Schiffsaufenthalt im Trockendock ist ein Reisemangel
AG Erkelenz: Schiffsaufenthalt im Trockendock ist ein Reisemangel
Mehrere Fahrgäste einer Kreuzfahrt verklagen die veranstaltende Reederei auf Reisepreisminderung, weil die geplante Fahrt, wegen eines technischen Defekts, erst verspätet startete und einen zwei-tägigen Aufenthalt im Trockendock beinhaltete.
Das Amtsgericht Erkelenz entspricht der Forderung der Kläger. In einem zwei-tägigen Aufenthalt im Trockendock sei ein Reisemangel zu sehen.
AG Erkelenz | 14 C 464/03 (Aktenzeichen) |
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AG Erkelenz: | AG Erkelenz, Urt. vom 27.01.2003 |
Rechtsweg: | AG Erkelenz, Urt. v. 27.01.2003, Az: 14 C 464/03 |
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Leitsatz:
2. Ein mehrtägiger Aufenthalt im Trockendock, während einer Kreuzfahrt, begründet einen Reisemangel und berechtigt die Reisenden zu einer Reisepreisminderung.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger buchten bei der beklagten Reederei eine Kreuzfahrt. Wegen eines technischen Defekts, startete die Kreuzfahrt mit einem zweitägigen Aufenthalt im Trockendock. Während dieser Zeit wurde den Reisenden ein Ersatzprogramm angeboten. Nach den zwei Tagen wurde mit der eigentlichen Kreuzfahrt begonnen, jedoch wurden aufgrund des zweitägigen Zeitverlustes nicht alle Häfen angefahren. Die Kläger begehren gerichtlich eine Reisepreisminderung.
Das Amtsgericht Erkelenz hat den Klägern eine Reisepreisminderung zugesprochen, da es sich bei einem Aufenthalt im Trockendock um einen Reisemangel handelt. Des Weiteren wurde durch das Abweichen von der geplanten Route die Kreuzfahrt nicht so durchgeführt wie geschuldet.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.251,10 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2003 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages.
Der Klägerin wird nachgelassen, eine Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
5. Die Parteien streiten um Minderungsansprüche in Bezug auf eine von der Beklagten angebotene Kreuzfahrt.
6. Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Kreuzfahrt auf der MS X von Genua aus mit der Reiseroute Kanarische Inseln, Madeira und Marokko für zwei Personen; die Kreuzfahrt sollte am 3. März 2003 beginnen, die Rückkehr nach Genua war für den 17.3. geplant. Der reine Reisepreis für die Kreuzfahrt betrug 7.298,00 EUR, hinzu kamen Kosten für eine Reiserücktrittskostenversicherung sowie insgesamt sechs Landausflüge (Barcelona, Cadiz, Casablanca, Agadir, Lanzarote und Las Palmas).
7. Im Hafen von Genua kam es zu einer Beschädigung des Schiffes, so dass dieses in ein Trockendock verbracht werden musste. Das Schiff befand sich daher vom 3.3. bis zum frühen Morgen des 6.3. im Trockendock und lief erst am 6.3.2003 gegen 2.00 Uhr morgens aus. Das Schiff lief dann wegen der Verkürzung der Reisezeit unmittelbar Casablanca an, so dass insgesamt die Häfen Barcelona, Cadiz und Las Palmas nicht angelaufen wurden. Die Beklagte bot während der Liegezeit im Trockendock am 4.3. eine Stadtrundfahrt in Genua und am 5.3. einen Ausflug nach Monaco ohne Berechnung an.
8. Die Kosten für die ausgefallenen Landausflüge erstattete die Beklagte. Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 31. März von der Beklagten eine Minderung des Reisepreises. Mit Schreiben vom 12.6.2003 mahnte sie die Zahlung des von ihr auf 1.575,60 EUR bezifferten Betrages letztmalig an.
9. Die Klägerin ist der Ansicht, der Wert der Reise sei durch die Verzögerung der Abreise und die drei nicht angelaufenen Häfen um mindestens 20% gemindert.
11. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.575,60 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2003 zu zahlen.
14. Sie meint, der objektive Wert der Reise sei nicht gemindert gewesen. Ferner behauptet sie, an der Havarie des Schiffes treffe sie kein Verschulden.
Entscheidungsgründe:
15. Die zulässige Klage hat auch der Sache nach überwiegend Erfolg.
16. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 1.251,10 EUR aus §§ 651 d Abs. 1, 638 Abs. 4 BGB.
17. Der Reisepreis für die von der Klägerin gebuchte Kreuzfahrt ist nach § 651d Absatz 1 BGB um diesen Betrag gemindert.
18. Die Kreuzfahrt wurde durch die Beklagte im Sinne des § 651 c Abs. 1 BGB mangelhaft erbracht. Ein Reisemangel im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reise von der vertraglich vereinbarten oder von den Parteien stillschweigend vorausgesetzten Sollbeschaffenheit abweicht und dies dazu führt, dass der Nutzen der Reise aufgehoben oder gemindert ist.
