Differenzbetrag bei Nichteinhaltung der Coupon-​Reihenfolge sowie des Cross-​Ticketings

LG Frankfurt: Differenzbetrag bei Nichteinhaltung der Coupon-​Reihenfolge sowie des Cross-​Ticketings

Die Betreiberin eines Reiseunternehmens verklagte ein Luftfahrtunternehmen auf die Rückerstattung eingezogener erhöhter Beförderungsentgelte für Preisvorteile beim Ticketerwerb, welche die Klägerin ihren Kunden mittels verschiedener Buchungswege verschafft hatte.

Hinsichtlich der Nicht-Einhaltung der Couponreihenfolge und des sogenannten Cross-Ticketings hatte die Klage Erfolg, scheiterte aber bezüglich des grenzübergreifenden Ticketwerbers.

LG Frankfurt 3-04 O 121/07 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 09.08.2008
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 09.08.2008, Az: 3-04 O 121/07
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 29. August 2008

Aktenzeichen 3-04 O 121/07

Leitsätze:

2. Ein Luftfahrtunternehmen hat keinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn Drittanbieter mittels Cross-Ticketing und Nichteinhaltung der Couponreihenfolge ihren Kunden Preisvorteile verschaffen.

Vertragswidriger grenzübergreifender Ticketerwerb führt zu Ersatzansprüchen des Luftffahrtunternehmens gegenüber dem Drittanbieter.

Zusammenfassung:

3. Die Inhaberin eines Reisebüros verschaffte Kunden Preisvorteile gegenüber den Einzelticketpreisen, indem sie verschiedene Methoden der Buchung anwendete; einerseits buchte sie zusammengesetzte Flugreisen, deren Teilflüge günstiger waren als wären sie einzeln gebucht worden, ohne dass die Kunden letztlich alle Flüge in Anspruch nahmen (Nichteinhaltung der Couponreihenfolge). Andererseits buchte sie in ähnlicher Weise Flüge mit fiktiven Landeorten im Ausland, wodurch ebenfalls der Einzelticketpreis gesenkt wurde. Ferner buchte sie Hin- und Rückflüge mit überschneidenden Aufenthaltszeiten, gleichsam mit der Absicht, dass nur ein Flug von Kunden in Anspruch genommen wurde.

Das Flugunternehmen zog in der Folge erhöhte Beförderungsentgelte von der Klägerin ein und berief sich dabei auf entgangene Gewinne. Vor dem Landgericht forderte Letztere die Rückerstattung der eingezogenen Nachforderungen. Sie erhielt dahingehend Recht, dass die Einziehung der erhöhten Beförderungsentgelte für die Tickets ohne Rechtsgrund erfolgt war, die über Cross-Ticketing und Nichteinhaltung der Couponreihenfolge erfolgt war, weil der Vertrag zwischen Beklagter und Klägerin keinen Vergütungsanspruch für diese Fälle vorsah. Der grenzüberschreitende Ticketverkauf hingegen war von einer Vertragsklausel explizit untersagt, weswegen in diesem Aspekt die Ersatzansprüche der Luftfahrtgesellschaft bestehen blieben.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.715,85 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 7.9.2006 Zug um Zug gegen Aushändigung einer von der … über die Abtretung ausgestellten Urkunde zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 3/4, die Klägerin 1/4.

Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Für die Beklagte ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils für die Beklagte vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht die Rückzahlung von nachgeforderten, höheren Beförderungsentgelten für Flugreisen.

6. Die Klägerin betreibt ein Reisebüro und bietet ihren Kunden unter anderem die Vermittlung von Flugreisen an, bei denen die Beklagte als ausführender Luftfrachtführer auftritt. Da die Klägerin nicht Inhaberin einer sog. IATA-​Lizenz ist und deshalb selbst keine Flugtickets auszustellen kann, geschieht dies unter Einschaltung eines weiteren Unternehmens, der … GmbH (im Folgenden:), die Inhaberin einer solchen Lizenz ist.

