Cross-Border-Selling Cross-Ticketing der Lufthansa
OLG Köln: Cross-Border-Selling Cross-Ticketing der Lufthansa
Ein Verbraucher nimmt ein Luftfahrtunternehmen in Anspruch auf Unterlassen einer verwendeten Vertragsklauseln gem. §307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Fluggäste.
Das Gericht entschied, das die Klage nur teilweise abgewiesen wird und das Luftfahrtunternehmen eine Bestimmung zu unetrlassen hat.
OLG Köln | 6 U 224/08 (Aktenzeichen) |
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OLG Köln: | OLG Köln, Urt. vom 31.07.2009 |
Rechtsweg: | OLG Köln, Urt. v. 31.07.2009, Az: 6 U 224/08 |
LG Köln, Urt. v. 19.11.2008, Az: 26 O 652/08 | |
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Leitsatz:
2. Eine Klausel benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders dann im Sinne des §307 Abs. 1 BGB unangemessen, wenn sie von bestehendem dispositiven Recht abweicht und diese Abweichung unter Abwägung der Interessen beider Seiten für den Vertragspartner des Verwenders nicht hinnehmbar erscheint.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall beantragt der Dachverband u.a. aller 16 Verbraucherzentralen in Deutschland das Unterlassen des Beklagten bezüglich vier Klauseln. Der Kläger sieht in den vier Klauseln eine gem. §307 BGB unangemessene Benachteiligung der Kunden, die in ihrem Recht beschnitten würden, anstelle der gesamten auch lediglich Teilleistungen in Anspruch zu nehmen.
Die Klausel 1) setze zudem unzulässiger Weise den in §305 b BGB normierten Vorrang der Individualabrede außer Kraft.
Das Gericht entschied, dass das Urteil teilweise abgeändert wird. Die Beklagte hat das Einbeziehen der Bestimmung „Die vereinbarte Beförderungsleistung umfasst die Beförderungsstrecke, die im Flugschein enthalten ist, beginnend mit dem ersten und endend mit dem letzten Ort der gesamten im Flugschein eingetragenen Streckenführung“ zu unterlassen. Die restliche Klage wird abgewiesen. Die Klausel ist unangemessen, weil sie so verstanden werden kann, als würde eine etwa getroffene Individualabrede über Rechte des Kunden, auch bloße Teilstrecken in Anspruch zu nehmen, nicht gelten.
Tenor:
4. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.11.2008 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LGs Köln –26 O 125/07 – teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Luftbeförderungsverträgen mit Verbrauchern, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, die nachfolgend wiedergegebene oder eine inhaltsgleiche Bestimmung einzubeziehen oder sich auf solche Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger nach dem 01.07.1977 geschlossener Verträge zu berufen:
„Die vereinbarte Beförderungsleistung umfasst die Beförderungsstrecke, die im Flugschein enthalten ist, beginnend mit dem ersten und endend mit dem letzten Ort der gesamten im Flugschein eingetragenen Streckenführung“.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot zu Ziffer 1 die Festsetzung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten angedroht.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger zu 1/ 4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung des Zahlungsanspruches und des Kostenerstattungsan-spruches kann der jeweilige Vollstreckungsschuldner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird in dem Umfang zugelassen, in dem die Berufung Erfolg hat.