19. Die in Rede stehende Kreuzfahrt weicht insoweit von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit ab, dass die Kreuzfahrt als solche nicht am vereinbarten Auslauftag, dem 3.3.2003, sondern erst in der Nacht zum 6.3.2003 begann, die Kreuzfahrt als solche also um mehr als 2 Tage verkürzt wurde. Hinzu kommt, dass infolge der Verkürzung der Kreuzfahrt drei geplante Landaufenthalte nicht stattfinden konnten.
20. Das Liegen des Schiffes im Trockendock in Genua kann beim besten Willen auch bereits sprachlich nicht als Kreuzfahrt angesehen werden, denn bereits begrifflich setzt eine Kreuzfahrt voraus, dass das Schiff von Hafen zu Hafen fährt und nicht im wahrsten Wortsinn auf dem Trockenen liegt.
21. Diese Abweichung hat die Tauglichkeit der Reise auch erheblich gemindert. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Klägerin während der Trockendockliegezeit die gleichsam „hotelmäßigen“ Leistungen in Anspruch nehmen konnte und dass auch ein Ersatzprogramm geboten wurde. All dies führt aber nicht dazu, dass keine Minderung des Reisenutzens anzunehmen wäre, denn die Klägerin hatte nicht etwa einen mehrtägigen Hotelaufenthalt in Genua, sondern eben eine Kreuzfahrt gebucht. Der wesentliche Erholungs- und Erlebniswert einer derartigen Reise besteht gerade darin, dass sich das Kreuzfahrtschiff zu verschiedenen Häfen bewegt und dies auch mit dem Fahren über See verbunden ist.
22. Es ist für das Vorliegen eines Mangels auch unerheblich, ob die Beklagte ein Verschulden trifft oder nicht, denn für die vertragsgemäße Beschaffenheit der Reise hat sie auch ohne Verschulden einzustehen.
23. Abgesehen davon, dass die Beklagte den – allerdings wenig substantiierten – Vortrag der Klägerin nicht bestritten hat, sie habe den Mangel der Reiseleitung angezeigt, wäre eine solche Anzeige hier auch entbehrlich gewesen. Die nach § 651 c) erforderliche Anzeige des Mangels soll den Reiseveranstalter in die Lage versetzen, Abhilfe zu schaffen. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten war der Trockendockaufenthalt aber zwingend erforderlich, so dass die Beklagte gar nicht in der Lage gewesen wäre, Abhilfe zu schaffen. Schließlich ist der Beklagten bzw. deren Reiseleitung an Bord die Tatsache, dass das Schiff im Trockendock lag und eine drastisch verkürzte Reiseroute wählte, auch von Anfang an offensichtlich bekannt gewesen, so dass es einer Mängelanzeige und eines Abhilfeverlangens der Klägerin gar nicht bedurft hätte; dieses zu fordern wäre insoweit reine Förmelei.
24. Die Klägerin hat ihre Ansprüche schließlich auch innerhalb der Frist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 g gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
25. Der Reisepreis ist danach gemindert. Das Gericht beziffert die Minderung auf 1.251,10 EUR. Dabei ist von folgender Überlegung auszugehen: Der Reisepreis ohne gesondert abzurechnende Sonderleistungen wie Landausflüge und Versicherungen beläuft sich auf 7.298,00 EUR. Anteilig auf jeden der 14 Reisetage ergibt dies einen Betrag von 521,29 EUR. Der Wert der Reise war für die Dauer von drei Tagen erheblich gemindert, weil das Schiff sich im Trockendock befand und durch die Verzögerung drei Häfen nicht angelaufen werden konnten. Darüber hinaus ist es auch gerechtfertigt, für den Tag der tatsächlichen Abreise, den 6.3. eine Minderung in Ansatz zu bringen, weil das Schiff zwar bereits in gegen 2.00 Uhr morgens ausgelaufen ist, dieses Auslaufen in den frühen Morgenstunden aber schon keinen ordnungsgemäßen, also üblichen, Kreuzfahrtbeginn darstellt. Insoweit ist das Ablegen des Schiffes und das Auslaufen aus dem Hafen als Beginn einer Kreuzfahrt üblicherweise das erste „Reiseerlebnis“. Dies ist jedoch erheblich gemindert, wenn das Auslaufen zu nachtschlafender Zeit stattfindet.
26. Insgesamt ist daher der Reisenutzen an drei Tagen gemindert gewesen. Da die Tage jedoch im Erholungswert nicht völlig verloren waren, weil die Klägerin ja zumindest die „hotelmäßigen“ Leistungen in Anspruch nehmen konnte, ist es gerechtfertigt, hinsichtlich jedes dieser drei Reisetage den Reisepreis um 80% zu mindern, da jedenfalls keine Kreuzfahrt angeboten wurde. Dies macht pro Tag einen Minderungsbetrag von 417,03 EUR und insgesamt für drei Tage einen Minderungsbetrag von 1.251,10 EUR aus.
27. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Absatz 3, 288 Absatz 1 BGB. Weitergehende Zinsansprüche stehen der Klägerin nicht zu, denn die einseitige Zahlungsbestimmung im Schreiben vom 31.3.2003 stellt keine Zeitbestimmung i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, da dieser eine vertragliche, d.h. einvernehmliche, Zeitbestimmung voraussetzt.
28. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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