7. Im Jahre 2004 buchte die Klägerin unter anderem für die in der Klageschrift vom 06.08.2007 näher bezeichneten Personen, die dort näher bezeichneten Flüge bei der Beklagten. Die Buchungen erfolgten dabei jeweils unter Einschaltung der am Rechtsstreit nicht beteiligten …, die die Tickets ausstellte und bei der die Beklagte die Ticketentgelte einzog. Die Klägerin wiederum entrichtete die Ticketentgelte an die ….

8. Die durch die Klägerin über die … bei der Beklagten gebuchten streitgegenständlichen Flüge bestanden teilweise aus mehreren aufeinander folgenden Teilstrecken, über die auf dem Flugticket separate Ticketabschnitte (sog. Flight Coupons) ausgestellt wurden. Mehrere Kunden der Klägerin nahmen von diesen Flugreisen nur einige Teilstrecken in Anspruch. Andere Kunden nahmen zwar alle Teilstrecken in Anspruch, allerdings nicht in der bei der Buchung und auf dem Flugticket angegebenen Reihenfolge („Nichteinhaltung der Couponreihenfolge“). Die gebuchten und aus mehreren Einzelflügen zusammengesetzten Flugreisen wurden von der Beklagten jeweils zu einem geringeren Preis angeboten, als die von den Kunden tatsächlich in Anspruch genommenen Flüge bei einer Einzelbuchung gekostet hätten.

9. Andere Kunden wiederum nahmen von der gebuchten, aus mehreren Teilflügen zusammengesetzten Flugstrecke mit Abflugort im Ausland durch Stornierung des Zubringerflugs aus dem Ausland lediglich Teilstrecken mit Abflugort im Inland in Anspruch (sog. „Cross-​Border-​Selling“). Auch in diesen Fällen war der Preis für die aus mehren Teilstrecken zusammengesetzte Flugstrecke mir Abflugort im Ausland günstiger, als der Preis, der bei der Einzelbuchung des tatsächlich in Anspruch genommenen Flugs mit Abflugort im Inland zu entrichten gewesen wäre.

10. Außerdem buchte die Klägerin für mehrere Kunden je zwei Hin- und Rückflüge in einem sich teilweise überschneidenden Zeitraum, für die jeweils eine Mindestaufenthaltsdauer am Zielort bestand. Die Kunden nutzten dann von beiden Flugtickets nur jeweils einen Flug (sog. „Cross-​Ticketing), um so an den gewünschten Zielort zu fliegen und im Ergebnis ohne Mindestaufenthalt von dort wieder den Rückflug anzutreten. Auch die zwei gebuchten Hin- und Rückflugtickets mit Mindestaufenthalt wurden von der Beklagten jeweils zu einem geringeren Preis angeboten, als die von den Kunden tatsächlich in Anspruch genommenen Flüge bei Einzelbuchung.

11. In den geschilderten Fällen war es jeweils notwendig, die nicht beanspruchten Teilstrecken zu stornieren, um zu verhindern, dass die anderen Teilstrecken verfallen. Die Stornierungen der nicht in Anspruch genommenen Einzelstrecken wurden durch die Klägerin vorgenommen, oftmals nur wenige Minuten nach der Buchung der Gesamtstrecke. Hinsichtlich der konkreten Vorgehensweise der Klägerin wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Klageerwiderungsschrift vom 31.10.2007 (Bl. 53 bis 61 d.A.) nebst Anlagen verwiesen.

