Risiko einer Erkrankung am Chikungunya-Fieber im Urlaubsgebiet
LG München: Erkrankung im Urlaubsgebiet keine höhere Gewalt
Eine Gruppe von Reisenden trat wegen des Risikos einer Ansteckung mit einem Tropenfieber von ihrem Reisevertrag zurück. Die fälligen Stornierungsgebühren wurden von ihr beglichen, in einem Berufungsverfahren jedoch wieder zurückverlangt.
Das Landgericht München wies die Berufung der Kläger zurück. Die Möglichkeit der Ansteckung mit einem tropischen Fieber sei vorhersehbar und stelle keinen tauglichen Rücktrittsgrund dar.
LG München | 34 S 22222/07 (Aktenzeichen) |
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LG München: | LG München, Urt. vom 29.08.2008 |
Rechtsweg: | LG München, Urt. v. 29.08.2008, Az: 34 S 22222/07 |
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Leitsätze:
2. Höhere Gewalt liegt nicht vor, wenn dem Infektionsrisiko von Erkrankungen durch Mittel und Maßnahmen vorgebeugt werden kann, die in einem vertretbaren Rahmen liegen.
Eine erhebliche Beeinträchtigung ist nicht gegeben, sofern das Reiseziel aufgrund klimatischer Bedingungen typischerweise ein höheres Risiko der Infektion mit Krankheiten aufweist.
Aus dem gleichen Grund ist keine Unvorhersehbarkeit anzuführen.
Zusammenfassung:
3. Eine Gruppe von Reisenden buchte bei einem Reiseveranstalter einen Urlaub. Die Reise in ein tropisches Gebiet wurde von den Klägern jedoch nicht angetreten, weil sie eine Infektion mit dem dort grassierenden Chukungunya-Fieber fürchteten. Sie stornierten die Reise und zahlten die fälligen Gebühren hierfür. Jedoch forderten sie später die Rückerstattung selbiger mit der Berufung auf höhere Gewalt, die in dem Infektionsrisiko bestünde und eine so erhebliche Beeinträchtigung darstelle, dass die Reise nicht angetreten werden könne.
Vor dem Landgericht München scheiterte ihre Berufung. Das Gericht ist der Auffassung, dass in der Ansteckungsgefahr vor Ort keine höhere Gewalt liege. Höhere Gewalt im Sinne von § 651 j BGB liege stets dann vor, wenn das Ereignis auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden kann. Die Ansteckungsgefahr war vorliegend jedoch vorhersehbar, da die Krankheit in der Region schon öfter aufgetreten war und tropische Reiseziele im allgemeinen diverse Gesundheitsrisiken bergen. Des Weiteren wäre die Beeintrichtung nicht erheblich, da der Gefahr mit simplen Mitteln wie Moskitonetzen und -sprays begegnet werden könne.
Aus diesem Grund entfalle ein Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der bereits gezahlten Stornierungsgebühr.
Entscheidungsgründe:
4. Das Berufungsgericht beabsichtigt die Berufung gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht erfordert:
5. Nach dem Sachverhalt, wie er als unstreitig zu Grunde zu legen ist, ist die Klage unbegründet. Das Berufungsgericht schließt sich den rechtlichen Ausführungen des Erstgerichtes an. Die Einwendungen der Berufung vermögen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.
6. Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, stehen den Klägern die geltend gemachten Ansprüche auf Rückerstattung der Stornokosten nicht zu:
7. Fehlerfrei war zunächst das Verneinen eines Falles von höherer Gewalt im Sinne von § 651 j BGB. Höhere Gewalt liegt nur im Fall eines von außen kommenden Ereignisses vor, das auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbar ist (BGHZ 100, 185). Dogmatisch stellt sich der Eintritt höherer Gewalt als ein Sonderfall der Störung der Geschäftsgrundlage dar, weshalb subjektive Erschwernisse, die in die Risikosphäre einer Vertragspartei fallen, außer Betracht zu bleiben haben. Im vorliegenden Fall war die Gefahr einer Chikungunya-Erkrankung, wie der Sachverständige … ausgeführt hat, aber durchaus abwendbar, nämlich durch Mückenschutzmittel, körperbedeckende Bekleidung und Moskitonetze.
