Erkrankung als Rücktrittsgrund

LG Aachen: Erkrankung als Rücktrittsgrund

Eine Urlauberin storniert ihre Reise, wegen Angstzuständen und auftretenden körperlichen Reaktionen in Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001.
Ihre Reiserücktrittsversicherung sieht hierin keinen Hinderungsgrund und verweigert die Kostenübernahme.

Das Landgericht Aachen hat die der klagenden Versicherungsagentur Recht zugesprochen. Ein Rücktritt aufgrund eines Krankheitsfalls sei nur bei einer detaillierten ärztlichen Bescheinigung als zulässiger Hinderungsgrund zu sehen.

LG Aachen 2 S 137/02 (Aktenzeichen)
LG Aachen: LG Aachen, Urt. vom 12.09.2002
Rechtsweg: LG Aachen, Urt. v. 12.09.2002, Az: 2 S 137/02
AG Jülich, Urt. v. 20.03.2002, Az: 9 C 19/02
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Landgericht Aachen

1. Urteil vom 12. September 2002

Aktenzeichen: 2 S 137/02

Leitsatz:

2. Reisekostenrücktrittsversicherung zahlt nur bei Darlegung einer unerwarteten schweren Erkrankung.

Zusammenfassung:

3. Eine Reisende buchte bei einem Reiseunternehmer einen Pauschalurlaub in der Türkei. Als Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 litt sie allerdings unter Panikattacken und psychosomatischen Ausbrüchen. Sie trat noch vor Reisebeginn vom Reisevertrag zurück. Nachdem ihr Hausarzt ihr eine entsprechende Phobie sowie eine akute Gastritis attestiert hatte, forderte sie von ihrer Reiserücktrittsversicherung die von ihr vorerst übernommenen Stornierungspauschale zurück.
Wegen Ungenauigkeiten in der ärztlichen Bescheinigung weigerte sich die Versicherungsagentur der Zahlung.

Das Landgericht Aachen hat der Versicherung Recht zugesprochen. Grundsätzlich sei eine schwere Erkrankung ein ausreichender Grund, um von seinem Recht zum gebührenfreien Reiserücktritt Gebrauch zu machen. Hierfür ist er allerdings erforderlich, dass klar dargelegt wird, in wie fern die Krankheit den Betroffenen an der Reise hindert.

Die gesundheitlichen Beschwerden müssen es ihm dabei, körperlich oder psychisch nachvollziehbar, zumindest schwer möglich machen die empfangene Reiseleistung zu genießen.

Die Beklagte legte hier ein ärztliches Attest mit der Diagnose „Phobie, psychovegetative Dysregulation, akute Gastritis“ vor. Es wurden weder die konkreten Folgen der Krankheit, noch der unmittelbare Zusammenhang mit der bevorstehenden Reise deutlich gemacht. Eine bloße Aufzählung der Krankheitsbilder sei nicht ausreichend, um einen Reiserücktritt zu begründen.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. März 2002 verkündete Urteil.

Die Klage wird abgewiesen

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Gründe

5. Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

6. Anders als das Amtsgericht hält die Kammer einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der an den Reiseveranstalter gezahlten Stornogebühren aus § 1 Nr. 1a der Versicherungsbedingungen der Beklagten nicht für gegeben.

7. Die Klägerin hat nicht darzutun vermocht, daß sie infolge einer unerwarteten schweren Erkrankung nicht in der Lage gewesen ist, die gebuchte Flugreise in die Türkei anzutreten. Insbesondere reichen die von der Klägerin überreichten Atteste des Dr. med. A. I vom 28. September 2001 und vom 05. März 2002 nicht aus, um der Kammer die Überzeugung zu vermitteln, daß es eben eine schwere Krankheit gewesen ist, welche die Klägerin an der Reise gehindert hat.

8. Die im Attest vom 28. September 2001 aufgeführten Diagnosen Phobie, psychovegetative Dysregulation und akute Gastritis sind in keiner Weise näher konkretisiert. Nähere Erläuterungen der Erkrankungen sind auch dem Attest vom 05. März 2002 nicht zu entnehmen. Wegen welcher Art der Phobie die Klägerin am 18. September 2001 erstmals in der Praxis des Zeugen Dr. I vorstellig geworden ist, ist nicht erklärt.

9. Soweit in dem Attest die Herstellung eines Zusammenhangs mit den Ereignissen am 11. September 2001 in den USA hergestellt wird, muß sich die Klägerin entgegenhalten lassen, daß sie selbst einen entsprechenden ursächlichen Zusammenhang zwischen ihrer Erkrankung und den Terroranschlägen in der Klageschrift ausdrücklich in Abrede gestellt hat.

10. Hinzu kommt, daß die von der Klägerin gebuchte Reise in eine gänzlich andere Gegend als etwa in die USA, nämlich in die Türkei, führen sollte, inwiefern dort etwa mit Terroranschlägen gerechnet werden mußte, ist nicht ersichtlich.

11. Im übrigen steht selbst nach der Darstellung im Attest vom 05. März 2002 nicht fest, von welcher Phobie die Klägerin denn eigentlich befallen sein will. Auch für die Vorliegen einer attestierten psychovegetativen Dysregulation im damaligen Zeitpunkt bieten sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zwar läßt sich das Attest vom 05. März 2002 über gravierende psychovegetative Symptome mit erheblichen Schlafstörungen, Schweißneigung als Ausdruck erheblicher psychovegetativer Dysregulation, Kopfschmerzen, allgemeines Unwohlsein, bis hin zu deutlichen Oberbauchschmerzen als Ausdruck psychischen Stresses aus, es wird jedoch weder vorgetragen noch ist anderweit ersichtlich, wann erstmals, mit welcher Häufigkeit in der Folgezeit und in welcher Intensität die attestierten Beschwerden aufgetreten sein sollen.

12. Es fehlt auch jegliche Darlegung dazu, wann und wie die erwähnten Beschwerden erstmals von ärztlicher Seite diagnostiziert worden sind. Entsprechendes gilt für die in den Attesten aufgeführte akute Gastritis. Soweit im Attest vom 05. März 2002 von einer möglichen Verschlimmerung der angegriffenen Gesundheit und der Möglichkeit der Entwicklung eines Magengeschwürs die Rede ist, bewegt sich dies nur im Bereich der Spekulation.

13. Nach allem sieht sich die Kammer jedenfalls nicht in der Lage, davon auszugehen, daß die Klägerin akut krankheitsbedingt die gebuchte Reise nicht hätte antreten können.

14. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

15. Berufungsstreitwert: 1.408,61 Euro.

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