Gründe:
5. Der Kläger ist der Dachverband u.a. aller 16 Verbraucherzentralen in Deutschland und als solcher in die gem. §4 Abs. 1 UKlaG geführte Liste eingetragen.“
6. Er beanstandet bestimmte von der Beklagten, der Deutschen Lufthansa AG, verwendete Vertragsklauseln gem. §307 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Fluggäste. Die von der Beklagten im Geschäftsverkehr verwendeten „Beförderungsbedingungen für Fluggäste und Gepäck (ABB Flugpassage)” enthalten in Ziffer 3.3 Regelungen über die Reihenfolge der Benutzung der Flugcoupons. Die ersten vier Sätze der Bestimmung unter Ziffer 3.31 – im Folgenden: „Klausel 1) – 4)” – bilden den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
„Die vereinbarte Beförderungsleistung umfasst die Beförderungsstrecke, die im Flugschein enthalten ist, beginnend mit dem ersten und endend mit dem letzten Ort der gesamten im Flugschein eingetragenen Streckenführung. Der Flugschein verliert seine Gültigkeit und wird nicht zur Beförderung angenommen, wenn Sie nicht alle Flugcoupons vollständig und in der im Flugschein vorgesehenen Reihenfolge ausnutzen. Die Inanspruchnahme der gesamten Beförderungsleistung ist wesentlicher Bestandteil des mit uns geschlossenen Beförderungsvertrages. Die Kündigung einzelner Teilstrecken (Coupons) ist vertraglich ausgeschlossen.“
8. Anschließend finden sich unter der Überschrift „Umschreibung auf Wunsch des Fluggastes“ in Ziffer 3.3.2 Regelungen für den Fall, dass der Kunde Änderungen an der vorgesehenen Beförderung vornehmen will. Er kann danach im Regelfall zu dem nachberechneten Preis für die veränderte Beförderung diese in Anspruch nehmen. Eine Sonderregelung ist für den Fall vorgesehen, dass der Änderungswunsch des Kunden auf höherer Gewalt beruht. Wegen des Wortlauts dieser Bestimmungen und des übrigen Regelwerks wird auf den als Anlage K 2 zur Klageschrift (Bl. 15 ff) vorgelegten Text der Beförderungsbedingungen der Beklagten Bezug genommen.
9. Der Kläger sieht in den vier Klauseln eine gem. §307 BGB unangemessene Benachteiligung der Kunden, die in ihrem Recht beschnitten würden, anstelle der gesamten auch lediglich Teilleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Klausel 1) setze zudem unzulässig erweise den in §305 b BGB normierten Vorrang der Individualabrede außer Kraft.
10. Die Beklagte hält das angegriffene Regelwerk für nicht kontrollfähig und sieht es als zur Stützung ihres Tarifsystems notwendig an. Danach biete sie z.B. Flüge mit kürzeren Flugstrecken teilweise zu höheren Preisen als solche auf längeren Strecken an, was im Einzelfall ohne Regulierung die Möglichkeit eröffne, mit dem günstigeren, von ihr aber für die längere Strecke ausgegebenen Ticket erst an demjenigen Flughafen zuzusteigen, von dem aus der Flug nach ihren Tarifen den höheren Preis koste, und so das Tarifsystem zu unterlaufen, das indes wegen unterschiedlicher Marktgegebenheiten an den verschiedenen Abflugorten notwendig sei.
11. Das LG hat der Beklagten antragsgemäß die Verwendung der vier Klauseln und inhaltsgleicher Regelungen gegenüber Kunden mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland sowie das Berufen auf solche Klauseln bei der Abwicklung von Verträgen, die nach dem 01.07.1977 geschlossen worden sind, untersagt und die Beklagte zur Zahlung von 200 EUR Abmahnkosten nebst Zinsen verurteilt.
12. Zur Begründung ihrer Berufung, mir der sie weiter die Abweisung der Klage begehrt, wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Klausel 1) stelle den Vorrang der Individualabrede nicht in Frage, zudem kämen solche angesichts der Online-Buchung aber auch nicht vor. Die Klauseln seien im übrigen zur Aufrechterhaltung ihres Tarifystems notwendig und stünden im Einklang mit Verlautbarungen der EU-Kommission. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
13. Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
14. Der Ausschluss des Rechts, nur Teile der gebuchten Flugstrecke in Anspruch zu nehmen, stellt sich nicht als unangemessene Benachteiligung der Fluggäste dar.
15. Demgegenüber rügt der Kläger mit Recht, dass durch die Klausel 1) der gesetzliche Vorrang der Individualabrede beseitigt wird, was eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des §307 Abs. 1 BGB darstellt.
17. Der Kläger ist im Hinblick auf seine Eintragung in die nach §4 UKlaG von dem Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen gem. §§1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG befugt, die streitgegenständlichen Ansprüche geltend zu machen. Dass es sich bei den angegriffenen Vertragsbestimmungen, wie dies §1 UKlaG voraussetzt, um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, hat das LG zu Recht angenommen.
18. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß §305 Abs. 1 Satz 1 BGB alle „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt“. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Regelungen die Hauptleistungspflicht der Beklagten betreffen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 305, Rz. 5, Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 305 Rz. 7, jew. m.w.N.).