12. Als die Beklagte von diesem Vorgehen Kenntnis erlangte, stellte sie der … den Differenzbetrag zwischen dem Preis der gebuchten Flugstrecken und dem Preis, der zu entrichten gewesen wäre, wenn die tatsächlich in Anspruch genommenen Teilstrecken einzeln gebucht worden wären, in Rechnung, insgesamt 19.468,64 Euro (vgl. Agency Debit Memos, K1-​K7, Bl. 10-​35 d.A.). Der Betrag wurde im Rahmen der laufenden Geschäftsverbindung dem Konto der … belastet. Betreffend die Nachbelastung aufgrund der drei Agency Debit Memos vom 10.12.2005 (K5 – K 7) über insgesamt 9.764 Euro legte die … zunächst Einspruch ein; mit Schreiben vom 27.07.2007 (Bl. 94 d.A.) erklärte der Anwalt der … indes, dass der Betrag nunmehr freigegeben werde.

13. Die … wiederum stellte den Betrag der Klägerin in Rechnung, die den Betrag an die zahlte. Der Anteil der Nachforderungen wegen Buchungen in Form des Cross-​Border-​Selling belief sich hierbei auf insgesamt 4.752,79 Euro.

14. Nach Entrichtung der Nachforderungen nahm die Klägerin die … in dem vor dem Landgericht Frankfurt anhängigen Verfahren 2-​26 O 345/05 auf Rückzahlung des – bis dahin gezahlten Betrages von 9.704,84 Euro – in Anspruch. Die Klage wurde rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, dass die … den Betrag mit Rechtsgrund erhalten habe. Zwischen der Klägerin und der … sei vereinbart gewesen, dass die Klägerin der … diejenigen Rückbelastungen durch die ersetzen werde, die daraus herrührten, dass Kunden der Klägerin die gebuchten Teilstrecken teilweise nicht oder nicht in der gebuchten Reihefolge abflögen.

15. Am 21.7.2006 trat die … etwaige Rückzahlungsansprüche gegen die Beklagte wegen der nachträglichen Erhöhung der Ticketentgelte an die Klägerin ab (Bl.145 d.A.), weshalb die Klägerin nunmehr die Ansprüche der … gegen die Beklagte auf Rückzahlung der Nachbelastungen geltend macht.

16. Dem Vertragsverhältnis zwischen der … und der Beklagten liegt der am 1.1.1998 abgeschlossene IATA-​Agentur-​Vertrag („IATA-​Vertrag“, Bl. 81-​87 d.A.), der durch eine Vereinbarung vom 30.12.2003/12.02.2004 (Bl. 135 – 136 d.A.) teilweise abgeändert wurde, zugrunde. In letzterer Vereinbarung ist unter Ziffer 4 bestimmt, dass die Zusammenarbeit auf der Grundlage der für die Vermittlung von Flugreisen geltenden IATA-​Resolutionen in der jeweils gültigen Fassung erfolge (Bl.136 d.A.). In der IATA-​Resolution 830a ist unter Ziffer 1.1 festgelegt, dass die Eingabe unvollständiger oder unrichtiger Reservierungseingaben, wodurch Reisen unterhalb des regulären Flugpreises ermöglicht werden, gegen die Verkaufsbedingungen für IATA-​Reisebüros verstoßen. Ferner ist unter Ziffer 3.2 des IATA-​Vertrages (Bl. 82 d.A.) vereinbart, dass der Verkauf von Tickets der Beklagten durch die … „in Übereinstimmung mit deren Tarifen, Beförderungsbedingungen und schriftlichen Anweisungen“ der Beklagten zu erfolgen habe (Bl.82 d.A.). Hierzu übergab die Beklagte der … ein Handbuch („IATA-​Ticketing-​Handbook“, vgl. Auszüge Bl.92-​93 d.A., Übersetzung Bl.192 d.A.), in dem unter dem Passus „Grenzüberschreitender Verkauf“ bestimmt ist, dass es den Resolutionen widerspreche, Flüge mit einem „fiktiven Abflug- oder Zielort“ im Ausland zu verkaufen, um den geltenden Tarif zu unterbieten. Als mögliche Konsequenz solcher Buchungen wird unter (b) bestimmt, dass „das ausstellende Reisebüro von der ausstellenden Fluggesellschaft mit der jeweiligen Preisdifferenz belastet werden“ kann.

17. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Nachbelastung mit höheren Beförderungsentgelten ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Es könne Kunden nicht verwehrt sein, von gebuchten Flugreisen nur Teilstrecken in Anspruch zu nehmen oder gebuchte Teilstrecken in einer anderen Reihenfolge als auf dem Flugticket aufgeführt anzutreten.

18. Die Klägerin beantragt daher mit der am 6.9.2007 zugestellten Klage,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 19.468,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

19. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

20. Die Beklagte ist der Ansicht, die entsprechenden Nachforderungen seien mit Rechtsgrund erfolgt. Die Klägerin habe das Tarifsystem der Beklagten durch die Eingabe der falschen Flugdaten missbräuchlich umgangen. Der … als IATA-​Reisebüros sei es vertraglich untersagt gewesen, unvollständige oder falsche Reservierungsdaten einzugeben, das Verhalten der Klägerin bei der Buchung müsse sich die … in diesem Zusammenhang zurechnen lassen.

21. Aufgrund der Verstöße gegen die Vertragsbedingungen der Beklagten im Verhältnis zur … sei sie vertraglich dazu berechtigt gewesen, die für die tatsächlich geflogenen Strecken anfallenden Beförderungsentgelte nachzufordern. Dies ergebe sich aus dem Agenturvertrag i.V.m. der IATA-​Resolution 830a, insbesondere für Buchungen in Form des Cross-​Border-​Selling explizit auch aus den entsprechenden Regelungen im IATA-​Ticketing-​Handbook.

22. Wegen der fehlerhaften Buchungen stehe der Beklagten zudem auch ein Schadensersatzanspruch zu. Die Nachforderung habe die … letztlich auch durch die Rücknahme ihres Einspruchs mit Schreiben vom 27.07.2007 anerkannt.

23. Im Übrigen seien die Ansprüche auch durch die Abtretungsvereinbarung vom 21.07.2006 nicht wirksam abgetreten. Die Erklärung stehe im Widerspruch zur „Absichtserklärung“ vom 26.03.2007. Im Übrigen sei auch eine Abtretung der Ansprüche wegen des unter Ziffer 12.1. der IATA Resolution 824 vereinbarten Abtretungsverbots unwirksam. Letztlich müsse sie auch allenfalls gegen Aushändigung einer Abtretungserklärung die Leistung erbringen.

24. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien sowie der konkreten Inhalte der zugrunde liegenden Verträge und Resolutionen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

25. Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

26. Klägerin hat gem. §§ 812 Abs. 1, 398 BGB gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung von 14.715,85 Euro, da die Zahlungen der … an die Beklagte in dieser Höhe rechtsgrundlos erfolgten.

I.

27. Aufgrund der Abtretungsvereinbarung zwischen der … und der Klägerin vom 21.07.2006 sind die streitgegenständlichen Bereicherungsansprüche der … gegen die Beklagte wirksam an die Klägerin abgetreten worden; § 398 BGB. Soweit das Datum der Abtretungserklärung in gewissem Widerspruch zu der Erklärung vom 26.03.2007 (Bl. 127 d.A.) steht, in der die … lediglich ihre Bereitschaft zur Abtretung ankündigt, vermag dies der Wirksamkeit der Erklärung vom 21.07.2006 nicht entgegenzustehen. Sowohl eine Rückdatierung der Abtretungserklärung, ein Schreibfehler als auch ein möglicher Irrtum über bereits abgegebene Erklärungen stünde der Wirksamkeit der Abtretungserklärung vom 21.07.2006 nicht entgegen.

