Unfall im Hotel

OLG Frankfurt: Unfall im Hotel

Eine Urlauberin befand sich fünf Tage lang mit einer akuten Nierenvergiftung in dem von ihr gebuchten Hotelzimmer. Da sie ein „Bitte nicht stören“ Schild an die Tür gehangen hatte, fanden die Hotelmitarbeiter sie erst am Tag ihrer geplanten Abreise. Die Klägerin ist der Meinung, die Angestellten hätten früher nach ihr sehen müssen und verklagt das Hotel auf Schadensersatz.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Aus dem zwischen der Klägerin und dem Hotelier geschlossenen Vertrag ergebe sich keine Verpflichtung regelmäßig nach den Hotelgästen zu sehen.

OLG Frankfurt 16 U 23/09 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 28.09.2009
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2009, Az: 16 U 23/09
LG Frankfurt, Urt. v. 09.01.2009, Az: 19 O 153/08
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Hessen-Gerichtsurteile

Oberlandesgericht Frankfurt

1. Urteil vom 28. September 2009

Aktenzeichen: 16 U 23/09

Leitsatz:

2. Hotelier trifft keine Pflicht, sich regelmäßig nach dem Wohlbefinden der Gäste zu erkundigen.

Zusammenfassung:.

3. Eine Urlauberin buchte einen Alleinaufenthalt in einem Hotel. Weil sie sich mehrere Tage nicht bei ihrem Ehemann meldete, bat dieser das Personal darum, Kontakt mit der Frau aufzunehmen. Da diese ein „Bitte nicht stören“ Schild an ihrer Tür befestigt hatte, schoben die Angestellten lediglich Notizzettel unter der Tür hindurch, auf denen stand, dass sie sich bei ihrem Ehemann melden solle.
Erst am Tag der Abreise fanden die Hotelangestellten die Urlauberin schließlich mit einer Harnvergiftung im Bett liegend.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Mitarbeiter hätten sich früher direkt nach ihr erkundigen müssen und verlangt daher eine Schadensersatzzahlung nach §280 I BGB.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Aus dem zwischen Hotelier und Klägerin abgeschlossenen Beherbergungsvertrag ergebe sich keine Handlungspflicht des Hoteliers im Bezug auf eine Nachforschung bezüglich der Gesundheit der Gäste.
Durch das Schild an der Zimmertür mussten die Angestellten davon ausgehen, dass die Klägerin ihre Privatsphäre haben wolle.
Auch verwirkliche sich in einer Harnvergiftung kein spezielles vertragstypisches Risiko, sondern lediglich ein allgemeines Lebensrisiko, welches dem Beklagten nicht zugeschrieben werden könne.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 9.1.2009 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LGs in Frankfurt/Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

5. Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Reise nach O1 (O1) in L1 in das Hotel A für die Zeit vom 18. Mai bis 1. Juni 2007 zum Preis von 568 €. Sie bewohnte dort ein Einzelzimmer.

6. Am 31. Mai fand kein Zimmerservice statt, weil die Klägerin an die Tür ihres Zimmers ein „Don’t disturb“-Schild angebracht hatte. Auf einem unter der Tür durchgeschobenen Nachrichtenzettel fand sich die Mitteilung, daß ihr Ehemann „vielfach“ angerufen habe und sich Sorgen mache, da sie sich nicht gemeldet habe. Zwei weitere Nachrichtenzettel, darunter eine Nachricht des Hotels mit dem Hinweis, man habe versucht, sie zu erreichen, sie möge sich dringend melden, wurden für die Klägerin am 1. Juni unter der Tür durchgeschoben.

7. Das Schild „Don’t disturb“ hing an diesem Tag noch immer an der Zimmertür. Als im Laufe des Tages das Hotelzimmer geöffnet wurde, lag die Klägerin mit einer durch akutes Nierenversagen bedingten Harnvergiftung ohnmächtig auf dem Bett. Sie wurde auf die Intensivstation eines Krankenhauses gebracht und befand sich fünf Tage im Koma.

