Verspätung des Weiterfluges

AG Rüsselsheim: Verspätung des Weiterfluges

Ein Urlauber bucht einen Linienflug von Thailand nach Frankfurt über Bahrain. Weil der Flieger in Bahrain erst mit 13-stündiger Verspätung weiterfliegen konnte, verlangt der Fluggast eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung.
Die Airline weigert sich der Zahlung. Da die Maschine in Thailand rechtzeitig gestartet sei, sei keine Abflugverspätung ersichtlich.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat dem Kläger Recht zugesprochen. Eine Abflugverspätung sei nicht in Thailand, wohl aber in Bahrain eingetreten. Anders als von der Beklagten dargelegt, würden Zubringer- und Anschlussflug keine Einheit darstellen.

AG Rüsselsheim 3 C 374/11 (36) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 17.08.2011
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 17.08.2011, Az: 3 C 374/11 (36)
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Hessen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Rüsselsheim

1. Urteil vom 17. August 2011

Aktenzeichen: 3 C 374/11 (36)

Leitsatz:

2. Verspäteter Anschlussflug begründet Abflugverspätung.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender buchte bei einem privaten Luftfahrtunternehmen einen Flug von Thailand über Bahrain nach Frankfurt. Nachdem die Maschine rechtzeitig in Thailand gestartet war, verzögerte sich der Weiterflug in Bahrain um mehr als 13 Stunden. Der Fluggast verlangt nun eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 VO.

Die Gesellschaft weigert sich der Zahlung. Eine tatbestandlich vorausgesetzte Abflugverspätung sei vorliegend nicht ersichtlich. Da die Maschine rechtzeitig in Thailand gestartet sei, könne die zeitliche Verzögerung in Bahrain nicht zu einem Ausgleichsanspruch führen.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat dem Fluggast Recht zugesprochen. Nach Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung seien Fluggäste bei einer Verspätung von mehr als 3 Stunden in angemessener Weise zu entschädigen. Die hier gemeinte Abflugverspätung beziehe sich, im Falle eines Etappenfluges, nicht lediglich auf den zeitlich ersten Start.

Vielmehr sei bei jeder Zwischenlandung zu überprüfen, ob die Abflugzeit mit dem angekündigten Startzeitpunkt übereinstimmt. Bei einer Differenz von mehr als 3 Stunden, ist der Fluggast entsprechend zu entschädigen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils EUR 600,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.02.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) EUR 155,30 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um die Zahlung von Ausgleichsansprüchen nach der Verordnung (EG) 261/2004 (nachfolgend „VO“ genannt) sowie um den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.

6. Die Kläger buchten eine Pauschalreise bei dem Reiseveranstalter …, in deren Rahmen die Beklagte den Transport von Phuket, Thailand, nach Frankfurt am Main am 25.11.2009, 9:35 Uhr (Flug DE 2369), durchführen sollte. Für die Flugbeförderung war planmäßig vorgesehen, dass die Maschine zunächst von Phuket nach Bahrain und von dort um 13:55 Uhr weiter nach Frankfurt am Main fliegen sollte, wo die Ankunft für 18:40 Uhr vorgesehen war. Die Kläger verfügten für den Flug von Bahrain nach Frankfurt am Main über Sitzplatzreservierungen, für die sie jeweils EUR 15,00 aufgewendet hatten.

7. Der Flug von Phuket nach Bahrain erfolgte pünktlich. Der Weiterflug von Bahrain nach Frankfurt am Main wurde mit einer Abflugverspätung von 13 h und einer entsprechenden Ankunftsverspätung durchgeführt. Hierbei wurden die Sitzplätze nicht entsprechend den Reservierungen vergeben. Die Flugentfernung von Bahrain nach Frankfurt am Main betrug über 3500 km.

8. Die Kläger machten ihre Ansprüche mit Schreiben vom 21.12.2009 außergerichtlich gegenüber Beklagten geltend. Die Beklagte lehnte Ansprüche der Kläger mit Schreiben vom 10.02.2010 weitestgehend ab, übersandte aber einen Scheck über EUR 120,00, welchen die Kläger nicht eingelösten. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger machte die Ansprüche sodann mit Schreiben vom 08.11.2011 geltend.

