20-stündige Flugverzögerung

AG Rüsselsheim: 20-stündige Flugverzögerung

Vorliegend buchte die Klägerin bei der Beklaten, ein Luftfahrtunternehmen, einen Hin-und Rückflug von M nach N. Die Anzeigetafeln wiesen bei dem Rückflug mehrere Verspätungen des Fluges auf, bis die Fluggäste über Nacht schließlich in ein Hotel verbracht wurden. Der Rückflug erfolgte erst 20 Stunden später. Die Klägerin verlangt nun von der Beklagten eine Ausgleichzshalung nach der Fluggastverordnung.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hält die Klage für begründet und spricht der Klägerine einen solchen Anspruch zu, da es sich hier um eine Flugannullierung handelt und keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen, welche die Inanspruchnahme des Luftfahrtunternehmens ausschließen könnten.

AG Rüsselsheim 3 C 1339/06 (32) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 11.10.2007
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.10.2007, Az: 3 C 1339/06 (32)
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Amtsgericht Rüsselsheim

1.Urteil vom 11. Oktober 2007

Aktenzeichen 3 C 1339/06 (32)

Leitsatz:

2. Verspätet sich ein Flug um 20 Stunden und werden die Fluggäste in der Zwischenzeit in ein Hotel untergebracht, so handelt es sich um eine Flugannullierung im Sinne der Fluggastverordnung.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchte die Klägerin bei der Beklagten einen Flug von M nach N und zurück. Zunächst wurde auf den Anzeigetafeln eine Verspätung des Fluges angezeigt, bis die Passagiere in ein Hotel verbracht wurden. Dort sollten sie sich zur Abholung am nächsten Morgen zwischen 11.00 und 12.00 Uhr bereithalten. Der Rückflug erfolgte erst um 16.42 Uhr. Die Klägerin verlangt nun von der Beklagten eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastverordnung.

Das Amtsgericht Rüsselsheim sprach der Klägerin einen solchen Anspruch zu. Der Flug fand hier 20 Stunden später statt als geplant und die Passagiere wurden über Nacht in ein Hotel entlassen, ohne dass ihnen eine Verspätung dergestalt angezeigt wurde, wann am nächsten Tag der Flug gehen sollte. Somit liegt eine Flugannullierung vor, wodurch ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung begründet wird.

Mithin begründet der hier vorliegende technische Defekt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der VO, die das Luftfahrtunternehmen von einer Inanspruchnahme befreien könnten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Möglich wäre es gewesen ein Ersatzflug zu organisieren, damit es nicht zu einer Flugannullierung kommt.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, 242,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.08.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

5. Die Klägerin hat bei der Beklagten einen Flug von M nach N und zurück gebucht. Die Rückreise sollte am 06.07.2006 um 20.10 Uhr erfolgen. An diesem Tag wiesen die Anzeigetafeln am Flughafen N zunächst eine Verspätung des Fluges aus. Zuletzt wurde als Abflugzeit 23.56 Uhr angezeigt, diese Zeit jedoch nicht eingehalten. Sämtliche Passagiere wurden daraufhin in ein Hotel verbracht, wo sie sich zur Abholung am nächsten Morgen zwischen 11.00 und 12.00 Uhr bereithalten sollten. Der Rückflug erfolgte dann um 16.42 Uhr.

6. Mit Schreiben vom 20.07.2006 wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 04.08.2006 zur Zahlung einer Ausgleichsforderung in Höhe von 250,00 Euro aufgefordert. Die Beklagte hat daraufhin lediglich einen Scheck in Höhe von 7,25 Euro übermittelt, den die Klägerin nunmehr auf ihre Forderung von 250,00 Euro verrechnet. Darüber hinaus begehrt sie Telekommunikationskosten in Höhe von 6,08 Euro.

7. Die Klägerin behauptet, dass den Passagieren in der Nacht nicht mitgeteilt worden sei, wann am nächsten Tag ein Flug gehen würde und ist daher der Ansicht, dass eine Annullierung des gebuchten Fluges stattgefunden habe.

8. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 248,83 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2006 zu zahlen.

9. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10. Sie behauptet, das es aufgrund eines Schadens und anschließender Reparatur der Maschine vor dem Abflug von M nach N zu der Verzögerung gekommen sei und ist der Ansicht, dass es sich lediglich um eine Verspätung handele und wendet hilfsweise ein, dass die begehrten Telefonkosten gemäß Art. 12 Abs. 1 der EU-​Verordnung angerechnet werden müssten.

11. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß des Beweisbeschlusses vom 05.04.2007 (Bl. 42 d.A.) durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Müller.

12. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Rechtshilfegerichts Ingolstadt vom 05.09.2007 verwiesen (Bl. 87-​88 d.A.).

13. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

14. Die Klage ist überwiegend begründet.

15. Der Klägerin steht gemäß Art. 7 Abs. 1 a i.V.m. Art. 2 I), Art. 5 Abs. 1 c) der Verordnung (EG-​) Nr. 261/2004 ein Anspruch in Höhe von 250,00 Euro, abzüglich bereits gezahlter 7,25 Euro, mithin 242,75 Euro zu.

16. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht das Gericht nämlich von einer Annullierung des ursprünglich gebuchten Fluges aus. Dies ist nicht allein darin begründet, dass der Flug mehr als 20 Stunden später als geplant durchgeführt wurde, sondern beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin und die übrigen Passagiere in der Nacht in ein Hotel entlassen wurden, ohne dass ihnen eine Verspätung dergestalt angezeigt wurde, wann am nächsten Tag der Flug gehen sollte. Der Zeuge M hat insoweit glaubhaft bekundet, dass definitiv in der Nacht keine neue Abflugzeit mitgeteilt worden sei, sondern lediglich ein Zeitraum, in dem man sich im Hotel zur Abfahrt zum Flugplatz bereithalten sollte.

17. Die Beklagte hat zwar mitgeteilt, dass die „Verspätung“ daraufhin zurückzuführen sei, dass bei der Maschine, die von M nach N flog, um dann mit der Klägerin wieder zurückzufliegen, bereits beim Anrollen zur Startbahn ein Schmorgeruch in der Kabine aufgetreten sei. Dieser Umstand entlastet die Beklagte jedoch nicht von ihrer Ausgleichszahlung, da sie nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung nachweist, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Insoweit hätte nämlich möglicherweise die Möglichkeit bestanden, ein Ersatzflugzeug nach N zur Abholung der Klägerin und der übrigen Passagiere zu schicken, um so eine Annullierung zu verhindern. Eine Verspätung i. S. der Verordnung wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn die Beklagte nach dem Auschecken in N den neuen Abflugtermin am nächsten Tag mitgeteilt hätte. So aber ist der ursprüngliche Flug annulliert worden und der Rücktransport blieb offen.

18. Die darüber hinaus geltend gemachten Telefonkosten sind gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 auf die Ausgleichsleistung der Beklagten anzurechnen. Insoweit ist das Gericht an die Erklärung der Beklagten gebunden (vergl. Ernst Führich, Reiserecht, 5. Auflage 2005, Randnr. 1033). Zwar hat dies die Beklagte nicht vorprozessual getan, war hierzu jedoch aber auch nicht angehalten, da die Klägerin diesen Schaden erstmals im Wege der Klage geltend machte.

19. Der Zinsanspruch ist gemäß den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.

20. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

21. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

22. Gemäß § 511 Abs. 4 ZPO wurde die Berufung zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

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