Annahme eines Verrechnungsschecks

BGH: Annahme eines Verrechnungsschecks

Vorliegend verlangt die Klägerin von einem Transportunternehmen Schadensersatz, da zwei ihrer Pakete abhanden gekommen sind. Das beklagte Transportunternehmen schickte ihr zuvor jedoch einen Verrechnungsscheck mit einem Schreiben, in dem stand, dass alle weiteren Ansprüche aus dem Schadensfall mit Einlösung des Schecks abgegolten seien. Die Klägerin löste den Scheck ein.

Der BGH entschied, dass das Einlösen des Schecks keine Annahme der Bedingungen des Transportunternehmens darstellen kann, da die Summe der Forderung des Kunden und die Summe der angebotenen Abfindung erheblich von einander abweicht.

BGH I ZR 155/04 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 13.09.2007
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 13.09.2007, Az: I ZR 155/04
OLG München, Urt. v. 23.09.2004, Az: 23 U 2157/04
LG München, Urt. v. 15.01.2004, Az: 4 HKO 6567/02
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Bundesgerichtshof

1. vom 13. September 2007

Aktenzeichen I ZR 155/04

Leitsatz:

2. Übersendet der Transportunternehmer seinem Kunden nach dem Verlust der Ware einen Verrechnungsscheck und ein Schreiben, in dem er mitteilt, dass mit der Einlösung des Schecks alle Ansprüche aus dem Schadensfall abgegolten seien und eine separate Gegenbestätigung nicht erforderlich sei, so kann die anschließende Scheckeinlösung durch den Kunden nicht als Annahme gelten.

Zusammenfassung:

3. Das beklagte Transportunternehmen übernahm bei einem Edelmetallunternehmen in Amsterdam drei Pakete um diese per LKW als Luftfrachtersatzverkehr an die Versicherungsnehmerin der Klägerin zu liefern. Es kam lediglich eins von den drei Paketen an, denn die anderen zwei Pakete sind, laut einem Schreiben, unauffindbar.

Der Schaden mit einer Summe von 205,95 € reguliert, indem das beklagte Transportunternehmen der Versicherungsnehmerin einen Verrechnungsscheck über den oben genannten Wert und ein Schreiben mit der Bedingung, dass nach Einlösen des Schecks alle anderen Ansprüche untergehen, zuschickte und diese den einlöste. Die Klägerin verlangt nun Schadensersatz von dem beklagten Transportunternehmen in Höhe von 92.316,19 € nebst Zinsen.

Das Landgericht München hat das Begehren der Klägerin abgewiesen, das Berufungsgericht Oberlandesgericht München hat dem Begehren jedoch stattgegeben. Der BGH entschied, dass die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgewiesen werden soll.  Indem die Klägerin den Scheck einlöste. liegt keine Annahme der Bedingungen, da hier ein krasses Missverhältnis zwischen der Forderung des Kunden und der angebotenen Abfindung vorliegt.

Tenor:

4. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2007 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. September 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

5. Die Klägerin, ein Transportversicherer, nimmt die Beklagte, ein international tätiges Transportunternehmen, wegen des Verlusts von Transportgut aus übergegangenem und abgetretenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin auf Schadensersatz in Anspruch.

6. Die Beklagte übernahm am 13. Mai 2002 bei einem Edelmetallunternehmen in Amsterdam drei Pakete mit einem Gewicht von 17,9 kg. Sie führte den Transport im Luftfrachtersatzverkehr per LKW zu der von der Versicherungsnehmerin in Karlsfeld betriebenen Kunstprägeanstalt durch. Bei der Versicherungsnehmerin lieferte sie lediglich eines der drei Pakete ab.

7. Mit Schreiben vom 7. Juni 2002 teilte die Beklagte der Versicherungsnehmerin mit, die beiden anderen Pakete seien unauffindbar. Der entstandene Schaden werde gemäß dem Warschauer Abkommen mit 205,95 € reguliert. Mit weiterem Schreiben vom 19. Juni 2002 übersandte die deutsche Niederlassung der Beklagten der Versicherungsnehmerin einen Verrechnungsscheck über 205,95 € mit dem Hinweis, dass mit der Einlösung des Schecks alle Ansprüche aus dem Schadensfall abgegolten seien und eine separate Gegenbestätigung nicht erforderlich sei. Die Versicherungsnehmerin löste den Scheck ein.

