Vorauszahlung bei Direktbuchung

BGH: Vorauszahlung bei Direktbuchung

Eine Veranstalterin von Sprachreisen wird von einem Verbraucherschutzverein verklagt. Dieser fordert, dass die Reiseveranstalterin Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) streiche, die von Kunden eine Begleichung der gesamten Reisekosten schon vor Antritt der Reise erwartet.

Der BGH gibt der Klage des Verbraucherschutzvereins statt. Die Kunden der Reiseveranstalterin verlieren durch die Klausel der AGB ein wichtiges Druckmittel gegen die Reiseveranstalterin, mit dem sie auch gegen das Risiko der Insolvenz der Reiseveranstalterin versichert sind. Deshalb hat die Reiseveranstalterin die entsprechenden Klauseln aus ihren AGB zu streichen.

BGH VII ZR 36/92 (Aktenzeichen)
BGH: BGH, Urt. vom 23.12.1991
Rechtsweg: BGH, Urt. v. 23.12.1991, Az: VII ZR 36/92
OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.09.1992, Az: 18a U 60/91
LG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 29.06.1990, Az: 6 O 612/89
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BGH-Gerichtsurteile

Bundesgerichtshof

1. Urteil vom 24. September 1992

Aktenzeichen VII ZR 36/92

Leitsatz:

2. Die AGB einer Reiseveranstalterin dürfen keine Klauseln enthalten, die von den Kunden Vorauszahlungen verlangen, ohne dass diesem im Gegenzug zumindest Reiseunterlagen übermittelt werden.

Zusammenfassung:

3. Ein Verbraucherschutzverein klagt gegen die AGB einer Veranstalterin von Sprachreisen. Diese enthielten Klauseln, die von Kunden eine Begleichung der gesamten Reisekosten schon vor Antritt der Reise erwartet, wodurch die Kunden gegenüber der Veranstalterin unzulässig benachteiligt würden.

Der BGH gibt der Klage des Verbraucherschutzvereins statt. Die Kunden der Reiseveranstalterin verlieren durch die Vorleistungsklausel der AGB ein wichtiges Druckmittel gegen die Reiseveranstalterin. Auch würden sie sich unzureichend gegen das Risiko der Insolvenz der Reiseveranstalterin geschützt. Die Reiseveranstalterin hat die entsprechenden Klauseln aus ihren AGB zu streichen.

Tatbestand:

4. Die Beklagte veranstaltet Sprachreisen. Sie legte den von ihr abgeschlossenen Reiseverträgen bis zum Jahre 1989 Reise- und Teilnahmebedingungen zugrunde, die unter anderem die folgenden Regelungen enthielten:

5.“1. Zahlungen/Reiseunterlagen

6. Die Anzahlung beträgt 10 % des Reisepreises. Etwa zwei Wochen vor Reisebeginn liegen die Reiseunterlagen in Ihrem Reisebüro abholbereit vor. Sie werden Ihnen gegen Zahlung des restlichen Reisepreises ausgehändigt. Haben Sie Ihre Buchung direkt bei SSF-Sprachreisen getätigt, so werden die Reiseunterlagen entsprechend ausgehändigt oder umgehend nach Eingang Ihrer Restzahlung übersandt.

7. 3. Mitwirkungspflicht/Gewährleistung

8. a) Sie sind im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, bei eventuell auftretenden Leistungsstörungen alles Ihnen Zumutbare zu tun, um zu einer Behebung der Störung beizutragen und eventuell entstehenden Schaden gering zu halten oder zu vermeiden.

9. Daraus ergibt sich insbesondere die Verpflichtung, Ihre Beanstandungen unverzüglich anzuzeigen. Kommen Sie schuldhaft dieser Verpflichtung nicht nach, so stehen Ihnen Ansprüche insoweit nicht zu.

10. b) Wird die Reise nicht vertragsgemäß erbracht oder haben Sie Beanstandungen, so können Sie Abhilfe verlangen. Wenden Sie sich diesbezüglich an den örtlichen Leistungsträger. Ist dieser nicht erreichbar bzw. sorgt er nicht für Abhilfe, so ist die Beanstandung unverzüglich an SSFSprachreisen (es folgen Anschrift, Telefonnummer, Telefaxnummer und Telexnummer) durch Telegramm, fernschriftlich oder telefonisch zur Kenntnis zu bringen, damit geeignete Maßnahmen ergriffen werden können, die Beanstandungen zu überprüfen und gegebenenfalls die Leistungsstörungen zu beseitigen.“

11. Der Kläger, ein Verein, der sich auch mit Fragen des Verbraucherschutzes befaßt, verlangt von der Beklagten, daß sie die Verwendung der oben angeführten Klauseln unterläßt.

12. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil insoweit abgeändert als hinsichtlich der Klausel 3 a zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Mit der zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen das Berufungsurteil, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Der Kläger erstrebt mit der Anschlußrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

13. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Anschlußrevision des Klägers führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

14. 1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts verstößt Klausel 1 gegen § 9 AGBG. Es könne dem Reisenden nicht zugemutet werden, den Reisepreis vollständig zu bezahlen, ohne daß ihm hinreichende Sicherheiten vor allem gegen das Insolvenzrisiko geboten werden. Die beanstandete Klausel gewährleiste das nicht bei Direktbuchungen. Daß solche selten vorkämen, sei im Verfahren nach § 13 AGBG nicht von Bedeutung. Der Kunde sei im Falle der Direktbuchung bei Zahlung durch Überweisung unangemessen benachteiligt, weil er ein Druckmittel zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung verliere und gegen den Verlust seiner Ansprüche bei einer Krise des Unternehmens der Beklagten nicht gesichert sei.

15. 2. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten ohne Erfolg.

16. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Pflicht des Reisekunden zur Vorleistung, die über eine verhältnismäßig geringe Anzahlung hinausgeht, grundsätzlich nur begründet werden, wenn der Kunde hinreichende Sicherheiten erhält (Senatsurteil vom 12. März 1987 – VII ZR 37/86 = BGHZ 100, 157, 171). Für die Fälligkeit einer über die Anzahlung hinausgehenden Vorauszahlung ist dabei die Beschaffung und Aushändigung von Papieren unerläßlich, die dem Kunden möglichst weitgehend unmittelbare Ansprüche gegen Leistungsträger „verbriefen“ (Senatsurteil vom 12. März 1987 aaO). Diesen Anforderungen muß die Vorleistungsklausel selbst in ihrer Formulierung Rechnung tragen (Senatsurteil vom 12. März 1987 aaO S. 171 f).

17. b) Dem wird die angegriffene Klausel nicht gerecht, sie ist daher gemäß § 9 AGBG unwirksam.

18. Die dem Kunden, der direkt bei der Beklagten gebucht hat, eingeräumte Möglichkeit, sich die Reiseunterlagen gegen Bezahlung am Geschäftssitz abzuholen, stellt für alle Kunden, die in einiger Entfernung vom Geschäftssitz der Beklagten wohnen, keine ernsthafte Wahlmöglichkeit dar. Die Klausel ist daher für diesen Kundenkreis dahin zu verstehen, daß er die Reiseunterlagen unter Verstoß gegen die Rechtsprechung des Senats nur gegen Vorauszahlung erhalten kann.

19. Zu Unrecht will die Revision geltend machen, auch das Verbot der beanstandeten Klausel hindere den Kunden nicht, freiwillig durch Überweisung Vorauszahlung zu leisten. Zu beanstanden ist nicht, daß die Beklagte Vorauszahlungen ohne Sicherung der Gegenleistung entgegennimmt, sondern daß sie sie von einem bestimmten Kundenkreis, der keine realistische Chance hat, sich die Unterlagen bei ihr abzuholen, als Voraussetzung der Erfüllung eigener Verpflichtungen verlangt.

II.

20. 1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts darf die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Fall, daß Beanstandungen beim örtlichen Leistungsträger nicht möglich oder nicht erfolgreich waren, ein Abhilfeverlangen bei ihrer Zentrale nicht ohne Einschränkung verlangen. Die Klausel lasse nach ihrer Formulierung Ausnahmen nicht zu. Damit stelle die Klausel die Rechtslage unzutreffend dar, denn eine solche Verständigung der Zentrale könne überhaupt nur verlangt werden, wenn das für den Reisenden zumutbar sei.

21. 2. Auch die hiergegen gerichteten Angriffe der Beklagten haben keinen Erfolg.

22. a) Für das Verständnis von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist stets die Verständnismöglichkeit des rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden maßgeblich (Senatsurteil vom 15. Juni 1989 – VII ZR 205/88 = BGHZ 108, 52, 60). Durch eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend darstellt und auf diese Weise dem Verwender den Versuch ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die Klausel abzuwehren, wird der Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (Senatsurteil vom 15. Juni 1989 aaO S. 61; BGH, Urteil vom 23. März 1988 – VIII ZR 58/87 = BGHZ 104, 82, 92, 93). Dementsprechend ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel, wonach der Reisende, wenn weder die örtliche Reiseleitung noch eine Kontaktadresse erreichbar sind, ausnahmslos verpflichtet ist, eine Mängelanzeige oder ein Abhilfeverlangen an die Zentrale in Deutschland zu richten, wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam (Senatsurteil vom 15. Juni 1989 aaO S. 61 ff).