9. Die Kläger behaupten, dass ihnen aus der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung ein Schaden in Form ordnungsgemäß abgerechneter Rechtsanwaltsgebühren – einschließlich einer 0,3 Erhöhungsgebühr in Höhe von EUR 185,64 entstanden sei. Die Rechtsschutzversicherung der Kläger habe diese Gebühr – dies unstreitig – an den Prozessbevollmächtigten der Kläger gezahlt und die Geltendmachung durch die Kläger im eigenen Namen gestattet.

10. Die Kläger haben zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils EUR 615,00 nebst Zinsen zu zahlen und sie von Kosten ihres vorgerichtlichen tätigen Prozessbevollmächtigten in Höhe von EUR 185,64 freizustellen.

11. Die Kläger beantragen die Beklagte zu verurteilen an die Kläger jeweils EUR 615,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.02.2010 zu zahlen, an den Kläger zu 1) EUR 185,64 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

13. Die Beklagte erklärt die Anrechnung im Hinblick auf die geltend gemachten Schadensersatzansprüche, auf die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, auf vom Reiseveranstalter etwaig gezahlte Minderungsbeträge sowie auf vorgerichtlich per Scheck zur Verfügung gestellte EUR 120,00 nach Art. 12 VO. Sie meint, dass es an einer Abflugverspätung fehle, da der Flug in Phuket pünktlich gestartet sei.

Entscheidungsgründe:

14. Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Die Klageänderung vom 03.05.2011 ist zulässig, da sie sachdienlich ist.

15. Die Klägerseite hat einen Anspruch auf Leistung von Ausgleichszahlungen in der geltend gemachten Höhe gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c) Verordnung (EG) 261/2004 (nachfolgend {„2}VO“ genannt). Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 (Aktenzeichen C-402/07 und C-432/07) sowie des BGHs vom 18.02.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 95/06) sind die Art. 5, 6 und 7 VO dahin auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 h oder mehr erleiden, ihr Ziel also nicht früher als 3 h nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Die Klägerseite kann die Ausgleichszahlung beanspruchen, da sie ihr Ziel später als 3 h nach der geplanten Ankunftszeit erreicht hat.

16. Vorliegend ist auch eine erhebliche Abflugverspätung von über 3 h gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass Gegenstand der Buchung eine Beförderung von Phuket nach Frankfurt am Main via Bahrain war und dass der Flug von Phuket nach Bahrain ohne Verspätung gestartet ist. Als {„2}Flug“ im Sinne der VO ist vorliegend nicht die Reise von Phuket nach Frankfurt am Main via Bahrain, sondern die Beförderung von Phuket nach Frankfurt am Main zu erblicken.

17. Ein {„2}Flug“ im Sinne der VO ist nicht mit der Flugreise gleichzusetzen, die der jeweilige Fluggast unternimmt. Vielmehr ist unter einem {„2}Flug“ im Sinne der VO die einzelne {„2}Einheit“ an der Luftbeförderung, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, zu verstehen (so auch BGH NJW 2009, 2740 ff., BGH NJW 2009, 2743 ff., EuGH C-173/07, Rz. 32, 40, im Ergebnis wohl auch BGH, Urteil vom 14.10.2010, Xa ZR 15/10, Rz. 32 ff.).

18 Die VO selbst definiert den Begriff des Fluges nicht. Aus der Verwendung des Begriffes {„2}Flug“ in Art. 2 h) VO wird jedoch deutlich, dass die Verordnung von einer Segmentierung einer Reise in {„2}(Erst-)Flug“ und {„2}Anschlussflug“ ausgeht. Der Begriff {„2}Endziel“ wird unter ausdrücklicher Berücksichtigung von {„2}Anschlussflügen“ als Zielort des {„2}letzten“ Fluges definiert, so dass eine Reise mit Endziel begriffsnotwendig in mehrere {„2}Flüge“ zu zerteilen ist. Dass es bei der Bestimmung eines {„2}Fluges“ im Sinne der VO auf eine identische Flugnummer oder aber den Hintergrund der Zwischenlandung (Betankung, Zu- oder Ausstieg von Fluggästen etc.) oder darauf ankommt, welches Unternehmen den Flug durchführt, lässt sich der VO nicht entnehmen.

19. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, der unter dem Begriff {„2}Flug“ nicht in die gesamte (Hin- oder Rück-)Reise, sondern den Transport mit einem Fluggerät von Flughafen A nach Flughafen B versteht. Erfolgt hierauf ein Weitertransport von Flughafen B nach Flughafen C, ist allgemein vom {„2}Anschluss-“ bzw. {„2}Folgeflug“ oder auch schlicht vom {„2}nächsten Flug“ die Rede.