8. Die Klägerin hat behauptet, die verlorengegangenen Packstücke hätten 240 ungeprägte Goldmünzen („Goldronden“) mit einem Wiederbeschaffungswert von 92.522,14 € enthalten. Sie hat die Beklagte auf Zahlung von 92.316,19 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.

9. Die Beklagte hat vorgetragen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch schon deshalb nicht zu, weil durch die Einlösung des Schecks eine Abfindungsvereinbarung zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zustandegekommen sei, die weitergehende Ansprüche ausschließe. Die Haftung der Beklagten sei zudem summenmäßig auf den bereits bezahlten Betrag beschränkt.

10. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

11. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben (OLG München TranspR 2005, 254 = VersR 2005, 962).

12. Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

13. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

14. Der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch zu. Ungeachtet des ausgestellten Luftfrachtbriefs unterliege der Transport der CMR als dem Recht der tatsächlichen Beförderungsart. Soweit die CMR keine Regelung enthalte oder Bestimmungen des nationalen Rechts nicht ausschließe, sei ergänzend das zumindest nachträglich stillschweigend vereinbarte deutsche Recht anzuwenden. Die Beklagte habe zuletzt nicht mehr bestritten, dass zwei der drei übernommenen Pakete aus ihrer Obhut verlorengegangen seien. Hinsichtlich des Inhalts der Pakete könne sich die Klägerin zumindest auf einen Anscheinsbeweis berufen. Zudem sei davon auszugehen, dass die verschwundenen Pakete denselben Inhalt gehabt hätten wie das gleichzeitig übernommene dritte Paket.

15. Die Höhe des Schadens könne aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und der dazu gegebenen Erläuterung geschätzt werden. Auf Haftungsbeschränkungen könne sich die Beklagte nicht berufen, da ihr ein zumindest vorsatzgleiches Verschulden vorzuwerfen sei. Der Schadensersatzanspruch sei nicht gemäß Art. 17 Abs. 5 CMR wegen eines Mitverschuldens der Absenderin gemindert oder ausgeschlossen. Wegen des spezifischen Gewichts der Pakete und der Angaben über Absender und Empfänger habe auch ohne einen Hinweis der Absenderin auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens kein Zweifel darüber bestehen können, dass die Pakete einen hohen Wert haben konnten. Zudem fehle ein schlüssiger Vortrag zur Ursächlichkeit eines möglichen Mitverschuldens für den Schadenseintritt. Der Zinsanspruch folge aus §288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Versicherungsnehmerin habe auf den Klageanspruch auch nicht dadurch verzichtet, dass sie durch das Einlösen des übersandten Schecks stillschweigend einer Abfindungsvereinbarung zugestimmt habe.

16. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses hat zu Unrecht ein qualifiziertes Verschulden i. S. von Art. 29 CMR, § 435 HGB bejaht, ohne den Vortrag der Beklagten zu deren Transportorganisation zu berücksichtigen.

17. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin ihren Anspruch auf die Bestimmungen der CMR stützen kann. Diese sind unabhängig davon anwendbar, ob die Beförderung im Luftfrachtersatzverkehr vereinbarungsgemäß oder vertragswidrig erfolgt ist (vgl. BGH, Urt. v. 17. 5. 1989 – I ZR 211/ 87, TranspR 1990, 19, 20 = VersR 1990, 331 = NJW 1990, 639; Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 407 HGB Rdn. 26 m. w. N.).

18. Das Berufungsgericht hat weiter ohne Rechtsfehler angenommen, dass zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten keine Abfindungsvereinbarung zustandegekommen ist.

19. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, das Schreiben der Beklagten vom 19. Juni 2002 lasse sich aus der maßgeblichen Sicht der Empfängerin nicht als Angebot für den Abschluss eines Erlassvertrages werten. Die gewünschte Abgeltung durch Einlösung des Schecks werde erst im letzten Absatz und auch dort – ebenso wie bereits in dem Schreiben vom 7. Juni 2002 – nur in Form eines Hinweises auf eine feststehende Rechtslage angesprochen, die der Leser lediglich zur Kenntnis nehmen solle. In gleicher Weise sei in einem zwischen dem Zeugen S. und der Zeugin M. geführten Telefonat nur von Hinweisen und nicht von einem Vertragsangebot die Rede gewesen.

20. Bei der gebotenen Bewertung der Umstände durch einen unbeteiligten Dritten könne in der Scheckeinlösung im Übrigen auch nicht die bewusste Betätigung eines Annahmewillens gesehen werden. Es liege fern, dass sich die Versicherungsnehmerin bei einer Schadenshöhe von 92.522,14 € auf eine Abfindung von 205,95 € einlasse, ohne sich wenigstens eine Überprüfung vorzubehalten. Die Beklagte habe, so wie sie das Schreiben vom 19. Juni 2002 formuliert habe, offenbar auch nicht mit Zustimmung gerechnet, sondern im Gegenteil durch Einkleidung in einen Hinweis und Verzicht auf Gegenbestätigung eine Stellungnahme zu verhindern versucht. Bei Beachtung guter kaufmännischer Gepflogenheiten hätte sie eine Gegenbestätigung (etwa durch Rücksendung einer unterzeichneten Kopie) erbeten.

21. Die revisionsgerichtliche Überprüfung dieser Beurteilung ist nicht darauf beschränkt, ob das Berufungsgericht allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat.

22. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten instanzgerichtlichen Entscheidungen handelt es sich bei der maßgeblichen Passage in ihrem Schreiben vom 19. Juni 2002 um eine von ihr regelmäßig verwendete Formulierung, die von verschiedenen Berufungsgerichten unterschiedlich ausgelegt werden kann und auch schon unterschiedlich ausgelegt worden ist.

23. Das Berufungsgericht hat die Äußerung der Beklagten in dem Schreiben vom 19. Juni 2002 „Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass mit der Einlösung des Schecks alle Ansprüche aus diesem Schaden abgegolten sind“ zutreffend nicht als Willenserklärung, sondern als bloßen Hinweis auf die Rechtslage gewertet, wie sich diese nach Ansicht der Beklagten darstelle. Mit Recht hat es auch angenommen, dass die Beklagte die Scheckeinlösung durch die Versicherungsnehmerin jedenfalls nicht als bewusste Betätigung eines Annahmewillens i. S. des § 151 Satz 1 BGB ansehen konnte. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (st. Rspr.; vgl. BGH v. 07.03.2002, Az: IX ZR 293/00: Einlösung eines Schecks als Erfüllung der Leistung aus Abfindung und Vergleich; BGH v. 07.03.2006, Az: VI ZR 54/05: Erlassvertrag und Verzichtswille bei Einigung aus Abfindung und Vergleich;BGH v. 21.11.2006, Az: VI ZR 76/06: Auslegung von Willenserklärungen im Rahmen von Abfindung und Vergleich nach Verhandlungen, jeweils m. w. N.).

24. Bereits das besonders krasse Missverhältnis zwischen der von der Versicherungsnehmerin erhobenen Forderung und der von der Beklagten angebotenen Abfindung von kaum mehr als 0, 2 % dieser Forderung ist ein starkes Indiz dagegen, dass die Versicherungsnehmerin mit der Einreichung des ihr übersandten Schecks zugleich erklären wollte, ein Angebot der Beklagten anzunehmen und damit auf ihre restliche Forderung zu verzichten (vgl. BGH, Vers.-Urt. v. 10. 5. 2001 – XII ZR 60/ 99, NJW 2001, 2324 f.).

