Hostel mit Hotelstandard

LG Arnsberg: Hostel mit Hotelstandard

Die Kläger fordern eine Reisepreisminderung von der Beklagten, einer Reiseveranstalterin, weil eine Unterkunft, die sie aus der „Hotel- und Appartementliste“ der Beklagten ausgesucht und gebucht hatte, keinen Hotelstandrad aufwies. Die Kläger stellten nach der Ankunft fest, dass es sich bei dem betreffenden Hostel in Helsinki um eine gewöhnliche Jugendherberge mit 2 Sanitäranlagen pro 27 Zimmern und Jugendherbergskost handelte. Sie sehen in diesem Umstand einen Reisemangel. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Kläger die Mängel vor Ort hätten anzeigen müssen.

Das Landgericht Arnsberg hält die Klage für begründet. Die Unterkunft sei als mangelhaft i. S. d. § 651 d Abs. 1 BGB zu bewerten und den Klägern stehe demnach ein Anspruch auf Reisepreisminderung i. H. v. 20 % des gezahlten Reisepreises gem. § 651 a ff zu.  Reisende, die ein Objekt aus einer „Hotel- und Appartementliste“ buchen, dürften zurecht davon ausgehen, dass dieses auch einen Hotelstandard haben würde. Im vorliegenden Fall sei eine Mängelanzeige entbehrlich gewesen, weil eine Abhilfe seitens der Beklagten unmöglich gewesen wäre.

LG Arnsberg 5 S 115/06 (Aktenzeichen)
LG Arnsberg: LG Arnsberg, Urt. vom 27.02.2007
Rechtsweg: LG Arnsberg, Urt. v. 27.02.2007, Az: 5 S 115/06
AG Medebach, Urt. v. 17.08.2006, Az: 3 C 304/05
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Landgericht Arnsberg

1. Urteil vom 27. Februar 2007

Aktenzeichen: 5 S 115/06

Leitsatz:

2. Werden Hostels durch einen Reiseveranstalter in einem Katalog mit Hotels eingebunden, so darf von dem Hostel auch ein Hotelstandart erwartet werden.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger buchten bei der Beklagten, einer Reiseveranstalterin, ein Hostel in Helsinki. Dieses Hostel haben die Kläger aus der „Hotel- und Appartementliste“ der Beklagten ausgesucht und erwarteten dem entsprechend auch ein Hotelstandart. Nach der Ankunft im betreffenden Hostel in Helsinki stellte sich diese als Jugendherberge mit 2 Sanitäranlagen pro 27 Zimmern und Jugendherbergsessen heraus. Nach ihrer Rückkehr zeigten die Kläger die Mängel bei der Beklagten an und verlangten eine Reisepreisminderung. Die Beklagte erwiderte, dass die Kläger die Mängel hätten vor Ort anzeigen müssen.

Das Landgericht Arnsberg hält die Klage für begründet und weist die Berufung der Beklagten zurück. Das Amtsgericht Medebach habe richtig entschieden, dass die Unterkunft mangelhaft i. S. d. § 651 d Abs. 1 BGB war und den Klägern demnach einen Anspruch auf Reisepreisminderung i. H. v. 20 % des gezahlten Reisepreises gem. § 651 a ff zustehe.

Die Käger seien zurecht davon ausgegangen, dass das Objekt, das sie aus einer „Hotel- und Appartementliste“ der Beklagten gebuchten hatten, auch einen Hotelstandard haben würde. Im Regelfall seine Mängelanzeigen zwar unentbehrlich, um Ansprüche auf Reisepreisminderungen zu erhalten. Im vorliegenden Fall sei eine Mängelanzeige indes nicht nötig gewesen, weil eine Abhilfe seitens der Beklagten in jedem Fall unmöglich gewesen wäre.

Tenor:

4. Die Berufung der Beklagten gegen das am 17. August 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Medebach (Aktenzeichen: 3 C 304/05) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

I.

5. Der Kläger buchte für sich und vier Mitreisende anlässlich der in Helsinki stattfindenden Leichtathletikweltmeisterschaft für die Zeit vom 07. August bis 16. August 2005 einen Hotelaufenthalt. Vor der Buchung übersandte die Nebenintervenientin dem Kläger auf seine Anfrage eine Hotelliste. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der bei den Akten befindlichen Liste Bezug genommen. Der Kläger wählte aus der untersten Hotelkategorie (Hotels und Appartements) das „X3“ aus.

