Zuständiges Gericht bei ausländischem Reisevermittler

EuGH: Zuständiges Gericht bei ausländischem Reisevermittler

Ein österreichischer Kunde bucht das Reiseangebot eines österreichischen Veranstalters über die Website eines deutschen Reisevermittlers. Am Urlaubsort angekommen stellt der Kläger fest, dass ihm das falsche Hotel zugeteilt wurde. Um in dem ursprünglich von ihm gebuchten Hotel untergebracht zu werden, ist er gezwungen einen Aufpreis von 1000 Euro zu zahlen. Es entsteht ein Rechtsstreit zwischen den Parteien, der die Frage aufwirft, welches Gericht für diesen zuständig ist.
Der Europäische Gerichtshof sieht die Zuständigkeit bei dem am Wohnort des Kunden ansässigen Gericht.

EuGH C-478/12 (Aktenzeichen)
EuGH: EuGH, Urt. vom 14.11.2013
Rechtsweg: EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Az: C-478/12
LG Feldkirch, Urt. v. 20.09.2012
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EuGH-Gerichtsurteile

Europäischer Gerichtshof

1. Urteil vom 14.11.2013

Aktenzeichen: C-478/12

Leitsatz:

2. Bei Streitigkeiten zwischen zwei Vertragsparteien aus verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union kann der Gerichtsstand am jeweiligen Wohnort der Vertragspartei sein.

Zusammenfassung:

3. Im zugrunde liegenden Fall buchte ein österreichischer Kunde eine Reise bei einem österreichischen Reiseveranstalter über die Website eines deutschen Reisevermittlers. Am Urlaubsort angekommen stellt der Kläger fest, dass ihm das falsche Hotel zugeteilt wurde. Um in dem ursprünglich von ihm gebuchten Hotel untergebracht zu werden, ist er gezwungen einen Aufpreis von 1000 Euro zu zahlen. Es ist nun fraglich, wo sich der Gerichtsstand für das Verfahren des Kunden gegen den deutschen Reisvermittler befindet.
Die Antwort findet der Europäische Gerichtshof in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Diese Verordnung regelt die Zuständigkeiten der Gerichte innerhalb der europäischen Union. Mit Beschluss des Europäischen Gerichtshofs ist der Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass sich der Gerichtsstand am Wohnort des Kunden befindet.

Tenor:

4. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

Der Begriff „anderer Vertragspartner“ in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auch den im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ansässigen Vertragspartner des Wirtschaftsteilnehmers bezeichnet, mit dem der Verbraucher den betreffenden Vertrag geschlossen hat.

Gründe:

5. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

6. Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn und Frau Maletic (im Folgenden: Eheleute Maletic) auf der einen sowie der lastminute.com GmbH (im Folgenden: lastminute.com) und der TUI Österreich GmbH (im Folgenden: TUI) auf der anderen Seite wegen Zahlung eines Betrags von 1 201,38 Euro nebst Zinsen und anderen Kosten aufgrund der Buchung einer von TUI veranstalteten Pauschalreise durch die Kläger des Ausgangsverfahrens bei lastminute.com.


Rechtlicher Rahmen:

7. In den Erwägungsgründen 2, 11 bis 13 und 15 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.

8. Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

9. Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.

10. Bei Versicherungs-​, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.

11. Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Es sollte eine klare und wirksame Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zur Verhinderung von Problemen vorgesehen werden, die sich aus der einzelstaatlich unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunkts ergeben, von dem an ein Verfahren als rechtshängig gilt. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte dieser Zeitpunkt autonom festgelegt werden.“

12. Gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung „sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen“.

13. Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 können „Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, … vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden“.

14. Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens, kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 in einem anderen Mitgliedstaat, vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

15. Gemäß Art. 6 Nr. 1 dieser Verordnung kann eine solche Person, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.

16. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 dieser Verordnung lautet wie folgt:

„Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt, in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

17. Dieser Abschnitt ist nicht auf Beförderungsverträge mit Ausnahme von Reiseverträgen, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen, anzuwenden.

18. Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.“

19. Art. 28 Abs. 3 dieser Verordnung lautet:

„Klagen stehen im Sinne dieses Artikels im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten.“


Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage:

20. Die Eheleute Maletic wohnen in Bludesch (Österreich), das im Sprengel des Bezirksgerichts Bludenz liegt. Am 30. Dezember 2011 buchten und bezahlten sie für sich als Privatpersonen auf der Internetseite der lastminute.com eine Pauschalreise vom 10. bis 24. Jänner 2012 nach Ägypten zum Preis von 1 858 Euro. Auf ihrer Internetseite wies lastminute.com, die ihren Sitz in München (Deutschland) hat, darauf hin, dass sie als Reisevermittler auftrete und die Reise von der TUI, die ihren Sitz in Wien (Österreich) hat, veranstaltet werde.

