Bustransfer statt Flug ist wie eine Flugannullierung zu behandeln

AG Bremen: Bustransfer statt Flug ist wie eine Flugannullierung zu behandeln

In vorliegenden Fall hatte der Kläger beim beklagten Luftfahrtunternehmen einen Flug gebucht. Allerdings konnte dieser Flug nicht durchgeführt werden und dem Kläger wurde eine Ersatzbeförderung angeboten. Diese wurde mittels eines Reisebusses durchgeführt, was auch dazu führte, dass der Kläger seinen Zielort erst mit erheblicher Verspätung erreichte. Aus diesem Grund begehrt der Kläger von dem beklagten Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung.

Nach Ansicht des Amtsgerichts in Bremen steht dem Kläger eine Ausgleichszahlung zu. Zwar wurde eine anderweitige Beförderung angeboten, jedoch nicht gleicher Art, sodass eine Beförderung im Bus statt im Flugzeug einer Flugannullierung gleich zu werten ist. Demnach steht dem Kläger ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen einer Flugannullierung gemäß Art. 7 der Fluggastrechteverordnung zu.

AG Bremen 2 C 49/13 (Aktenzeichen)
AG Bremen: AG Bremen, Urt. vom 29.11.2013
Rechtsweg: AG Bremen, Urt. v. 29.11.2013, Az: 2 C 49/13
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Amtsgericht Bremen

1. Urteil vom 29. November 2013

Aktenzeichen: 2 C 49/13

Leitsatz:

2. Wird ein Reisender mit einem Bus anstatt des gebuchten Fluges befördert so steht ihm eine Ausgleichszahlung wegen einer Flugannullierung gemäß Art. 7 der Fluggastrechteverordnung zu.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen einen Flug gebucht. Dieser Flug konnte nicht durchgeführt werden und dem Kläger wurde eine Ersatzbeförderung angeboten. Eine Teilstrecke der Ersatzbeförderung wurde dabei mit einem Reisebus durchgeführt. Der Kläger erreichte seinen Zielort erst mit erheblicher Verspätung. Aus diesem Grund nimmt er das beklagte Luftfahrtunternehmen wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Flugleistungen in Anspruch und fordert eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung.

Nach Ansicht des Amtsgerichts Bremen steht dem Kläger die geforderte Ausgleichszahlung zu. Zwar wurde ihm von der Beklagten eine anderweitige Beförderung angeboten, jedoch nicht gleicher Art. Eine Beförderung mittels eines Reisebusses statt im Flugzeug ist als Flugannullierung zu werten.

Dem Kläger steht deshalb eine Ausgleichszahlung wegen einer Flugannullierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c), Art. 6 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Satz 1 lit. c), Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 (VO (EG) Nr. 261/2004, FluggastrechteVO) zu.

Der Kläger hatte sein Flugziel hier später als 3 Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht, was einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen i. S. d. FluggastrechteVO i. H. v. 600,- EUR gegen die Beklagte rechtfertigt.

Tenor:

4. Das Versäumnisurteil vom 21.06.2013 wird aufrecht erhalten. Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreites. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar; die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand:

5. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Ausgleichsleistungen gemäß der FluggastrechteVO (EG-​VO Nr. …) wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Flugleistungen in Anspruch.

6. Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug von Hurghada/Ägypten nach Bremen gebucht. Am 02.01.2011 teilte die Beklagte den Klägern die Annullierung des zuvor geplanten Fluges mit und verwies sie auf den Flug … am 03.01.2011. Geplanter Abflug dieses Fluges war am 03.01.2011 um 14:45 Uhr, geplante Ankunftszeit am 03.01.2011 um 18:30 Uhr. Nachdem die Kläger bereits in das Flugzeug eingestiegen waren, mussten die Passagiere erneut aussteigen und sodann im Terminal verweilen. Erst nach etlichen Stunden wurden die Passagiere in ein Hotel gebracht und verköstigt, um dann gegen 23:00 Uhr mit einer Ersatzmaschine abzufliegen. Der Ersatzflug beförderte sie nach Köln, von dort erfolgte ein Bustransfer nach Bremen. Tatsächliche Ankunftszeit in Bremen war am 04.01.2011 um 7:45 Uhr.

7. Die Kläger ließen die Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben vom 28.02.2011 zur Leistung einer Entschädigung auffordern und beauftragten nach erfolgloser Anmahnung ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten. Die Beklagte lehnte erst nach weiterer anwaltlicher Mahnung alle Ansprüche ab.

8. Die Kläger sind der Ansicht, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 (1) der FluggastrechteVO beanspruchen zu können; außerdem stehe ihnen auch Schadensersatz aus Verzug zu, weil die Beklagte den berechtigten Ausgleichsanspruch nicht gezahlt hätten.