20. Nicht ausschlaggebend für die Bestimmung des Begriffs {„2}Flug“ ist, dass Erst- und Folgeflug hier Teil eines Vertrags waren und gemeinsam gebucht wurden. Dieser Umstand führt nicht dazu, dass der Erst- und Folgeflug in einem besonders engen und unauflöslichen Verhältnis zueinander stehen (so auch AG Düsseldorf, Urteil vom 08.04.2008, 23 C 14910/07). Nach den allgemeinen Erfahrungen ist es regelmäßig möglich, die einzelnen Einheiten einer Flugreise separat oder auch zeitlich versetzt – mit einem längeren Aufenthalt am Ort der Zwischenlandung – zu buchen.

21. Ein über die Ausgleichsansprüche hinausgehender Schadensersatzanspruch in Höhe von jeweils EUR 15,00 steht den Klägern nicht zu. Von der Beklagten geschuldeten Ausgleichsansprüche der Kläger sind auf weitergehende Ersatzansprüche nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 VO anzurechnen.

22. Dies führt dazu, dass von den behaupteten Schadenersatzansprüchen die zu erbringenden Ausgleichsleistungen – hier insgesamt EUR 1200,00 – in Abzug zu bringen sind. Dieser Abzug hat unabhängig davon zu erfolgen, ob die Schadensersatzansprüche die Gesamthöhe der zu gewährenden Ausgleichsleistung übersteigen. Der in Art. 12 Abs. 1 S. 1 VO verwendete Terminus {„2}weitergehend“ ist nicht betragsmäßig zu verstehen, sondern bezieht sich – wie sich aus den anderen Sprachfassungen der Verordnung in der Gesamtschau mit S. 2 dieser Vorschrift deutlicher ergibt (englisch: {„2}further compensation“/{„2}compensation granted under this Regulation“; französisch: {„2}indemnisation complémentaire“/{„2}L{‚1}indemnisation accordée en vertu du présent règlement“; niederländisch: {„2}verdere compensatie“/{„2}van deze verordening toegekende compensatie“) – auf einen inhaltlich {„2}weiteren“ und damit unabhängig von der VO bestehenden Schadenersatz. Entsprechendes gilt im Hinblick auf den vorzunehmenden Abzug, der in der deutschen Sprachfassung missverständlich als {„2}Anrechnung“ bezeichnet wird, in den anderen Sprachfassungen aber ausdrücklich als Abzug der Ausgleichsleistung vom (inhaltlich) weitergehenden Schadenersatz benannt ist (englisch: {„2}be deducted“; französisch: {„2}etre deduite“; niederländisch: {„2}in mindering worden gebracht“).

23. Auch aus dem Sinn und Zweck von Art. 12 VO folgt, dass ein Abzug der Ausgleichsleistung vom Schadenersatzanspruch zu erfolgen hat und dass es auf die {„2}Richtung“ der Anrechnung nicht ankommen kann. Dabei ist hinzunehmen, dass der Abzug der Ausgleichsleistung von einem betragsmäßig geringeren Schadenersatz gegebenenfalls zu einem negativen Ergebnis kommt; in diesem Fall ist nur die Ausgleichsleistung zu gewähren. Sollte man anders verfahren und eine Anrechung nach Art. 12 VO nur {„2}in eine Richtung“ bei einem betragsmäßig höheren Schadenersatzanspruch zulassen, wäre es vom bloßen Zufall abhängig, ob die Anrechnung durchzuführen ist oder nicht; bei einem eingetretenen Schaden von EUR 599,00 würde ein Fluggast diesen Betrag sowie eine Ausgleichszahlung von EUR 600,00 erhalten und wäre trotz eines geringeren Schadens und entgegen der Zielrichtung der Norm gegenüber dem Fluggast bevorteilt, der bei einem eingetretenen Schaden von EUR 601,00 aufgrund der durchzuführenden Anrechnung nach Art. 12 VO insgesamt nur diesen Betrag erhalten würde.

