Zuständigkeit bei Ansprüchen aus von 2 Fluggesellschaften durchgeführten Flugreisen

LG Hannover: Zuständigkeit bei Ansprüchen aus von 2 Fluggesellschaften durchgeführten Flugreisen

Flugreisende forderten eine Ausgleichszahlung für die Annullierung eines Teiles einer mehrgliedrigen Flugreise. Das Amtsgericht am Zielort war für die ganze Reise zuständig, da eine einheitliche Buchung vorlag.

LG Hannover 12 S 19/12 (Aktenzeichen)
LG Hannover: LG Hannover, Urt. vom 10.10.2012
Rechtsweg: LG Hannover, Urt. v. 10.10.2012, Az: 12 S 19/12
AG Hannover, Urt. v. 10.02.2012, Az: 506 C 6146/11
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Landgericht Hannover

1. Urteil vom 10. Oktober 2012

Aktenzeichen 12 S 19/12

Leitsatz:

2. Bedient sich die Fluggesellschaft zur Durchführung einer Teilstrecke eines mehrteiligen Flugreise, ist für die Zuständigkeit des Gerichtes auf das Endziel des gesamten Fluges abzustellen.

Zusammenfassung:

3. Eine Flugreisende forderte für sich und ihren mitreisenden Lebensgefährten eine Ausgleichszahlung, weil ein Teilflug der Flugreise von Tel-Aviv nach Hannover über Zürich annulliert worden war und sie daher erst mit 16 Stunden Verspätung ankamen. Das Amtgericht Hannover erachtete sich nur für den zweiten Flugteil von Zürich nach Hannover als international zuständig, da beide Flüge von unterschiedlichen Fluggesellschaften erbracht worden waren. Es wies die Klage ab.

Mit ihrer Berufung vor dem Landgericht verfolgte die Klägerin ihren Anspruch weiter und beantragte hilfsweise die Zurückverweisung des Falles an das Amtsgericht. Letzterem wurde stattgegeben. Es lag eine einheitliche Flugbuchung vor, sodass die beklagte Vertragspartnerin der Klägerin sich nicht von der Haftung befreien konnte, indem sie einen der Flüge durch eine Tochterfirma hatte durchführen lassen. Das Amtsgericht war daher für die Flugreise in Gänze zuständig und hatte den Streit neu zu verhandeln.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hannover – 506 C 6146/11 – vom 10.02.2012 nebst dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hannover zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahren zu entscheiden hat

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

5. Die Klägerin verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Lebensgefährten Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 400,00 € aus Luftbeförderung nach der Beförderung EG Nr. 261/2004.

6. Die Klägerin buchte für sich und ihren Lebensgefährten bei der Beklagten folgende Flüge:

7. …

8. Nachdem die Klägerin und ihr Lebensgefährte für den Rückflug bereits das Flugzeug bestiegen hatten, wurde dieser Flug annulliert, so dass sie erst am nächsten Tag fliegen konnten und damit insgesamt 16 h später in Hannover landeten.

9. Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Amtsgericht Hannover nach Art. 5 Nr. 1  der Verordnung sowie aus § 29 ZPO zuständig sei.

10. Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage hinsichtlich des Fluges von Tel Aviv nach Zürich abgewiesen und sich lediglich für den Flug von Zürich nach Hannover für zuständig erklärt. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass hier unterschiedliche Fluggesellschaften die Flüge erbracht hätten, weswegen nicht von einer einheitlichen Flugreise ausgegangen werden könne.

11. Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch weiter, hilfsweise beantragt sie die Aufhebung und Zurückverweisung.