6. Der Kläger bezahlte die Rechnung der Beklagten in Höhe von 4.831,00 €.

7. Unstreitig ist das X3 eine Jugendherberge. Während des Aufenthalts des Klägers und seiner vier Mitreisenden waren die Zimmer sauber aber einfach. Sie verfügten über keine eigene Dusche und Toilette; vielmehr gab es jeweils pro Etage mit 27 Zimmern zwei Toiletten und Duschen. Das Frühstück war Jugendherbergskost.

8. Der Kläger hat unter Vorlage der Preisliste von X3 den Differenzbetrag zwischen dem Preis, der nach der Preisliste von X3 zu zahlen gewesen wäre, und dem Reisepreis, den er gezahlt hat, verlangt. Insgesamt hat er für fünf Personen Rückzahlung von 3.294,00 € begehrt. Dabei hat er die Ansicht vertreten, er sei allein aktivlegitimiert, vorsorglich hat sich der Kläger jedoch die Ansprüche der Mitreisenden abtreten lassen.

9. Das Amtsgericht hat am 14. Dez. 2005 ein Versäumnisurteil erlassen, durch welches die Beklagte antragsgemäß verurteilt wurde. Nach Einspruch und Verhandlung hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil in Höhe von 936,00 € aufrecht erhalten und die Klage im übrigen abgewiesen.

10. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Kläger habe gem. § 651 d Abs. 1 BGB einen Minderungsanspruch, da die Unterbringung mangelhaft gewesen sei. Geschuldet sei nämlich nach dem Reisevertrag die unterste Hotelkategorie, wobei die Unterbringung tatsächlich in einer Jugendherberge erfolgt sei. Die hiermit verbundene Komforteinbuße hat das Amtsgericht mit 20 % des Reisepreises von 4.815,00 € (= 936,00 €) angenommen.

11. Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie vollständige Klageabweisung erstrebt. Zur Begründung trägt sie vor, eine Minderung scheide gem. § 651 d Abs. 2 BGB aus, da keine Mängelanzeige seitens des Klägers vorgetragen sei. Eine Mängelrüge sei auch nicht entbehrlich. Ferner habe das Amtsgericht rechtsfehlerhaft bei der Berechnung der Minderung den Gesamtreisepreis und nicht lediglich den Reisepreis des Klägers zugrundegelegt. Eine solche Berechnung sei jedoch unzulässig, da bei der Buchung weder eine Familienreise noch eine Reise für eine Wirtschaftseinheit gebucht worden sei, so dass die Beklagte lediglich von einer Stellvertretung durch den Kläger habe ausgehen können. Schließlich hat die Beklagte behauptet, die Unterbringung sei wie nach dem Reisevertrag geschuldet erbracht worden, da der Kläger kein Hotel, sondern ein „Hostel“ gebucht habe. Im übrigen sei die Minderung von 20 % weit überzogen.

12. Der Kläger verteidigt das Urteil. Er hält eine Mängelrüge für entbehrlich und behauptet dazu, eine Abhilfe durch die Beklagte sei nicht möglich gewesen; im übrigen habe die Beklagte vor Ort keine Ansprechpartner zur Verfügung gestellt.

Entscheidungsgründe:

II.

13. Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt im Ergebnis erfolglos. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht dem Kläger gem. §§ 651 a ff., 651 d Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung seines Reisepreises in Höhe von 936,00 € zuerkannt.

14. Soweit das Amtsgericht die Anwendung des Reisevertragsrechtes unter Hinweis auf die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (NJW-RR, 1993, 124) auch bei Buchung bloßer Hotelunterkunft angenommen hat, ist dies in der Berufung zu Recht nicht mehr angegriffen worden.

15. Der Kläger ist jedenfalls durch die Anspruchsabtretung aktivlegitimiert in Bezug auf Minderungsansprüche sämtlicher Mitreisenden.