19. Zu Recht hat das LG auch die Kontrollfähigkeit der Klauseln gem. §§307 ff BGB seiner Entscheidung zugrundegelegt. Der Inhaltskontrolle unterliegen gem. §307 Abs. 3 S. 1 BGB solche Bestimmungen, „durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden“. Die streitgegenständlichen Bestimmungen stellen derartige Regelungen dar.
20. Es besteht Einigkeit darüber, dass nicht nur die Fälle der deklaratorischen Wiederholung des Gesetzestextes, sondern auch die Fälle der sog. Leistungsbeschreibung bzw. Preisbestimmung der Kontrolle entzogen sind, in denen mit der Regelung Art, Inhalt oder Umfang der zu erbringenden Leistung oder Gegenleistung bestimmt wird. Die angegriffenen AGB-Klauseln gehören zu beiden Fallgruppen aber nicht.
21. Nach gefestigter Rechtsprechung unterliegen solche Vertragsbestimmungen der Inhaltskontrolle nicht, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern von den Vertragspartnern festgelegt werden müssen.
22. Nicht kontrollfähig sind daher Vereinbarungen, die Art und Umfang der vertraglichen Leistungspflichten einschließlich der Preisgestaltung unmittelbar regeln, weil die Vertragsparteien nach dem im bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei bestimmen können. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen zwar betreffen, es aber lediglich einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind demgegenüber inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann.
23. Kontrollfrei sind danach insbesondere die wesentlichen Bestandteile des Vertrages („essentialia negotii“), nicht aber z.B. Nebenabreden, die zwar Auswirkungen auf die Hauptpflicht haben, diese aber nicht unmittelbar regeln, wie dies etwa bei Preisnebenabreden der Fall sein kann.
24. Danach sind die beanstandeten Klauseln einer Inhaltskontrolle unterworfen. Zu den essentialia negotii der von der Beklagten mit ihren Kunden geschlossenen Verträge gehören der Abflugort, der Zielort, der Flugtermin und der zu zahlende Flugpreis. In die dem Wettbewerb am Markt unterworfene Gestaltung dieser wechselseitigen Vertragspflichten im Wege der Inhaltskontrolle regulierend einzugreifen, wäre dem Senat verwehrt. Um jene wesentlichen Bestandteile des Beförderungsvertrages geht es in den vier angegriffenen Klauseln indes nicht. Diese legen vielmehr zusätzlich fest, dass der Kunde die vertraglich vereinbarte Leistung nur vollständig in Anspruch nehmen kann und nicht auf Teile von ihnen verzichten darf.
25. Es handelt sich damit um eine Nebenabrede, die die aufgeführten essentialia negotii unberührt lässt. Sie modifiziert die bezüglich der Inanspruchnahme der Flugleistung auf der vereinbarten Strecke am vereinbarten Tag zum vereinbarten Preis unverändert bestehenden Pflichten des Kunden lediglich und ist daher der Inhaltskontrolle unterworfen.
26. Es handelt sich auch nicht um bloß deklaratorische Bestimmungen, nämlich solche, durch die lediglich der Inhalt von ohnehin geltenden Rechtsvorschriften wiedergegeben wird.
27. Eine gesetzliche Bestimmung, die den Fluggast daran hindern könnte, einen Teil der vereinbarten Leistungen nicht in Anspruch zu nehmen und den Flugschein insoweit verfallen zu lassen, existiert nicht.
28. Ohne Erfolg trägt die Beklagte hierzu vor, es handele sich bei dem Beförderungsvertrag um ein Fixgeschäft, woraus sich ergebe, dass bei Nichtinanspruchnahme eines Teils die Leistung vollständig unmöglich werde und der Anspruch des Fluggastes gem. §275 Abs. 1 BGB insgesamt entfalle.
29. Mit den Klauseln steht nicht der Charakter des Beförderungsvertrages als auf einen konkreten Flugtermin bezogenes Fixgeschäft in Rede, sondern das Gebot der vollständigen Abnahme der gesamten Flugreise bzw. der gesamten als Hin- und Rückflug gebuchten Flugreisen. Die Inanspruchnahme der gesamten Flugreise mag unmöglich geworden sein, wenn der Fluggast eine Teilstrecke oder den vollständigen Hinflug verfallen lassen hat, indes ergibt sich das Gebot vollständiger Inanspruchnahme nicht – wie es §307 Abs. 3 S. 1 BGB voraussetzt – aus dem Gesetz, sondern allein aus den angegriffenen vertraglichen Bestimmungen. Diese stellen daher Regelungen dar, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen, und sind damit der Inhaltskontrolle nicht entzogen.
