Rüge von Reisemängeln und Informationspflicht des Reisebüros

LG Frankfurt: Rüge von Reisemängeln und die Informationspflicht des Reisebüros

Die Klägerin nahm den Reiseveranstalter auf Reisepreisminderung in Anspruch, weil das Hotel in dem die Klägerin und ihre Familie den Urlaub verbringen sollten sich noch im Aufbaustadium befand und deshalb zahlreiche Leistungen nicht verfügbar waren.

Das LG Frankfurt hat der Klägerin eine teilweise Rückzahlung des Reisepreises zugesprochen und entschieden, dass der Reiseveranstalter verpflichtet ist den Reisenden über wichtige Informationen bezüglich des Reiseablaufs aufzuklären.

LG Frankfurt 2-24 S 35/10 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 25.10.2010
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 25.10.2010, Az: 24 S 35/10
AG Bad Homburg, Urt. v. 03.02.2010, Az: 2 C 2400/09 (23)
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 25.10.2010

Aktenzeichen: 2-24 S 35/10


Leitsätze:

2. Ein Reisevermittler hat die Pflicht, den Reisenden über wichtige Informationen bezüglich des Reiseablaufs aufzuklären.

Eine Reisepreisminderung kann nur dann geltend gemacht werden, wenn der Reisemangel zuvor bei der zuständigen Reiseleitung gerügt wurde (§ 651 d II BGB) .


Zusammenfassung:

3. Die Klägerin buchte bei dem beklagten Reiseveranstalter eine Reise nach Ägypten. Der Reiseveranstalter informierte die Klägerin kurz nach der Buchung darüber, dass einige Hotelleistungen noch im Aufbau sind und  eine zu 100% fehlerfreie Wasserversorgung in den nächsten vier Wochen nicht gewährleistet werden kann. Am Urlaubsort angekommen stellte sich heraus, dass mehr als die Hälfte der Pools, das Hauptgebäude, mehr als die Hälfte der Zimmer, der Badesteg und die Sporteinrichtungen noch nicht fertig gestellt waren. Die Klägerin hat diese Mängel bei der Reiseleitung angezeigt. Aufgrund dieser Mängel verlangt die Klägerin von dem beklagten Reiseveranstalter eine Reisepreisminderung.

Das Landgericht in Frankfurt hat den Klägern eine teilweise Reisepreisminderung zugesprochen. Ein Reiseveranstalter  ist verpflichtet ohne Aufforderung des Buchenden ihn über wichtige Informationen bezüglich des Reiseablaufs vor Reiseantritt aufzuklären. Die Klägerin hat die Reisemängel ordnungsgemäß bei der Reiseleitung angezeigt (§ 651 d II BGB) und hat somit einen Anspruch auf Reisepreisminderung wegen der Reisemängel und der Informationspflichtverletzung.


Tenor:

4. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03.02.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. H., Az. 2 C 2400/09 (23), teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 2.034,-​- Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages jeweils abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

5. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung des gesamten Reisepreises wegen Reisemängeln im Zusammenhang mit einer Pauschalreise.

6. Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich, ihren Ehemann und ihre Tochter (sieben Jahre) eine Reise nach Ägypten, Club A., für die Zeit vom 04.04. bis 11.04.2009 zum Preis von ursprünglich 4.068,-​- Euro, den die Klägerin auch entrichtete.

7. Nach der Buchung wies die Beklagte mit Schreiben vom 25.03.2009 (Bl. 9 d. A.), auf das Bezug genommen wird, darauf hin, dass der gebuchte Club nur unter erschwerten Bedingungen eröffnet werden konnte. Eine zu 100% fehlerfreie Wasserversorgung könne in den nächsten vier Wochen nicht gewährleistet werden. Dadurch gebe es auch einen Verzug mit dem Innenausbau einiger Gästezimmer sowie in der Fertigstellung des Spa- und Wellness-​, des Fitness- und Nautikbereichs inklusive Tauchstation.

8. Für die möglichen Unannehmlichkeiten erhielten die Gäste mit Aufenthalt bis zum 17.04.2009 im Vorfeld der Reise eine Gutschrift von 15% des jeweiligen Reisepreises.

