 09.05.2012 zu zahlen.

15. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten zu 1.

16. Die Beklagte zu 1. beantragt,

17. das Urteil des Landgerichts vom 12.08.2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.

18. Der Kläger beantragt,

19. die Berufung zurückzuweisen.

20. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.

II.

21. Die Berufung ist in vollem Umfang erfolgreich.

22. Dem Kläger stehen die mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeldansprüche aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

23. Das Landgericht hat eine der Beklagten zu 1. zurechenbare schuldhafte Pflichtverletzung des mit dem Kläger geschlossenen Reisevertrages darin gesehen, dass der der deutschen Sprache nicht mächtige „Ersatzreiseleiter“ …[A] die Reisegruppe aufforderte, sich einen Weg durch die der Reisegruppe entgegenkommende indische Hochzeitsgesellschaft zu bahnen. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass ein deutschsprachiger erfahrener Reiseleiter, wie er grundsätzlich nach dem Reisevertrag geschuldet gewesen wäre, die durch die Hochzeitsgesellschaft ausgehende Gefahrensituation (in Gestalt des Werfens von Knallkörpern) erkannt und vermieden hätte. Das Fehlen einer deutschen Reiseleitung sei somit ursächlich für die bei dem Kläger eingetretenen Schäden gewesen. Diese Auffassung des Landgerichts teilt der Senat nicht.

24. Der Senat sieht keine Pflichtverletzung darin, dass nicht der Reiseleiter, sondern Herr …[A] die Reisegruppe vom Hotel zum Bus geführt hat. Das Führen der Gruppe zum Bus ist eine Hilfstätigkeit, die der Reiseleiter Herrn …[A] überlassen konnte.

25. Herr …[A] hat im Übrigen die gegenüber dem Kläger aufgrund des abgeschlossenen Reisevertrages bestehenden Obhuts- und Fürsorgepflichten nach der Überzeugung des Senats nicht dadurch verletzt, dass er nicht in der Hälfte des bereits von der Reisegruppe zurückgelegten Weges kehrtgemacht hat und quasi die „Flucht“ vor der Hochzeitsgesellschaft angetreten hat.

26. Nach den Aussagen der von dem Landgericht vernommenen Zeugen war davon auszugehen, dass die Begegnung der Reisegruppe und der indischen Hochzeitsgesellschaft in der Mitte des „Staubweges“ stattgefunden hat. So hat die Zeugin …[B] in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2013 angegeben, die Reisegruppe sei bereits eine Strecke über den Staubweg gegangen, als ihnen die Hochzeitsgesellschaft entgegen gekommen sei. Dies stimmt überein mit den Angaben des Zeugen …[C], der ebenfalls angegeben hat, die Reisegruppe und die indische Hochzeitsgesellschaft seien sich zirka auf der Mitte des Staubweges entgegen gekommen. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhalt sieht es der Senat nicht als Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) an, dass sich Herr …[A] entschloss, die Reisegruppe (zügig) durch die indische Hochzeitsgesellschaft hindurchzuführen anstatt umzukehren. Nach der Überzeugung des Senats musste Herr …[A] nicht damit rechnen, dass aus der Hochzeitsgesellschaft heraus Knallkörper auf Mitglieder der Reisegruppe geworfen würden. Mangels Vorliegens anderer Anhaltspunkte durfte Herr …[A] vielmehr davon ausgehen, die indische Hochzeitsgesellschaft würde auf die herannahende Reisegruppe Rücksicht nehmen und das Werfen von Knallkörpern, jedenfalls in Personennähe einstellen. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht auch die Tatsache, dass bei dem Passieren der Hochzeitsgesellschaft ausschließlich der Kläger und keine anderen Personen zu Schaden gekommen sind beziehungsweise ernsthaft gefährdet worden sind.

27. Da keine Bedenken bestehen, dass Herr …[A] die Gruppe durch die Hochzeitsgesellschaft geführt hat, hat der Senat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Reiseleiter, hätte er die Gruppe geführt, anders als Herr …[A] verhalten hätte.

28. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

29. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

30. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.962,89 € festgesetzt.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: Verletzung eines Reisegruppenmitglieds durch Knallkörper

Verwandte Entscheidungen

OLG Frankfurt, Urt. v. 24.05.04, Az: 16 U 167/03
LG Düsseldorf, Urt. v. 07.02.97, Az: 22 S 317/96
AG Bonn, Urt. v. 24.08.06, Az: 16 C 53/06

Berichte und Besprechungen

Forum Fluggastrechte: Verletzung auf Reise
Passagierrechte.org: Verletzung durch Dritte im Urlaub

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte