Erforderlichkeit der Rüge des Reisemangels durch den Reisenden

LG Düsseldorf: Erforderlichkeit der Rüge des Reisemangels durch den Reisenden

Die Klägerin begehrt eine Reisepreisminderung, da sie einen Mangel zwar nicht dem Reiseveranstalter gegenüber angezeigt hat, dieser Mangel aber dem Reiseveranstalter bekannt war.

Das Landgericht wies die Berufung ab.

LG Düsseldorf 22 S 195/03 (Aktenzeichen)
LG Düsseldorf: LG Düsseldorf, Urt. vom 30.04.2004
Rechtsweg: LG Düsseldorf, Urt. v. 30.04.2004, Az: 22 S 195/03
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Landgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 30. April 2004

Aktenzeichen 22 S 195/03

 

Leitsatz:

2. Auch bei Reisemängel, die dem Reiseveranstalter bekannt sind, muss der Reisende eine Rüge dem Reiseveranstalter gegenüber vor Ort äußern.

 

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall hat der Hotelgast versäumt, eine Rüge wegen mangelhaft erbrachter Reiseleistungen gegenüber dem Reiseveranstalter vor Ort zu äußern. Sollte der Mangel dem Reiseveranstalter bereits bekannt sein, so entbindet es den Reisenden nicht von der Pflicht, den Mangel unverzüglich anzuzeigen. Bei einer anderweitigen Unterbringung reicht es außerdem nicht aus, dies gegenüber der Hotelleitung des Ausweichquartiers zu rügen.

Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Der Reisende hätte seine Rüge dem Reiseveranstalter gegenüber anzeigen müssen.

 

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 04.04.2003 – 20 C 4218/02 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

 

Gründe

5. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 I 1 Nr.1 ZPO n.F. Bezug genommen. Entscheidungserhebliche Ergänzungen sind in der Berufungsinstanz nicht erfolgt.

6. Die nach der Zivilprozessordnung neuer Fassung zu beurteilende Berufung der Beklagten, mit der diese weiterhin eine vollständige Klageabweisung anstrebt, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist im vom Amtsgericht zugesprochenen Umfang, nur dieser war zur Überprüfung durch die Kammer gestellt, unbegründet. Im einzelnen gilt:

7. Soweit das Amtsgericht Minderungsansprüche gem. § 651 d I BGB wegen einer anderweitigen Unterbringung u.a. mit der Begründung bejaht hat, einer Rüge nach § 651 d II BGB habe es nicht bedurft, da die Beklagte von der anderweitigen Unterbringung gewusst habe, greift die Beklagte das mit der Ansicht an, einer Rüge bedürfe es entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auch dann, wenn der beanstandete Umstand bekannt sei. Damit macht die Beklagte eine für die Entscheidung erhebliche Rechtsverletzung des Amtsgerichts geltend, was einen zulässigen Berufungsangriff darstellt, § 520 III 2 Nr.2 ZPO n.F. Dieser hat auch in der Sache Erfolg.

8. Dass eine Rüge auch dann nicht entbehrlich ist, wenn ein Mangel bekannt ist oder ihm innerhalb der Urlaubszeit des Reisenden nicht abgeholfen werden kann, entspricht ständiger Rechtsprechung der Kammer. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

9. Der Wortlaut des Gesetzes beschränkt die Anzeigeobliegenheit nicht auf behebbare oder unbekannte Mängel. Eine solche Einschränkung ergibt sich auch nicht aus ihrem Sinn und Zweck. Es gehört zwar zu den Funktionen der Mangelanzeige, den Reiseveranstalter über eine Unzufriedenheit seiner Gäste zu informieren und ihn damit in die Lage zu versetzen, durch Abhilfeleistung finanziellen Gewährleistungsforderungen vorzubeugen, wobei Abhilfe nicht zwingend bedeuten muß, daß der Mangel körperlich behoben wird, sondern z.B. auch durch Zurverfügungstellung eines gleichwertigen anderen Hotels geschehen kann. Das Eröffnen der Abhilfemöglichkeit ist aber nicht die einzige Funktion des Anzeigeerfordernisses. Dieses dient darüber hinaus dazu, den Reisenden schon vor Ort zu einer Erklärung seiner Beanstandungen zu veranlassen. Nur so lässt sich vermeiden, dass Umstände, die während der Reise überhaupt nicht als Beeinträchtigung empfunden werden, erst nachträglich thematisiert und zur Grundlage von Geldforderungen gemacht werden. Das ist keine „Förmelei“, sondern nur die Forderung nach konsequentem, Treu und Glauben entsprechendem Verhalten. Dem Reisenden wird hierdurch nichts Unbilliges abverlangt, sondern lediglich die Einhaltung dessen – eine Äußerung vor Ort -, was das Gesetz ausdrücklich fordert. Bestätigt sich die Vermutung des Reisenden, daß eine Abhilfe, gleich in welcher Form, nicht möglich ist, so geht das ohne weiteres zu Lasten des Veranstalters, der nun mangels Abhilfe durch Minderung oder Schadensersatzzahlung Gewähr zu leisten hat. Gleiches gilt auch für dem Veranstalter bekannte Mängel. Auch hier wäre es bedenklich, wenn der Kunde die Möglichkeit hätte, einen Zustand während der gesamten Reise hinzunehmen und erst anschließend Minderung oder Schadensersatz zu fordern. Dass ein bestimmter Mangel objektiv vorhanden ist, bedeutet noch nicht, dass auch jeder Reisende ihn als Beeinträchtigung empfindet. Dieses von Wortlaut und objektivem Sinn des Gesetzes abgeleitete Verständnis steht nicht im Widerspruch zu den tragenden Gründen des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 20.09.1984 (BGHZ 92, 177). In diesem Urteil ging es allein um die Frage, ob das Anzeigeerfordernis des § 651 d II BGB außer für Minderungsansprüche auch für Schadensersatzbegehren nach § 651 f BGB gilt. Eine Unbehebbarkeit der Mängel spielte in dem entschiedenen Fall dagegen keine Rolle; die beiläufigen Worte des Bundesgerichtshofes hierzu sind reine obiter dicta.

10. Bei der anderweitigen Unterbringung gilt nichts anderes. Auch hier muss der Reisende deutlich machen, dass er diese Unterbringung als nicht vertragsgerecht empfindet. Das versteht sich nicht von selbst. Es gibt durchaus Reisende, die mit einem angebotenen Ausweichquartier zufrieden sind und dort bleiben wollen. Etwas anderes muss dem Veranstalter daher durch eine Rüge verdeutlicht werden.

11. Dem danach bestehenden Rügeerfordernis war der Kläger unstreitig nicht nachgekommen. Eine Rüge beim Hotelmanager reichte nicht aus. Dieser ist grundsätzlich nicht befugt, Rügen i.S.v. § 651 d II BGB entgegen zu nehmen. Das folgt aus der oben genannten Zielrichtung des § 651 d II BGB. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann auch auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens nicht festgestellt werden. Eine Vollmacht zur Entgegennahme einer Rüge i.S.v. § 651 d II BGB kann nicht in dem Umstand erblickt werden, dass das Hotel Beanstandungen abgeholfen hatte. Das geschah entweder auf Kulanzbasis oder bei berechtigten Beschwerden in Erfüllung eigener Verpflichtungen gegenüber dem Reiseveranstalter.

12. Entgegen der Ansicht des Klägers kommt auch eine Anscheinsvollmacht nicht in Betracht. Eine Anscheinsvollmacht kann nur dann angenommen werden, wenn der Vertretene das Handeln hätte erkennen und verhindern können und wenn der, dem gegenüber gehandelt wird, annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Verhalten des Handelnden. Keines von beidem kann vorliegend mangels entsprechenden Sachvortrags des Klägers angenommen werden.