12. Die Berufungskammer folgt der Ansicht des Amtsgerichts nicht.

13. Das Amtsgericht Hannover ist für den Klageanspruch in Gänze zuständig.

14. Mit dem EuGH war auch bereits nach der Richtlinie davon auszugehen, dass es entscheidend auf das Endziel einer Flugreise ankommt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein aus Hin- und Rückflug bestehender Beförderungsvertrag nicht als einheitlicher Flug im Sinne der Fluggastrechte Verordnung anzusehen, weil der Begriff Endziel in der entsprechenden Verordnung als der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen als der Zielort des letzten Fluges definiert werden kann. Naturgemäß kann also das Endziel nicht mit dem ersten Abflugsort identisch sein. Daraus lässt sich jedoch auch folgern, dass bei direkten Anschlussflügen nicht ausschließlich der Zielort einer einzelnen Teilstrecke maßgeblich ist (vgl BGH, Urt. v. 14.10.2010 – Xa ZR 15/10).

15. Zwar sind die Ausführungen des BGH wesentlich dazu ergangen, bei der Bemessung der Anspruchshöhe auf den Zielort abzustellen, jedoch ist die Kammer der Auffassung, dass das Argument, bei direkten Anschlussflügen sei nicht ausschließlich der Zielort einer einzelnen Teilstrecke maßgebend, auch bei der Frage anzuwenden ist, welches Gericht für die Ausgleichsansprüche zuständig ist. Insoweit wird auch auf die Entscheidung der ZK 20 (vgl. Urt. v. 04.10,2011 – 20 S 20/11) hingewiesen. Aber auch die Ausführungen des Amtsgerichts zu den unterschiedlichen Fluggesellschaften verkennen den wesentlichen Kern des Anliegens der Fluggastrechteverordnung. Es kann nicht richtig sein, wenn der Vertragspartner sich zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung eines anderen bedient, dass sich dann der Reisende an diesen anderen zu halten hat. Vielmehr wird hier der Gedanke von § 278 BGB entscheidend dergestalt heran zu ziehen sein, dass die Beklagte, wenn sie sich zur Erfüllung der bei ihr gebuchten Reise, die aus mehreren Flügen besteht, einer ihrer Tochtergesellschaften bedient, dies sie nicht von ihren Ansprüchen gegenüber dem Reisenden freistellt. Die Entscheidung des Amtsgerichts hätte wahrscheinlich zur Folge, dass nunmehr grundsätzlich andere Fluggesellschaften mit Anschlussflügen betraut werden würden, allein um der Entschädigungspflicht zu entgehen. Dies kann aber nicht Wille des Gesetzgebers sein, der darauf abzielte, die Fluggastrechte zu stärken. Insoweit ist die Auslegung, die das Amtsgericht hier vorgenommen hat, fernliegend. Das Amtsgericht Hannover ist zuständig. Das angefochtene Urteil war dementsprechend gem. § 538 II Nr. 3 ZPO aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hannover zurückzuweisen.

16. Die Berufungsanträge der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 04.09.2012 – insbesondere der Hilfsantrag auf Aufhebung und Zurückverweisung – sind nicht unzulässig.

17. Nach § 520 Abs. 2 S. 2 Ziff. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung erkennen lassen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll. Ein bestimmt gefasster – förmlicher – Antrag ist nicht notwendig. Maßgeblich für die Entscheidung des Berufungsgerichts sind erst die Berufungsanträge, wie sie in der mündlichen Verhandlung (§§ 528, 297 ZPO) bzw. innerhalb der Schriftsatzfrist (§§ 528, 128 Abs. 2 S. 2 ZPO) gestellt werden. Dabei ist insbesondere der Hilfsantrag vom 04.09,2012 durch die Berufungsbegründung vom 19.04.2012 gedeckt, weil die Klägerin von Anfang an ihr erstinstanzliches Ziel weiterverfolgt und das Urteil des Amtsgerichts zur vollständigen Überprüfung gestellt hat. Deshalb hat die Kammer mit ihrem Beschluss vom 22.08.2012 auf einen (Hilfs-​)Antrag hingewirkt, der nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und – so weit wie möglich – dem Interesse der Klägerin entspricht.

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