9. Daraufhin erhielt die Klägerin aufgrund der Beeinträchtigungen eine neue Buchungsbestätigung unter dem 27.03.2009 (Bl. 7 f d. A.), auf die Bezug genommen wird, in der der Reisepreis auf 3.458,-​- Euro reduziert wurde. Die Klägerin entschloss sich, die Reise anzutreten. Über den Differenzbetrag von 610,-​- Euro erhielt die Klägerin von der Beklagten einen Scheck übersandt, den sie mittlerweile eingelöst hat.

10. Bei Ankunft der Klägerin stellte sich heraus, dass der Club nicht den Fertigstellungszustand hatte, wie ihn die Beklagte im Schreiben vom 25.03.2009 beschrieben hatte. Vielmehr waren noch erhebliche weitere Fertigstellungsarbeiten notwendig.

11. Mehr als die Hälfte der Pools, u. a. der Kinderpool, waren nicht vorhanden bzw. nicht nutzbar. Mehr als die Hälfte der Zimmer waren noch nicht fertig gestellt. Im Hauptgebäude war ein Großteil des Gebäudes noch im Bau. Der Badesteg war noch nicht fertig gestellt, so dass der Zugang zum Meer erschwert war. Bei den Restaurantöffnungen gab es Einschränkungen. Ein Teil der Sporteinrichtungen fehlte, wie Bogenschießen und Fußballplatz.

12.Vor Ort rügte die Klägerin Mängel bei der Reiseleitung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gesprächsnotiz vom 08.04.2009 (Bl. 11 d. A.) verwiesen.

13. Mit der Klage verlangt die Klägerin Rückzahlung des gesamten Reisepreises sowie Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.

14. Die Klägerin hat vorgetragen, dass die Reise über die im Schreiben der Beklagten 25.03.2009 aufgeführten Beeinträchtigungen eine weitere Vielzahl von erheblichen Reisemängeln aufgewiesen habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die klägerischen Schriftsätze vom 22.10.2009 (Bl. 1 ff. d. A.) und vom 28.12.2009 (Bl. 31 ff. d. A.) Bezug genommen.

15. Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

16. die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.068,-​- Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit (18.11.2009) zu zahlen,

17. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 446,13 Euro zu zahlen.

18. Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

19. die Klage abzuweisen.

20. Die Beklagte hat das Vorliegen von weitergehenden Reisemängeln im Wesentlichen in Abrede gestellt.

21. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. H. vom 03.02.2010 (Bl. 51 c/51 d d. A.) gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

22. Durch dieses Urteil hat das Amtsgericht der Klage teilweise stattgegeben.

23. Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass aufgrund der weitergehenden Fertigstellungsarbeiten eine Minderung von (weiteren) 20% angemessen sei.

24. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 51 d – 51 f d. A.) Bezug genommen.

25. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

26. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung weiterhin die Rückzahlung des vollständigen neuen Reisepreises in Höhe von 3.458,-​- Euro.

27. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Diesbezüglich wird auf die klägerischen Schriftsätze vom 09.04.2010 (Bl. 70 ff. d. A.), 07.07.2010 (Bl. 97 ff. d. A.) und 09.09.2010 (Bl. 114 ff. d. A.) Bezug genommen.

28. Die Klägerin beantragt,

29. unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. H. vom 03.02.2010, Az.: 2 C 2400/09-​23 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.458,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit (18.11.2009) sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 446,13 Euro zu zahlen.

30. Die Beklagte beantragt,

31. die Berufung zurückzuweisen.

32. Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

33. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

34. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

35. Auf der Grundlage der mit der Berufung weiter verfolgten Reisemängel ergibt sich Folgendes:

1.

36. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651 c I, 651 d I, 638 III und IV BGB in Höhe von insgesamt weiteren 2.034,-​- Euro.

a.

37. Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass es einen erheblichen Reisemangel darstellt, dass der Club bei weitem noch nicht den Fertigstellungsgrad hatte, wie es die Beklagte in ihrem Schreiben vom 25.03.2009 erläutert hat.

