Wahrung der Ausschlussfrist durch eine Mängelanzeige

LG Frankfurt: Wahrung der Ausschlussfrist durch eine Mängelanzeige

Die Klägerin hatte einen Beförderungsmangel dem Reiseleiter migeteilt. Das Landgericht Frankfurt stellte fest, dass der Reiseleiter kein Empfangsbote der Reiseveranstalterin war und die Anspruchsmeldung diese nicht erreicht hatte. Daher waren die Ansprüche verjährt und die Klage wurde abgewiesen.

LG Frankfurt 2-24 S 87/07 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 15.08.2008
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 15.08.2008, Az: 2-24 S 87/07
AG Königstein, Urt. v. 07.03.2007, Az: 27 C 1238/06(13)
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 15. August 2008

Aktenzeichen 2-24 S 87/07

Leitsätze:

2. Die Anmeldung von Gewährleistungsansprüchen darf auch vor Ablauf der Reise erfolgen, sie muss dem Reiseveranstalter gegenüber abgegeben werden und diesem auch zugehen.

Ein Reiseleiter dient nicht als Empfangsbote für den Reiseveranstalter, deswegen reicht eine Erklärung gegenüber dem Reiseleiter nicht aus.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hat bei der Beklagten Reiseveranstalterin eine Reise gebucht. Während ihrer Reise trat ein Chaos in Dehli auf und die Reise konnte nicht wie gebucht fortgesetzt werden. Die Klägerin erklärte daraufhin dem Reiseleiter gegenüber die Anspruchsanmeldung. Der Reiseleiter teilte der Reiseveranstalterin die Ereignisse aus Dehli per E-Mail mit.

Auf die Klage der Reisenden hin stellte das Landgericht Frankfurt fest, dass die Aufgabe des Reiseleiters darin bestanden hatte, Abhilfeverlangen entgegenzunehmen und Mängel zu beseitigen. Er diente nicht als rechtsgeschäftlicher Vertreter oder als Empfangsbote für den Reiseveranstalter. Damit ist dem Reiseveranstalter die Willenserklärung der Klägerin nicht zugegangen. Aufgrund dessen entschied das Gericht, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das am 7.3.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Königstein im Taunus – Az. 27 C 1238/06(13)- wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

5. Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).

II.

6. Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete Berufung der Klägerin ist in der Sache nicht begründet.

7. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

8. Das Amtsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Ansprüche nicht rechtzeitig gemäß § 651 g Abs. 1 BGB gegenüber der Beklagten angemeldet hat.

9. Grundsätzlich muss der Reisende, damit er Gewährleistungsrechte erfolgreich durchsetzen kann, seine Ansprüche innerhalb eines Monats nach dem vertraglich vorgesehenen Ende der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend machen. Eine Mängelanzeige gemäß § 651 c Abs. 1 BGB genügt hierfür nicht.

10. Denn vom Reisenden werden zur Erhaltung seiner aus Mängeln der Reise erwachsenen Rechte Anzeigen an den Reiseveranstalter sowohl am Urlaubsort (§§ 651 c Abs. 2, Abs. 3, 651 d Abs. 2 BGB) als auch nach Rückkehr von der Reise (§ 651 g Abs. 1 BGB) verlangt. Die Anzeige am Urlaubsort soll dem Reiseveranstalter vor allem Gelegenheit geben, vorhandene Mängel abzustellen (vgl. vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf I –, BT-​Ds 8/786, S. 26 f, sowie zum Entwurf des Rechtsausschusses des Bundestags – Entwurf II –, BT-​Ds 8/2343, S. 9 f). Die Frist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB bezweckt dagegen, dem Veranstalter Schwierigkeiten bei der Überprüfung der Mängelrügen zu ersparen. Auch soll verhindert werden, dass er Regressansprüche gegen Leistungsträger nicht mehr oder nur schwer durchsetzen kann (vgl. zum Entwurf I, aaO, S. 32; zum Entwurf II, aaO, S. 11). Dieser Zweck der Vorschrift erfordert zwangsläufig, dass der Reiseveranstalter über die einzelnen Mängel hinreichend unterrichtet wird (vgl. zum Ganzen BGHZ 90, 363).

11. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 88, 488, 489) kann die Anspruchsanmeldung grundsätzlich auch vor Ablauf der Reise erfolgen, weil in der Regelung des § 651 g Abs. 1 BGB nicht der Beginn, sondern nur das Ende der Frist festgelegt werden soll.

12. Allerdings muss die Anmeldung nach dem Wortlaut des § 651 g Abs. 1 BGB gegenüber dem Reiseveranstalter erfolgen. Das bedeutet, dass die Anmeldung dem Reiseveranstalter zugehen muss. Wenn auch die Anmeldung keine Willenserklärung ist, sondern eine geschäftsähnliche Handlung (vgl. BGHZ 145, 343), ist nach dem Gesetzeswortlaut aber auch ein Zugang notwendig.

13. Ausreichend wäre auch ein Zugang bei einem rechtsgeschäftlichen Vertreter. Allerdings ist ein Reiseleiter kein rechtsgeschäftlicher Vertreter des Reiseveranstalters. Er ist auch nicht als Empfangsbote für Erklärungen eingesetzt. Denn der Reiseleiter ist nach seiner Funktion dafür eingesetzt, Abhilfeverlangen entgegenzunehmen und für Mängelbeseitigung zu sorgen. Davon unterscheiden sind die Erklärungen, die für die Geltendmachung von Ansprüchen notwendig sind (vgl. BGH NJW 88, 988, 989). Insofern hat der Reiseleiter nicht die Stellung eines Empfangsboten für eine Anspruchsanmeldung. Dies hindert aber nicht, dass der Reiseleiter eine Anspruchsanmeldung an den Reiseveranstalter weiterleitet. Geht die Anspruchsanmeldung in schriftlicher oder mündlicher Form bei dem Reiseveranstalter tatsächlich ein, liegt eine wirksame Anspruchsanmeldung i.S.d. § 651 g Abs. 1 BGB vor.

14. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der von der Beklagten eingesetzte Reiseleiter eine ihm gegenüber geäußerte mündliche Anmeldung von Ansprüchen an die Beklagte tatsächlich weitergeleitet hat. Der Zeuge H. hat in seiner Vernehmung ausdrücklich in Abrede gestellt, dass ihm gegenüber Ansprüche angemeldet wurden. Er hat klar unterschieden zwischen seiner Aufgabe als Reiseleiter und der Anmeldung von Schadensersatzansprüchen. Er sah sich zuständig, die Beschwerden über den Ablauf der Reise entgegenzunehmen und Mängeln abzuhelfen. Insofern hat er beschrieben, welche Maßnahmen er unternommen hat, um die Verzögerung zu kompensieren. Für eine finanzielle Abwicklung sah und sieht er sich nicht für zuständig und hätte das Geltendmachen solcher Ansprüche zurückgewiesen. Demzufolge sieht er sich auch nicht als Postbote.

15. Auf der Grundlage dieser Aussage ist auch die E-​Mail des Zeugen H. vom 4.10.2005 als eine Weiterleitung einer Anspruchsanmeldung zu verstehen. Wenn der Zeuge darin angibt, dass er die Beklagte über das Chaos in Delhi unterrichtet habe, so hat er die Beklagte über die tatsächlichen Ereignisse informiert, nicht aber eine Anmeldung von Ansprüchen der Klägerin weitergeleitet. Diese Annahme ist auch deswegen gerechtfertigt, weil der Zeuge H. als richtigen Anspruchsgegner die Fluggesellschaft A. ansieht und nicht die Beklagte.

16. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos war (§ 97 Abs. 1 ZPO).

17. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

18. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO in der Fassung des 2. JuMoG vom 22.12.2006 nicht erreicht wird.

19. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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