16. Dem Kläger und seinen Mitreisenden stehen Minderungsrechte gem. § 651 d Abs. 1 BGB zu, da die Reise mit einem Mangel im Sinne des § 651 c Abs. 1 BGB behaftet war. Der Mangel besteht darin, dass die Unterbringung des Klägers und seiner Mitreisenden unstreitig in einer Jugendherberge erfolgte, obwohl die Unterkunft auf der dem Kläger zur Verfügung gestellten Hotelliste unter dem Oberbegriff „Hotels und Appartements“ rangierte. Da die vorgenannte Hotelliste und ihre Beschreibung Grundlage der späteren Buchung des Klägers war, ist die Beschaffenheit der Unterkunft als „Hotel“ Inhalt des Reisevertrages geworden. Tatsächlich handelte es sich bei dem „X3“ aber nicht um ein Hotel oder Appartement der untersten Kategorie, sondern um eine Jugendherberge, die insbesondere keine separaten Duschen / WC’s im Zimmer hatte. Einen derartigen Komfort konnten der Kläger und seine Mitreisenden indes verlangen. Denn bei der Auslegung der gebuchten Reise ist auf objektive Durchschnittsanforderungen oder die Sicht und die Erwartungen des Durchschnittsreisenden abzustellen (vgl. Münchener Kommentar – Tonner, BGB, 4. Aufl., § 651 c Rd.-Nr. 9 a. E.). Die Kammer ist der Auffassung, dass der Kläger trotz des Namens „X3“ und der Tatsache, dass „Hostel“ übersetzt Herberge heißt, nicht von einer Jugendherbergsunterbringung ausgehen musste, sondern aufgrund der überreichten Hotelliste ein Hotel oder Appartement der einfachen Sorte erwarten konnte und durfte. Gegenüber diesen berechtigten Erwartungen ist die tatsächlich erbrachte Unterbringung zurückgeblieben, so dass ein Mangel vorliegt.

17. Das Amtsgericht hat zu Recht eine Mängelanzeige im Sinne des § 651 d Abs. 2 BGB als formelle Entstehungsvoraussetzung für ein Minderungsrecht für entbehrlich gehalten. Zu der Rechtsfrage, wann ausnahmsweise keine Mängelanzeige erforderlich ist, hat die Rechtsprechung einen Katalog entwickelt, wonach u. a. dann eine Mängelanzeige entbehrlich ist, wenn eine Abhilfe nicht möglich ist (Münchener Kommentar, aaO., § 651 d Rd.-Nr. 12 m. w. N.). Soweit die Beklagte sich hinsichtlich ihrer abweichenden Rechtsmeinung auf die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (RRA 2001, 51) stützt, teilt die Kammer die dort geäußerte Rechtsansicht nicht. Denn das Verlangen nach einer Mängelrüge auch bei nicht behebbaren Mängeln erscheint der Kammer als reine Förmelei.

18. Schließlich hat der Kläger für sich und seine Mitreisenden die Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 BGB gewahrt. Nach der vorgenannten Norm hat der Reisende innerhalb eines Monats nach Beendigung der Reise Minderungsansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. Mit Anwaltsschreiben jeweils vom 22. August 2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber der Streitverkündeten Ansprüche angemeldet. Diese Anspruchsanmeldung des Klägers, die unstreitig fristgerecht erfolgte, wirkte auch für die vier Mitreisenden. Der Beklagten ist zwar zuzubilligen, dass grundsätzlich die Erklärung vom Anspruchsinhaber, d. h. in der Regel vom Reisenden selbst abzugeben ist (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 651 g Rd.-Nr. 2). Hierbei bemisst sich die Anspruchsinhaberschaft gem. § 651 a BGB danach, wer Vertragspartner des Reisevertrages ist. Zwar hat er Kläger die Reise für alle Mitreisenden gebucht und bezahlt, aber nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (NJW-RR 2004, 1285 ff.) ist bei einer Reisegruppe davon auszugehen, dass die einzelnen Reisenden Vertragspartner des Reisevertrages werden; etwas anderes gilt nur für Familienangehörige. Dementsprechend mussten zwar grundsätzlich alle Reisenden – nicht nur der Kläger – eine Erklärung nach § 651 g Abs. 1 BGB abgeben. Allerdings ist insoweit nach den allgemeinen Regeln eine Stellvertretung möglich, die der Kläger hier für seine Mitreisenden ausgeübt hat. Denn aus dem klägerischen Schreiben geht hervor, dass sein Prozessbevollmächtigter zwar ausdrücklich nur ihn vertritt; allerdings werden die Ansprüche der gesamten Reisegruppe beziffert. Hieraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass der Kläger zwar nicht ausdrücklich als Stellvertreter seiner Mitreisenden auftrat, sich aber konkludent im Sinne von § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB aus dem Inhalt des Schreibens die Stellvertretung des Klägers für die übrigen Reisenden ergibt. Somit hat der Kläger für alle Anspruchsinhaber die Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 BGB gewahrt.

19. Das Amtsgericht hat die Höhe der Minderung zutreffend mit 20 % angesetzt. Diese Minderungshöhe hält sich im angemessenen Bereich. Der Kläger hat den allgemeinen geringeren Standard der Jugendherberge nachvollziehbar gegenüber einem Hotel der untersten Kategorie dargelegt. Diese Darlegungen sind – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch hinreichend substantiiert. Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg.

20. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 708 Nr. 10 ZPO.

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