21. Die Buchung der Kläger des Ausgangsverfahrens lautete auf das Hotel Jaz Makadi Golf & Spa in Hurghada (Ägypten). Diese Buchung wurde von lastminute.com bestätigt und an TUI weitergeleitet. Daraufhin erhielten die Eheleute Maletic von TUI eine „Bestätigung/Rechnung“ vom 5. Jänner 2012, in der zwar die Daten der bei lastminute.com gebuchten Reise aufgeführt waren, jedoch ein anderes Hotel, nämlich das Jaz Makadi Star Resort Spa in Hurghada, angegeben wurde.

22. Erst bei ihrer Ankunft in Hurghada bemerkten die Kläger des Ausgangsverfahrens den Fehler hinsichtlich des Hotels und zahlten einen Aufpreis von 1 036 Euro, um in dem ursprünglich auf der Internetseite der lastminute.com gebuchten Hotel wohnen zu können.

23. Um die Erstattung des somit gezahlten Aufpreises und eine Entschädigung für die Unannehmlichkeiten, die ihren Urlaub beeinträchtigt hatten, zu erlangen, erhoben die Kläger des Ausgangsverfahrens am 13. April 2012 eine Klage beim Bezirksgericht Bludenz, mit der sie beantragten, lastminute.com und TUI zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 1 201,38 Euro nebst Zinsen und Kosten an sie zu verurteilen.

24. Das Bezirksgericht Bludenz beschränkte seine Prüfung auf die Frage seiner Zuständigkeit für die Entscheidung über die Klage und wies diese mit Beschluss vom 4. Juli 2011 in Bezug auf TUI wegen örtlicher Unzuständigkeit ab. Die Verordnung Nr. 44/2001 sei auf den Rechtsstreit zwischen den Klägern des Ausgangsverfahrens und TUI nicht anwendbar, da es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt handle. Nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften sei das zuständige Gericht das des Wohnsitzes des Beklagten, d. h. das zuständige Gericht in Wien und nicht in Bludenz.

25. In Bezug auf lastminute.com, ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland, sei hingegen die Bedingung des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 betreffend die Ausrichtung der Tätigkeit auf Österreich erfüllt. Somit sei es für die Entscheidung des Rechtsstreits in der Sache zuständig. Insoweit ist der Beschluss mangels Anfechtung seitens lastminute.com in Rechtskraft erwachsen.

26. Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten gegen diese Entscheidung beim vorlegenden Gericht Rekurs ein und machten geltend, dass die von ihnen vorgenommene Buchung von Beginn an als einheitliches Rechtsgeschäft untrennbar mit lastminute.com als Reisevermittler und TUI als Reiseveranstalter verknüpft gewesen sei. Bei einer Pauschalreise stelle Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 die Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts dar, und zwar auch hinsichtlich TUI.

27. In ihrer Rekursbeantwortung machte TUI geltend, dass für die Entscheidung über die gegen sie erhobene Klage ausschließlich das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zuständig sei und dass das erstinstanzliche Gericht zu Recht davon ausgegangen sei, dass im vorliegenden Fall kein einheitliches Rechtsgeschäft vorliege. Es sei somit von zwei virtuell verschiedenen Verträgen auszugehen, und die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit sei auf dieser Grundlage zu beurteilen.

28. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob es sich bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens um einen „reinen Binnensachverhalt“ handelt und wie insoweit der Begriff „Vertragspartner“ in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 auszulegen ist, wenn ein Unternehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers Leistungen eines anderen Unternehmers mit Sitz im letztgenannten Staat vermittelt und ein Verbraucher eine Klage gegen diesen „Vertragspartner“ erhebt, wobei ihm diese Bestimmung ermöglicht, seinen Anspruch vor dem Gericht des Ortes geltend zu machen, an dem er seinen Wohnsitz hat.

29. Da die besonderen Zuständigkeitsregeln der Art. 15 ff. der Verordnung Nr. 44/2001 für Verbrauchersachen dem Zweck dienen würden, die schwächere Vertragspartei durch die Einräumung von Wahlgerichtsständen und eine Beschränkung der Zulässigkeit von Zuständigkeitsvereinbarungen zu schützen, würde dieser Schutz unterlaufen, wenn Ansprüche des Verbrauchers aus einem einzigen Buchungsvorgang nicht gegen beide Vertragspartner bei dem nach Art. 16 Abs. 1 dieser Verordnung zuständigen Gericht erhoben werden könnten.

30. Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Feldkirch beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 über die Begründung der Zuständigkeit vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, dahin auszulegen, dass dann, wenn der andere Partner (hier Reisevermittler mit Sitz im Ausland) sich eines Vertragspartners (hier Reiseveranstalter mit Sitz im Inland) bedient, für Klagen, mit denen beide in Anspruch genommen werden, Art. 16 Abs. 1 dieser Verordnung auch auf den Vertragspartner im Inland Anwendung findet?