38. Insoweit hat das Amtsgericht über die bereits vor Reiseantritt von der Beklagten gewährte Minderung von 15% des ursprünglichen Reisepreises eine weitere Minderung von 20% für angemessen gehalten.

39. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Berufungsgericht diese Minderungsquote für etwas zu gering angesetzt.

40. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Clubanlage einen bei weitem geringeren Fertigstellungsgrad aufwies als von der Beklagten im Schreiben vom 25.03.2009 behauptet, der die Reise auch wesentlich beeinträchtigte.

41. So stellt es eine erhebliche Beeinträchtigung dar, dass mehr als die Hälfte der Pools nicht fertig gestellt bzw. nicht nutzbar waren. Insbesondere war der Kinderpool nicht vorhanden, der gerade für die mitreisende 7-​jährige Tochter besonders interessant war. Dazu waren die entsprechenden Poolbars nur eingeschränkt vorhanden. Damit war das reisevertraglich geschuldete abwechselungsreiche Poolangebot wesentlich eingeschränkt. Dazu kam, dass der Badesteg für das Meer auch noch nicht fertig gewesen ist und die Errichtung des Stegs mit Baulärm in Form von Kreissägengeräusche verbunden war.

42. Weiterhin hat die Beklagte im Klageverfahren eingeräumt, dass nicht nur ein Verzug mit einigen Gästezimmern bzgl. des Innenausbaus – so das Schreiben vom 25.03.2009 – sondern mit mehr als der Hälfte der Zimmer vorgelegen hat.

43. Darüber hinaus war das reisevertraglich geschuldete Restaurantangebot eingeschränkt.

44. Daraus ergibt sich, dass die geschuldeten Reiseleistungen über die im Schreiben vom 25.03.2009 genannten Beeinträchtigungen hinaus erheblich beeinträchtigt waren.

45. Diese hier aufgeführten Mängel im Rahmen der nicht fertig gestellten Club-​Anlage hat die Klägerin auch im Sinne von § 651 d II BGB ausreichend gerügt. Aus der Gesprächsnotiz vom 08.04.2009 ergibt sich inzident, dass die Klägerin die weitergehende Nicht-​Fertigstellung bemängelt hat.

46. Diese hier aufgeführten Mängel im Rahmen der nicht fertig gestellten Club-​Anlage hat die Klägerin auch im Sinne von § 651 g I BGB ausreichend selbst und über das Reisebüro gegenüber der Beklagten angemeldet. Insoweit nehmen die Schreiben vom 20.04.2009 (Bl. 103/104 d. A. u. 105 d. A.) ausreichend Bezug auf die Bauarbeiten und die fehlenden Erholungsmöglichkeiten (z. B. Strand, Meer, Gastronomie, Poolanlagen).

47. Nach Auffassung des Berufungsgerichts bemisst sich vorliegend die Minderung nach dem ursprünglichen Reisepreis der gebuchten Reise von 4.068,-​- Euro, da dies der Gegenwert für eine mangelfreie Reise gewesen wäre.

48. Über die von der Beklagten bereits geleistete Rückerstattung von 15% des Reisepreises für die fehlende Club-​Fertigstellung hält das Berufungsgericht eine weitere diesbezügliche Minderung von 35% für angemessen und ausreichend.

b.

49. Darüber hinaus hält das Berufungsgericht eine weitergehende Minderung für eine erhebliche Informationspflichtverletzung der Beklagten für gerechtfertigt.

50. Diesen Reisemangel hat die Klägerin auch sowohl erstinstanzlich als auch zweitinstanzlich geltend gemacht, in dem sie vorträgt, dass die Beklagte sie über den Umfang des nicht fertig gestellten Clubs getäuscht habe und hätte sie über das wahre Ausmaß der Nichtfertigstellung Bescheid gewusst, hätte sie die Reise erst gar nicht angetreten.