25. Der Umstand, dass die Schecksumme der Haftung der Beklagten nach dem Warschauer Abkommen im Falle ihrer summenmäßigen Beschränkung entsprach, änderte nichts an dem groben Missverhältnis zwischen der geleisteten Entschädigung und der von der Versicherungsnehmerin geforderten Entschädigung. Die Beklagte hatte um so weniger Anlass anzunehmen, die Versicherungsnehmerin wolle mit der Einlösung des Schecks auf den weitaus größten Teil des von ihr angenommenen Schadensersatzanspruchs verzichten, als sie der Versicherungsnehmerin mit ihrem Schreiben vom 19. Juni 2002 lediglich den Entschädigungsbetrag angeboten hatte, den sie wegen des Verlusts des Transportguts, den sie zur damaligen Zeit nicht in Abrede gestellt hat, im Fall der summenmäßigen Beschränkung ihrer Haftung ohnedies zu leisten hatte.

26. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte könne sich wegen eines zumindest vorsatzgleichen Verschuldens nicht auf Beschränkungen ihrer Haftung berufen. Wie die Revision mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung das Vorbringen der Beklagten zu ihrer Transportorganisation und zum Verlauf der konkreten Sendung nicht berücksichtigt.

27. Der Anspruchsteller ist grundsätzlich gehalten, die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Er trägt dementsprechend die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (vgl. BGH, Urt. v. 5. 6. 2003 – I ZR 234/ 00, TranspR 2003, 467, 469 = NJW 2003, 3626; Urt. v. 4. 3. 2004 – I ZR 200/ 01, TranspR 2004, 460, 461; Urt. v. 14. 6. 2006 – I ZR 136/ 03, VersR 2007, 273 Tz. 13 = TranspR 2006, 348). Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Insbesondere hat er substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er konkret aufgewendet hat. Kommt er dem nicht nach, kann daraus nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein.

28. Das Berufungsgericht hat zu der Frage, ob die Beklagte ein qualifiziertes Verschulden i. S. von Art. 29 CMR i. V. mit § 435 HGB trifft, ausgeführt, die Klägerin habe ihrer Darlegungslast genügt, da nach den Umständen des Falles sogar ein Diebstahl durch Gehilfen der Beklagten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit naheliege. Die Beklagte habe demgegenüber zum konkreten Schadenseintritt nichts berichtet, sondern lediglich allgemeine Ausführungen über ihre Organisation gemacht. Noch zu Beginn des Prozesses habe sie einen Verlust bestritten; eine Erklärung hierfür sei sie schuldig geblieben. Ebensowenig habe sie etwas dazu gesagt, dass sie mit ihrem Ablieferungsbeleg nur die Ablieferung für eine einzige Paketnummer habe belegen können, obwohl jedes Packstück eine eigene Nummer erhalten habe.

29. Die Revision rügt ohne Erfolg, diese Beurteilung widerspreche der Senatsrechtsprechung, nach der der Anspruchsteller die ihm obliegende Darlegungslast erst dann erfüllt habe, wenn sein Vortrag nach den Umständen des Falles ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelege und allein der Frachtführer zur Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens in zumutbarer Weise beitragen könne. Richtig ist allerdings, dass die Klägerin ihre Annahme, ein Diebstahl durch Gehilfen der Beklagten sei wahrscheinlich, nicht – wie erforderlich – substantiiert hat.

30. Das Berufungsgericht hat aber Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden zum einen darin gesehen, dass die Beklagte den Eintritt des Verlusts noch zu Beginn des Rechtsstreits bestritten hat, ohne dafür nachfolgend eine Erklärung abzugeben. Zum anderen hat es darauf hingewiesen, dass die Beklagte nichts dazu gesagt hat, dass sie mit ihrem Ablieferungsbeleg nur die Ablieferung für eine einzige Paketnummer hat belegen können, obwohl jedes der Packstücke eine eigene Nummer erhalten hatte. Danach bestanden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Ablauf und die Kontrolle ihres Betriebs in einer den Vorwurf der Leichtfertigkeit i. S. von Art. 29 CMR i. V. mit § 435 HGB rechtfertigenden Weise mangelhaft eingerichtet hatte und aus diesem Grund auch außerstande war, den Ort, den Zeitpunkt und die Ursache des eingetretenen Verlusts zu bestimmen oder immerhin einzugrenzen.

31. Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann jedoch entgegen der vom Berufungsgericht vorgenommenen Beurteilung nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass die Beklagte zum Ablauf ihres Betriebs und zu den von ihr ergriffenen Sicherungsmaßnahmen eingehend vorgetragen hat. Die Beklagte hat des Weiteren auch dargetan, dass sie diese Sicherungsmaßnahmen auch bei dem streitgegenständlichen Transport angewendet hat.

32. Sofern die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, hat die Klägerin den vollen Beweis zu erbringen, dass der eingetretene Schaden seine Ursache in einem qualifiziert schuldhaften Verhalten der Beklagten oder von Personen hatte, deren Verhalten diese sich gemäß Art. 3 CMR zurechnen lassen muss.

33. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

34. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob die Beklagte mit ihrem Vortrag in der Klageerwiderung zu ihrer Transportorganisation und zu deren Anwendung im konkreten Fall ihrer sekundären Darlegungslast entsprochen hat. Es wird in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen haben, dass eine hinreichende Schnittstellenkontrolle nur dann vorliegt, wenn sie sich bei aus mehreren Packstücken bestehenden Sendungen auf die einzelnen Packstücke bezieht, und andernfalls der Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens begründet ist.

35. Sollte das Berufungsgericht unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erneut zu der Beurteilung kommen, dass eine Haftung der Beklagten gemäß Art. 29 CMR dem Grunde nach zu bejahen ist, wird es nochmals zu prüfen haben, ob das Edelmetallunternehmen, das die Sendung der Beklagten übergeben hat, den Schaden dadurch mitverursacht hat, dass es nicht auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hingewiesen hat. Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen haben, dass sich die Ursächlichkeit eines entsprechenden Mitverschuldens nur dann verneinen lässt, wenn der Schädiger zumindest gleich gute Erkenntnismöglichkeiten vom Wert der Sendung hatte wie der Geschädigte (vgl. BGH, Urt. v. 1. 12. 2005 – I ZR 265/ 03, NJW-RR 2006, 1108 Tz. 24 = TranspR 2006, 208; Urt. v. 19. 1. 2006 – I ZR 80/ 03, VersR 2006, 953 Tz. 26 = TranspR 2006, 121 = NJW-RR 2006, 822; Urt. v. 30. 3. 2006 – I ZR 57/ 03, NJW-RR 2006, 1264 Tz. 46 = TranspR 2006, 250).

36. Aus diesem Grund wird sich ein schadensursächlich gewordenes Mitverschulden der Absenderin nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneinen lassen, für die Beklagte habe angesichts des spezifischen Gewichts der Pakete und der Angaben über Absender und Empfänger („Edelmetaal“ und „Kunstprägeanstalt“) kein Zweifel über den zumindest möglichen hohen Wert bestehen können (vgl. auch Koller aaO § 425 HGB Rdn. 74 Fn. 289).

37. Ein Mitverschulden wegen Absehens von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens setzt im Übrigen nicht die Feststellung voraus, dass der Frachtführer Warensendungen generell sicherer befördert. Mit dem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens muss dem Frachtführer die Gelegenheit gegeben werden, im konkreten Fall Sicherungsmaßnahmen zur Abwendung eines drohenden Schadens zu ergreifen oder die Durchführung des Auftrags abzulehnen. Die Kausalität des insoweit gegebenen Mitverschuldenseinwands kann daher nur dann verneint werden, wenn der Frachtführer trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (BGH NJW-RR 2006, 1108 Tz. 22; BGH, Urt. v. 29. 6. 2006 – I ZR 168/ 03, NJW-RR 2006, 1694 Tz. 27 = TranspR 2006, 466). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 27. November 2003 im Übrigen vorgetragen, dass sie die Sendung bei Angabe eines hohen Wertes der Lieferung als Wertsendung behandelt hätte.

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