24. Eine Anrechnung etwaiger Zahlungen des Reiseveranstalters nach Art. 12 VO ist indessen nicht durchzuführen. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist unsubstantiiert. Der Vortrag der Beklagten erfolgt ersichtlich ins Blaue hinein und ist nicht zu berücksichtigen, da überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte für solche Zahlungen mitgeteilt werden. Der übersandte Verrechnungsscheck ist ebenfalls nicht nach Art. 12 VO zu berücksichtigen, da die Kläger dessen Einlösung abgelehnt haben.

25. Die Kläger können auch Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten in angemessenem Rahmen als Verzugsschaden verlangen, §§ 280 Abs. 1, 286 BGB. Bei Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klägerseite war die Beklagte mit der Leistung der Ausgleichszahlungen bereits im Verzug. Die Ausgleichszahlungen waren unmittelbar fällig; der Verzug ist spätestens durch die Ablehnung der Ansprüche durch die Beklagte am 10.02.2010 eingetreten. Ein Verschulden der Beklagten am Verzug wird vermutet, § 286 Abs. 4 BGB.

26. Die Klägerseite hat den Ersatzanspruch im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zulässigerweise im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht. Inhaberin der Erstattungsansprüche ist nach § 86 VVG die … Rechtsschutzversicherung AG. Diese und die Klägerseite haben jeweils ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Prozessführung. Die Beklagte ist durch die Prozessführung im Rahmen gewillkürter Prozessstandschaft auch nicht unzumutbar in ihren schutzwürdigen Belangen beeinträchtigt. Die … Rechtsschutzversicherung AG hat den Kläger ausdrücklich zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt.

27. Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten überschreiten allerdings die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und stellen nur teilweise einen kausalen und adäquaten Verzugsschaden dar. Die Voraussetzungen einer Erhöhung der Geschäftsgebühr um 0,3 nach Nr. 1008 RVG-VV sind nicht gegeben, da diese voraussetzt, dass der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für die verschiedenen Auftraggeber derselbe sein muss. Hier liegen verschiedene Gegenstände vor, da die geltend gemachten Ausgleichsleistungen unabhängig voneinander geschuldet werden. Mit der Bestimmung der Rechtsanwaltsgebühren auf insgesamt 1,6 Gebühren im vorliegenden Fall wird das billige Ermessen des Rechtsanwalts überschritten. Selbst bei Berücksichtigung des allgemein anerkannten Toleranzspielraums von 20 % (Mayer/Kroiß, RVG, 2009, § 14, Rn. 54 m. w. N.) ist die Bestimmung der Rechtsanwaltsgebühren vorliegend überzogen und die Billigkeitsgrenze in der Gesamtabwägung überschritten. Die Frage der Angemessenheit/Billigkeit der festgesetzten Rechtsanwaltsgebühren konnte das Gericht selbst entscheiden; der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer bedurfte es im vorliegenden Rechtsstreit mit einem erstattungspflichtigen Dritten nicht (so auch OLG Düsseldorf, Az. 1 U 198/07, Urteil vom 10.03.2008; Mayer/Kroiß, RVG, 2009, § 14, Rn. 59 m. w. N.)

28. Es kann dahinstehen, ob seitens des Prozessbevollmächtigten der Kläger eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung erfolgt ist. Die Rechnungsstellung nach § 10 Abs. 1 RVG ist nur für die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten maßgeblich und ohne Bedeutung für die Fälligkeit des Anspruchs – insbesondere im Hinblick auf einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch (OLG München, Az. 10 U 2476/06, Beschluss vom 19.07.2006). Wie sich aus § 10 Abs. 3 RVG ergibt, steht eine fehlende Rechnungsstellung einem materiellrechtlichen Anspruch des Rechtsanwalts nicht entgegen; dieser entsteht bereits mit dem ersten Tätigwerden des Anwalts und wird gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erledigung des Auftrags oder der Beendigung der Angelegenheit – unabhängig von einer Rechnungsstellung – fällig.

29. Eine Anrechnung der Ausgleichsansprüche auf die Rechtsanwaltskosten findet nicht statt, da diese nur im Hinblick auf weitergehende Schadensersatzansprüche in Betracht kommt, die ihre Ursache ebenfalls in der Flugverspätung haben. Grundlage des Ersatzanspruchs im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten ist allerdings der eingetretene Verzug der Beklagten und nicht die Flugverspätung selbst.

30. Der Zinsanspruch ist begründet gemäß §§ 280 Abs. 1, 286, 288 Abs. 1 BGB.

31. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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