Gruppenreisen und Flugverträge

OLG Frankfurt: Gruppenreisen und Flugverträge

Vorliegend schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Gruppenbeförderungsvertrag ab. Sie buchte für ihre Kunden einen Flug. Bei dem Flug kam es auf der ersten Teilstrecke zu Verspätungen und notwendige „Durchchecken“ des Gepäcks wurde unterlassen. Des Weiteren wurden die auf der Warteliste stehenden Passagiere zu früh zugelassen und die „Rückholung“ beim Erscheinen der Reiseteilnehmer der Klägerin unterblieb. Hierfür haftete die Klägerin aus dem Reisevertrag. Sie macht nun gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend.

Das OLG Frankfurt sprach ihr einen solchen Anspruch zu und bestätigte damit das vorinstanzliche Urteil des Landgerichts.

OLG Frankfurt 3 U 207/06 (Aktenzeichen)
OLG Frankfurt: OLG Frankfurt, Urt. vom 23.08.2007
Rechtsweg: OLG Frankfurt, Urt. v. 23.08.2007, Az: 3 U 207/06
LG Frankfurt, Urt. v. 16.11.2015, Az: 14 O 182/15
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OLG Frankfurt am Main

1. Urteil vom 23. August 2007

Aktenzeichen 3 U 207/06

Leitsatz:

2. Das Montrealer Übereinkommen vom 28.5.1999  findet auf Gruppenbeförderungsverträge keine Anwendung.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte die Klägerin für ihre Kunden, mit denen sie ein Reisevertrag schloss, bei der Beklagten Flüge. Die Beklagte ist hier ausführendes Luftfahrtunternehmen. Bei dem Flug kam es auf der ersten Teilstrecke zu Verspätungen und notwenige „Durchchecken“ des Gepäcks wurde unterlassen. Des Weiteren wurden die auf der Warteliste stehenden Passagiere zu früh zugelassen und die „Rückholung“ beim Erscheinen der Reiseteilnehmer der Klägerin wurde unterlassen.

Hierfür musste die Klägerin Aufwendungs- sowie Schadensersatz an ihre Kunden zahlen. Nun fordert sie Schadensersatz von der Beklagten. Das Landgericht Frankfurt am Main sprach ihr einen solchen Anspruch zu. Die Beklagte hafte für den entstandenen Schaden der Klägerin aus dem Gruppenbeförderungsvertrag nach den §§631ff BGB. Gegen diese Entscheidung ging die Beklagte allerdings in Berufung.

Aber auch das OLG Frankfurt am Main bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Da der Teilflug zur vertraglichen Leistungspflicht der Beklagten gehöre und da die Streitverkündete als Erfüllungsgehilfin der Beklagten anzusehen sei, hafte die Beklagte für deren sowie auch für ihr eigenes Fehlverhalten, ohne dass vorliegend eine genaue Abgrenzung dieser beiden Fehlverhalten erfolgen müsse (§§ 278, 280, 634 Nr. 4 BGB).

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des LGs Frankfurt am Main vom 21.7.2006 – Az. 2/19 O 349/05 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 14.766,86 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

5. Von einer Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 313 a Abs. 1, S. 1 ZPO).

6. Das LG hat dem Zahlungsantrag in Höhe von 14.766,86 € nebst Zinsen stattgegeben und den weitergehenden Zahlungsantrag sowie den Feststellungsantrag abgewiesen.

7. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

8. Dabei ist das LG zu Recht gemäß Art. 27 EGBGB von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen, wogegen sich die Beklagte im übrigen auch nicht wendet. Wie nachfolgend näher ausgeführt werden wird, kommt für das Rechtsverhältnis der Parteien allein das deutsche BGB zur Anwendung, nicht hingegen das Montrealer Übereinkommen und die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten.

9. Dem LG ist dahingehend zu folgen, dass zwischen der Klägerin als Reiseveranstalterin und der beklagten Fluggesellschaft ein Gruppenbeförderungsvertrag zustande gekommen ist, auf den die §§ 631 ff BGB Anwendung finden. Durch die unterschriebene und mit einem Firmenstempel der Klägerin versehene Bestätigung der Beklagten (Anlage K 1, Bl. 17) ist, wie in diesem Dokument ausdrücklich ausgeführt, zwischen den Parteien ein Vertrag über die Beförderung von Gruppenpassagieren zustande gekommen; nur auf diese Weise konnte im übrigen auch ein Sondertarif wegen Gruppenbeförderung vereinbart werden. Danach war allein die Klägerin Vertragspartnerin der Beklagten; die nachfolgende Tickettausstellung zu Gunsten der einzelnen Reiseteilnehmer führte nicht zu einem – weiteren – Vertragsschluss mit diesen, sondern ist als Erfüllung des Gruppenbeförderungsvertrages anzusehen. Davon zu trennen ist das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und deren Kunden, das als Reisevertrag nach §§ 651 a BGB zu qualifizieren ist.