23. b) Danach ist auch Klausel 3 b gemäß § 9 AGBG unwirksam. Der juristisch nicht bewanderte Durchschnittskunde kann nach der Formulierung annehmen, daß er beim Auftreten von Mängeln, wenn am Ort nicht abgeholfen wird, ausnahmslos die Beklagte benachrichtigen muß, auch wenn das an sich für ihn unzumutbar ist, und daß er Mängelansprüche verliert, wenn er eine Benachrichtigung versäumt.

24. Es kann hier dahinstehen, ob für die Beklagte eine Verpflichtung besteht, für eine örtliche Reiseleitung oder andere Ansprechpartner an Ort und Stelle zu sorgen. Denn die Beklagte sieht hier als vorrangigen Ansprechpartner den örtlichen Leistungsträger an und setzt bei der Benachrichtigungspflicht voraus, daß Abhilfe durch ihn nicht erfolgt.

25. In solchen Fällen kann der Kunde überhaupt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen nach Treu und Glauben verpflichtet sein, sich an eine Zentrale in Deutschland zu wenden, die aus der Entfernung ohnehin nur beschränkte Einwirkungsmöglichkeit haben wird, einen aufgetretenen Mangel zu beheben (vgl. Senatsurteil vom 15. Juni 1989 – VII ZR 205/88 = BGHZ 108, 52, 62). Regelmäßig kann der Kunde sich vielmehr damit begnügen, den in erster Linie angegebenen örtlichen Leistungsträger anzusprechen. Wenn ihm dann Abhilfe nicht gelingt, dürfen ihm daraus im allgemeinen keine Nachteile entstehen, dies schon gar nicht, wenn ihn an der unterlassenen Benachrichtigung kein Verschulden trifft oder wenn sie sonst unzumutbar ist (Senatsurteil vom 15. Juni 1989 – VII ZR 205/88 = BGHZ 108, 52, 62). Da die Klausel die erforderlichen Einschränkungen auf Ausnahmefälle, Zumutbarkeit und verschuldete Unterlassung der Benachrichtigung nicht enthält, kann sie keinen Bestand haben.

26. Es trifft auch nicht zu, daß sie bei richtigem Verständnis, wie die Revision meint, solche Einschränkungen enthielte oder lediglich eine Mitteilungspflicht formulierte, deren Verletzung erkennbar nicht zu einem Rechtsverlust führen könne. Abschnitt b) der Klausel enthält vielmehr für den unbefangenen Leser eine selbständige Konkretisierung der Benachrichtigungspflicht, die nicht unter den einschränkenden Bedingungen von a) der Klausel steht. Es kann auch keine Rede davon sein, daß in der Klausel für das Verständnis eines Durchschnittskunden nur eine nicht unmittelbar sanktionierte Mitteilungsverpflichtung formuliert wird.

III.

27. 1. Anders als das Landgericht hält das Berufungsgericht die Klausel 3 a) Abs. 2 für uneingeschränkt zulässig. Die Klausel lautet:

28. „Daraus ergibt sich insbesondere die Verpflichtung, Ihre Beanstandung unverzüglich anzuzeigen. Kommen Sie schuldhaft dieser Verpflichtung nicht nach, so stehen Ihnen insoweit Ansprüche nicht zu.“

29. Das Berufungsgericht meint, auch der rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittskunde lasse sich durch eine Klausel dieser Fassung nicht von Schadensersatzansprüchen abhalten, wenn er davon überzeugt sei, eine – unterbliebene – Mängelanzeige sei ohnehin nicht erfolgversprechend, also nutzlos, gewesen.

30. 2. Dagegen wendet sich die Anschlußrevision des Klägers mit Erfolg.

31. Die Klausel ist gemäß § 9 AGBG unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Senats darf eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Rechtslage nicht unzutreffend wiedergeben (Senatsurteil vom 15. Juni 1989 – VII ZR 205/88 = BGHZ 108, 52, 61 unter II. 1 c).

32. Das aber trifft hier zu. Die Klausel läßt Einschränkungen für den Fall der Aussichtslosigkeit von Mängelanzeigen nicht erkennen. Von einem juristisch nicht erfahrenen Kunden kann nicht angenommen werden, daß er die Klausel ohne weiteres mit dieser Einschränkung versteht. Es ist für ihn vielmehr mindestens genau so gut das der Rechtslage nicht entsprechende Verständnis möglich, daß die schuldhafte Fristversäumung in jedem Falle zum Ausschluß von Ansprüchen führen soll. Deshalb erlaubt die angegriffene Klausel es der Beklagten, sich gegen berechtigte Ansprüche unter Hinweis auf angebliche Versäumnisse des Kunden zur Wehr zu setzen.

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