13. Dass der Hotelmanager ihn nicht an den Reiseleiter verwiesen hatte, ist unschädlich. Das Fehlen eines solchen Verweises entlastet den Reisenden nicht.

14. Entlastet wäre er nur, wenn er vom Reiseveranstalter nicht darauf hingewiesen worden wäre, dass er zur Erhaltung von Ansprüchen eine Rüge i.S.v. § 651 d II BGB vornehmen muss. Das Fehlen eines solchen Hinweises macht der Kläger vorliegend aber nicht geltend. Allein die Berufung darauf, man habe die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht erhalten, § 3 III InfVO sei nicht erfüllt, reichte hierzu nicht. Das ist nicht die Berufung auf eine Nichterfüllung der in § 3 II g) InfVO enthaltenen Auflage.

15. Schließlich kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass die Sprechzeiten durch die Reiseleitung nur sehr unzuverlässig eingehalten worden seien. Es gelten die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts, die der Kläger auch nicht mit Gründen angegriffen hat.

16. Abgesehen davon hat der Kläger auch keinen relevanten Unterschied zwischen dem gebuchten Quartier und dem Ausweichquartier dargelegt. Alle beanstandeten Punkte stellen Mängel dar, bzgl. derer das Amtsgericht Ansprüche rechtskräftig, weil vom Kläger unangegriffen, verneint hat.

17. Auch ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers ist nicht gegeben. Das Amtsgericht hat eine Verletzung von Kontroll- und Überwachungspflichten und damit eine eigene Pflichtverletzung der Beklagten angenommen, so dass der zugesprochene Anspruch seine Grundlage in § 823 BGB finden soll.

18. Hiergegen wendet die Beklagte ein, der Kläger habe eine Verletzung solcher Pflichten nicht dargelegt. Das ist die Geltendmachung einer erheblichen Rechtsverletzung durch das Amtsgericht, welches eine Entlastungspflicht der Beklagten ohne vorangegangenen Vortrag des Klägers angenommen hat. Dieser zulässige Berufungsangriff, § 520 III 2 Nr.2 ZPO n.F. hat in der Sache ebenfalls Erfolg.

19. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Anspruchstellers, die Voraussetzungen der Norm, aus der er den Anspruch ableitet, hier § 823 BGB, darzulegen. Stammen die darzulegenden Umstände aus dem alleinigen Wahrnehmungsbereich des Gegners,  trifft diesen zwar die sog. sekundäre Darlegungslast, d.h. er muss die in seiner Sphäre liegenden Umstände offen legen. Das entbindet den Anspruchssteller aber nicht von seiner Verpflichtung, zunächst einmal das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen pauschal zu behaupten. So lange der Kläger also nicht geltend gemacht hatte, die Klägerin habe eigene Pflichten i.S.v. § 823 BGB verletzt, war die Beklagte nicht verpflichtet, zu den entsprechenden Maßnahmen vorzutragen. Eine solche Darlegung hat der Kläger nicht, auch nicht jetzt in der Berufung vorgenommen. Weder in erster Instanz noch jetzt behauptet der Kläger, die Beklagte erfülle ihre Verpflichtung, bei Saisonbeginn und später stichprobenartig die Busse zu kontrollieren, nicht. Weitere eigene Pflichten obliegen ihr aber nicht. Der Kläger beruft sich allein darauf, die Ansicht der Beklagten, der Busunternehmer sei nicht ihr Verrichtungsgehilfe, sei falsch. Damit macht er allein einen Anspruch aus § 831 BGB geltend. Ein solcher ist jedoch grundsätzlich zu verneinen. Die Rechtsansicht der Beklagten, dass ihre Leistungsträger keine Verrichtungsgehilfen seien, entspricht der herrschenden Meinung (vgl. Führich, Reiserecht, 3.Aufl., Rdnr.85 m.w.N.).

20. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.

21. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO n.F. nicht vorliegen.

22. Streitwert für die Berufungsinstanz: 2.011,37 EUR

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