30. Die streitgegenständlichen Klauseln stellen nicht deswegen eine unangemessene Benachteiligung der Fluggäste dar, weil diese daran gehindert werden, nur Teile einer gebuchten Flugreise in Anspruch zu nehmen.
31. Eine Klausel benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders dann im Sinne des §307 Abs. 1 BGB unangemessen, wenn sie von bestehendem dispositiven Recht abweicht und diese Abweichung unter Abwägung der Interessen beider Seiten für den Vertragspartner des Verwenders nicht hinnehmbar erscheint.
32. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist danach unangemessen, „wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen“ (vgl. BGH NJW 2005, 1774 f; 2000, 1110).
33. Die Anwendung dieses Maßstabs setzt eine Ermittlung und Abwägung der wechselseitigen Interessen voraus. Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt ist (vgl. BGH NJW 05, 1775). Bei der Abwägung ist die in Rede stehende Klausel zudem nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenwirken mit anderen Vertragsbestimmungen zu betrachten.
34. Ausgehend hiervon kann die Regelung nicht als unangemessene Benachteiligung der Fluggäste angesehen werden. Das gilt sowohl bezüglich solcher Kunden, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gezielt eine Reise buchen, die sie nur teilweise in Anspruch nehmen wollen, – dazu nachfolgend a) – als auch hinsichtlich solcher Kunden, die zwar zunächst die gesamte Beförderungsleistung annehmen wollten, sich aber durch später eintretende Ereignisse wie etwa eine Erkrankung gehindert sehen, die Reise in vollem Umfange auch tatsächlich durchzuführen (dazu b).
35. Die Beklagte bietet Flugreisen zu Preisen an, deren Höhe sich nicht allein an der Länge der Flugstrecke, sondern auch an anderen Kriterien, wie dem Datum der Reise und den Marktverhältnissen am Abflugort orientiert.
36. Das führt dazu, dass der Preis für eine längere Flugstrecke niedriger liegen kann als der für eine kürzere zum selben Ziel. Im Einzelfall gilt das auch dann, wenn die längere Strecke über den Abflugort der kürzeren Strecke als Zwischenlandung führt.
37. So kann z.B. eine Reise von Frankfurt am Main nach São Paulo an einem bestimmten Tag in einer bestimmten Klasse 6.014 EUR kosten, während ein Flug nach São Paulo von Kairo aus über Frankfurt am Main nur 4.281 EUR kostet. Ohne dies unterbindende Regelungen ermöglicht dieses Tarifsystem es dem Kunden, das preisgünstigere Ticket ab Kairo zu buchen, die Teilstrecke von Kairo nach Frankfurt verfallen zu lassen und in Frankfurt zuzusteigen, um die von vornherein allein gewollte Reise von dort nach São Paulo für 4.281 EUR anzutreten („Cross border selling“).
38. Ebenso besteht die Möglichkeit, durch Vertauschung des Hinfluges mit dem Rückflug die niedrigeren Preise für Flüge von einem ausländischen Abflugort aus für Hinflüge zu nutzen, obwohl der Fluggast dort tatsächlich nicht den Hin-, sondern nur den Rückflug antritt. Weiter bietet sich die tatsächliche Option, zwischen zwei Flughäfen nicht nur einen Hin- und Rückflug, sondern – und zwar von dem preislich günstigeren Abflugort aus – zwei derartige Returnflüge zu buchen und von diesen jeweils nur eine Strecke zu nutzen und so den beabsichtigten Hin- und Rückflug von dem Abflugort aus anzutreten, von dem aus nach dem Tarifsystem der Beklagten teurere Flugpreise gelten („Crossticketing“).
39. Wegen der Einzelheiten dieser Möglichkeiten, ihr Tarifsystem zu umgehen, wird auf den unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung (dort S. 10 ff) Bezug genommen.
40. Die angegriffenen vier Klauseln hindern in ihrer Gesamtheit die Fluggäste daran, auf die beschriebene oder ähnliche Weise die Beförderung zu günstigeren Konditionen zu erreichen, als die Beklagte sie in ihrem Tarifsystem vorsieht.
