Schätzung angemessener Stornokosten bei Unwirksamkeit einer Stornoklausel in den AGB

AG Bad Homburg: Schätzung angemessener Stornokosten bei Unwirksamkeit einer Stornoklausel in den AGB

Der Kläger und seine Ehefrau fordern von der Beklagten, einer Reiseveranstalterin, einen Anzahlungsbetrag zurück, nachdem sie eine Reise vor Reisebeginn storniert hatten. Die Kläger sind der Ansicht, dass sie im Vorfeld der Reise und bei der Unterzeichnung des Reisevertrages nicht ausreichend über die geltenden Stornierungsbedingungen informiert worden seien. Aus diesem Grund halten sie die Stornoklausel, die lediglich in einem Reisekatalog abgedruckt war und über Zahlungsbedingungen informiert, für unwirksam.

Das Amtsgericht Bad Homburg hält die Klage für begründet. Es reiche für eine Reiseveranstalterin nicht aus, über die geltenden Stornobedingungen lediglich in einem Reisekatalog zu informieren. Im vorliegenden Fall fehle deshalb ein rechtzeitiger Hinweis der Beklagten auf die AGB. Die Kläger haben demnach einen Anspruch auf die Rückzahlung der zuvor geleisteten Anzahlung. Darüber hinaus sei die Klausel in den AGB der Beklagten, die die Höhe der Stornogebühren regelt sei im Hinblick auf § 11 Nr. 15 b AGBG unwirksam.

AG Bad Homburg 2 C 1901/02 (Aktenzeichen)
AG Bad Homburg: AG Bad Homburg, Urt. vom 10.04.2003
Rechtsweg: AG Bad Homburg, Urt. v. 10.04.2003, Az: 2 C 1901/02
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Hessen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Bad Homburg

1. Urteil vom 10. April 2003

Aktenzeichen: 2 C 1901/02

Leitsatz:

2. Wenn eine Stornoklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters unwirksam ist, kommt eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel nicht in Betracht. Für die Schätzung der angemessenen Storno-Kosten kann daher nicht auf die üblichen Stornopauschalen zurück gegriffen werden.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte für sich und seine Frau bei der Beklagten, einer Reiseveranstalterin eine Reise gebucht. Der Reisevertrag den der Kläger unterschrieben hatte, enthielt dabei eine Klausel folgenden Inhalts: „Ich erkenne zugleich für alle angemeldeten Teilnehmer die Reisebedingungen des Veranstalters und die Beförderungsbedingungen der beteiligten Verkehrsträger als verbindlich an.“ Außerdem lag der Buchung der Reisekatalog der Beklagten bei, in dem die „Reise- und Zahlungsbedingungen“ abgedruckt sind. Nachdem der Kläger die Reise 10 Wochen vor Reisebeginn storniert hatte, fordert er nun von der Beklagten den zuvor geleisteten Anzahlungsbetrag zurück, weil sie die Stornoklausel unter den Zahlungsbedingungen für unwirksam halten.

Das Amtsgericht Bad Homburg hält die Klage für begründet und spricht dem Kläger einen Anspruch auf die zuvor geleistete Anzahlung zu. Die Klausel in den AGB der Beklagten, die die Höhe der Stornogebühren regelt sei im Hinblick auf § 11 Nr. 15 b AGBG unwirksam. Dies sei allerdings im vorliegenden Fall auch nicht von Relevanz, weil die Aufklärung der Kläger über die geltenden Stornobedingungen seitens der Beklagten nicht hinreichend erfolgt sei. Es reiche nicht aus, die entsprechenden Bedingungen in einem Reisekatalog abzudrucken. Folglich fehlt hier ein rechtzeitiger Hinweis der Beklagten auf die AGB im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGBG.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils EUR 285,– nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2002 zu zahle, wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

5. Der Kläger buchte für sich und seine Frau, die Klägerin zu 2), bei der Beklagten eine Reise, die Buchung kam in dem sog. Start-System zustande, auf der Buchungsbestätigung sind die beiden Kläger als Reisende vermerkt, weiter unten hat eine Mitarbeiterin des Reisebüros angekreuzt „Reisebedingungen ausgehändigt“. Als „Anmeldung für die oben bezeichneten Reisen“ hat der Kläger zu 1) eine Klausel unterschrieben, die wie folgt lautet: „Ich erkenne zugleich für alle angemeldeten Teilnehmer die Reisebedingungen des Veranstalters und die Beförderungsbedingungen der beteiligten Verkehrsträger als verbindlich an.“ Bei der Buchung lag der Reisekatalog der Beklagten, bei dem auf Seite 54 „Reise- und Zahlungsbedingungen“ abgedruckt sind, vor.

6. Mit der Zahlung verlangen die Kläger ihre Anzahlung zurück. Sie halten die Stornoklausel unter Ziffer 5.3 der Zahlungsbedingungen für unwirksam, sie haben 10 Wochen vor Reisebeginn storniert.

7. Die Kläger beantragen,

8. die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils 285,– EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15.05.2002 zu zahlen.

9. Die Beklagte beantragt,

10. die Klage abzuweisen.

11. Sie meint, ihre AGB seien bereits im Hinblick auf die Buchungsbestätigung und die eben zitierten dortigen Klauseln einbezogen, auch bei fehlender Einbeziehung oder Unwirksamkeit müsse der ihr zustehende Stornobetrag so geschätzt werden wie die Stornoklausel das ausweist (bei Flugreisen bis 30 Tage vor Reisebeginn 20 %).