28. Ebenso steht das unter Ziffer 12.1 (Bl. 85 d.A.) des Agentur-​Vertrages vereinbarte Verbot, den Vertrag abzutreten oder auf eine andere Person zu übertragen, einer wirksamen Abtretung nicht entgegen, da jedenfalls gem. § 354 a HGB die Abtretung der vorliegend aus einem Handelsgeschäft resultierenden Forderung gleichwohl wirksam ist.

II.

29. Die Beklagte hat ohne Rechtsgrund in den Fällen der Nichteinhaltung der Couponreihenfolge sowie des Crossticketings den Differenzbetrag zwischen den durch die … ursprünglich gezahlten Ticketpreisen und dem Ticketentgelt, welches bei ordnungsgemäßer Buchung der von den Kunden tatsächlich in Anspruch genommenen Flügen zu entrichten gewesen wäre, erhalten.

30. Diesbezüglich stand der Beklagten weder ein Schadensersatzanspruch noch ein vertraglicher Vergütungsanspruch aufgrund der Ziffer 7.1 des IATA-​Agenturvertrages zu.

31. Insbesondere hatte die Beklagten wegen dieser „fehlerhaften“ Buchungen keinen Schadensersatzanspruch gegen die ….

32. Ob der Beklagten wegen der durch die Klägerin vorgenommenen, der zuzurechnenden, Buchungen dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch – etwa gem. §§ 280 Abs. 1, 278 BGB iVm. Ziffer 1.1 der IATA-​Resolution 830a – gegen die zusteht, kann dahingestellt bleiben, da die Beklagte jedenfalls nicht dargetan hat, dass ihr durch die fehlerhaften Buchungen ein Schaden im Sinne der Differenzhypothese gem. § 249 Abs. 1 BGB entstanden ist. Es dürfte vielmehr gar davon auszugehen sein, dass die Beklagte hierdurch Aufwendungen erspart hat, so etwa für die Verpflegung der Kunden auf den nicht angetretenen Teilstrecken.

33. In Betracht kommen könnte daher allenfalls ein Schaden wegen entgangenem Gewinns gem. § 252 BGB, da es der Beklagten u.U. möglich gewesen wäre die von der Klägerin unter Umgehung der Tarifbestimmungen der Beklagten gebuchten Plätze an andere Kunden zu verkaufen, die hierfür den regulären Ticketpreis entrichtet hätten oder u.U. auch die Kunden der Klägerin die Flüge bei der Beklagten für den regulären Tarif gebucht hätten, wenn ihnen die Klägerin nicht ermöglicht hätte, durch Umgehung der Tarifbestimmungen zu einem günstigeren Flugpreis zu gelangen.

34. Auch insoweit mangelt es jedoch an einem Vortrag der Beklagten, dass die Kunden der Klägerin auch zu dem höheren regulären Preis die angetretenen Flüge bei der Beklagten gebucht hätten (es ist ebenso möglich, dass sie unter diesen Bedingungen gar nicht geflogen wären oder mit einer anderen Fluglinie), oder dass es ihr gelungen wäre, die entsprechenden Kapazitäten durch den Verkauf von Tickets an andere Kunden zu dem regulären Tarif auszulasten.

35. Der Beklagten kommt insoweit auch nicht die Beweiserleichterung des § 252 S.2 BGB zugute, da sie keine Tatsachen dargelegt hat, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines entgangenen Gewinns ergibt. Sie hat keine Anknüpfungstatsachen vorgetragen, die den Schluss zulassen, dass es ihr etwa aufgrund der starken Nachfrage nach entsprechenden Flugreisen wahrscheinlich gelungen wäre, die durch die Kunden der Klägerin belegten Kapazitäten zu einem höheren Ticketentgelt durch Drittkunden auszulasten.