8. Wegen der Folgen dieses Ereignisses macht die Klägerin der Beklagten gegenüber Schadensersatzansprüche geltend. Sie ist der Auffassung, daß aufgrund der gegebenen Verhältnisse das Hotelpersonal früher nach ihr habe sehen müssen. Für diese Nachlässigkeit habe die Beklagte einzustehen. Wegen der weiteren Einzelheiten sowie wegen der Berechnung des Schadens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

9. Die Klägerin hat beantragt die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.529,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.10.2007 sowie weitere € 3.780,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.06.2008 zu zahlen;

10. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.10.2007 zu zahlen;

11. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch noch entsteht, daß die Beklagte erst am Nachmittag des 01.06.2007 ärztliche Hilfe für sie geholt hat, obwohl sie bereits seit dem 30.05.2007 ohnmächtig in ihrem Hotelzimmer gelegen hat;

12. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 1.196,43 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.06.2008 zu zahlen.

13. Die Beklagte hat beantragt die Klage abzuweisen.

14. Sie hat die Ansicht vertreten, der Vorfall sei als Teil des allgemeinen Lebensrisikos der Klägerin zu betrachten. Insbesondere liege keine Pflichtverletzung vor, denn es bestehe keine Pflicht, Reisegäste zu überwachen und zu kontrollieren. Es komme öfter vor, daß sich Reisende mit Urlaubsbekanntschaften auf ihre Zimmer zurückzögen und nicht gestört werden wollten. Anrufe Von Ehegatten Alleinreisender, die mit fehlenden Rückrufen begründet werden, seien in Hotels an der Tagesordnung.

15. Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

16. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß schon kein Reisemangel und damit auch keine deliktische Pflichtverletzung vorliege, Die Erkrankung der Klägerin falle in den Bereich des allgemeinen Lebensrisikos. Anknüpfungspunkt für Ansprüche gegen die Beklagte könnte nur der Umstand sein, daß trotz Anrufen des Ehemannes der Klägerin das Hotelzimmer der Klägerin nicht früher geöffnet wurde. Hierzu seien die Mitarbeiter des Hotels als Erfüllungsgehilfen der Beklagten jedoch nicht verpflichtet gewesen. Ebensowenig habe Veranlassung für die Beklagte selbst bestanden, auf entsprechende Maßnahmen seitens des Hotels hinzuwirken.

17. Den Reiseveranstalter träfen zwar Obhuts- und Fürsorgepflichten gegenüber dem Reisenden. Diese gingen jedoch nicht so weit, auf Wunsch dritter Personen, sei es auch, wie hier, der – nicht mitreisende – Ehegatte, ein mit dem Hinweis „Do not disturb“ versehenes Hotelzimmer zu öffnen, ohne daß hinreichende Anhaltspunkte dafür bestünden, daß ein Notfall vorliegt. Darin läge ein massiver Eingriff in die Privatsphäre des Hotelgastes, der ausdrücklich seinen Wunsch, nicht gestört zu werden, kundgetan habe. Vielmehr würde umgekehrt ein solches Verhalten einen Reisemangel begründen. Eine Situation, in der sich ein Hotelgast in seinem Zimmer in einer hilflosen Lage befindet, ohne wenigstens zunächst noch die Möglichkeit zu haben, sich mit dem im Zimmer vorhandenen Telefon oder auch unmittelbar akustisch bemerkbar zu machen, sei ausgesprochen unwahrscheinlich. Der bloße – durch einen Dritten behauptete – Umstand, daß sich ein Hotelgast entgegen seiner sonstigen Gewohnheit nicht gemeldet habe und keine Anrufe entgegennehme, stelle keinen hinreichenden Anhaltspunkt für einen solchen Notfall dar.

18. Erst als sich das „Do not disturb“-Schild auch am zweiten Tag hintereinander an der Tür befunden und die Klägerin auch auf die Bitte des Hotels um Meldung nicht reagiert habe, habe Veranlassung bestanden, das Hotelzimmer zu öffnen.

19. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt.

20. Das LG sei unzutreffend davon ausgegangen, daß keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Notfall und damit für eine Handlungsverpflichtung des Reiseveranstalters dahingehend bestanden habe, das mit dem Hinweisschild „Don’t disturb“ versehene Zimmer der Klägerin zu öffnen.