51. Die vom Reiseveranstalter geschuldete Gesamtheit von Reiseleistungen umfasst auch die Beseitigung aller denkbaren Reisehindernisse. Deshalb hat der Reiseveranstalter den Reisenden grundsätzlich ungefragt über alle für eine ordnungsgemäße Durchführung der Reise erforderlichen Umstände zu informieren. Er muss den Reisenden über alle wesentlichen Veränderungen zwischen Buchung und Reiseantritt im Zielgebiet informieren (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.06.2007, Az. 2-​24 S 236/06 u. 2-​24 S 36/06; vom 28.03.2008, Az. 2-​24 S 139/07, NJW-​RR 2008, 1638, 1639/1640; LG Dortmund, RRa 2008, 114, 115; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 140 m. w. N., 313 m. w. N.; Staudinger/Eckert, BGB, 2003, § 651 a, Rn. 123 m. w. N.).

52. Der Reisende darf nämlich darauf vertrauen, dass der Reiseveranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise Erforderliche unternimmt und ihn demgemäß auch nachträglich auf jede nachteilige Veränderung seiner Reiseleistung, die die gebuchte Reise zu beeinträchtigen geeignet ist, rechtzeitig hinweist (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.06.2007, Az. 2-​24 S 236/06 u. 2-​24 S 36/06, vom 28.03.2008, Az. 2-​24 S 139/07, NJW-​RR 2008, 1638, 1639/1640; LG Düsseldorf, NJW-​RR 1987, 176, 176).

53. Ihren Informationspflichten ist die Beklagte als Reiseveranstalterin der durchgeführten Reise offensichtlich nicht ausreichend nachgekommen.

54. Wie bereits oben ausgeführt entsprachen die von der Beklagten dargelegten zu erwartenden Beeinträchtigungen gemäß ihrem Schreiben vom 25.03.2009 in ganz erheblicher Weise nicht den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort. Vielmehr hat die Beklagte die noch anstehenden Restfertigstellungsarbeiten und zu erwartenden Beeinträchtigungen verharmlosend dargestellt. Infolge dessen konnte sich die Klägerin kein objektives Bild von den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort machen.

55. Insoweit hat die Beklagte ihre Pflicht zur vollständigen und umfassenden Information über die massiven Problemzustände vor Ort nicht erfüllt.

56. Es liegt auch auf der Hand, dass der Beklagten als Reiseveranstalter die tatsächlichen Zustände vor Ort bzgl. der massiven Probleme bei der Fertigstellung der Clubanlage bekannt sein mussten.

57. Durch die unterlassene vollständige und umfassende Information nahm die Beklagte der Klägerin die Möglichkeit, eine fundierte und objektive Entscheidung darüber zu treffen, ob sie trotz der ganz massiven Fertigstellungsprobleme in der Clubanlage reisen will oder von der Reise Abstand nehmen will.

58. Insoweit ist es vorliegend bei einer anzunehmenden Minderungsquote von insgesamt 50% offensichtlich, dass auch nach der neuen Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil v. 17.12.2009, Az. 2-​24 S 140/09, RRa 2010, 27 ff.) die Voraussetzungen für die Kündigung des Reisevertrages gem. § 651 e BGB vorgelegen hätten.

59. Bei der Verletzung von Informationspflichten handelt es sich um die Verletzung einer Hauptpflicht des Reiseveranstalters, welche verschuldensunabhängig Gewährleistungsansprüche begründet wie Minderung nach § 651 d BGB, wenn die tatsächliche Reiseleistung von der versprochenen abweicht und Schadenersatz nach § 651 f I BGB (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.06.2007, Az. 2-​24 S 236/06 u. 2-​24 S 36/06, vom 28.03.2008, Az. 2-​24 S 139/07, NJW-​RR 2008, 1638, 1639/1640; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 141, 237 m. w. N.; Staudinger/Eckert, BGB, 2003, § 651 a, Rn. 123 m. w. N.).

60. Unter dieser Prämisse hält die Kammer weiterhin daran fest, das die Verletzung von Informationspflichten eine Reisepreisminderung rechtfertigen kann, jedenfalls dann wenn sich die Informationspflichtverletzung auf solche wesentliche Reisemängel bezieht, die zu einer Kündigung des Reisevertrages gem. § 651 e BGB berechtigen. Die Kammer hält insoweit auch die Gewährung einer Minderung anstatt lediglich eines Schadenersatzanspruches für sachgerecht und praktikabel (zustimmend LG Dortmund, RRa 2008, 114, 115/116; LG Köln, RRa 2010, 125, 129; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 141; Schmid, RRa 2008, 124; ablehnend OLG Celle, RRa 2009, 174, 175; Matern, RRa 2010, 15 ff.).