Zur Vorlagefrage:

31. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „anderer Vertragspartner“ in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auch den im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ansässigen Vertragspartner des Wirtschaftsteilnehmers bezeichnet, mit dem der Verbraucher den betreffenden Vertrag geschlossen hat.

32. TUI ist der Ansicht, dass die Verordnung Nr. 44/2001 auf sie nicht anwendbar sei; die Umstände des Ausgangsverfahrens seien charakteristisch für einen rein innerstaatlichen Sachverhalt, so dass lediglich die innerstaatlichen Vorschriften über die örtliche gerichtliche Zuständigkeit anwendbar seien.

33. Es wird hingegen nicht bestritten, dass die Verordnung Nr. 44/2001 auf lastminute.com anwendbar ist und dass das Gericht des Wohnorts der Eheleute Maletic in Bezug auf dieses Unternehmen für die Sachentscheidung in dem Rechtsstreit zuständig ist.

34. Daher ist zu prüfen, ob die Verordnung Nr. 44/2001 unter den Umständen des Ausgangsverfahrens auf einen Vertragspartner wie TUI anwendbar ist und ob ein Auslandsbezug besteht, der diese Anwendung rechtfertigen kann.

35. Der Gerichtshof hat insoweit bereits zum Übereinkommen von Brüssel vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die nachfolgenden Beitrittsübereinkommen geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) entschieden, dass die Anwendung der Zuständigkeitsregeln dieses Übereinkommens einen Auslandsbezug verlangt und dass sich der Auslandsbezug des fraglichen Rechtsverhältnisses, um Art. 2 des Brüsseler Übereinkommens (jetzt Art. 2 der Verordnung Nr. 44/2001) anwenden zu können, nicht unbedingt daraus ergeben muss, dass durch den Grund der Streitigkeit oder den jeweiligen Wohnsitz der Parteien mehrere Vertragsstaaten mit einbezogen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2005, Owusu, C-​281/02, Slg. 2005, I-​1383, Randnrn. 25 und 26).

36. Die Verordnung Nr. 44/2001 ersetzt das Brüsseler Übereinkommen, so dass die Auslegung der Bestimmungen dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof auch für die Bestimmungen der Verordnung gilt, soweit die Bestimmungen dieser Rechtsakte als gleichwertig angesehen werden können (Urteil vom 4. Mai 2010, TNT Express Nederland, C-​533/08, Slg. 2010, I-​4107, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37. Wenn sich, wie in Randnr. 26 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, der Auslandsbezug des fraglichen Rechtsverhältnisses nicht unbedingt daraus ergeben muss, dass durch den Grund der Streitigkeit oder den jeweiligen Wohnsitz der Parteien mehrere Mitgliedstaaten mit einbezogen sind, ist die Verordnung Nr. 44/2001, wie auch die Kommission und die portugiesische Regierung ausgeführt haben, unter den Umständen des Ausgangsverfahrens erst recht anwendbar, da der Auslandsbezug nicht nur in Bezug auf lastminute.com, was nicht bestritten wird, sondern auch in Bezug auf TUI gegeben ist.

38. Selbst wenn sich ein einheitlicher Vorgang, wie derjenige, mit dem die Eheleute Maletic ihre Pauschalreise auf der Internetseite der lastminute.com gebucht und bezahlt haben, in zwei verschiedene Vertragsverhältnisse, zum einen mit dem Online-​Reisebüro lastminute.com und zum anderen mit dem Reiseveranstalter TUI, unterteilen ließe, könnte das letztgenannte Vertragsverhältnis nämlich nicht als „rein intern“ qualifiziert werden, da es untrennbar mit dem erstgenannten Vertragsverhältnis verbunden ist, denn es wurde über das genannte Reisebüro begründet, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

39. Außerdem sind die in den Erwägungsgründen 13 und 15 der Verordnung Nr. 44/2001 genannten Ziele zu berücksichtigen, wonach der Verbraucher als „schwächere [Vertrags-​]Partei“ geschützt und Parallelverfahren „so weit wie möglich vermieden werden [sollen], damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen“.

40. Diese Ziele stehen einem Ergebnis entgegen, bei dem die Eheleute Maletic sowohl in Bludenz als auch in Wien mittels zweier miteinander verbundener Klagen parallele Verfahren gegen die beiden an der Buchung und der Durchführung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Pauschalreise beteiligten Wirtschaftsteilnehmer einleiten können.

41. Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass der Begriff „anderer Vertragspartner“ in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auch den im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ansässigen Vertragspartner des Wirtschaftsteilnehmers bezeichnet, mit dem der Verbraucher den betreffenden Vertrag geschlossen hat.

Kosten:

42. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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