21. Sie behauptet weiterhin, daß ihr Ehemann mindestens 20 Mal bei der Rezeption des Hotels angerufen und gebeten habe, nach ihr zu sehen, da ihr etwas zugestoßen sein müsse und überreicht eine Aufstellung der Einzelgesprächsnachweise für den Anschluß ihres Ehemanns.

22. Die Klägerin beantragt unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.529,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.10.2007 sowie weitere € 3.780,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.062008 zu zahlen;

23. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.10.2007 zu zahlen;

24. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch noch entsteht, daß die Beklagte erst am Nachmittag des 01.06.2007 ärztliche Hilfe für sie geholt hat, obwohl sie bereits seit dem 30.05.2007 ohnmächtig in ihrem Hotelzimmer gelegen hat;

25. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 1.196,43 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.06.2008 zu zahlen.

26. Die Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.

27. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

28. Zur Ergänzung wird im übrigen auf das angefochtene Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

29. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

30. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht zu, denn es kann nicht festgestellt werden, daß die Beklagte als Reiseveranstalter eine ihr der Klägerin gegenüber obliegende Pflicht verletzt hätte.

31. In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil geht der Senat davon aus, daß ein Fehlverhalten von Mitarbeitern des Hotels nicht festgestellt werden kann. Zutreffend geht das LG insoweit davon aus, daß jedenfalls am 31.5.2007 im Hinblick auf das an die Tür gehängte Schild „Don’t disturb“ ein Betreten des Zimmers ohne Einwilligung des darin wohnenden Hotelgasts eine Störung der Privatsphäre gewesen wäre, der sich das Hotelpersonal zu Recht nicht aussetzen wollte.

32. Daran ändern auch die von dem Ehemann der Klägerin angeblich mit der Rezeption geführten Telefonate nichts, die zwar immerhin dazu geführt haben, daß entsprechende Benachrichtigungszettel unter der Zimmertür durchgeschoben wurden, die aber offensichtlich nicht ausreichend auf mögliche Gefahren für die Klägerin – die zum damaligen Zeitpunkt auch unstreitig unter keinen akuten Krankheiten litt – hinwiesen. Ebenso zu Recht hat das LG darauf hingewiesen, daß lediglich ein Verweis darauf, daß der oder die Betreffende sich nicht abredegemäß per Telefon bei einer dritten Person gemeldet habe, reicht nicht aus, um etwaige Notmaßnahmen in die Wege zu leiten. Darüber hinaus bezweifelt der Senat, daß tatsächlich in dem Umfang – wie von der Klägerin behauptet – Telefonate stattgefunden haben. Die von der Klägerin in der Berufung vorgelegte Telefonabrechnung weist zum Beispiel für den fraglichen Zeitraum kein einziges Gespräch für die Nacht vom 30.5 zum 31.5 und nur ein Gespräch am 31.5. um 21.43 Uhr nach L1 auf.

33. Im weiteren können diese Vorkommnisse jedoch dahingestellt bleiben, und es bedarf auch keiner Entscheidung zu der Frage, ob in erster oder zweiter Instanz der Ehemann der Klägerin als Zeuge hätte vernommen werden müssen, denn hierauf kommt es jedenfalls in dem Verhältnis zu dem hier verklagten Reiseveranstalter nicht an.

34. Nach ständiger Rechtsprechung des BGHs trifft die Verkehrssicherungspflicht für das Hotel bzw. den Club und seine Einrichtungen in erster Linie den Hotel- bzw. Clubbetreiber, weswegen die Klägerin auch in erster Linie das Hotel hätte in Anspruch nehmen können und müssen. Daneben hat zwar auch der Reiseveranstalter eine eigene Verkehrssicherungspflicht bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen. Sie betrifft allerdings nur die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger und die Beschaffenheit der Vertragshotels bzw. Ferienclubs. Es sind diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Reiseveranstalter für ausreichend halten darf, um die Reisenden vor Schaden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Welche Maßnahmen im vorliegenden Fall der Reiseveranstalter hätte treffen können und müssen, um die Klägerin vor dem eingetretenen Schaden zu bewahren, hat sie noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, lassen sich nach dem vorstehend Dargelegten für diesen speziellen Fall auch nicht aus allgemeinen Überlegungen ableiten.

35. Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

36. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

37. Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen einer grundsätzlichen Bedeutung oder das Erfordernis der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht vorliegen.

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