10. Im Rechtsverhältnis der Parteien ging es allein um die Beförderung der Reiseteilnehmer der Klägerin mit Flugzeugen, und zwar auf den in der Anlage K 1 genannten Teilstrecken. Dort ist die Teilstrecke von A nach B in gleicher Weise neben den anderen Teilstrecken aufgeführt, so dass nach dem Empfängerhorizont auch diese Teilleistung im Verhältnis zur Klägerin von der Beklagten geschuldet war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Flugbezeichnung „6A“ für die Teilstrecke von A nach B („AB“), während die übrigen Teilstrecken mit „AF“ bezeichnet sind. Wenn die Beklagte die Teilstrecke von A nach B von ihrem eigenen Leistungskatalog hätte ausnehmen wollen, so hätte sie die Klägerin darauf klar und deutlich hinweisen müssen; allein die unterschiedliche Flugbezeichnung reicht dafür nicht aus.

11. Mithin ist die Streitverkündete, die im Auftrag der Beklagten den Flug bezüglich der Teilstrecke von A nach B ausgeführt hat, als Erfüllungsgehilfin der Beklagten anzusehen (§ 278 BGB).

12. Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten (Bl. 76 ff) sind in den Gruppenbeförderungsvertrag der Parteien nicht wirksam einbezogen worden. Der bloße „Vorbehalt“ auf der Anlage K 1 reichte dafür nicht aus, zumal nicht einmal dargelegt ist, dass der Inhalt der Beförderungsbedingungen der Klägerin zugegangen ist. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem D-Agentur-Vertrag (Bl. 67 ff), auch wenn dort die Klägerin als D-Agentin registriert sein sollte. Ohnehin finden sich in der Berufungsbegründung keinerlei Ausführungen zu der vom LG angenommenen Unwirksamkeit der Klausel über „indirekte Schäden“ in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen.

13. Nach alldem finden auf den Gruppenbeförderungsvertrag der Parteien allein die §§ 631 ff BGB und das BGB-Schuldrecht, insbesondere § 278 BGB, Anwendung.

14. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten findet das Montrealer Übereinkommen vom 28.5.1999 (im folgenden ) im Rechtsverhältnis der Parteien (Gruppenbeförderungsvertrag) keine Anwendung. Die Vorschriften des regeln nämlich nur die Ansprüche der zu befördernden Personen (Reisenden) gegenüber einem Luftfrachtführer (vgl. Reuschle, Montrealer Übereinkommen, 1. Aufl., Art. 17, Rdnr. 65) Die Klägerin war aber vorliegend nicht Fluggast, sondern sie hat sich ihrerseits gegenüber ihren Kunden zu deren Beförderung sowie darüber hinaus zu weiteren Dienstleistungen verpflichtet, und zwar im Rahmen eines Pauschalreisevertrages; und sie hat zu diesem Zweck den Beförderungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen. Die vorliegend geltend gemachten Schadensersatzansprüche werden allein gestützt auf eine schuldhafte Vertragsverletzung dieses Beförderungsvertrages und nicht auf abgetretene Ansprüche der Reisenden gegenüber der Beklagten; allein auf letztere könnte aber das Anwendung finden.

15. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin im Sinne von Art. 39 MÜ als „vertraglicher Luftfrachtführer“ anzusehen, während die Beklagte und deren Erfüllungsgehilfin, die Streitverkündete, als „ausführender Luftfrachtführer“ zu qualifizieren sind. In diesen Fällen haften nach dem sämtliche Luftfrachtführer im Verhältnis zum Fluggast als Gesamtschuldner (vgl. Ruhwedel, Transportrecht 2001, 189, 200). Um das Rechtsverhältnis zum Fluggast geht es jedoch, wie dargelegt, vorliegend nicht. Wie sich aus Art. 48 MÜ ergibt, findet das auf das Innenverhältnis zwischen dem vertraglichen Luftfrachtführer (Klägerin) und dem ausführenden Luftfrachtführer (Beklagte) keine Anwendung, sondern in diesem Rechtsverhältnis gilt allein das jeweilige Vertragsrecht (vgl. Reuschle, a.a.O., Art. 48, Rdnr. 3). Zwar bezieht sich der Grundsatz des Art. 48 nur auf das Kapitel V; vorliegend werden jedoch Schadensersatzansprüche im Sinne von Kapitel V verfolgt, nämlich solche aus der „Luftbeförderung durch einen anderen als den vertraglichen Luftfrachtführer“. Nach alledem finden die Vorschriften desfür die vorliegenden Ansprüche der Klägerin aus dem Gruppenbeförderungsvertrag keine Anwendung.