8. Damit konnte objektiv die Erkrankung durch vertretbare und nicht übermäßig aufwändige Maßnahmen vermieden werden. Ebenfalls ist bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung vorlag, zu berücksichtigen, dass die Kläger ein Reiseziel ausgewählt haben, das aufgrund seines tropischen Klimas grundsätzlich eine erhöhte Anfälligkeit für Erkrankungen wie das Chikungunya-Fieber aufweist. Das Gericht verkennt nicht, dass die Gefahr der Chikungunya-Erkrankung für die Kläger in erhöhtem Maße Unannehmlichkeiten bedeutet hätte. Ein bei objektiver Betrachtung nicht hinnehmbares Risiko wären sie jedoch bei Durchführung der Reise nicht eingegangen.
9. Unzutreffend ist der Einwand der Berufungsführer, es läge Unvorhersehbarkeit vor. Unvorhersehbarkeit bedeutet entgegen der Auffassung der Kläger gerade nicht, ob konkret die Kläger das Risiko vorhergesehen haben, sondern ob objektiv betrachtet die Möglichkeit bestand, bei Vertragsabschluss das Risiko zu erkennen. Dies war der Fall, da die Erkrankungen bereits vorher aufgetreten waren. Den Klägern war eine entsprechende Information angesichts des Reisezieles auch zumutbar.
10. Kein Rechtsfehler des Amtsgerichtes ist auch in der Verneinung von verletzten Informationspflichten der Beklagten zu sehen. Auch wenn kein Grundsatz dahingehend besteht, dass eine Informationspflicht nur bezüglich solcher Ereignisse anzunehmen ist, die gleichzeitig höhere Gewalt darstellen, war im konkreten Fall keine Information geschuldet. Der Reiseveranstalter schuldet Information über alle Aspekte, die das Gelingen der Reise vereiteln oder beeinträchtigen können oder zum Schutz des Reisenden erforderlich sind, so insbesondere mit der Reise verbundene Risiken, Gefahren oder Hindernisse. Ebenso wird jedoch auch vom Reisenden eine entsprechende Mitwirkung erwartet. Er hat das seinerseits erforderliche zu tun, um die Durchführung der Reise zu ermöglichen (vgl. Palandt, Rdnr. 5 und 6 zu § 651 a BGB). Letztlich führt eine Abwägung der beiderseitigen Pflichten unter Berücksichtigung der konkreten Reiseumstände zu der Frage, ob die Umstände, über die aufzuklären wäre, den Reisenden in besonders hohem Maße beeinträchtigen. Dies wird im Ergebnis vorwiegend auf Fälle höherer Gewalt zutreffen. So wurde beispielsweise eine Informationspflicht bejaht bei Hurrican-Gefahr (OLG Frankfurt, Urteil vom 24.04.03, 16 U 164/00). Dies ist jedoch mit dem vorliegenden Fall der Chikungunya-Gefahr auf Mauritius nicht vergleichbar, da diese einerseits im Zielgebiet nicht so unüblich ist, dass sich der Reisende nicht ohnehin darauf einstellen müsste, und da dieser andererseits wirksamer begegnet werden kann als einem Hurrican. Auch lag eine konkrete Gefährdungssituation, über die hätte informiert werden müssen, bei Vertragsschluss nicht vor.
11. Schließlich besteht auch kein Anspruch der Kläger auf Rückerstattung der Stornokosten, weil die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht wirksam einbezogen wurden. Die Bezugnahme auf der Rückseite des Flyers ist keineswegs versteckt und unauffällig, sondern deutlich und augenfällig. Auch die Frage nach der Möglichkeit der Kenntnisnahme ist objektiv zu beurteilen. Dass die Kläger den ihnen unstreitig übersandten Katalog mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen weggeworfen haben, schließt die Kenntnisnahmemöglichkeit nicht aus.
12. Die Berufung hat daher keine Aussicht auf Erfolg. Zur Vermeidung weiterer Kosten wird eine Rücknahme der Berufung angeregt.
13. Die Berufungsklagepartei erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Hinweises.
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