41. Die Beklagte offeriert ihrem Kunden für den von diesem gewünschten Flug, soweit die Verbindung überhaupt in ihrem Flugplan enthalten ist, ein Angebot zu einem bestimmten von ihr festgelegten Preis. Sie bringt damit zum Ausdruck, zu welchen Konditionen sie bereit ist, den Fluggast an dem von diesem bestimmten Tag in der von ihm gewählten Klasse an den ausgesuchten Zielflughafen zu befördern, und macht deutlich, dass sie nicht willens ist, den Fluggast zu für diesen günstigeren Konditionen, also insbesondere zu einem niedrigeren Flugpreis, auf der gleichen Strecke reisen zu lassen. Dieses Ziel erreicht der Kunde indes, wenn er auf die beschriebene Weise das Tarifsystem umgehen und die Beklagte mit ihrem Preisgefüge „austricksen“ könnte.
42. Dies zu verhindern ist keine wie der BGH in NJW 05, 1775 formuliert hat „einseitige Vertragsgestaltung, durch die die Beklagte missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten ihrer Kunden durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen“.
43. Vielmehr stellt es eine berechtigte Wahrnehmung ihrer Interessen dar, wenn sie versucht, ein Unterlaufen ihrer Tarifstruktur zu verhindern. Umgekehrt verdient der Kunde keinen Schutz, der sieht, welchen Preis die Beklagte tatsächlich für den von ihm gewünschten Flug verlangt, und in Kenntnis dessen und ohne sein Vorhaben der Beklagten mitzuteilen, einen anderen, günstigeren Flug bucht, den er tatsächlich gar nicht vollständig in Anspruch nehmen will. Das Tarifsystem der Beklagten und seine Absicherung durch die angegriffenen Klauseln stellt sich damit nicht als unangemessene Benachteiligung der Kunden dar.
44. Ob es Bestand hat, obwohl die verlangten Preise so erheblich differieren, dass sich die beschriebenen Umgehungen wirtschaftlich lohnen, ist den regulierenden Kräften des Marktes überlassen und nicht dem Verdikt der im Sinne des §307 BGB unangemessenen Benachteiligung der Kunden ausgesetzt.
45. Aus den genannten Gründen vermag sich der Senat nicht der Meinung des OLG Frankfurt a.M. anzuschließen, nach dessen Auffassung eine solche Klausel „das Ziel hat, den Reisenden seines Weitertransportanspruches zu berauben“.
46. Soweit es die hier behandelte Gruppe von Kunden angeht, bei denen die gebuchte Flugstrecke der benötigten Strecke von vornherein nicht entspricht, trifft diese Wertung nicht zu.
47. Ohne Erfolg verweist der Kläger auch auf die Entscheidung „Gültigkeitsbefristung von Telefonkarten“, in der der BGH die Befristung der Gültigkeit von Telefonkarten als unangemessene Beeinträchtigung im Sinne des (damaligen) §9 Abs. 1 AGBGB angesehen hat.
48. Denn der jener Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt wies maßgebliche Unterschiede zu der vorliegenden Fallkonstellation auf. In jenem Verfahren war beanstandet worden, dass der Kunde, der eine für Telefonkarten ausgelegte Telefonzelle benutzen wollte, eine Karte für mindestens 12 DM erwerben musste und bei geringem Bedarf den nicht verbrauchten Gegenwert mit Ablauf des Gültigkeitszeitraumes verlor. Der BGH hat ausgeführt (Rz 27 ff), zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehöre das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung (BGHZ 96, 103, 109 m. w. Nachw.).
49. Die streitige Gültigkeitsbefristung greife in das Äquivalenzverhältnis des Telefonkartenvertrags insoweit ein, als der Kunde die beim Erwerb der Karte vorausbezahlten Gesprächseinheiten nur im Rahmen der Geltungsdauer in Anspruch nehmen könne. In ihrer konkreten Ausgestaltung enthalte die Gültigkeitsbefristung der Telefonkarten einen so weitgehenden Eingriff in das vertragliche Äquivalenzverhältnis, dass sie als unvereinbar mit dem Äquivalenzprinzip und als unangemessene Benachteiligung der Karteninhaber angesehen werden müsse.