36. Ebenso hatte die Beklagte gegenüber der … in den Fällen der „Nichteinhaltung der Couponreihenfolge sowie des Crossticketings“ keinen vertraglichen Vergütungsanspruch in Höhe der bei „ordnungsgemäßer“ Buchung entstandenen Entgelte, da es an einer diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarung mangelt. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus der allein in Betracht kommenden Regelung in Ziffer 7.1. des IATA-​Vertrages (Bl. 83 d.A.), da sich hieraus jedenfalls nicht eindeutig die Rechtsfolge ergibt, dass das Reisebüro bei einer „fehlerhaften“ Buchung in Fällen des „Crossticketings und der Nichteinhaltung der Couponreihenfolge“, dazu verpflichtet sein soll, den bei ordnungsgemäßer Buchung geschuldeten Ticketpreis an die Beklagte abzuführen; § 305 c Abs. 2 BGB.

37. Ziffer 7.1., die eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB darstellt, bestimmt insoweit, dass „das Reisebüro bei Ausstellung eines Verkehrsdokuments im Auftrag der Fluggesellschaft unabhängig davon, ob es einen entsprechenden Betrag einzieht, für die Zahlung des für die Beförderung, auf die sich das Verkehrsdokument oder der Beförderungsvertrag bezieht, zu zahlenden Betrages an die Fluggesellschaft verantwortlich ist“. Nach dem für die Auslegung von AGB’s grundsätzlich maßgeblichen objektiven Erklärungsgehalt könnte diese Klausel auch so verstanden werden, dass das Reisebüro lediglich dazu verpflichtet ist, das Entgelt für die tatsächlich im Buchungssystem eingegebenen Flüge abzuführen, da sich letztlich das ausgestellte Verkehrsdokument und der Beförderungsvertrag auf den eingegebenen Flug bezieht.

38. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass die Regelung von der Beklagten und der im vorliegenden Fall übereinstimmend in dem von ihr angeführten Sinn verstanden wurde. Die Unklarheit der in Ziffer 7.1 des IATA-​Agentur-​Vertrags getroffenen Regelung geht daher gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten.

39. Letztlich vermochte auch das Schreiben des Anwaltes der … vom 27.07.2007 (Bl. 94 d.A.) hinsichtlich des Betrages von 9.764 Euro einen Rechtsgrund für die Zahlung nicht zu begründen. So stellt das Schreiben weder ein konstitutives noch ein deklaratorisches Anerkenntnis dar, da es aus Sicht des Empfängers gem. §§ 133, 157 BGB nicht auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet war.

40. Der mithin in Höhe von 14.715,85 Euro bestehende Kondiktionsanspruch ist auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht dargetan, dass die … bei Zahlung der nachgeforderten Beträge positive Kenntnis davon hatte, nicht zur Zahlung der nachgeforderten höheren Flugpreise verpflichtet zu sein.

III.

41. Demgegenüber hat die Beklagte mit Rechtsgrund die Nachforderungen in Höhe von insgesamt 4.752,79 Euro betreffend die „Cross-​Border-​Selling Flüge“ erhalten. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Rückerstattung gem. §§ 812 Abs. 1, 398 BGB der wegen der Buchungen in Form des Cross-​Border-​Selling nachgeforderten Beträge.

42. In den gem. Ziffer 3.2. des IATA-​Vertrages zum Vertragsbestandteil gewordenen IATA-​Ticketing-​Handbooks ist unter dem Passus „Grenzüberschreitender Verkauf“ insoweit unzweideutig bestimmt, dass das ausstellende Reisebüro, wenn es Flüge mit einem „fiktiven Abflug- oder Zielort“ im Ausland verkauft, um den geltenden Tarif zu unterbieten gegen die geltenden Resolutionen verstößt und von der ausstellenden Fluggesellschaft mit der jeweiligen Preisdifferenz belastet werden kann.

IV.

43. Hinsichtlich des zuerkannten Betrages ist der geltend gemachte Zinsanspruch gem. §§ 291, 288 Abs. 2 BGB ab Zustellung der Klage gerechtfertigt.

V.

44. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S.1; die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 709 S. 2, 708 Nr. 11 Alt.2, 711 ZPO.

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