Entscheidungsgründe

12. Die Klage ist, was die Hauptforderung angeht, begründet, dabei ist ohne weiteres von einer Aktivlegitimation beider Kläger auszugehen, die ohne Mitwirkung der Beklagten die Forderung beliebig unter sich aufteilen können. Die Stornoklausel ist nicht einbezogen worden, zur Höhe ihrer Forderung nach § 651 i Abs. 2 BGB hat die Beklagte, bei der die Darlegungslast liegt, auch auf mehrfachen gerichtlichen Hinweis nichts ausreichendes vorgetragen.

13. 1. Bei Buchung im Startsystem kommt der Reisevertrag im Reisebüro mit der Einbuchung zustande, die nachfolgende Buchungsbestätigung wie auch die noch spätere Reisebestätigung/Rechnung der Beklagten haben keine Bedeutung mehr, Seyderhelm, Reiserecht, Randnummer 91 zu § 651 a BGB. Die Buchung erfolgte am 21.12.2001, so daß altes Schuldrecht zur Anwendung kommt.

14. 2. Für die Frage der Einbeziehung ist zunächst festzustellen, daß die oben zitierte Klausel, wonach der Kläger zu 1) anerkannt hat, daß die Reisebedingungen des Veranstalters und die Beförderungsbedingungen der beteiligten Verkehrsträger verbindlich sein sollen, im Hinblick auf § 11 Nr. 15 b AGBG unwirksam ist, vgl. BGH NJW 1996, Seite 1819 m. w. N. Ein Sonderfall, etwa ein bloßes Empfangsbekenntnis nach § 11 Nr. 15 Satz 2 AGBG oder ein Fall, bei dem die AGB mit der Erklärung des Kunden untrennbar verbunden ist (vgl. BGH NJW 1982, 1388) liegt ersichtlich nicht vor.

15. Es fehlt ein rechtzeitiger Hinweis der Beklagten auf die AGB im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGBG. Die Kläger haben hierzu unwidersprochen vorgetragen, ihnen sei bei Buchung anhand des Katalogs nicht erklärt worden, daß dieser Katalog Vertragsbedingungen enthalte, das sei ihnen auch sonst unbekannt gewesen. Soweit in der Buchungsbestätigung auf Bedingungen hingewiesen wurde, so ist dies zu spät (Palandt-Heinrichs, Randnummer 6 zu § 2 AGB), außerdem auch nicht deutlich genug.

16. Damit kommt es auf eine Inhaltskontrolle der Klausel nicht mehr an. Zu § 651 i Abs. 2 BGB hat die Beklagte vorgetragen, daß die Reise ganz oder wenigstens teilweise (Flug) nicht weiterverkauft werden konnte, gleichwohl reicht ihr Vorbringen nicht aus, selbst dann, wenn man zu ihren Gunsten § 287 ZPO anwendet. Die Beklagte kann sich hierbei nicht auf eine ältere Entscheidung des Berufungsgerichts stützen. Nach dieser Entscheidung soll bei Unwirksamkeit einer Stornoklausel zur Schätzung auf die üblichen Stornopauschalen zurückgegriffen werden.

17. Dagegen ist eingewendet worden, daß dies wegen der häufig überhöhten Sätze nicht weiterführe (Führich, Reiserecht, Randnummer 426). Im vorliegenden Fall ist die Höhe der üblichen Stornosätze streitig, die Beklagte hat AGB anderer Reiseveranstalter mit niedrigeren Sätzen vorgelegt, die Beklagte hat Sachverständigengutachten als Beweis angeboten.

18. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist weiter auf das Verbot geltungserhaltender Reduktion hingewiesen worden.

19. Auch dies kann dahin stehen, im vorliegenden Fall kann § 287 ZPO nicht so gehandhabt werden.

20. 3. Es entspricht einhelliger Auffassung, daß § 287 ZPO dann nicht zur Anwendung kommt, wenn eine Partei die ihr mögliche konkrete Angaben unterläßt und sich nicht um eine nach den Umständen zumutbare Substantiierung ihres Vorbringens bemüht (für alle: Stein/Jonas/Leipold, Randnummer 25 zu § 287 ZPO).

21. Was danach zumutbar ist, wurde durch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur parallelen Problematik im Werkvertragsrecht herausgearbeitet (vgl. Schmeel, MDR 1997 „Abschied von der Bequemlichkeit“, Palandt/Sprau, Randnummer 5 ff zu § 649 BGB, beide mit umfangreichen Nachweisen zur jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Danach muß der Unternehmer bei einem Pauschalpreisvertrag seine Kalkulation offen legen, er kann sich in keinem Fall mit einem bloß prozentualen Abschlag begnügen. Dies muß erst recht bei einem Reisevertrag als einem Unterfall des Werkvertrags gelten, die Darlegungslast ist hier für den Reiseveranstalter ungünstiger. Auch dies wurde der Beklagten ausführlich auseinandergesetzt.

22. Nebenentscheidungen: §§ 91, 92, 709 ZPO. Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus Verzug, für einen früheren Zinsbeginn als den der Ablehnung der Ansprüche durch die Beklagte ist nichts ersichtlich.

23. Die Berufung war nicht zuzulassen, es fehlt an den Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da es nur um die Handhabung von § 287 ZPO geht und dies ganz maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch für die Fortbildung des Rechts oder für die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Die entsprechenden Rechtsfragen sind durch den Bundesgerichtshof geklärt, es bedarf keiner Begründung, daß die Anforderungen an das Vorbringen des Reiseveranstalters nach § 651 i II BGB nicht niedriger sein können als die Anforderungen an das Vorbringen des Werkunternehmers nach § 649 BGB. Anhaltspunkte dafür, daß sich das Berufungsgericht gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen wird, sind nicht erkennbar, das wäre auch kein Zulassungsgrund.

24. Auch die übrigen tragenden Gründe der Entscheidung ergeben nichts für die Zulassung der Berufung.

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