50. Diese Wertung kann auf die im vorliegenden Verfahren bestehende Fallkonstellation nicht übertragen werden: während dort die Kunden – in Zeiten des Anfangs der Verbreitung des Mobilfunks – einerseits auf den Erwerb einer Telefonkarte angewiesen waren, um das Angebot des Telefonierens von den auf Telefonkarten umgerüsteten öffentlichen Telefonapparaten aus wahrnehmen zu können, und andererseits bei geringem Bedarf das Entstehen von Restguthaben im Zeitpunkt des Ablaufes der Gültigkeitsdauer nicht verhindern konnten und sie erst Recht hieran kein Verschulden traf, haben die Kunden der Beklagten in der in Rede stehenden Fallkonstellation die Störung des Äquivalenzverhältnisses bewusst herbeigeführt, indem sie die Flugreise nicht so antreten wollten, wie sie sie gebucht haben.
51. Die Unwirksamkeit der Klauseln kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass diejenigen Kunden der Beklagten unangemessen benachteiligt würden, die die Flugreise im Zeitpunkt der Buchung entsprechend den Vorgaben der Beklagten vollständig antreten wollen, sich hieran aber durch anschließende unvorhergesehene Entwicklungen beruflicher oder auch privater Art (z.B. Erkrankungen) gehindert sehen (sog. „Schicksalsfälle“).
52. Die Beklagte hat diese Fallkonstellationen gesondert, nämlich in Ziff. 3.3.2 der ABB Flugpassage geregelt. Diese Klauseln hat der Kläger nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Sie sind auch nicht deswegen von dem Senat bei der Prüfung der streitgegenständlichen Klauseln mit heranzuziehen, weil gem. §310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessen Benachteiligung nach §307 Abs. 1 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen sind. Denn diese auf den Individualprozess zugeschnittene Bestimmung ist im Verbandsverfahren nicht anwendbar. Der Senat hat im Rahmen der Prüfung der streitgegenständlichen Klauseln im Hinblick auf die Schicksalsfälle daher ausschließlich darauf abzustellen, dass für diese eine Regelung getroffen worden ist. Eine Unangemessenheitsprüfung auch dieser Klauseln hat er nicht vorzunehmen, weil sie von dem Klageantrag nicht erfasst sind.
53. Ungeachtet dessen ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Klausel 3.3.2 der ABB Flugpassage eine unangemessene Benachteiligung der Kunden enthalten sollte.
54. Durch diese wird der Fluggast bei Umbuchungen, die er aus in seiner Sphäre liegenden Gründen vorzunehmen wünscht, hinsichtlich des zu zahlenden Flugpreises dem Kunden gleichgestellt, der die nunmehr gewünschte Verbindung sogleich bei der Buchung gewählt hat. Zudem enthält die Klausel in ihrem Satz 3 eine Regelung, wonach in Fällen höherer Gewalt und rechtzeitiger Kontaktaufnahme keine Mehrkosten auf den Kunden zukommen, wenn er auf eine andere als die gebuchte Weise zu seinem Zwischen- oder Endziel befördert wird. Der Beklagte hat denn auch selbst nicht näher dargelegt, warum (auch) die Regelung in Ziffer 3.3.2 der ABB Flugpassage eine unangemessene Benachteiligung darstellen soll. Soweit er angedeutet hat, die virtuelle Eingabemaske, die bei der über das Internet erfolgenden Buchung von der Beklagten verwendet werde, entspreche den dargestellten in den AGB der Beklagten enthaltenen Regelungen nicht, ist diese Frage der konkreten Verwendung der AGB gegenüber den Kunden im – wenn auch standardisierten – Einzelfall im vorliegenden Verbandsprozess unbeachtlich.
55. Die Berufung hat keinen Erfolg, soweit der Kläger rügt, Klausel 1) verstoße gegen den in §305 b BGB normierten Vorrang der Individualabrede.
56. Hierzu geht der – für sich genommen zutreffende – Einwand der Beklagten fehl, ein Verstoß gegen §305 b BGB könne im vorliegenden Verbandverfahren nach §§1, 3 UKlaG nicht überprüft werden. Der Vorwurf des Klägers richtet sich dagegen, dass die Beklagte mit der vorzitierten Regelung eine Geschäftsbedingung aufstelle, die die verbindliche Regelung des § 305 b BGB außer Kraft setze. Damit wird der Sache nach ein Verstoß gegen §307 BGB gerügt (vgl. Heinrichs, a.a.O., § 305 b Rz. 5 a. E.; Grüneberg, a.a.O., § 307 Rz. 146), der dem Verbandprozess zugänglich ist.
