Kündigung wegen erheblicher Gefährdung durch Terroranschläge

AG Düsseldorf: Kündigung wegen erheblicher Gefährdung durch Terroranschläge

Die Kläger begehrt von dem Reiseveranstalter die komplette Rückzahlung der Reisekosten, da er die Reise  wegen erhöhter Terrorgefahr nicht angetreten ist.

Die Klage wird abgewiesen.

AG Düsseldorf 22 S 23/07 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 29.06.2007
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 29.06.2007, Az: 22 S 23/07
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 29. Juni 2007

Aktenzeichen 22 S 23/07

 

Leitsatz:

2. Eine Reisestornierung wegen erheblicher Gefährdung durch Terroranschläge ist nicht möglich.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger begehrt von dem Reiseveranstalter die komplette Rückzahlung der geleisteten Zahlungen, da drei Attentate innerhalb kurzer Zeit in dem gebuchten Urlaubsland stattgefunden haben. Der Kläger sieht hier eine erhebliche Gefährdung durch Terroranschläge in dem gebuchten Urlaubsziel.

Das Amtsgericht Düsseldorf weist die Klage ab, die drei Anschläge auf welche sich der Kläger bezieht, hätten unabhängig voneinander und auch geographisch weit auseinander liegend stattgefunden. Diese Einzelfälle können sich jederzeit auch in vielen anderen Ländern wiederholen. Aus diesem Grund handelt es sich nicht um eine erhöhte Terrorgefahr, sondern gehöre vielmehr zum allgemeinen Lebensrisiko. Dies allein reiche nicht aus, um einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Zahlung geltend zu machen.

Tenor:

4. Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Dezember 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf – 40 C 14370/06 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

 

Gründe

5. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Entscheidungserhebliche Ergänzungen sind in der Berufungsinstanz nicht erfolgt.

6. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter.

7. Die Berufung ist zulässig.

8. Der Kläger macht geltend, entgegen der Ansicht des Amtsgerichts habe höhere Gewalt im Sinne von § 651 j BGB vorgelegen. Die Ansicht des Amtsgerichts, vereinzelte Terroranschläge oder Drohungen seien als Einzelattacken keine höhere Gewalt, sei unrichtig. Unstrittig sei es im Zeitpunkt der gekündigten Reise nicht zu bloßen Einzelattacken gekommen, sondern zu einer Massierung von Anschlägen. Auch könne die Ansicht des Amtsgerichts im Hinblick auf die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt zum Anschlag vom 11. September 2001 nicht aufrechterhalten werden. Danach könne sehr wohl nur ein einzelner Anschlag die Voraussetzungen der höheren Gewalt erfüllen. Schließlich seien die Anschläge in der Türkei entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sehr wohl flächendeckend gewesen, da nicht nur einzelne türkische Gebiete, sondern verschiedene und weit auseinanderliegende Gebiete betroffen gewesen seien. Jedenfalls seien entgegen der Ansicht des Amtsgerichts zum Zeitpunkt der Reisekündigung ausschließlich touristische Ziele im Visier der Terroristen gewesen.

9. Das ist die Rüge einer Rechtsverletzung durch das Amtsgericht im Sinne von § 546 ZPO, die – träfe sie zu – entscheidungserheblich wäre. Auf die Richtigkeit oder auch nur Schlüssigkeit der Rüge kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zulässigkeit nicht an.

10. Die Berufung ist unbegründet.

11. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des gesamten Reisepreises nicht zu. Dem Kläger stand ein Kündigungsrecht nach § 651 j BGB nicht zu.

12. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass infolge höherer Gewalt die beabsichtigte Reise im Sinne dieser Vorschrift erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt gewesen wäre. Nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur begründen einzelne terroristische Anschläge in der Urlaubsregion oder entsprechende Drohungen noch kein Kündigungsrecht nach § 651 j BGB. Solche Vorfälle können sich leider jeder Zeit auch in vielen anderen Ländern, selbst in Deutschland, realisieren und gehören deshalb zum allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden. Etwas anderes ist nur anzunehmen, wenn Terrorakte eine solche Gewalt haben bzw. so gehäuft auftreten, dass sie bürgerkriegsähnlichen Zuständen gleichkommen (vgl. hierzu Seyderhelm Reiserecht § 651 j Rn. 25 m. w. N.; Führich Reiserecht 5. Aufl. Rn. 540 m. w. N.).

13. Ausgehend von diesem Grundsatz hat das Amtsgericht mit zutreffender Begründung, die sich die Kammer zu Eigen macht, die Annahme höherer Gewalt im Sinne von § 651 j BGB verneint. Es hatten im fraglichen Zeitpunkt in der Türkei keinesfalls flächendeckend bürgerkriegsähnliche Zustände geherrscht. Vielmehr gab es an einem Tag drei Attentate in Istanbul, Antalya und Marmaris sowie ein weiteres in der überwiegend von Kurden bewohnten Stadt Diyarbakir. Bei diesen Attentaten handelte es sich um Anschläge, die von ihrem Ausmaß und der eingetretenen Schäden nicht annähernd mit den Attentaten des 11. September 2001 oder auch nur mit den Anschlägen vor dem ägyptischen Museum in Kairo und Luxor im Jahre 1987, Bali und Djerba vergleichbar sind. Deshalb hilft dem Kläger auch nicht der Verweis auf die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt, der der verheerende Anschlag vom 11. September 2001 zugrunde lag. Anders als in diesem Fall lagen massive terroristische Anschläge nicht vor, sondern vergleichsweise geringfügige. Auch betrafen entgegen der Ansicht des Klägers die Attentate nicht ausschließlich touristische Ziele, so die in Istanbul und Diyarbakir.

14. Dies hatte auch der Auswärtige Amt so gesehen, da es keinesfalls eine Empfehlung ausgesprochen hatte, nicht mehr in die Türkei zu reisen, was entsprechend in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen erfolgt wäre, wenn das Auswärtige Amt konkrete Gefährdung von Reisenden befürchtet hätte. Das diese Ansicht des Auswärtigen Amtes auch von der ganz überwiegenden Anzahl der Reisenden geteilt worden war, zeigt der Umstand, dass die Türkei trotz dieser Anschläge in der fraglichen Zeit ein gefragtes Urlaubsziel war, dass von einer Vielzahl von Urlaubsreisenden besucht wurde. Dies alles ist Indiz dafür, dass objektiv eine Gefährdung, die über das hinaus ging, was ein Reisender üblicherweise als allgemeines Lebensrisiko in Kauf nehmen muss, nicht gegeben war. Es waren keine flächendeckenden bürgerkriegsähnlichen Zustände gegeben, sondern Einzelanschläge einer extremen Gruppierung in der Türkei, die immer wieder einmal zugeschlagen hatte, ohne das diese größere Auswirkung auf die Stabilität des Landes gehabt hätte. So hat auch das Auswärtige Amts in seinen Sicherheitshinweisen betreffend die fragliche Reisezeit ausgeführt, die Sicherheitsvorkehrungen im gesamten Land seien auf hohen Niveau.

15. War danach der Kläger subjektiv verständlich, objektiv jedoch nicht vertretbar vom Reisevertrag zurückgetreten, hat er die vereinbarte Stornoentschädigung nach § 651 i BGB zu zahlen.

16. Die Kostenentcheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

17. Streitwert für das Berufungsverfahren: 957,60 EUR.

18. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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