9. Im Termin vom 21.06.2013 haben die Kläger gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil erwirkt, das deren Prozessbevollmächtigten laut Zustellungsurkunde am 21.08.2013 zugestellt wurde. Die Beklagte hat am 29.08.2013 (per Fax zur Fristwahrung) Einspruch eingelegt

10.

 Die Kläger beantragen,
 das Versäum­nis­urteil vom 21.06.2013 aufrecht zu erhalten.
 Die Beklagte beantragt,
 das Versäum­nis­urteil aufzu­heben und die Klage abzuweisen;
 hilfs­weise:  das Verfahren auszu­setzen und dem Europäi­schen Gerichtshof folgende Fragen zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zur Vorabent­scheidung vorzu­legen:
 a) ist es mit den Grund­sätzen der Verfassung der Europäi­schen Gemein­schaft vereinbar, insbe­sondere dem Grundsatz der Gewal­ten­teilung, dem Grundsatz der Rechts­si­cherheit und dem Übermaß­verbot, wenn die Verordnung dahin­gehend ausgelegt wird, dass einem von einer bloßen Verspätung von mehr als 3 Stunden betrof­fenen Fluggast eine Ausgleichs­zahlung nach Art. 7 der VO zusteht, obwohl die VO dies nur im Falle einer Beför­de­rungs­ver­wei­gerung oder Annul­lierung des gebuchten Fluges vorsieht, die Ansprüche des Fluggastes im Falle einer Verspätung aber auf Unter­stüt­zungs­leis­tungen nach Art. 9 der Verordnung und – wenn die Verspätung mehr als 5 Stunden dauert – auch auf Unter­stüt­zungs­leis­tungen nach Art. 8 Abs. 1 lit. a) der Verordnung beschränkt?
 b) Verstößt die Zuerkennung einer Ausgleichs­zahlung im Falle einer Flugver­spätung gegen das Gebot der Gleich­be­handlung und das Verbot der Ungleich­be­handlung, weil die Höhe der Ausgleichs­zahlung nach Art. 7 der VO entfer­nungs­ab­hängig gestaffelt ist und daher Fluggäste trotz gleicher Dauer einer Verspätung Anspruch auf unter­schiedlich hohe Ausgleichs­zah­lungen von 250 EUR, 400 EUR oder 600 EUR haben können, anderer­seits der von einer auch mehrtä­gigen Verspätung betroffene Fluggast nur eine ebenso hohe Ausgleichs­zahlung erhält, wie der von einer lediglich dreistün­digen Verspätung betroffene?
 c) Verstößt die mit der Zuerkennung einer Ausgleichs­zahlung im Falle einer Flugver­spätung verbundene Belastung der ausfüh­renden Luftfahrt­un­ter­nehmen gegen das Verbot der Gleich­be­handlung ungleicher Sachver­halte, weil die Luftfahrt­un­ter­nehmen an die von der Verspätung betrof­fenen Fluggäste Ausgleichs­zah­lungen in derselben Höhe zu erbringen haben, wie ein ausfüh­rendes Luftfahrt­un­ter­nehmen, welches in einer vergleich­baren Situation einen Flug annul­liert, obwohl dieses aufgrund der der Annul­lierung die Kosten der Durch­führung des Fluges erspart hat?
 d) Verstößt die Zuerkennung einer Ausgleichs­zahlung im Falle einer Flugver­spätung bei Inter­na­tio­nalen Flügen nicht gegen das Völker­recht, weil nach Art. 29 Montrealer Überein­kommen bei der Beför­derung von Reisenden ein Anspruch auf Schadensersatz nur unter den Voraus­set­zungen und mit den Beschrän­kungen geltend gemacht werden kann, die in dem Überein­kommen vorge­sehen sind, und jeder nicht­kom­pen­sa­to­rische Schadensersatz ausge­schlossen ist?
 e) Ist Art. 3 Abs. 1 lit. b) der VO dahin­gehend auszu­legen, dass die VO für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Dritt­staat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitglied­staates antreten, nur dann nicht gilt, wenn die Fluggäste in diesem Dritt­staat genau dieje­nigen Gegen- oder Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen erhalten haben, die ihnen im Falle der Geltung der VO nach den Bestim­mungen der VO zustehen würden?
 weiter hilfs­weise:  das Verfahren auszu­setzen und dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt wegen der in vorste­hendem Hilfs­antrag gerügten Verfas­sungs­ver­stöße gemäß Art. 100 GG zur konkreten Normen­kon­trolle vorzu­legen;
 äußerst hilfs­weise: die Berufung zuzulassen.