57. Dies auch zu Recht: Der Beurteilung von AGB-Klauseln ist im Verbandprozess die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen.
58. Danach stellt die Klausel eine unangemessene Benachteiligung dar, weil sie so verstanden werden kann, als würde eine etwa getroffene Individualabrede über Rechte des Kunden, auch bloße Teilstrecken in Anspruch zu nehmen, nicht gelten. Die Formulierung, wonach die „vereinbarte Beförderungsleistung“ eine bestimmte Beförderungsstrecke umfasst, kann nämlich so verstanden werden, dass unabhängig davon, was eventuell mündlich vereinbart worden ist, tatsächlich die Beförderungsleistung in dem Umfang vereinbart sein soll, wie sie sich aus der Klausel ergibt, der Kunde also verpflichtet ist, die gesamte im Flugschein aufgeführte Flugstrecke vom Abflugzeit über eventuelle Zwischenlandungen bis zum Zielort in Anspruch zu nehmen.
59. Damit soll der Sache nach dieser Klausel der Vorrang vor etwaigen Individualabreden eingeräumt werden. Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, das von der Beklagten bei der Buchung verwendete EDV-System lasse individuelle Vereinbarungen nicht zu. Selbst wenn das so sein sollte, änderte dies an der Unangemessenheit der Klausel nichts. Zudem trägt die Beklagte selbst nicht vor, dass die angegriffenen AGB ausschließlich für Individualbuchungen per Internet gestellt werden. Überdies können Buchungen auch über Reisebüros erfolgen, die sie für den Kunden über die aus der Anlage K 6 c ersichtliche Eingabemaske im Internet vornehmen. In einer solchen Situation sind individuelle Vereinbarungen ohne weiteres denkbar. Soweit die Beklagte sich weiter darauf stützt, tatsächlich seien etwaige Individualabreden vorrangig, verhilft auch dies der Berufung in diesem Punkt nicht zum Erfolg, weil eben diesen Vorrang zu beseitigen gerade Inhalt der angegriffenen Klausel ist, die deswegen in der jetzigen Form keinen Bestand haben kann.
60. Der Anspruch auf Ersatz der durch die Abmahnung vom 31.01.2007 dem Kläger entstandenen Kosten nebst Zinsen ist unbegründet.
61. Gem. §§5 UKlaG, 12 Abs. 1 UWG kann der Kläger den Ersatz von Abmahnkosten verlangen, wenn die Abmahnung berechtigt war (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm UWG, 27. Aufl., § 12 Rz 1.80). Daran fehlt es. Die Abmahnung hatte von den streitgegenständlichen Klauseln lediglich diejenigen zu 2) – 4) zum Gegenstand und war daher aus den vorstehenden Gründen in vollem Umfange unbegründet. Die unter dem Aspekt des Ausschlusses des Vorrangs der Individualabrede berechtigte Beanstandung der Klausel zu 1) ist demgegenüber nicht abgemahnt worden.
62. Die Kostenentscheidung beruht auf §92 Abs. 1 ZPO.
63. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§708 Nr. 10, 711 ZPO.
64. Soweit durch das vorliegende Senatsurteil die Klage abgewiesen wird, ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 18.12.2008 – 16 U 76/08 – die Revision zuzulassen. Im übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. §543 Abs. 2 ZPO nicht vor.
65. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des – in der Ausfertigung unrichtig auf den „23.1.2000“ datierten – Senatsbeschlusses vom 24.02.2009 auf insgesamt 80.000 EUR festgesetzt. Im Berufungsverfahren ist für die Wertfestsetzung gem. §48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO das Interesse der Beklagten als Berufungsführer an der Abweisung der Klage maßgeblich. Dem wird der bislang entsprechend der erstinstanzlichen Festsetzung bestimmte Wert von 12.000 EUR nicht gerecht. Auch unter Berücksichtigung der in §48 Abs. 1 S. 3 GKG festgelegten Höchstgrenze von 250.000 EUR gebietet das erhebliche Interesse der Beklagten an der Beibehaltung der streitgegenständlichen Regelungen vielmehr eine Wertfestsetzung auf 20.000 EUR für jede der vier angegriffenen Klauseln.
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