61. Nach Auffassung der Kammer führt diese Auffassung nicht zu einer doppelten Minderung des Reisepreises wegen desselben Mangels. Vielmehr handelt es sich um zwei unterschiedliche Reisemängel. Sowohl die Erfüllung der Informationspflichten als auch die Erbringung der Reiseleistungen an sich stellen jeweils Hauptleistungspflichten dar. Danach können im Ergebnis auch zwei „verschiedene“ Schlechtleistungen vorliegen. Durch die Verletzung der Informationspflichten wird der Reisende dahingehend beeinträchtigt, dass er keine fundierte Entscheidung mehr darüber treffen kann, ob er die Reise durchführen will oder nicht. Hat der Reisende sodann die Reise angetreten, wird er vor Ort durch die tatsächlich vorhandenen Reisemängel beeinträchtigt. Insoweit sind zwei verschiedene und gleichsam geschützte „Rechtsgüter“ beeinträchtigt.

62. Nach Auffassung der Kammer lässt sich dem § 4 BGB-​InfoV nicht entnehmen, dass dieser eine abschließende Aufzählung der Hinweispflichten des Reiseveranstalters beinhaltet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass § 4 BGB-​InfoV lediglich die Mindestverpflichtungen für den Reiseveranstalter statuiert, zumal sich diese Vorschrift lediglich auf Angaben im Prospekt bezieht. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass der Reiseveranstalter verpflichtet ist, den Reisenden über wesentliche Änderungen der Reiseleistungen vor Antritt der Reise zu informieren (vgl. obige Nachweise zu Rspr. und Literatur).

63. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Berufungsgericht für den Reisemangel „Verletzung der Informationspflicht“ vorliegend eine Minderungsquote von 15% für angemessen und ausreichend.

64. Vorliegend liegt ausweislich der Gesprächsnotiz vom 08.04.2009 auch eine ausdrückliche Rüge hinsichtlich des Reisemangels „Verletzung der Informationspflicht“ gem. § 651 d II BGB vor. Dieser Mangel wird auch im Sinne von § 651 g I BGB in den Anspruchsschreiben vom 20.04.2009 ausdrücklich geltend gemacht.

c.

65. Nach all dem ergibt sich eine weitere zu berücksichtigende Minderungsquote von insgesamt 50%.

66. Diese bezieht sich, wie oben ausgeführt, auf den ursprünglichen Reisepreis von 4.068,-​- Euro.

67. Danach ergibt sich über die von der Beklagten bereits erstatteten 610,-​- Euro ein weiterer zu erstattender Minderungsbetrag von insgesamt 2.034,-​- Euro.

d.

68. Eine weitergehende Minderung liegt nicht vor.

aa.

69. Eine mangelhafte Kinderbetreuung gemäß Prospektbeschreibung lässt sich nicht feststellen.

70. Ausweislich der vorgelegten Prospektbeschreibung fand im Rahmen des Flipperclubs nur für 2-​6 Jährige eine Betreuung statt. Da die Tochter der Klägerin bereits 7 Jahre alt war, lag kein Anspruch auf eine Kinderbetreuung vor. Zu fehlenden speziellen Programmen für die 7-​10 Jährigen Dolphins hat die Klägerin nichts Substanziiertes vorgetragen.

bb.

71. Eine fehlende Schwimmmöglichkeit aufgrund des noch nicht fertig gestellten Badestegs war für eine weitergehende Minderung insoweit nicht zu berücksichtigen.

72. Insoweit fehlt es an einer erforderlichen Mängelrüge der Klägerin im Sinne von § 651 d II BGB. Die Klägerin hat selbst eingeräumt, dass sie dies nicht gerügt hat.

73. Der Reisende kann nach nunmehr ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil der Kammer vom 24.01.2008, RRa 2008, 79, 79/80) grundsätzlich erst dann eine Minderung des Reisepreises wegen des Vorliegens von Mängeln geltend machen, wenn er zuvor den Mangel gerügt hat.

74. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, den Reiseveranstalter davon in Kenntnis zu setzen, dass sich der Reisende von vorliegenden Reisemängeln beeinträchtigt fühlt, und ihm zunächst Gelegenheit zur Abhilfe zu geben.

75. Ohne Kenntnis davon, ob sich ein Reisender von einem Mangel beeinträchtigt fühlt oder nicht, besteht für einen Reiseveranstalter auch bei Kenntnis des Mangels kein Anlass dazu, auch ohne eine Rüge von sich aus Abhilfe anzubieten.

76. Nicht jeder Reisende fühlt sich in gleicher Weise durch das Vorliegen eines Mangels beeinträchtigt. Es kann Reisende geben, die einen Umstand, den andere als Mangel ansehen, als bloße Unannehmlichkeit bewerten.

77. Selbst wenn beispielsweise Lärm für jedermann zu hören ist, heißt dies nicht, dass sich jeder Reisende hierdurch gestört fühlt:

78. Reisende haben erfahrungsgemäß unterschiedliche Vorstellungen über die Gestaltung ihres Urlaubs. Es gibt Reisende, die sich den ganzen Tag über auf Ausflügen befinden, um die nähere Umgebung zu erkunden. Des Weiteren werden beispielsweise Belastungen im Zusammenhang mit Geräuschentwicklung individuell sehr unterschiedlich empfunden.

79. Aus diesem Grund vermag die Kammer der teilweise in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht, nach der eine Mängelanzeige bei Kenntnis des Mangels durch den Veranstalter nicht notwendig sei (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Rn. 296 ff. m. w. N.), nicht zu folgen.

80. Es ist auch nicht erkennbar, aus welchem Grund es dem Reisenden nicht zuzumuten sein soll, dem örtlichen Vertreter des Reiseveranstalters kundzutun, dass er sich durch das Vorliegen eines Mangels subjektiv beeinträchtigt fühlt.

81. Nach Auffassung der Kammer ist es mit dem Sinn und Zweck des § 651 d II BGB nicht vereinbar, dass der Reisende, ohne seine Beeinträchtigung kundzutun, „duldet und liquidiert“.

82. Entsprechendes gilt auch dann, wenn eine Abhilfe unmöglich gewesen ist, so dass der Reisende auch in diesem Fall ohne Mitteilung seiner subjektiven Betroffenheit durch einen (fehlenden) Umstand nicht „dulden und liquidieren“ kann.

83. Dies führt auch zu keinem rein subjektiven Mangelbegriff, da das das Gesetz in § 651 d II BGB als Folge einer fehlenden Rüge den Ausschluss des Eintritts der Minderung vorsieht.

84. Für die Entscheidung, ob dem Veranstalter bekannte Mängel bzw. nicht abhilfefähige Mängel zu rügen sind oder nicht, kommt es überhaupt nicht darauf an, ob im Reisevertragsrecht ein objektiver oder subjektiver Mangelbegriff zugrunde zulegen ist. Vielmehr ist allein entscheidend, ob Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung es zulassen, entgegen dem eindeutigen Wortlaut diese Ausnahmen zulassen, was hier nach Auffassung der Kammer nicht der Fall ist.

85. Nach Auffassung der Kammer ist auch nicht von einer Entschuldigung im Sinne von § 651 d II BGB auszugehen.

86. Eine solche könnte sich daraus ergeben, dass die Klägerin über die Rügeverpflichtung nach § 651 d II BGB nicht ausreichend seitens der Beklagten im Sinne von §§ 6 II Nr. 7, IV BGB-​InfoV informiert worden ist.