16. Da der Teilflug von A nach B, wie dargelegt, zur vertraglichen Leistungspflicht der Beklagten gehörte und da die Streitverkündete als Erfüllungsgehilfin der Beklagten anzusehen ist, haftet die Beklagte für deren sowie auch für ihr eigenes Fehlverhalten, ohne dass vorliegend eine genaue Abgrenzung dieser beiden Fehlverhalten erfolgen müsste (§§ 278, 280, 634 Nr. 4 BGB). Danach ist der Beklagten anzulasten sowohl die um 10-15 Minuten verspätete Ankunft in B, das unterbliebene „Durchchecken“ des Gepäcks nach Paris auf dem Flughafen von A sowie die zu früh erfolgte Zulassung der auf der Warteliste stehenden Passagiere auf dem Flughafen B bzw. deren unterbliebene „Rückholung“ beim Erscheinen der Reiseteilnehmer der Klägerin. Für sämtliche genannten Versäumnisse haftet die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin, wobei es vorliegend auf die Haftungsverteilung im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und der Streitverkündeten nicht ankommt.

17. Von einem Mitverschulden der Klägerin ist vorliegend nicht auszugehen; die Beklagte hat sich in ihrer Berufungsbegründung mit den diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen im LGlichen Urteil nicht auseinandergesetzt und nur in einem nachfolgenden Schriftsatz auf ihren früheren Vortrag verwiesen, was nicht ausreichend ist.

18. Was die Höhe des zuerkannten Betrages betrifft, so hat die Klägerin ihren – eigenen – Vermögensschaden in Höhe des zuerkannten Betrages ausreichend dargelegt und nachgewiesen; dieser Vermögensschaden ist dadurch eingetreten, dass die Klägerin wegen der von der Beklagten zu vertretenen Vertragsverletzungen ihrerseits gegenüber ihren Kunden aus dem Pauschalreisevertrag Minderungsbeträge bzw. Aufwendungsersatz leisten musste; außerdem hatte die Klägerin infolge dieser Vertragsverletzungen zusätzliche eigene Aufwendungen. Die Einwände der Beklagten in der Berufungsbegründung zur Höhe des zuerkannten Betrages sind nicht gerechtfertigt. Was den Betrag von 8.750,– € betrifft, so greift die Berufung die diesbezüglichen Darlegungen auf S. 11/12 des LGlichen Urteils nicht im einzelnen an; sie macht nur geltend, Berechnungsgrundlage für die Minderungsansprüche gegenüber den Reisenden könne nur der Flugpreis sein, nicht aber die übrigen Reiseleistungen. Diesem Einwand kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn die verzögerte Beförderung hat sich für die Kunden der Klägerin wegen der erheblichen Unannehmlichkeiten und Beschwernisse auch auf die sonstigen Reiseleistungen und damit auf den Wert der gesamten Reise ausgewirkt.

19. Die Einwendungen der Berufung gegen die zuerkannten Aufwendungsersatzansprüche (Bl. 203 ff) sind ebenfalls nicht gerechtfertigt. Zu Recht hat sich das LG diesbezüglich auf die Vorschrift des § 287 ZPO bezogen. An die Schätzung des Schadens durch das LG ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da ein Ermessensfehler des LGs nicht ersichtlich ist. Es ist nämlich unschwer nachvollziehbar und entspricht der Lebenserfahrung, dass die verzögerte Rückreise zu zusätzlichen Verpflegungskosten, zusätzlichen erheblichen Telefonkosten (von Südamerika nach Deutschland) und auch zu weiteren zusätzlichen Aufwendungen bei der Reiseleiterin der Klägerin geführt hat. Es ist auch unter Berücksichtigung von § 254 BGB unter schadensersatzrechtlichen Erwägungen nicht zu beanstanden, dass die Klägerin dabei gegenüber ihren Kunden nicht allzu kleinlich verfahren ist, um deren Unannehmlichkeiten und Beschwernisse einigermaßen gering zu halten. Dies rechtfertigt sich daraus, dass vorliegend der geschäftliche Ruf der Klägerin gefährdet war, die von ihren Kunden für die von der Beklagten zu vertretenen Beschwernisse verantwortlich gemacht wurde. Im Hinblick auf diese Erwägungen erweist sich die vom LG vorgenommene Schadensschätzung nicht als ermessenfehlerhaft.

20. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

21. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Der Schriftsatz der Beklagten vom 08.08.2007 enthält keinen neuen Tatsachenvortrag, sondern lediglich eine Wiederholung und Vertiefung der bereits vorgetragenen und erörterten Rechtsansicht der Beklagten. Er veranlasst deshalb keine Widereröffnung der am 14.06.2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).

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