11. Die Beklagte ist der Ansicht, die Kläger seien bereits nicht berechtigt, die eingeklagten Ansprüche geltend zu machen, weil sie ihre Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Vorfall an die … abgetreten hätten. Dies habe die … ihr gegenüber vorgerichtlich angezeigt, indem sie angegeben habe, unter Ausschluss des Fluggastes „zur Entgegennahme der Zahlung bevollmächtigt (Inkassozession)“ zu sein. Hintergrund sei die Möglichkeit. die laut AGB der … vereinbarte Erfolgsprovision sofort einbehalten zu können.

12. Die Kläger hätten aber schon gar keinen Anspruch, weil die Fluggastrechte-​verordnung nicht anwendbar sei, da der Flug nicht auf einem Flughafen eines Gemeinschaftsstaates angetreten worden sei und die Kläger kostenlose Verpflegung und Hotelunterbringung erhalten hätten. Zudem bestehe der Anspruch auf Ausgleichszahlungen nur im Falle einer Flugannullierung, nicht aber bei Verspätung, soweit der EuGH anders entschieden habe, seien die Entscheidungen aus mehrfachen Gründen unrichtig.

13. Wegen weiterer Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

14. Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg, vielmehr ist die Klage auch weiterhin begründet.

I.

15. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Ausgleichsleistung in Höhe von jeweils 600 EUR gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c), Art. 6 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Satz 1 lit. c), Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 (VO (EG) Nr. 261/2004, FluggastrechteVO).

16. Danach steht dem Fluggast ein Ausgleichsanspruch entsprechend Art. 7 Abs. 1 der FluggastrechteVO zu, wenn er sein Flugziel später als 3 Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2010, Az. Xa ZR 95/06, EuGH, Urteile vom 19.11.2009, – Rs. C-​402/07 und 23.10.2012, – Rs. C-​581/10 und Rs. C-​629/10). Der in Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Abflugort und Zielort gestaffelte Entschädigungsbetrag beträgt hier je betroffenen Fluggast und je Kläger 600 EUR. Hinzu kommt, dass die Beklagte statt des gebuchten und geschuldeten Fluges nach Bremen eine Ersatzbeförderung nach Köln durchgeführt hat, die einer Flugannullierung gleichkommt.

1.

17. Die in den vorgenannten Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs und des BGH vorgenommenen Auslegung der Verordnung ist eindeutig, überzeugend und auch in der Anwendung auf den vorliegenden Fall zutreffend.

2.

18. Die Kläger sind anspruchsberechtigt. Ihre Ansprüche sind nicht durch Abtretung auf die … erloschen bzw. auf diese übergegangen. Dabei kommt es insbesondere entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darauf an, ob die mögliche Zessionarin eine Abtretung angezeigt hat, zumal diese Anzeige, jedenfalls wie sie von der Beklagten zitiert wird, durch die gleichzeitige Verwendung der Begriffe der Empfangsvollmacht hinsichtlich einer Zahlung und der Inkassozession auslegungsbedürftig ist. Dabei ist der Auslegung als Einziehungs- oder Geldempfangsvollmacht der Vorzug zu geben, da der Begriff „Inkassozession“ als Klammerzusatz offenbar lediglich den voranstehend erläuterten Begriff zusammenfassend bezeichnen sollte. Darüber hinaus hätten aber die Kläger ihre Ansprüche auch nicht durch Anzeige des vermeintlichen Zessionars an den Schuldner, sondern nur durch Vereinbarung mit dem Zessionar übertragen bzw. verlieren können. Eine Vereinbarung der Kläger mit der … hat die Beklagte nicht dargelegt. Sie lässt sich auch nicht mit den üblicherweise von der … verwendeten AGB begründen, da die AGB die Vereinbarung nicht ersetzen, sondern nur in selbige als Bestandteil einbezogen sein können. Die Kläger haben bestritten, eine Abtretungsvereinbarung geschlossen zu haben, die Beklagte hat eine konkrete Vereinbarung nicht vorgetragen, sondern sich in ihrem Vortrag auf allgemeine Erwägungen beschränkt. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es auch nicht darauf an, ob die neue Gläubigerin der Rücknahme der Abtretungsanzeige zugestimmt habe (§ 409 Abs. 2 BGB). Die zitierte Vorschrift des § 409 Abs. 2 BGB ist hier überhaupt nicht einschlägig, weil sie – das ergibt sich aus dem Kontext – eine Abtretungsanzeige gemäß § 409 Abs. 1 BGB voraussetzt. Eine solche liegt aber gerade nicht vor, denn nicht die Kläger haben die vermeintliche Abtretung angezeigt, sondern die …. Ob aber der Anzeige durch diese eine Abtretungsurkunde im Sinne von § 409 Abs. 1 S. 2 BGB beigefügt war, ist nicht vorgetragen worden. Tatsächlich spricht alles dafür, dass – wie die Kläger zutreffend vortragen – die Verwendung des Begriffes „Inkassozession“ zwar irreführend, aber unzutreffend war und eine Abtretungsvereinbarung gerade nicht getroffen wurde, weil nicht eine Übertragung der Forderungen zwischen den vereinbarenden Parteien gewollt war, sondern eine Einziehungsermächtigung; dies belegt auch die schriftliche Erklärung der … vom 01.03.2012.