87. Es ist zwar davon auszugehen, dass auch die nunmehr neugefasste Version der Beklagten innerhalb der Reisebestätigung (Bl. 8 d. A.) nicht ausreichend ist, um den vom BGH (NJW 2007, 2549 ff.) aufgestellten Erfordernissen zur ausreichenden Prospektverweisung im Sinne von § 6 IV BGB-​InfoV gerecht zu werden, da in der Reisebestätigung immer noch kein konkreter Verweis auf die Fundstelle im Prospekt enthalten ist. Insoweit besteht grundsätzlich eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die unterlassene Mängelrüge entschuldigt ist. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände greift diese Vermutung hier nicht mehr. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin vor Ort sehr wohl (andere) Mängel gerügt hat. Weiterhin hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass vorliegend § 651 d II BGB greift. Insoweit hat die Klägerin im Folgenden jedoch nicht vorgetragen, dass ihr eine entsprechende Rügepflicht nicht bekannt gewesen sei. Nach all dem ist davon auszugehen, dass der Klägerin ihre Rügepflicht vor Ort bekannt gewesen ist.

cc.

88. Eine weitergehende Minderung wegen Lärmbeeinträchtigungen aufgrund Bauarbeiten bzw. wegen einer Disko ist nicht gegeben.

89. Insoweit war der klägerische Vortrag trotz Hinweises des Berufungsgerichts nicht ausreichend substanziiert.

90. Die Tatsachen in Bezug auf Reisemängel, also die tatsächlichen Zustände vor Ort, müssen nämlich so konkret vorgetragen werden, dass sich das Gericht selbst aufgrund ausreichender objektiver Anknüpfungstatsachen einen umfassenden Eindruck von den behaupteten Reisemängeln machen kann, um beurteilen zu können, ob ein minderungsrelevanter Mangel oder lediglich eine Unannehmlichkeit vorlag. Erforderlich sind daher Angaben über Art, Intensität, Häufigkeit und Dauer sowie die Auswirkungen auf den Reisenden im Einzelnen.

91. Diesen Anforderungen wird der klägerische Vortrag nicht ausreichend gerecht. Insbesondere wird nicht ausreichend mitgeteilt in welcher Entfernung sich die Unterkunft zu dem Baulärm befunden hat. Außerdem wird – außer bzgl. des Stegs – auch nicht konkret mitgeteilt um welche Art von Baulärm es sich gehandelt hat. Die durchgeführten Arbeiten werden nicht beschrieben.

92. Hinsichtlich der Disko wird nicht konkret mitgeteilt, von wann bis wann die Lärmbeeinträchtigung stattgefunden hat. Der pauschale Verweis auf eine Störung der Nachtruhe ist nicht ausreichend. Ein Zeitraum muss schon ungefähr eingegrenzt werden. Auch zur Lautstärke werden keine näheren Angaben gemacht.

dd.

93. Auf den Umstand, dass Teile der Sporteinrichtungen fehlten, lässt sich eine weitergehende Minderung nicht stützen.

94. Insoweit hat die Beklagte im Schreiben vom 25.03.2009 darauf hingewiesen, dass ein Verzug bzgl. der Fertigstellung des Fitnessbereichs vorliegt. Insoweit konnte die Klägerin nicht damit rechnen, dass alle Sporteinrichtungen vorhanden sein werden. Dies ist mit der bereits gewährten Minderung der Beklagten in Höhe von 610,-​- Euro abgegolten.

95. Nach all dem hat die Klägerin einen weitergehenden Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 2.034,-​- Euro.

2.

96. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Bezahlung von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten gem. § 651 f I BGB bzw. aus Verzug.

97. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass ihr Prozessbevollmächtigter mit einer (ausschließlich) vorgerichtlichen Tätigkeit beauftragt worden ist (vgl. auch OLG Hamm, NJW-​RR 2006, 242 ff.).

98. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass bereits die Klägerin ihre Ansprüche im Sinne von § 651 g I BGB angemeldet hat. Der sodann von dem Prozessbevollmächtigten selbst geführte Schriftwechsel liegt dagegen nicht vor.

99. Da es sich um eine Nebenforderung handelt, bedurfte es auch keiner weitergehenden Hinweise (vgl. § 139 II ZPO).

III.

100. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.

101. Die Revision war gem. § 543 I S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Des Weiteren besteht der Zulassungsgrund des § 543 II Nr. 2 ZPO, da die aufgeworfene Rechtsfrage bzgl. einer Minderung bei einer Informationspflichtverletzung des Reiseveranstalters in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet wird.

102. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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