3.

19. Die FluggastrechteVO ist gemäß ihrem Art. 3 (1) lit. b grundsätzlich anwendbar. Die Anwendung ist nicht gemäß Art. 3 (1) lit. b ausgeschlossen, weil die Kläger in dem im sogenannten Drittstaat belegenen Abflugsort Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten hätten. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, welche konkreten Leistungen die Kläger erhalten haben. Selbst wenn, wie die Beklagte meint, die Kläger unstreitig Verpflegung und Hotelunterbringung erhalten hätten, wäre es erforderlich gewesen, hier konkret vorzutragen, welche einzelnen Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen diese Kläger empfangen haben. Es genügt nicht, auf „Verpflegung“ und „Hotelunterbringung“ aller Passagiere zu verweisen, denn die konkret erbrachten Unterstützungsleistungen müssten ihrem Umfang nach mit der zu leistenden Ausgleichszahlung vergleichbar sein, um diese zu ersetzen. Das ergibt sich aus dem Kontext der Vorschrift und der Tatsache, dass nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift und des Art. 5 (1) nicht nur Unterstützungsleistungen, sondern Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen angeboten worden sein müssen. Erkennbar soll hier nur ausgeschlossen werden, dass Anspruchsteller neben der in den Gemeinschaftsländern ihnen zustehenden Ausgleichsleistung gleichwertige Leistungen, sei es freiwilliger Art oder aufgrund anderweitiger Vorschriften, erhalten.

4.

20. Den Klägern steht die geltend gemachte Ausgleichzahlung zu, obwohl ihr Flug nicht annulliert, sondern verspätet war. Nach der inzwischen überwiegend anerkannten Rechtsprechung des EuGH besteht im Falle großer Verspätung der Ausgleichsanspruch analog der Flugannullierung. Jener Rechtsprechung kommt auch in diesem Rechtsstreit aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Auslegungsmonopol des EuGH im Bereich des europäischen Verordnungsrechtes faktische Bindungswirkung zu, sodass sich das erkennende Gericht ihr im Ergebnis und unter Bezugnahme auf die in den eingangs zitierten Entscheidungen dargelegten Gründe anschließt.

5.

21. Der Höhe nach sind die Ansprüche der Kläger nicht streitig.

22. Die Zinsansprüche der Kläger sind gemäß §§ 286, 288 BGB begründet.

23. Da die Klagansprüche begründet sind, ist das Versäumnisurteil vom 21.06.2013 zu Recht ergangen; der Einspruch kann keinen Erfolg haben.

II.

24. Den prozessualen Hilfsanträgen der Beklagten war nicht zu entsprechen. Im Einzelnen:

1.

25. Eine Aussetzung des Verfahrens und Anrufung des EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens ist nicht erforderlich. Zum einen sind die Auslegungsfragen, die die Beklagte dem Gericht vorgelegt haben möchte, durch die bereits zitierten Entscheidungen bereits insoweit hinreichend beantwortet, als sie in diesem Rechtsstreit überhaupt entscheidungserheblich sind. Zum anderen besteht auch keine Verpflichtung zur Anrufung des EuGH im Sinne von Art. 267 Abs. 3 AEUV, weil dieses Urteil kein letztinstanzliches Urteil ist, sondern mit den Rechtsmitteln der ZPO angefochten werden kann.

2.

26. Eine Aussetzung des Verfahrens und Anrufung des BVerfG im Wege des konkreten Normenkontrollverfahrens kommt nicht in Betracht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gericht ein anzuwendendes Gesetz für grundgesetzwidrig hielte; das ist indessen nicht der Fall. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus einer europarechtlichen Norm, die grundsätzlich der Normenkontrolle des EuGH und nicht des BVerfG unterliegt.

3.

27. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor, da die Beschwer nicht unter 600 EUR liegt (§ 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ZPO).

III.

28. Da sich der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil als nicht begründet erweist, war das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten, § 343 S. 1 ZPO.

29. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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